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Zuschusstag

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07.12.2003
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Zuschusstag

1. Kapitel

Da stehe ich nun mal wieder vor dem großen Mietshaus mit den grünen Wänden. Selbst in den Siebzigern hätte man sowas nicht als Tapete benutzt. Du hast sie immer gehasst, mir war das egal, du warst ja auch immer so farbsensibel. Das hat man auch immer an deiner Kleidung gesehen, immer irgendwie bunt, fröhlich, nicht so, wie diese Häuser hier.
Ich schaue auf meine Uhr. Tim und Struppi sagen, dass es bereits achte ist und schon ist es dunkel geworden. Ich kann meinen Atem sehen und mache mir einen Spass daraus gegen das Licht der Laternen zu blasen und den Dampf aus meinem Mund zu beobachten.
Ich schelle an. Ssssss, klick und die angenehme Wärme des Treppenhauses, von dem eigentlich keiner weiß, wieso es beheizt sein muss, umgibt mich. Während ich die unendlichen Stufen bis zu euer Wohnung nach oben tapse, überlege ich, wie oft ich hier schon lang gegangen bin. Zehn Jahre mal 365 Tage und jeden Tag im Schnitt zwei Mal mulitpliziert mit der Anzahl der Stufen, die ich schon so oft gezählt habe. Das sind... viele, ja, viele Stufen, in erster Näherung. Eigentlich habe ich das noch nie ausgerechnet, aber das Rechnen hab ich sowieso immer dir überlassen.
Das fröhliche Lächeln deiner Mutter begrüßt mich an der Tür. Hallo, komm rein, es ist ganz schön kalt geworden, was? Willst du deinen Mantel nicht ausziehen? Ich zog meinen Mantel bisher nie im Flur aus, aber brav stelle ich meine Schuhe zu all den anderen. Deine Schuhe sind auch dabei. Dunkele Docs mit dieser roten Kugel zwischen dem untersten Lochpaar auf der linken Seite. Schuhe mit Charakter, hast du immer gesagt. Männerschuhe, eigentlich, aber in manchen Beziehungen warst du halt schon immer sachlich, männlich. Mit diesem Klischeegetue konnte man dich immer schön auf die Palme bringen.
Im Wohnzimmer läuft der Fernseher. Die Tagesschau spult gebetsmühlenartig ihr alltägliches Programm von Tod, Leid und dem Dahinscheiden von Karl Ranseier, dem weltweit nichtsnutzigstem Blablapreisträger aus Hinterputzingen, ab. Nein, dafür hab ich mich nie begeistern können. Grüß dich, sieht man dich auch mal wieder? ruft die tiefe Stimme deines Vaters in den Flur. Durch die halboffene Tür recke ich den Kopf herein und grüße zurück. Eigentlich wollte ich nur sehen, ob alles noch beim Alten ist. Ja, so wie früher. Auf der braunen Couch sitzt dein Vater bei einer Stulle und ner Flasche Pils, denn alles andere ist kein Bier oder was für Frauen. Ich konnte ihm Recht geben, denn mit Bier kenne ich mich aus. Deine Mutter ist derweil in der Küche zugange. Gleich wird sie sich mit einem Tee neben ihn setzen. Dann wird der Krimi im Ersten geschaut und irgendwann gehen beide dann ins Bett.

Die Tür zu deinem Zimmer kann man schnell erkennen. Die schlichte Holztür ist mit einem Poster von der Sesamstrasse geschmückt. Ernie und Bert. So haben wir uns auch oft gefühlt. Ich war Ernie und du Bert und ich konnte dich mit meiner Naivität immer irgendwie auf die Palme bringen, nur haben wir nie zusammen gelebt. Ich muss grinsen, wenn ich mir dich als Taubenzüchterin vorstelle... wie Bert.
Moment noch rumpelt es aus deinem Zimmer. Du sitzt sicher wieder vor einem Blatt Papier an deinem Schreibtisch und zeichnest, wie immer.
Seitdem ich dich kenne, malst du. In der Grundschule hast du mir Bilder von Ernie und Bert gemalt, später wurden es dann Häuser, Träume oder bizarre Skulpturen. Oder diesen nackten Mann aus dem Aktzeichenkurs und wie rot du geworden bist, als ich das Bild gesehen habe.
Ich öffne die Tür. Der warme Duft, der immer in diesem Raum herrscht, kommt mir entgegen. So wie es in der Kirche nach Weihrauch riecht, riecht es nach einer Mischung aus Haarspray, Opiumkerzen, dem frisch gestrichenem Heizkörper und nach dir. Kann man das so sagen? Ich meine, Hunde beschnüffeln sich, und Katzen, aber Menschen tun sowas nicht und trotzdem weiss ich, wie du riechst. Wenn ich dir beim Bürsten geholfen habe, dir deinen Pullover gebracht habe, den du bei mir vergessen hast oder neben dir auf dem Teppich lag und über den Sinn und Unsinn der Zerstörung der Welt über die Welt ansich, geredet habe, es roch nach dir.

2. Kapitel

Da sitzt du auf dem alten Schreibtischstuhl. Du bist schön, das muss man einfach mal so sagen. Fast jeder Junge unserer alten Stufe war irgendwie mal in dich verliebt und Jungs sind immer so plump, je schöner die Frau ist und du bist wirklich ein Traum. Wie eine Elfe, nur ein bissel größer und kräftiger.
Du schaust mich aus deinen blauen Augen an und lächelst. Du lächelst fast immer und in all den Jahren habe ich dich kaum weinen sehen. Als dein Hamster gestorben ist und du dich von deiner ersten großen Liebe getrennt hast, und als das mit deiner Oma war, aber sonst hast du das traurig sein immer mir überlassen.
Wenn man uns so gesehen hat, dann waren wir immer wie Tag und Nacht. Ich werfe meinen schwarzen Mantel über die Lehne des anderen Stuhles, meines Stuhls, in deinem Zimmer. Den habe ich irgendwann mal auf dem Sperrmüll gefunden und hab du hast ihn einfach an dich genommen.
Hi. Mehr sage ich nicht. Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Du weisst genau, was heute für ein Datum ist und warum ich zu dir gekommen bin. Stille. Wie oft haben wir zusammengesessen und einfach nur die Stille genossen. Irgendwann muss man einfach nichts mehr sagen um einer Meinung zu sein und das Nichts war die höchste Stufe der Kommunikation, die wir erreichen konnten. Doch heute war es anders. Diese Stille war peinlich, das erste Mal in meinem Leben.

Irgendwie war ich immer in dich verliebt gewesen, doch ich habe dir das nie gesagt. Wir waren halt immer gute Freunde und die Typen, mit denen du etwas hattest, waren eh immer ganz anders als ich. Irgendwie primitiv, vielleicht animalisch? Dir nicht gewachsen. Glücklich warst du eigentlich selten bzw. wenn man an das denkt, was du mir immer erzählt hast. Man könne die ja ändern und du liebst sie ja und sie dich. Dein jetziger Typ ist bei der Bundeswehr und wenn du ihn am Wochenende sehen darfst, dann ist ihm nicht nach Reden zu mute. Ja, ich weiss genau, was sie an dir geliebt haben und ich weiss auch, was sie nie an dir entdeckt haben, denn sie haben nie hinter die blonden Haare, die großen Brüste und das nette Lächeln schauen können, denn hier hätten sie mich getroffen, der einzige, der dein wahres Ich kennt.
Du liebst die Wüste, magst Wind, findest Zwerge cool, vorallem wegen den Bärten, und den Sonnenuntergang auf dem Dach des Wohnhauses. Für solche Sachen hattest du mich. In manchem Moment hat mich die Wut gepackt, aber ich habe sie immer runtergeschluckt und ich habe dir niemals gesagt, was ich dir gegenüber gefühlt habe.

Du stehst auf und gehst auf mich zu, ich stehe sill und verloren umher. Du nimmst meine Hände. Dann ist das also heute der letzte Abend. Ich kann dir jetzt nicht in die Augen schauen. Du umarmst mich und küsst mich auf die Wange. Zum ersten Mal in meinem Leben spüre ich dich so nah. Dann lässt du mich los und trittst einen Schritt zurück. Ich sehe dich an. Du bist so wunderschön, ich liebe dich, will ich schreien, doch es bleibt still. Hier und du reichst mir ein Blatt. Ich habe dir eine Sonne gemalt, die brauchst du da, wo du hingehst. Es wird sicher kalt werden sprichst du verlegen. Naja, da scheint sicher die Sonne im Osten, zwar nicht so viel wie bei dir, aber doch schon. Wirst du an mich denken? Oft. Und in drei Jahren, wenn wir uns fremd sind? Dann schau ich einfach die Sonne an. Was soll man auch sonst sagen? Ich meine, es ist das erste Mal, dass wir länger als die Sommerferien von einander getrennt sind.
Ich halte die Sonne vor mein Gesicht und lasse mich einfach aus Bett fallen. Ich weiss noch, wie damals dein altes Bett einfach durchgesackt ist, weil ich einfach zu schwer war, aber du hast ja jetzt dazugelernt und so liegt deine Matraze quasi auf dem Boden auf. Die Sonne schwebt über mir und hinter ihr sitzt du auf meinem Stuhl und schaust mich einfach nur an. Ich greife rüber zu deiner Anlage und drücke einfach mal auf Play. Du hast eigentlich immer ganz gute Musik da. Zwar wenig Metal, aber ich konnte ihr doch immer was abgewinnen. Nein, Metal passt nicht zu dir. Ich weiss, als du einmal mit mir auf einem Konzert warst. Du hast ein schwarzes Top und extra eine schwarze Hose angezogen, um dich einzufinden und ich hab dir ein Maidenshirt von mir gegeben, aber du hast dich nur kauput gelacht. Ich bin jetzt Metal. Das Maidenshirt hängt jetzt bei dir im Schrank.
"I am leaving on a jetplane, don't know when I'll be back again" dudelt es aus den Lautsprechern. Wenn es sowas wie Zufall gibt, dann hat er auf jeden Fall einen Sinn für Theatralik oder Ironie.

3. Kapitel

Den Abend reden wir über die alten Zeiten. Du holst mir einen kalten Kakao, weil ich ihn nur so trinke, und du hast mal wieder sowas seltsames wie Jogatee. Ich hab nie verstanden, wieso du sowas trinkst. Ich war immer der einzige, der bei euch Kakao getrunken hat, jetzt muss deine Mutter ja jetzt keinen mehr kaufen, da spart ihr Geld. Du lachst.
Wir leben weiter in der Vergangenheit. Die Klassenfahrt an die Ostsee, als du den Michael völlig besoffen geküsst hast, unseren Physiklehrer in der zehnten Klasse, der immer so Witze über Schwarze gemacht hat und über unseren Plan, mal alle Häuser hier in einer anderen Farbe zu streichen. Sie sind immernoch alle grün.
Ich schaue auf die Uhr, die über deiner Tür hängt. Ich weiss nicht wie lange Mickey Maus die Zeit schon anzeigt, aber er tut das recht zuverlässig. Es ist schon spät, deine Eltern sind bereits im Bett, wie immer nach dem Krimi, und du schaust auch schon müde aus. Ich gähne demonstrativ und richte mich auf. Ich muss los. Wie immer muss ich dich von meinem Stuhl, auf dem mein Mantel liegt, heben und ganz theatralisch spielst du eine Ohmacht. Oh geh nicht keuchst du. Wenn du wüsstest, welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf meinen Hormonhaushalt hat, dann würdest du es warscheinlich aus dem Grund tun mich zu ärgern, aber ich unterstelle dir nicht, dass du es weisst. Oder doch? Ich meine du hast oft schon mit irgendwelchen Typen gespielt. Du musst einmal nett lächeln und du hattest immer ein Bierchen in der Hand. Naja, du meintest halt, es muss doch einen Vorteil geben eine Frau zu sein, aber du weisst nicht, was das bei uns anrichtet. Frauen... denke ich mir. Du begleitest mich noch zur Tür. Ich fühle den weichen Teppich unter meinen Füssen, dann das kalte Laminat. Du ziehst deine Tiegerfusspantoffeln an und ich nehme meine Jacke und gehe in den Flur. Du lehnst dich an die Wand und lächelst mich an. Es ist so ein Lächeln, als würdest du genießen mich zu sehen, auch wenn ich nur meine Schuhe zumache. Ich grinse nur zurück. Ich bring dich noch zur Tür, muss ja deine Anwesenheit ausnutzen. Ich öffne die Tür und winke dich vor. Ladies first halt, eine Kavalier alter Schule. Gemeinsam gehen wir das Treppenhaus runter. Es ist furchtbar still im Haus. Die einzigen die hier immer Krach gemacht haren waren wir und die Kinder, die zwei Stock über dir wohnen, aber die schlafen ja jetzt schon. Nur meine Schuhe klacken bei jedem Schritt. Ein Countdown bis zur Türschwelle. Zehn, neun, acht....
Erwartungsvoll stehst du vor der Tür. Machs gut. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Aber wir bleiben in Kontakt, nicht wahr? Klar, und ich muss auch verlegen lächeln. Ich öffne die Tür. Die kalte Winterluft ströhmt herein und du stehst einen Schritt hinter der Tür. Ich trete auf die Schwelle. In meinem Kopf kreisen tausend Sachen. Du, Weggehen, Trennung, Liebe, die alten Zeiten.
Ich drehe mich zu dir um. Erwartungsvoll, verlegen schaust du mich an. Soll so unspektakulär unser Abschied sein? Keine Geigen und kein Feuerwerk?
Ich war nie ein Freund von solchem Tamtam, sondern eher nüchtern. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass dich das enttäuscht hat, aber ich wollte dir ja eh nicht den Hof machen.
Ich liebe dich, ich habe dich in all den Jahren immer geliebt. Es tut mir weh, jetzt wegzugehen, doch ich konnte dir das nie sagen platzt es aus mir hervor. Ich weiss nicht wieso, aber ich sage es einfach. Ich weiss ja, man soll keine Frau begehren, die ja eh nen Freund hat, aber trotzdem, es tut mir leid.
Du bist erstaunt. Damit hattest du scheinbar nicht gerechnet. Nach diesem Anflug von Mut bekomme ich Angst. Ich schließe die Tür und wende schnell meinen Blick ab und wandere hinaus in die Kälte im fahlen Licht der Strassenlaternen, der Blick ist starr auf den Fussweg gerichtet. Ich bin total verwirrt. Habe ich das getan? Wieso? Was du weiter machst, merke ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich nur Weg muss aber doch ganz nah bei dir sein will.
Ich laufe und laufe. Wie ein Roboter, ohne zu Denken, nehme ich den Weg nach Hause, wortlos schließe ich die Eingangstür auf, die genauso aussieht, wie die bei dir, gehe das gleiche Treppenhaus hinauf. In der Wohnung ist es still, meine Eltern schlafen schon. Es riecht nach Braten, den es morgen zum Mittag gibt, den ich wohl leider verpassen werde. Ich stelle meine Schuhe zu den anderen, wie in Trance und gehe in mein Zimmer.
Es ist leer und aufgeräumt, wie ungewohnt. Mein großer Rucksack steht in der Mitte, daneben noch eine Tasche. Auf dem Schreibtisch fehlen die üblichen Anhäufungen von Papier und Büchern, mein Kleiderschrank steht offen und ist fast leer. Kein Mardukposter mehr an der Zimmertür und auch das Stufenphoto vom Abitur fehlt an der Wand über meinem Bett.

4. Kapitel

Langsam bewegt sich der rote Zeiger immer weiter im Kreis. Er streift die Zehn, die Elf, die Zwölf, dann geht der grosse Zeiger weiter und der kleine Rote beginnt wieder von vorne. Es hat angefangen zu schneien, aber der Schnee bleibt bei uns doch nicht liegen. Was in Bayern oder in der Schweiz die Berge magisch weiss färbt und die Kinder freut, ist bei uns nur ein ekelhafter grauer Matsch, fast so grau wie der Himmel.
Um mich herum stehen viele Leute, die, wie ich, bald hier weg sind. "Der Regionalexpress 3 nach Hannover hat wetterbedingt circa 15 Minuten verspätung". Da wo ich hinfahre, sind die Leute hoffentlich daran gewöhnt, dass es sowas wie Wetter geben kann und werden davon nicht überrascht.
Langsam friert es mich und ich hole meine silberne Thermosflasche aus meinem Rucksack und gieße in den Deckel herrlich warmen Tee. Als mir der Duft in die Nase steigt, fängt mein Geist, der total eingelullt ist vom monotonen Rauschen auf dem Bahnsteig und Schlafmangel nach dieser Nacht, denn den Tee hast du mir geschenkt, an zu rotieren. Du meintest, du müsstest mir die Teewelt doch ein Stück näher bringen und nachdem ich eingestanden habe, dass dieser Tee echt OK ist, hast du mir gleich ein klein bischen abgefüllt in eine kleine blecherne Dose, in der mal Kekse waren. Das war vor einer Woche etwa und das ist nun das erste Mal, dass ich deinen Tee trinke.
Habe ich etwa ein schlechts Gewissen? Hätte ich bleiben sollen? Es war unfair und ich bin weggerannt wie ein ängstlicher Hund. In diesem Moment fühle ich mich schrecklich. Die ganze Nacht hat sich diese Szene in meinem Kopf wiederholt. Die ganze Nacht wäre ich gerne aufgestanden und wieder zu dir gelaufen um zu reden. Die ganze Nacht habe ich nur an das eine Gedacht, habe mir gewünscht, du würdest einmal in meinen Armen liegen, habe mir gewünscht, jetzt nicht alleine zu sein, habe mir gewünscht, dich niemals so verletzt zu haben.
Verspätungen von Zügen sind warscheinlich der Grund, wieso sich so viele Leute vor einen Zug werfen. Ich meine, wenn man so alleine auf dem Bahnsteig steht, hat man viel Zeit nachzudenken und das Grau des Wetters, der Krach der Züge, die Neonleutchen über schwarzem Steinboden tuen ihr übriges, als wollte die Bahn jedem, der einen Abschied in einem Bahnhof macht, dieses nur noch schlimmer gestalten. Die sind selbst schuld an den ganzen Selbstmördern.
7:37, in fünf Minuten sollte mein Zug kommen, pah. Ich trinke den Becher leer und schraube meine Thermoskanne wieder zusammen und krame meinen Discman raus, damit wenigstens Musik da ist. Wenn die Welt scheiße aussieht, kann man ja wenigstens was gutes hören. Ich stecke meine Stöpsel in die Ohren und freue mich auf das Bassintro, das einem nur so den Arsch wegfetzt, dass man garnicht weiss wo man - Stop, das war nicht auf der Platte. Ich höre nochmal hin. Hallo dringt es an mein Ohr. Ich drehe mich um wie in Trance und da stehst du. Deine Haare sind wirr, du hast schwarze Ränder unter den roten Augen, du trägst deinen schwarzen Bundeswehrparka, auf den du dir den Patch meiner Lieblingsband genäht hast und deine Docs. Du lächelst verlegen, schaust mich etwas verängstigt an. Ich sehe einen Geist, gleich werde ich mich vor den Zug werfen.
Nach einer Unendlichkeit, wie wir uns hier auf dem Bahnhof gegenüberstehen und in dem Moment, wo ich fasse, dass du mir warhaft gegenüberstehst, fängt die Musik an. Was soll ich sagen? Ich wollte dir nochmal aus Wiedersehen sagen, meinst du. Das ist nett von dir und ich krame meinen Discman zusammen und stecke ihn in meine Jackentasche. Sie geht neben mich und lehnt sich lässig an das Geländer. Sie schaut mich irgendwie kegg an und grinst. Ich bin verwirrt. Hätte ich ja vieles erwartet, aber ein Grinsen, ich meine hallo, gehts noch? Du bist gestern ja schneller weg gewesen als mir lieb war. Am liebsten würde ich dir mit meiner Faust in den Bauch schlagen, weil du echt so blöd bist. Wieso hast du mir das nie gesagt? Wieso an unserem letzten Abend? Ich bin sprachlos von deiner Direktheit und Courage und fühle mich ertappt. Am liebsten hätte ich geweint, aber Männer weinen ja nicht, hab ich mal gehört. Dein Grinsen ist weg, du schaust auf meinen Rucksack auf dem Bahnsteig. Ich weiss nicht, aber gestern abend, da, da hab ich einfach die Kontrolle über mich verloren und ich ... du hast das schönste Gesagt, was ich jemals gehört habe. Du bist immer da gewesen für mich, wir haben alles zusammen gemacht und geteilt und irgendwie hatte ich immer gehofft, dass dieser Tag irgendwann kommt, dass du mir sagst, dass du mich liebst. Ich habs dir nie gesagt, weil ich dachte, es würde alles, was wir hatten kaputt machen. Ich wusste nicht, wie du denkst, du warst immer so ... distanziert meinst du? Was soll ich denn auch anderes sein? Jahrelang mit meiner Traumfrau leben, mit ihren Freunden und ihr trotzdem so nahe. Da braucht man einfach einen Schutzwall.
Wieso muss die letzte Nacht eigentlich immer die beschissenste sein? Müsste dein Zug nicht schon lange hier sein? Nein, der hat Verspätung, wegen dem Schnee. Der Schnee nimmt weiter zu, es wird eher zu einem Schneesturm, so wie in mir drin jetzt.
"Der Regionalexpress 3 nach Hannover auf Gleis 2 fällt wegen eines wetterbedingten Deffekts aus. Alle Reisenden nach Hannover, Bremen, Osnabrück und Dinslaken werden gebeten sich bei der Information der deutschen Bahn zu melden, ich wiederhole..."
Ist es in diesem Moment gottes Fügung, Schicksal oder einfach nur Zufall?
Gehen wir nen Tee trinken, meinen Anschlusszug bekomm ich jetzt eh nicht mehr und der fährt nur einmal am Tag. Ich setze meinen Rucksack auf, an mir vorbei ströhmen die Menschen nach unten, sind hecktisch, aufgeregt, doch ich lächle, du lächelst, denn wir haben noch einen Tag und noch einen letzten Abend.

5. Kapitel

Die Landschaft saust an meinem Fenster vorbei. Ein weisser Schleier bedeckt sie. Der Schnee ist endlich mal liegen geblieben in dieser Nacht und alles sieht so verändert aus.
Gestern war der schönste Tag in meinem Leben. Wir sind aus dem Bahnhof gegangen und der kalte Wind blies uns entgegen. Vermummt wie beim Bergsteigen haben wir uns durchgekämpft bis zum Hanfladen, so haben wir den Laden von diesem Holländer immer genannt, zu dem wir ab und zu mal geganen sind. Der Typ ist immer total bekifft und labert immer so eine Scheisse. Da gibt es einen Kicker, einen Fernseher, auf dem das aktuelle Fussball läuft und irisches Bier. Ein Blick auf die Uhr hat uns dann ganz schnell verraten, dass er um halb neun noch nicht auf hat. Dir war kalt, mir auch, wir sind zu dir gegangen.
Da waren sie wieder, die grünen Häuser, aber sie waren verschwommen in diesem Moment, der Schnee war wie eine Bildstöhrung und nur dich konnte ich klar sehen.
Die Stufen hinauf, durch die Tür, deine Wohung lag still da. Dein Vater war auf Schicht und deine Mutter im Supermarkt an der Kasse. Du hängst deinen Parka an die Gaderobe, ziehst deine Docs aus und du hast diese selbstgestrickten, bunten Wollsocken an.
Du schüttelst deine Haare und die ganze Nässe fliegt mir ins Gesicht. Sehr lustig, die Rache folgt sofort und ich nehme meine feuchten Handschuhe und drücke sie dir ins Gesicht. Du tänzelst in die Küche, ich ziehe derweil meine Schuhe aus. Meine Jacke hänge ich an die Gaderobe. Das erste Mal, glaub ich. Du machst uns einen warem Kakao. Ich setze mich an den kleinen Küchentisch und schaue mich um. Alles sieht noch immer so aus wie ich es kenne, doch du siehst anders aus, ganz anders. Heute scheinst du durch die Küche zu schweben. Wetterchaos legt Deutschland lahm steht groß oben auf der Titelseite der Tageszeitung. Den ganzen Weg zu dir waren wir still und ich habe einfach nur den Weg genossen, der jetzt so anders aussieht, wie noch niemals zuvor. Warscheinlich weil der Schnee liegen geblieben ist.
Als der warme Kakao meine Kehle runter rinnt und ich dich so ansehe, wie du vor mir sitzt, mit den nassen Haaren, die dir manchmal ins Gesicht fallen und du sie dir hinter die Ohren streichst, deine wachen Augen, die mich erwartungsvoll ansehen, deine Hände, wie sie die Tasse umfassen, dann sieht das so aus, wie ich es mir immer gewünscht hätte, nur die schwarzen Ränder unter den Augen verraten mir, dass etwas doch anders ist und vielleicht anders als ich mir das hätte vorgestellt. Dieser Tag hätte nicht passieren dürfen und war auch garnicht vorgesehen, aber irgendwie hat Gott und sonst wer, den einfach eingeschoben, so als würden wir einfach noch einen Tag mehr brauchen.
Du schlürfst laut und ich schaue dich strafend an. Du grinst zurück und sagst "entschuldigung" und wir beide lachen. Ich weiss nicht mehr so ganz wieso, aber wir lachen.
Wir gehen zur Couch bei euch im Wohnzimmer. Grüne Siebziger, wie die Wände, aber die hat einen Vorteil, denn man kann von da abends den Sonnenuntergang aus dem Fenster sehen und wenn deine Eltern nicht da waren, haben wir oft da gesessen und die Sonne zwischen den Hochhäusern versinken sehen. Deine Eltern fanden diesen Effekt eher nervig, weil sie ja beim Fernsehen immer die Rolladen runtermachen mussten.
Hier sitzen wir wieder, wie ein altes Ehepaar und trinken brav unseren Kakao. Doch dieses mal sitzen wir näher zusammen, ich kann deine nassen Haare spühren, deinen Atem hören, dich riechen.
Weisst du, wieso ich dich letzte Woche anrufen wollte? Hm, nein, kein Plan. Ich musste dir was sagen, aber dann hat mich meine Mutter ja genervt, weil wir ja jetzt plötzlich zu meiner Cousine fahren mussten und danach haben wir uns ja nur so kurz gesehen und gestern abend wollte ich das nicht sagen. Was ist denn los? Du kennst doch meinen Freund? Ja, ich kenne ihn, seufze ich. Kommt jetzt so eine "du weisst genau, dass ich nen Freund hab"-Ansprache, wie man die so klischeehaft kriegt oder so ein "ich liebe dich ja auch und wenn du zuerst da gewesen wärest, dann"-Vertröstung? Nein, sowas trau ich dir beides nicht zu.
Er hat ne andere, schon seid zwei Wochen...

Die Worte dringen in meinen Kopf ein, hallen umher, schütteln mich durch, erschlagen mich. Es ist still. Eine peinliche Stille, wie sie schon lange nicht mehr zwischen uns war. Das war es also, was du mir wichtiges zu sagen hattest. Naja, die letzten paar Wochen waren bei mir recht stressig mit Vorbereitungen, dann warst du bei deiner Cousine und dann hat noch wasweißich wer aus deiner Familie im Schwarzwald geheiratet und wir haben uns nur gesehen, als du mir den Tee gegeben hast, und halt gestern.
Ich hatte mir so gewünscht, dass du da gewesen wärest und mich mal in die Arme genommen hättest. Ich wusste nie, wie ich deine Gefühle mir gegenüber einschätzen sollte und ich dachte immer, dass da nicht mehr wäre. Ich weiss, ich meine, ich...
Ich nehme deinen Kopf, streichle durch deine Haare, berühre sie zum ersten Mal bewusst, drücke dich an mich und du weinst zum ersten Mal an meiner Schulter, ganz leicht, aber es zerbricht mir das Herz. Ich schaue hinaus und sehe dem Schnee zu.
Ich weiss nicht, was ich sagen soll, doch jetzt ist garnichts mehr nötig. Die Fahrkarten bitte.

Ich schrecke heraus aus meinem Tagtraum und finde mich wieder in einem Zug, der Mann gegenüber liest immernoch die Bild. Mein Rucksack liegt oben auf den Gepäckfach, alles wirkt so verschwommen, wird dann wieder klar. Ich greife in meine Tasche und ziehe mein Ticket hervor. Ich lese es. Einfache Fahrt, kein Rückfahrticket, nicht übertragbar, nur für mich. Danke sehr, schöne Fahrt noch. Es ist noch viel passiert und ich bewahre es in meinem Kopf auf, bis wir uns wiedersehen, irgendwann.

 

Hallo eatme!

Herzlich Willkommen auf kg.de!!!

Also, du hast es geschafft, deine erste Geschichte ist geschrieben und online!

Ich finde sogar, dass sie sehr schön ist. Sie enthält aber leider sehr viele Rechtschreib- und Grammatikfehler, aber ich überelasse es mal den anderen dir eine detaillierte Liste zu machen ....

Mich macht die Geschichte irgendwie traurig, aber auch neugierig, warum muss der Protagonist das Mädchen verlassen? Ist es eine freiwillige Entschaiedung von ihm gewesen?

Ich finde dass man auch alles ehr gut nachvollziehen kann, alles wirkt realistisch, die Gefühle echt.

Also, ich würde mich freuen mehr von dir zu lesen,

dein Irish Coffee

ps.:

Als der warme Kakao meine Kehle runter rinnt [...]

Ach, jetzt mag er doch warmen Kakao? ;-)

 

Ja, das mit den Fehlern tut mir leid. Mir fällt auf, dass das irgendwie nicht die korrigierte Version war.
Aber wenn man mir ne kleine "Fehlerliste" geben könnte, würd ich mich freun.

Und ja, jetzt mag er warem Kakao, denn vieles hat sich halt verändert (siehe Gaderobe, warmer Kakao etc.).

 

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