- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Zur nächsten Haltestelle
Ich startete meinen Tag mit einer gewissen Leere, welche mir zeigt, dass etwas wichtiges fehlt.
Nun denn, ich machte mich nach dem Frühstück fertig und stieg in meinen gewohnten Alltag.
Auf meinem Weg begegne ich oft Menschen, denen es gleichgültig zu sein scheint, wie sie auf andere wirken. Bin ich der einzige, der glaubt, dass das gute in den Menschen verblasst?
Eine selbst zentralisierte Gesellschaft voller Hass, Neid und Gewalt bestimmt unser Umfeld und verdrängt unsere Grundbedürfnisse der Zuneigung, Akzeptanz und Toleranz.
Bin ich gezwungen dies einfach so hinzunehmen?
An einer Bushaltestelle fiel mir ein junges Mädchen auf, sie saß dort alleine mit ihrem Baby auf dem Arm. Ich hörte ein leises wimmern und schluchzen. "Was mag ihr wohl zugestoßen sein?".
Ziemlich jeder Passant ging reaktionslos an ihr vorbei, ich zögerte ebenfalls, ihr meine Hilfe anzubieten. Ich beobachtete sie eine Zeit lang und überlegte mir, wie ich sie ansprechen könnte, ohne sie zu verschrecken. Kurz bevor ich den Entschluss fasste sie zu fragen, was ihr widerfahren sei, stand sie auf und verließ die Haltestelle.
Ein Zwiespalt machte sich in mir breit. „Wenn ich ihr hinterherlaufe, verpasste ich den Bus und käme zu spät zu einem Vorstellungsgespräch.“ Mein Verstand versuchte die Situation zu erklären, „Vielleicht hatte sie Streit mit dem Vater des Kindes, sie ist so jung und eventuell mit der Situation überfordert.“
Den Rest des Tages ging sie mir nicht aus dem Kopf und ich fing an, mir Schuldgefühle einzureden. „Bestimmt ist es halb so wild“, „Ihr wurde mit Sicherheit geholfen“,dachte ich mir und begab mich schließlich zu Bett.
Mein Start in das Erwachsenen Leben war mit vielen Hindernissen behaftet, welche durch fehlende Prinzipien und Richtlinien geprägt waren. Es kostete mich viel Herzblut, die einzelnen Hürden zu meistern. Zudem verstarb meine Alleinerziehende Mutter in der Palliativstation, verschiedene Arten von Tumoren waren die Ursache. Meine Mutter war dem Krankheitsbild gegenüber nicht sehr ehrlich zu uns, was zur Folge hatte, dass ihr ableben für uns alle so plötzlich kam und wir uns schlussendlich nicht verabschieden konnten.
Ich blieb in der Nacht vor ihrem Tod bei ihr, da wir vereinbart hatten, dass immer einer bei ihr sein sollte. Als der nächste Morgen anbrach und ich mit meinem Bruder telefonierte, um ihm ihre Lage mitzuteilen, hörte ich ein beängstigendes röcheln aus ihrem Zimmer. Ich brach das Telefonat ab und eilte zu ihr. Ihre Augen waren nach oben gerichtet und ihre Atmung unregelmäßig. Instinktiv rief ich eine Ärztin herbei, da ich dachte, sie bräuchte Schmerzmittel. Doch mein hoffen an ihre Genesung verwarf sich, als die Ärztin mit ruhiger Stimme zu mir sagte, „Sie liegt im sterben.“ Ein Gefühl der Leere, Trauer, Erlösung, Wut und Zweifel begleitete mich in den letzten Stunden.
Doch als ich ihre letzten Atemzuge erblickte, stellte sich eine unbeschreibliche Ruhe in mir ein, ich hielt ihre Hand und begleitete sie. Dieses Erlebnis ließ mich meiner Jugend entwachsen und ich sah die Welt mit anderen Augen.
Viele Jahre vergingen, die Leere stets an meiner Seite. Meine Prinzipien haben sich verändert und ich fing an Verantwortung zu übernehmen. Vieles schien sich zu verbessern. Privat und beruflich erzielte ich zunehmend Erfolge. Eines Tages lernte ich ein Mädchen kennen und ich konnte die Lücke füllen, welche der Tod meiner Mutter hinterlassen hatte. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und liebten uns innig. Ich war mir sicher und wollte mein Leben mit ihr verbringen. Als sie eines Tages mit Unterleibsschmerzen einen Arzt aufsuchte, sagten sie ihr, dass sie in der dritten Woche schwanger sei. Sie kam nach Hause und teilte mir die Neuigkeit mit, wir freuten uns und planten unsere gemeinsame Zukunft, suchten Wohnungen, Namen und Ratgeber. Alles schien perfekt.
In den nächsten acht Monaten hatte sich vieles geändert, wir hatten beide eine Teilzeitbeschäftigung und meine Freundin konnte in Ruhe von Zuhause arbeiten. Alle Vorkehrungen waren getroffen, der Geburtstermin stand fest. Eine Woche vor der Geburt unseres Kindes, verhielt sich meine Freundin merkwürdig, als sie mit einem ihrer Bekannten schrieb. Ich machte mir jedoch wegen der Umstände der Schwangerschaft keine Sorgen.
Nun war es soweit, das Baby erblickte das Licht der Welt. Wir waren sehr glücklich und feierten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine ruhige Feier. Als am Abend die meisten Gäste gegangen waren, fuhr ich noch meinen Bruder nach Hause, da er sich einige Bier gönnte.
Ich parkte meinen Wagen, für welchen ich einen Kredit auf mich nahm, mit welchem ich auch den Führerschein bezahlte. Anschließend betrat ich die Wohnung und fand einen Notizzettel auf dem Küchentisch, „Ich bin kurz mit dem Baby bei meinen Eltern, liebe dich“.
Ich machte mir Sorgen, da es schon langsam dunkel wurde und es zu spät für das Baby würde. Ich rief sie an, doch kam nur durch die Mailbox. Kurz darauf stand die Polizei vor meiner Tür und erkundigte sich nach meiner Freundin und dem Baby. Als ich hysterisch fragte, wo sie sei, meinten sie ich solle mich beruhigen.
Offenbar hatte sie mich angezeigt und behauptet ich würde sie zwingen, Nacktfotos auf bestimmten Seiten zu veröffentlichen, um damit Geld zu verdienen. Ich verstand es nicht und wurde wütend. „Was ist mit dir los?“, "Wieso tust du das?“ schrieb ich ihr auf dem Handy. Doch es kam keine Antwort.
Sie schien es in den letzten Wochen geplant zu haben. Im nach hinein erkannte ich, dass sie gewisse Ereignisse zu ihrem Vorteil nutze. Da waren blaue Flecken im Gesicht durch eine Ohnmacht, bis hin zu einigen „beidseitig“ gewollten Fotos ihres nackten Körpers mit verschiedenen Mimiken vorhanden, die meine Seite der Geschichte zu meinem Nachteil erschienen ließen.
Eine Welt brach zusammen. Sie nahm mir den Glauben an das Gute im Menschen. Ich betrank mich häufig und lebte in den Tag hinein. Sie bekam dadurch das volle Sorgerecht.
Ich verlor meinen Job und geriet in die Schulden. Ich verkaufte mein Auto und versuchte, mich über Wasser zu halten. Wochen später musste ich Ämter besuchen und wartete an einer Bushaltestelle auf den nächsten Bus. Ich sah meine Exfreundin mit dem Baby auf mich zukommen. Sie sah blass und krank aus. Sie drückte mir den Säugling in die Hand und rannte davon, ohne auf mich zu regieren.
Ich hielt das Baby in meinen Armen und meine Augen füllten sich mit Tränen.
Eine Junge Frau tippte mir auf die Schulter und sagte:“Ich weiß, wie du dich fühlst, lass mich dir helfen.“
ENDE