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Zwei Gestalten

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Zwei Gestalten

Zwei Gestalten


1

„Was ist denn hier los?“ war sein erster Gedanke, als das Bewusstsein seinen Anfang fand.
Man mag dies als eine seltsame Geburt für eine Intelligenz empfinden, dieses Gefühl verschwindet aber sofort angesichts der noch viel seltsameren Gestalt des kleinen Wesens, das sich nun aufrappelte um sein Spiegelbild in einer Glasscherbe zu betrachten. Schwarzer Schleim geformt zu einem augen- und ohrenlosen Kopf, zwei Arme (aber keine richtigen Hände), zwei Beine (aber keine richtigen Füße) und etwas, das man wohl als ‚Rumpf’ bezeichnen könnte – das war alles. Traurig blickte er auf die braune Brühe, die hinter der Scherbe lag, Farbe und Konsistenz entsprachen seinem eigenen Körper. Dies musste der Stoff sein, aus dem er entstanden war. Wer aber hatte ihm das Denken gelehrt? Und die Sprache? Wieso konnte er sehen obwohl er gar keine Augen hatte?
„Ich bin nicht wie die anderen“ sprach das Männchen.„Ich bin nicht wie die Menschen, die mich geschaffen haben. Und dennoch bin ich ein Teil von ihnen, denn mit ihren Träumen formten sie mich. Doch war es mir nicht bestimmt aus hellen, schönen, angenehmen Träumen zu bestehen, sondern ich bin die Manifestation des Dunklen, Hässlichen, des Unangenehmen, des Schmerzlichen, der Trauer, des Verlustes, der Melancholie und des Todes.“


„Was ist denn hier los?“war ihr erster Gedanke, als das Bewusstsein seinen Anfang fand. Das Wasser des umgestürzten Glases floss über ein Gemälde, ein Maler fluchte, unten aber sammelte sich die bunte Flüssigkeit und formte sich zu einem Körper. Der Maler jedoch bemerkte das nicht, er fluchte noch einmal, warf das Gemälde gegen die Wand und verließ den Raum. Das kleine elfenhafte Geschöpf, gerade erst aus dem Nichtsein erwacht, betrachtete sich in einem Handspiegel und erfreute sich an der eigenen Gestalt. Diese bunten schillernden Farben!
„Ich bin nicht wie die anderen“ sprach die kleine Elfe „ich bin Freude, Wärme, Mitgefühl, Trost, Licht, Farbe, Leben. Was für ein Glück ich doch habe. Ich werde meine Gaben zu jenen bringen, die sie missen.“


2

Dies war der letzte Tag auf Erden. Die lange Zeit des kalten Krieges war vorüber, um durch den heißen ersetzt zu werden. Interkontinentalraketen durchschnitten die Lüfte, und trafen schließlich ihr Ziel. Gewaltige Explosionen fegten unsere Rasse vom Angesicht des Planeten.

3

Zwei Gestalten wanderten einsam über das missgestaltete Gesicht der Welt, immer auf einander zu, vorangetrieben von der eigenen Natur.


Schon vom weitem entdeckte er die bunte Figur, die sich einen Hügel hinaufkämpfte.

„So viel Schönheit, so viel Grazie, so viel Helligkeit, so viel Andersartigkeit“ dachte er, um aber mürrisch zu rufen „so warte doch! Siehst du mich denn nicht? Ich bin derjenige, den du suchst!“

Die Trauer wich vom Gesicht der kleinen Elfe, war sie doch am Ziel angelangt. Sie vergaß jede Vorsicht und rannte den Hügel hinunter um ihm in die Arme zu fallen.

„Ich bin so glücklich dich gefunden zu haben“.

Sie lachte und umarmte ihn. Ihre Farben leuchteten und schillerten mehr als je zuvor. Nachdem sie sich eine Weile betrachtet und umarmt hatten, sagte sie schließlich:

„Mein Herz ist schwer, sind doch die, die uns geschaffen haben vernichtet.“

„Ich weiß“ antwortete er, „Wir sind alles was geblieben ist. Doch was können wir tun? Unsere Schöpfer sind gegangen, wie könnten wir, die nur ihr Werk sind, das ändern?“.

Sie sah betreten zu Boden:

„ich weiß es nicht“.

Finstre Wolken hingen über den Himmel und die Nacht brach herein. Das kleine Männchen sagte:

„Wir werden morgen darüber nachdenken, nun aber lass uns schlafen, denn wir sind beide erschöpft von der langen Reise."

„Du hast Recht“ antwortete sie.

Arm in Arm lagen sie auf der Erde und fielen bald in einen tiefen Schlaf. Ein neuer Traum entstand zwischen ihnen, das Dunkle mischte sich mit dem Hellen, Leben mit Tod, die Melancholie tanzte mit dem Mitgefühl. Etwas Neues begann.

 

Ein nettes Märchen mit Wahrheit. Und einer großen Portion Optimismus.
Als Märchen sicherlich gelungen.
Und "fluten" ist ja tatsächlich verebbt.
Ach ja, warum ich die Geschichte gut finde? Weil sie so kurz ist, und ich kurze Geschichten ja sooooooo mag.... (in der Kürze liegt die Würze). Na Batch, wenn das mal keine Glanzleistung ist!!!!!!!! Hoch lebe der Kurze-Kurzgeschichten-Meister!
Hahahahahahahahaha!

 

Eine schöne Geschichte. Besonders gut gefällt mir der Schluss.

Aber mit einem Satz komm ich nicht zu recht:

Zwei Gestalten wanderten einsam über das missgestaltete Gesicht der Welt, immer auf einander zu, vorangetrieben von der eigenen Natur.
Was soll das heißen? Gibt für mich keinen richtigen Sinn.

 

Hallo Batch Bota,

inhaltlich bewerte ich die Geschichte bei mir mit "verrückt". Und das mag ich :) Grundsätzlich jedenfalls. Das zweite Kapitel ist zuviel des Guten, das dritte könnte man zusammenstreichen, ohne dass die Geschichte drunter leidet. Meiner Meinung nach.

Klaus

 

@Zaza

Na Batch, wenn das mal keine Glanzleistung ist!!!!!!!! Hoch lebe der Kurze-Kurzgeschichten-Meister!
Hahahahahahahahaha!

:p


@Abraxas

Ihre Natur drängt sie dazu sich aufeinander zuzubewegen.


@Klaus

Was ist denn am zweiten Kapitel auszusetzen ? :rolleyes:
Was genau könnte man streichen?

[Beitrag editiert von: Batch Bota am 21.01.2002 um 19:04]

 

Hallo Batch Bota,

es gibt bei einigen die deutliche Neigung, eine Geschichte mit einer Gigantomanie-Pointe aufzupeppen (siehe auch "Ruperts Test" unter SF). Weshalb ist das so? (Keine Ahnung.) Es ist jedenfalls überflüssig, nervend und zieht die eigentliche Pointe, wenn sie gut ist, hinunter.

Deine Geschichte kann alleine von den beiden "Kunstwesen" leben. Das Weltuntergangsszenario ist komplett überflüssig. Deshalb mein Gedanke, diesen Teil zu streichen. Das sind das zweite Kapitel und Teile des dritten.

Klaus

 

Ok, dann hatte ichs doch verstanden. Im ersten Moment dachte ich, dass das so ein toller Ausdruck ohne wirklichen Sinn sein soll. Aber ich hab da wohl mehr (oder eher weniger?) reininterpretiert ;)

 

Hi,

habe soeben diese meine Geschichte wieder entdeckt.

Deine Geschichte kann alleine von den beiden "Kunstwesen" leben. Das Weltuntergangsszenario ist komplett überflüssig. Deshalb mein Gedanke, diesen Teil zu streichen. Das sind das zweite Kapitel und Teile des dritten.

Da magst du vielleicht Recht haben. Auch für mich liest sich der zweite Abschnitt jetzt etwas 'dämlich'. Muss drüber nachdenken. Eine Änderung scheint nicht unwahrscheinlich.

Puuuh ist es spät.


Batch

 

Hei Batch,

tja.....ich habe ein anderes Genre, bin aber glaub ich nicht zu doof um zu merken, daß das ein tja.."fantastisches Märchen" ist.
Schwierig für mich es zu beurteilen.

Aber eins weiss ich mit Sicherheit.

Schreiben, das kannst du !!

Liebe Grüsse Archetyp

 

Nein, kann er nicht. In Wirklichkeit ist er Analphabet und diktiert seiner blonden Schreibhilfe (ja, aus irgendeinem Grund kann die schreiben) seine Texte.

Naja, ob man das zweite Kapitel streichen soll oder nicht, das ist wohl Geschmackssache (z.B. könnte man das Zweite mit ins Dritte packen, also verkürzt wiedergeben oder einfach nur andeuten, was geschah). Nur eine Frage stellt sich mir: Wieso überhaupt die Unterteilung in Kapitel? Das ist hauptsächlich das, was mir blöd erscheint...

 

Zitat Zazara: "Na Batch, wenn das mal keine Glanzleistung ist!!!!!!!! Hoch lebe der Kurze-Kurzgeschichten-Meister!"

Also, wer da keine Ironie erkennt ;)

Hab grade keine Zeit, äußere mich später noch dazu.

 

Hehehe, Frühwirt wird zum Batch-Story-Inspektor. Dass ich das noch miterlebe!

Lass Dir gesagt sein, dass mein Kommentar eine Parodie auf einen anderen Kommentar war. Musst Du also weder ernst nehmen, noch verstehen...

Finde ich aber gut, dass Du so fein kritisierst. Darf ich Dir meine Geschichten anbieten?

Ach ja, Zaza reicht völlig. Und wenn Du weiterhin Batchs Stories inspizierst, wirst Du noch mehr "unverständliche" Comments von mir finden. Kannst mich ja dann Zazaline nennen...

Habe das Gefühl, dass Du eine bestimmte Definition von "Kurzgeschichte" als Bewertungskriterium heranziehst. Hier ist man doch relativ frei, was das betrifft. Du überlegst, ob der Text überhaupt eine Kg darstellt. In der weitgefassten Def. dieser Page ist sie eine. Handlung fehle Dir, sagtest Du. Nun ist das für mich nicht wesentlich. Oder besser so: Ich sehe Handlung. Wir verstehen also diesen Begriff schon verschieden.

Worauf ich hinaus will: Du hast offensichtlich eine andere Auffassung von dem, was eine Kg ausmacht. Wäre daher gut, Deine Kriterien einmal aufzuzählen, da Dein Verständnis nicht selbstverständlich ist.
Und wenn sich tatsächlich herausstellt, dass unsere Auffassungen so verschieden sind, dann musst Du anschließend damit leben, dass Deine Kritik für mich hinfällig sein kann. Genauso wie ich damit leben muss, dass Batchs Text für Dich keine Kg bildet.

Schlussendlich ist es Meinungssache. Neu wäre es nicht, dass man einer bestimmten Art von Texten nichts abgewinnen kann. Und Dir geht es ja hier um die Art des Textes. Keine Ahnung, ob es verständlicher ist, warum sich viele zum Lob hinreißen ließen...

 

Zum Thema Kurzgeschichte oder keine Kurzgeschichte:
Bitte in Diskussionen für Autoren fortführen. Dort gibt es schon ein paar Threads zu dem Thema (z.B. hier) Müßte aber noch ein paar Threads mehr geben.

Ansonsten: Weitermachen!

 

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