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Zurück nach Koblenz

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28.12.2014
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Zurück nach Koblenz

So weit er seinen Kopf auch nach hinten dreht, so wenig kann er noch vom Deutschen Eck sehen. Die in Richtung Rheintal wehenden Flaggen der Bundesländer, dominierend das Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild auf mächtigen, steinernen Quadern. Der Kaiser, hoch zu Roß, an seiner Seite der geflügelte, weibliche Genius. Die Doppeltürme der St. Kastor - Kirche grenzen den Bereich ab, an dem vor vier Jahren die Bundesgartenschau Gäste aus In- und Ausland willkommen hieß. Unvergessen die sorglosen Stunden mit Mama und Papa bei Spiel und Spaß auf dem Wasserspielplatz unweit des Denkmals. Ausruhen in der Kühle des Paradiesgartens der Basilika.
Hoch über dem Rhein, auf der gegenüberliegenden Seite des Denkmals thront die Festung Ehrenbreitstein auf einem Bergsporn. Steinernes Symbol: Schutz. Zuflucht. Geborgenheit.
Koblenz, die Stadt, die Ben kennt und liebt. In der er geboren wurde, in der er sich Zuhause fühlt!

Das Auto quert die Mosel über die Europabrücke, der Fahrer lenkt auf die Autobahn Richtung Montabaur. Ben weiß, was gleich kommen wird und er spürt einen dicken Klos in seinem Hals. Negativer Countdown: Ein paar Minuten noch und das ereignisreiche Wochenende wird vorbei sein. Umarmung, Tränen, Winken, ach, hoffentlich geht es schnell vorbei! ICE-Bahnhof Montabaur. Einsteigen in den Zug nach München. In Empfang genommen von einem Mitarbeiter der Bahnhofsmission. "Kids on tour" heißt das Programm der Bahn. Begleitetes Zugreisen für allein reisende Kinder, meist auf dem Weg zu Papa oder Mama.
"High five!" ruft sein Vater und reckt seinem Sohn die Hand entgegen. Abklatschen, ein kurzes Winken, dann schnell mit dem Zugbegleiter zum Abteil. Nur jetzt keine Schwäche zeigen, stark sein, für einen Moment ganz Mann, schließlich ist man mit zehn Jahren kein Kind mehr!

Auch dieses Mal verging die Zeit viel zu schnell. Das Wochenende mit Papa. Alle vierzehn Tage derselbe Ablauf: Freitag Ankunft, Sonntag Abschied. Wochenenden, an denen immer Männersachen gemacht werden. Grillen. Offenes Feuer. Bratwurst und Brot an langen Stöcken über glühender Kohle. Vertrauliche Gespräche zwischen Vater und Sohn. Kart fahren, Rasen mähen, Holz für den kommenden Winter einholen oder mit dem Mountainbike durch den Stadtwald fahren. Dort, wo sich der Fernsehturm in den offenen Himmel verjüngt.

Der Höhepunkt dieses Wochenendes: Das Spiel der TuS Koblenz im Stadion Oberwerth. Den ganzen Vormittag lief Ben schon im TuS-Trikot rum. Blau-Schwarz, auf dem Rücken die große "12" und darunter, in großen Blockbuchstaben: BEN.
Was für eine Aufregung! Im Kreise der Fans am Rande von Block 1, dem Bereich, in dem sich nur die treusten der treuen Fans befinden, feuerte er die Mannschaft an. Kooooooblenz! Er zitterte bei jeder Torchance des Gegners, am Schluß aber stieß er die Arme in die Höhe, brüllte seine Freude raus und rief die Namen der Spieler: Sieg für die TuS!

Den Streckenverlauf kennt er. Die Halte in Frankfurt, Mannheim, Stuttgart und Augsburg. Dann München. Viereinhalb Stunden. Wenn er Glück hat, fährt er mit seinen Kameraden, die er auf diesen Fahrten kennengelernt hat. Den blonden Ricky, dessen Vater von seiner Familie getrennt ist, die in Stuttgart lebt. Alina, Scheidungskind und hin und her gerissen zwischen seltenen Wochenenden mit ihrer Mutter und den Großeltern, bei denen sie aufwächst. Maximilian, ebenfalls Scheidungskind und Bens bester Freund, allein schon aufgrund des gleichen Schicksals. Die Liebe der Eltern, einst stark und unzerstörbar, zerbrach irgendwann an den Anforderungen des täglichen Lebens. Liebe verwandelte sich in Abneigung. Abneigung wurde zu Haß. Eine Scheidungsschlacht tobte. Ben zwischendrin. Was früher gut war, ist heute schlecht: Plötzlich sollte Papa doof sein! Er verstand dies alles nicht. Warum liebten sie sich nicht mehr? Hastig verließ seine Mutter Koblenz, um im Umkreis ihrer Eltern in München ein neues Leben zu beginnen. Tränenreich nahm Ben Abschied von seinen Schulfreunden und seinen Kameraden aus dem Fußballverein. Sein junges Leben lag in Scherben.

"So, wer von euch hat denn Lust auf ein schönes Spiel? Wie wäre es mit einem Quartett? Traumautos!" fragt der Begleiter, der weiß, dass die sonntägliche Fahrt problematisch ist. Freitag freuen sich die Kinder auf das bevorstehende Wochenende bei Papa oder Mama, am Sonntag heißt es Abschied nehmen. Die Kinder sagen dem einen Elternteil "Tschüss" und dem anderen "Hallo". Für Ben heißt es Abschied nehmen von der geliebten Koblenzer Umgebung. Zurück in die ihm immer noch fremde Münchner Welt, der Stadt, in der alles ganz anders ist als in der beschaulichen Stadt, in der die Mosel in den Rhein mündet.
"München hat keine Seilbahn" hatte Ben trotzig seiner Mama gesagt, und dabei an die Seilbahnfahrten hoch zur Festung Ehrenbreitstein gedacht. Ben blieb bei seiner festen Meinung: Keine Seilbahn, kein Wassergarten wie am Deutschen Eck: München ist doof! Die Frage des Begleiters reißt Ben aus seinen Gedanken. "Quartett? Nein, heute nicht", antwortet er, ohne den Mann anzusehen.

"Weißt du, was bei uns passiert ist?" fragt Maximilian.
Ben zuckt die Schultern und drückt auf die Tasten seines Gameboys.
"Papa hat mehrmals mit Mama telefoniert. Ich habe gelauscht. Und weißt du, was das Tollste ist?" Maximilian zerrt aufgeregt an Bens Jacke. "Papa will Mama in der kommenden Woche besuchen. Kommt also zu uns nach Augsburg. Vielleicht vertragen die beiden sich ja wieder und wir können wieder eine richtige Familie werden. Ausflüge machen, so wie früher. In den Zoo oder zusammen schwimmen gehen. Das wäre Wahnsinn!"
Ben legt seinen Gameboy beiseite. Schaut aus dem Fenster.
"Super, Maximilian. Wirklich! " Seine Worte kommen mechanisch aus ihm heraus. Er freut sich für Maximilian, spürt aber aufsteigenden Neid. Könnten nicht auch Papa und Mama wieder...

Es wird eine ereignislose Fahrt. Der Zug ist ohne Verspätung unterwegs, nachdem er Frankfurt und Stuttgart hinter sich gelassen hat, nähert er sich unaufhörlich seinem Reiseziel München. Ben guckt aus dem Fenster, sieht die Landschaft vorbei fliegen. Die Animationsversuche des Zugbegleiters fruchten nicht. Ben hat keine Lust, sich an Spielen zu beteiligen; zu sehr ist er in seiner Gedankenwelt gefangen. Maximilians Worte haben sich in seinen Gedankengängen festgesetzt und kreisen unaufhörlich. Mama und Papa, könnte da nicht wieder was gehen? Mama hatte sich neulich doch wieder sehr für Bens Wochenende in Koblenz interessiert und wissen wollen, wie es Papa geht. Sprach sogar davon, ein paar Tage in Koblenz zu verbringen, um Opa mal wieder zu sehen. Da würde sie Papa treffen, das erste Mal seit einem Jahr. Endlich! Der lang ersehnte Hoffnungsschimmer.

Das wäre toll! Zurück nach Koblenz!
Zurück zu seinen Freunden in der Schule. “Ich kann sie riechen” denkt Ben und erinnert sich an schwitzige Turnmatten in der alten Halle. Singen im Schulchor, unendlich lange Proben im Musikraum. Harte Arbeit! Töpfern. Tasse mit TuS Koblenz-Logo! Das hat Spaß gemacht. Alles lange her, aber unauslöschliche, sehnsuchtsvolle Gedanken.
“Egal” denkt Ben, “ich versuche es. Ich muß es schaffen! Das Projekt `Zurück nach Koblenz` beginnt gleich morgen!”
Zum ersten Mal seit Stunden huscht ein Lächeln über sein Gesicht.

München Hauptbahnhof.

 

Lieber Freegrazer,

das ist ein sehr ernstes Thema, was du dir hier vorgenommen hast. Ich erlebe gerade in der eigenen Familie, wie ein kleiner Junge nach der Trennung seiner Eltern versucht, Schicksal zu spielen, um zu kitten, was nicht mehr zu kitten ist.

Es geht um Ben, aber es geht dir auch um Koblenz. Und da sehe ich eine Schwäche deines Textes:

So weit er seinen Kopf auch nach hinten dreht, so wenig kann er noch vom Deutschen Eck sehen. Die in Richtung Rheintal wehenden Flaggen der Bundesländer, dominierend das Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild auf mächtigen, steinernen Quadern. Der Kaiser, hoch zu Roß, an seiner Seite der geflügelte, weibliche Genius. Die Doppeltürme der St. Kastor - Kirche grenzen den Bereich ab, an dem vor vier Jahren die Bundesgartenschau Gäste aus dem In- und Ausland willkommen hieß. Unvergessen die sorglosen Stunden mit Mama und Papa bei Spiel und Spaß auf dem Wasserspielplatz unweit des Denkmals. Ausruhen in der Kühle des Paradiesgartens der Basilika.
Hoch über dem Rhein, auf der gegenüberliegenden Seite des Denkmals K thront die Festung Ehrenbreitstein auf einem Bergsporn. Steinernes Symbol: Schutz. Zuflucht. Geborgenheit.
Koblenz, die Stadt, die Ben kennt und liebt. In der er geboren wurde, in der er sich Zuhause fühlt!

So erlebt ein Zehnjähriger mMn seine Stadt nicht, so sieht sie der Fremdenverkehrsverein.
Ich glaube nicht, dass ein kleiner Junge die Stadt so liebt, wie sie vielleicht das Touristikamt darstellt. Für ihn wird sicher anderes wichtig sein: seine Freunde, seine Mitschüler, seine Straße, sein engere Umgebung und natürlich sein Vater. Ich finde, darauf hättest du den Schwerpunkt legen müssen.

Und dann gibt es mE noch ein Problem: Weite Teile deines Textes wirken auf mich wie ein Bericht, sachlich, manchmal wertend:

"So, wer von euch hat denn Lust auf ein schönes Spiel? Wie wäre es mit einem Quartett? Traumautos!" fragt der Begleiter, der weiß, dass die sonntägliche Fahrt problematisch ist. Freitag freuen sich die Kinder auf das bevorstehende Wochenende bei Papa oder Mama, am Sonntag heißt es Abschied nehmen. Die Kinder sagen dem einen Elternteil "Tschüss" und dem anderen "Hallo". Für Ben heißt es Abschied nehmen von der geliebten Koblenzer Umgebung.

Hastig verließ seine Mutter Koblenz, um im Umkreis ihrer Eltern in München ein neues Leben zu beginnen. Tränenreich nahm Ben Abschied von seinen Schulfreunden und seinen Kameraden aus dem Fußballverein. Sein junges Leben lag in Scherben.

dann aber auch sehr persönlich, aus der Perspektive des kleinen Ben:

Ben hat keine. Maximilians Worte haben sich in seinen Gedankengängen festgesetzt und kreisen unaufhörlich. Mama und Papa, könnte da nicht wieder was gehen? Mama hatte sich neulich doch wieder sehr für Bens Wochenende in Koblenz interessiert und wissen wollen, wie es Papa geht. Sprach sogar davon, ein paar Tage in Koblenz zu verbringen, um Opa Lust, sich an Spielen zu beteiligen; zu sehr ist er in seiner Gedankenwelt gefangen mal wieder zu sehen. Da würde sie Papa treffen, das erste Mal seit einem Jahr. Endlich!

Und hin und wieder vermischst du beide Ebenen, indem du einerseits Bens Gedanken beschreibst, durch ein Wort aber mittendrin diese Ebene wieder verlässt.

Ben weiß, was gleich kommen wird K und er spürt einen dicken Klos in seinem Hals. Negativer Countdown: Ein paar Minuten noch und das ereignisreiche Wochenende wird vorbei sein. Umarmung, Tränen, Winken, ach, hoffentlich geht es schnell vorbei!

Dein Text mischt die sachliche Beschreibung der Zugfahrt und des Wochenendes mit den Gedanken Bens. Mir hätte es besser gefallen, wenn du den Fokus stärker auf die Gedanken und Empfindungen Bens gelegt hättest – und das in der Sprache eines Zehnjährigen.

Dein Text hat dazu so viele gute Ansätze. Du zeigst ja auf, was ihm in München fehlt, was er vermisst, wohin er sich zurücksehnt:

Zurück zu seinen Freunden in der Schule. “Ich kann sie riechen”K denkt Ben und erinnert sich an schwitzige Turnmatten in der alten Halle. Singen im Schulchor, unendlich lange Proben im Musikraum. Harte Arbeit! Töpfern. Tasse mit TuS Koblenz-Logo! Das hat Spaß gemacht.

Du zeigst auch auf, was ihm Spaß gemacht hat an diesem Wochenende:

Der Höhepunkt dieses Wochenendes: Das Spiel der TuS Koblenz im Stadion Oberwerth. Den ganzen Vormittag lief Ben schon im TuS-Trikot rum. Blau-Schwarz, auf dem Rücken die große "12" und darunter, in großen Blockbuchstaben: BEN.
Was für eine Aufregung! Im Kreise der Fans am Rande von Block 1, dem Bereich, in dem sich nur die treusten der treuen Fans befinden, feuerte er die Mannschaft an. Kooooooblenz! Er zitterte bei jeder Torchance des Gegners, am Schluß(ss) aber stieß er die Arme in die Höhe, brüllte seine Freude raus und rief die Namen der Spieler: Sieg für die TuS!

Und du zeigst auch seine Hoffnung auf eine Versöhnung der Eltern:

“Egal”K denkt Ben, “ich versuche es. Ich muß(ss) es schaffen! Das Projekt `Zurück nach Koblenz` beginnt gleich morgen!”
Zum ersten Mal seit Stunden huscht ein Lächeln über sein Gesicht.

Warum lässt du Ben nicht über all das nachdenken oder sich mit seinen Leidensgefährten darüber im Zug unterhalten, wie du es hier doch schon sehr gut machst:

"Weißt du, was bei uns passiert ist?"K fragt Maximilian.
Ben zuckt die Schultern und drückt auf die Tasten seines Gameboys.
"Papa hat mehrmals mit Mama telefoniert. Ich habe gelauscht. Und weißt du, was das Tollste ist?" Maximilian zerrt aufgeregt an Bens Jacke. "Papa will Mama in der kommenden Woche besuchen. Kommt also zu uns nach Augsburg. Vielleicht vertragen die beiden sich ja wieder und wir können wieder eine richtige Familie werden. Ausflüge machen, so wie früher. In den Zoo oder zusammen schwimmen gehen. Das wäre Wahnsinn!"
Ben legt seinen Gameboy beiseite. Schaut aus dem Fenster.
"Super, Maximilian. Wirklich! " Seine Worte kommen mechanisch aus ihm heraus. Er freut sich für Maximilian, spürt aber aufsteigenden Neid. Könnten nicht auch Papa und Mama wieder...

Meine Empfehlung: weniger Koblenz - mehr Ben.

Noch zwei Anmerkungen zur Rechtschreibung und zur Zeichensetzung: Die Regel für ss oder ß lautet: Nach kurzem Vokal ‚ss’, z.B. Ross, nach langen Vokalen wie auch ei, au usw. immer ‚ß’.
Auch die Kommasetzung bei der wörtlichen Rede stimmt leider nicht immer. Schau dir die Regeln noch einmal an.

Wie schon gesagt, halte ich das von dir angesprochen Thema für ein wichtiges, hätte mir aber gewünscht, dass mich dein Text als Leser stärker emotional angesprochen hätte. So empfinde ich ihn als zu distanziert - leider.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Lieber Barnhelm,

uiii, schon ein ganz harter Brocken für mich! Da dachte ich, ich hätte einen Text abgeliefert, der beiden kann -Koblenz und der Junge-, aber das hat wohl nicht so richtig gezündet.

Jetzt muß ich mal nachdenken ... Schwierig für mich, im Jargon eines Zehnjährigen zu schreiben; einerseits, weil mir dazu die Erfahrung fehlt, andererseits, weil ich das eigentlich auch nicht möchte.

Aber, wie dem auch sei: Wirklich ein großes Dankeschön für deine Kritik, die ich mir am Wochenende in aller Ruhe ansehen werde, sobald ich die Zeit dazu habe. Mal gucken, was ich daraus machen kann.

Gruß, Freegrazer

 

Hallo Freegrazer,

war noch nie in Koblenz und kenne die Stadt nicht. Du beschreibst am Anfang recht viel, die Kirche und das Denkmal. Liest sich ein bisschen wie ein Touristenführer oder ein Reisebericht. Und ich frage mich, was der Nutzen dieses Anfangs für die Kurzgeschichte ist. Ich meine, kleine Jungs interessieren sich nicht für Kirchen oder Flüsse oder Kultur. Der ganze erste Absatz, ja, der passt irgendwie nicht so recht zur Handlung, und wenn man die Stadt nicht kennt, ist man auch nicht schlauer als vorher. Man weiß zwar nun, dass da ne Kirche ist, aber sonst? Es liest sich einfach nicht spannend und das als Anfang zu haben, nun ja, das ist enorm schwierig. Das mit dem Fußballstadion, das finde ich aber gut, das interessiert einen zehnjährigen auch, da denke ich mir, ja, das ist authentisch.

Das Thema finde ich gut und wichtig. Kinder leiden unter Trennungen, mehr als die Eltern das wohl wahrhaben wollen, vor allem wenn es so mit Pendeln verbunden ist, so zwischen München und Koblenz. Das ist Stress pur für das Kind und ich finde, das vermittelst du auch gut. Und dann ist da noch ein Funken Hoffnung, dass die Eltern eines Tages zusammenkommen werden. Ich habe solche Erfahrungen nicht gemacht, Gott sei Dank, aber ich finde deine Geschichte nachvollziehbar und realistisch, auch was die Gedankengänge des Jungen angeht.

Aber ich finde, dass du dir mit dem Fokus auf der Stadt keinen Gefallen getan hast. Du hast den Jungen, seine Gedanken und Gefühle, also bist ganz nah dran am Protagonisten, und dann zoomst du ganz weit raus, um die Stadt zu beschreiben.

Für Ben heißt es Abschied nehmen von der geliebten Koblenzer Umgebung. Zurück in die ihm immer noch fremde Münchner Welt, der Stadt, in der alles ganz anders ist als in der beschaulichen Stadt, in der die Mosel in den Rhein mündet.

Hier zum Beispiel. Das reißt mich wieder vom Jungen weg und aus der Geschichte raus, ist doch schade eigentlich. Zumal sich der Satz nicht schön liest.

Die in Richtung Rheintal wehenden Flaggen der Bundesländer, Kein Komma dominierend das Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild auf mächtigen, steinernen Quadern.

Die Doppeltürme der St. Kastor - Kirche grenzen den Bereich ab, an dem vor vier Jahren die Bundesgartenschau Gäste aus In- und Ausland willkommen hieß.

St.Kastor-Kirche

Hoch über dem Rhein, auf der gegenüberliegenden Seite des Denkmals Komma thront die Festung Ehrenbreitstein auf einem Bergsporn

Abneigung wurde zu Haß.

Hass

Sein junges Leben lag in Scherben.

Ein bisschen zu viel Pathos, finde ich, das liest sich so überzogen.

"So, wer von euch hat denn Lust auf ein schönes Spiel? Wie wäre es mit einem Quartett? Traumautos!"Komma fragt der Begleiter, der weiß, dass die sonntägliche Fahrt problematisch ist.

"München hat keine Seilbahn" Komma hatte Ben trotzig seiner Mama gesagt, und dabei an die Seilbahnfahrten hoch zur Festung Ehrenbreitstein gedacht.

"Weißt du, was bei uns passiert ist?" Komma fragt Maximilian.

Ben zuckt die Schultern und drückt auf die Tasten seines Gameboys.

Spielen Kinder heutzutage noch mit dem Gameboy? Der ist ja schon arg alt.

Ben legt seinen Gameboy beiseite. Schaut aus dem Fenster.

Da würde ich einen Satz draus machen, mit und oder einem Komma.

"Super, Maximilian. Wirklich! "

Ein Leerzeichen zu viel.

Könnten nicht auch Papa und Mama wieder...

Leerzeichen vor die Punkte

“Ich kann sie riechen” Komma denkt Ben und erinnert sich an schwitzige Turnmatten in der alten Halle.

“Egal” Komma denkt Ben, “ich versuche es. Ich muß es schaffen! Das Projekt `Zurück nach Koblenz` beginnt gleich morgen!”

muss

Alles in allem ist das aber gut geschrieben und ich habe das gerne gelesen.

Beste Grüße,
gibberish

 

Hallo gibberish,

besten Dank für deine vielen Hinweise und die damit verbundene Mühe. Ich bin richtig erschrocken darüber, so viele Kommafehler gemacht zu haben. Ist ein Punkt, auf den ich achten muß, das ist mir heute, auch schon durch die Kritik von barnhelm, klar geworden.

Ja, ich glaube, ich verstehe, was das Problem der Geschichte ist: Ich wollte zuviel; werde die Geschichte in den kommenden Tagen auf den Jungen fokussierend umschreiben und neu einstellen; mal gespannt, wie sie dann wirkt.

Vielen Dank nochmal!

Gruß, Freegrazer

 

Hallo Feuerwanze,

zuerst einmal Gratulation zu deiner momentanen Lektüre: "Garp" von Irving ist ein wirklicher Kracher und gehört zu den Büchern, die ich alle Jahre mal wieder lese.

Ach, könnte ich auch nur ansatzweise so schreiben ... :(

Womit wir schon beim Thema wären. :)

Deine Kritik ist für mich vollkommen nachvollziehbar. Tatsächlich hatte ich beim Schreiben das Problem (die Vorgabe), nicht über eine bestimmte Länge des Textes kommen zu dürfen, da dieser Text für ein Wettbewerb war. So musste ich Kompromisse machen; das Ergebnis war dann dieser Text ...

Ich muß nochmal nachdenken, wie ich die Stadt (und die Beschreibung liegt mir schon am Herzen, des regionalen Bezugs wegen) und die Geschichte an sich miteinander in Einklang bringe.

Dir alles Gute,

bis bald,

Freegrazer

 

Lieber Freegrazer,
noch eine Anmerkung zu deiner Äußerung:

Schwierig für mich, im Jargon eines Zehnjährigen zu schreiben; einerseits, weil mir dazu die Erfahrung fehlt, andererseits, weil ich das eigentlich auch nicht möchte.

Weil das gestern in einem Kommentar zu Chris Stones Roman auch der Punkt war: Ich meine nicht, dass du deinen Text in einer kindlichen Sprache abfassen solltest. Mir ging es eigentlich mehr darum, das Geschehen durchgängiger aus der Perspektive des Ben darzustellen. Das kann doch in einer ganz normalen Alltagssprache geschehen. Nur noch mal zur Klärung. Aber es ist dein Text und du entscheidest.:) Ich bin gespannt auf das Resultat deiner Überlegungen.

Weiterhin einen schönen Sonntag
wünscht dir
barnhelm

 

Hola freegrazer,

das ist schön, dass wir wieder etwas von Dir zu lesen bekommen. Ich weiß, Du bist ne Kobbelenzer Jung (wahrscheinlich falsch geschrieben) und hast mir damit viel voraus – nämlich den Stolz auf die Heimatstadt. Und Eure Umgebung ist ja auch nicht ohne!
Jetzt weiß ich allerdings nicht, inwieweit ein Zehnjähriger diesen Stolz empfindet, empfinden kann.
Das Zugehörigkeitsgefühl zur Heimatmannschaft, egal in welcher Disziplin, hat er selbstverständlich im Blut, doch ob ihn

Der Kaiser, hoch zu Roß, an seiner Seite der geflügelte, weibliche Genius.
interessiert
oder
die ‚BUGA, die Gäste aus In- und Ausland willkommen hieß’
, glaube ich weniger.
Aber das ist meine Privatmeinung. Auf jeden Fall hast Du die Geschichte mit dem Herzen geschrieben – für ein (fast noch) Kind:
Nur jetzt keine Schwäche zeigen, stark sein, für einen Moment ganz Mann, schließlich ist man mit zehn Jahren kein Kind mehr!
und für Koblenz! (Die Doppeltürme der St. Kastor – Kirche / Seilbahnfahrten hoch zur Festung Ehrenbreitstein / Wassergarten wie am Deutschen Eck / das Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild / Sieg für die TuS!)

... einen dicken Klos ...

Es wird eine ereignislose Fahrt.
Und das darf nicht sein – es fehlt ein Knaller. Ich vermisse ein paar Zeilen, wo ich als Leser Partei ergreifen muss, wo es mir an die Nieren geht, wo ich ‚verdammt’ sage.
Schöne Sachen sind dabei:
Alles lange her, aber unauslöschliche, sehnsuchtsvolle Gedanken.
Aber auch:
“Egal” denkt Ben, “ich versuche es. Ich muß es schaffen! Das Projekt `Zurück nach Koblenz` beginnt gleich morgen!”
Hier denke ich nicht, dass Ben so mit sich spricht.

Freegrazer, ich bin bisschen am Nörgeln, obwohl das nicht meinem ‚Normalgemütszustand’ entspricht – vielleicht habe ich nur den falschen Tag erwischt (Ich hab noch nicht einmal die anderen Komms gelesen, obwohl ich das sonst immer tue. Es war auch der Gedanke dabei, dass man doch beeinflusst wird von anderer Leute Meinung).
Zum eigentlichen Thema kann ich wenig sagen, ich kenne diese Dinge nur (Gott sei Dank!) aus zweiter Hand. Es gibt genug Schlauberger, die das alles erklären können, doch das brauche ich nicht. Wir müssen die gesellschaftlichen Veränderungen akzeptieren – ob wir das wollen oder nicht. Es ist ja nicht nur Egoismus, der so viele Singles und Alleinerziehende und dadurch Betroffene wie Ben verursacht, sondern es ist ein verändertes Lebensgefühl mit mehr Risiko und Verführung – wer viel riskiert, kann abstürzen, wer viel will, muss ordentlich ranklotzen. Bei vielen geht das an die Substanz, dann liegen die Nerven blank.

Dass dieser Zustand über Dich hereinbricht wegen meiner Nörgelei, hoffe ich nicht, aber ich denke, alte Amigos dürfen sich ein offenes Wort sagen.

Wenn Dir meine neue KG nicht gefällt, dann mach keinen Hehl draus – wir wären wieder quitt.

Jürgen, bleib gesund und schaffensfreudig – solche Leute braucht das Forum!

José
PS: Übrigens – wusstest Du, dass TuS >Turn- und Spielvereinigung Koblenz 1911 bedeutet?
Kannste mir glauben – ich hab’s grad ergoogelt:schiel:.

 

Hola José,

tja, da ist in der Tat der Kowelenzer Jung mit mir durchgegangen, als ich diesen Text schrieb.

Wie von Geisterhand entstanden die Textzeilen über meine schöne Heimatstadt und ich war tatsächlich für Sekundenbruchteile der Meinung, Großes geschaffen zu haben ... wie man sich täuschen kann, und fürwahr, ich habe mich schon oft getäuscht ob meiner schriftstellerischen Exzesse.

Dennoch, DU José, hast alles richtig gemacht, indem du dich völlig unbeeinflusst dem Text hingegeben hast. Nur so entsteht unabhängige Meinung.

Deiner Argumentation kann ich in allen Punkten folgen und du stehst nicht allein da !!!

Also, um es kurz zu machen: Ich werde mir deine Kritik und die unserer Mitstreiter, - alles formidable Wortkünstler - zu Herzen nehmen und mich in die Niederungen der Textarbeit begeben. Den Staub abgeschüttelt, werde ich hoffentlich in den kommenden Tagen mit einem Text aufwarten, den man als gediegene Handwerkskunst loben kann.

Bis dann mein Lieber,

Jürgen
aka Freegrazer

 

Hallo Freegrazer,

das Thema ist wirklich nicht ohne. Im weitesten Sinne des Wortes bin ich auch ein Scheidungskind, allerdings wohnte ich damals schon mit meiner späteren und jetzigen Frau zusammen. Aber ich habe eine neun Jahre jüngere Schwester, die hat das mit der ganzen Breitseite durchleben müssen. Meine Mutter hatte dann noch gewaltig polarisiert und uns, also auch mir und meinen älteren Brüdern zu verbieten versucht, Kontakt mit unserem Vater zu halten. Die Kleine musste sich an das Verbot halten und hat erst wenige Monate vor dem Tod des Vaters, da war die Mutter schon gestorben, sich mit unserem Vater ausgesöhnt.

Ich empfinde deine Geschichte, aus der Betrachterperspektive erzählt, für mich gelungen. Die Beschreibung am Anfang fand ich persönlich nicht schlecht, da ich schon in Koblenz, sowohl am Deutschen Eck, als auch auf der Festung war, und ich was damit anfangen konnte. Für jemand, der Koblenz nicht kennt, kann es sein, dass das uninteressant rüberkommt. Mit Ben hat es nur insofern zu tun, dass er dort geboren wurde und es spielt ja auch später keine Rolle mehr, höchstens mit der Sehnsucht nach Koblenz, aber da glaube ich auch nicht, dass ein Zehnjähriger sich nach dem Deutschen Eck sehnt.

Auch dieses Mal verging die Zeit viel zu schnell. Das Wochenende mit Papa. Alle vierzehn Tage derselbe Ablauf:

Hier bin ich der Meinung, dass ein vierzehntägiger Turnus nicht machbar ist und das auch dazu führen würde, dass der Besuch bei seinem Vater Gewohnheit und nichts Besonderes mehr ist. Für nicht machbar halte ich ihn wegen der schulischen Belastung. Einmal ein Wochenende im Monat würde die Geschichte glaubhafter machen. Ist aber meine eigene Meinung. Ich vergleiche das mit dem Auszug unserer Tochter. Als sie zum Studium für fünf Jahre nach Leipzig gegangen war und dort gewohnt hatte, haben wir uns manchmal gleich zwei Monate nicht gesehen, aber regelmäßig telefoniert. Als sie dann in der Nähe zum Elternhaus mit ihrem Mann zusammen ein kleines Häuschen gekauft hatte, waren am Anfang die Besuche regelmäßig, jetzt sind sie schon seltener. Gut, wirst du sagen, das kannst du nicht mit einem Kind von zehn Jahren vergleichen, wo ich dir natürlich zustimme. Aber versetzt dich mal in die Lage eines Kindes, das alle zwei Wochen wirklich die Reise von München nach Koblenz auf sich nimmt. Da muss das Verhältnis zur Mutter einen Knacks haben.

Was für eine Aufregung! Im Kreise der Fans am Rande von Block 1, dem Bereich, in dem sich nur die treusten der treuen Fans befinden, feuerte er die Mannschaft an. Kooooooblenz!

Ganz klar, hier muss er dabei sein.

"München hat keine Seilbahn" hatte Ben trotzig seiner Mama gesagt, und dabei an die Seilbahnfahrten hoch zur Festung Ehrenbreitstein gedacht. Ben blieb bei seiner festen Meinung: Keine Seilbahn, kein Wassergarten wie am Deutschen Eck: München ist doof!

Ist das wirklich so? Sicher, erst wenn man fort ist, schätzt man das, was man hatte. Das, was man täglich vor der Nase hat, vernachlässigt man doch eher.

Das wäre toll! Zurück nach Koblenz!
Zurück zu seinen Freunden in der Schule. “Ich kann sie riechen” denkt Ben und erinnert sich an schwitzige Turnmatten in der alten Halle. Singen im Schulchor, unendlich lange Proben im Musikraum. Harte Arbeit! Töpfern. Tasse mit TuS Koblenz-Logo! Das hat Spaß gemacht. Alles lange her, aber unauslöschliche, sehnsuchtsvolle Gedanken.

Das sind Gedanken, die für einen zahn Jahre alten Jungen authentisch sind. Das nehme ich dir unbesehen ab. Und das ist auch emotionsgeladen. Ein Kind sehnt sich nach einer intakten Familie und da gehört der Papa mit dazu. Ob die Ehe dann wieder so funktioniert, wie vor der Zeit, die zur Scheidung geführt hat, ist eher fragwürdig. Manchmal wirkt so eine Trennung aber auch Wunder, und die Ehe, oder das Zusammenleben funktioniert besser als bisher. Gibt es alles.

Ich hatte beim Lesen mit den Tränen zu kämpfen, die Geschichte ist mir nahegegangen. Ich habe sie sehr gerne gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo khnebel,

vielen Dank für deine Kritik, mit der ich eine Menge anfangen kann. Besonders das mit dem Turnus: Da hast du vollkommen recht; hatte ich nicht bedacht und werde es ändern.

Ich glaube, jetzt bin ich zuerst einmal dran ... Mal schauen, was ich daraus machen kann, musste dies leider noch einmal um eine weitere Woche verschieben (die Arbeit !!! ); kommt aber bald.

Gruß, Freegrazer

 

Hallo Freegrazer,
Mich hat auch ein bisschen irritiert, dass du nicht aus der Sicht eines Kindes schreibst. Aber da du durchgängig die Perspektive des allwissenden Erzählers wählst, habe ich mich schnell da rein gefunden. So ist die KG eher etwas für Erwachsene, pädagogisch bildend. Aus der Sicht des Kindes wäre sie "fühliger".
Gelungen ist sie dir auf jedenfall. Solide Handarbeit! Toll!
LG Damaris

 

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