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Zugfahrt

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15.05.2014
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Zugfahrt

Der Bahnhof steht grau und schmutzig unter einer wolkigen Decke. Ich gehe mit meinem Gepäck unter der Unterführung hindurch. Kalter Wind schmeißt sich an das Gemäuer und ich sehe den Schmutz des vergangenen Abends. Zwei volle Weizengläser stehen auf dem Boden, so als ob sie ihr Besitzer gleich noch leertrinken würde; Kippenstummel und Plastikbecher vervollständigen das Bild der würdelosen Bahnhofsunterführung.
Im Zug bin ich angenehm überrascht, das Abteil habe ich völlig für mich allein. Ein roothariger breitgebauter Kerl, mit einem Nasenring wie ein Büffel, schaut kurz durch die Glastüre herein, entschließt sich dann aber nach oben zu gehen. Schön denke ich mir, so habe ich meine Ruhe und beginne sogleich meine Novelle von Stefan Zweig weiterzulesen.
Der Zug rollt surrend und langsam an, und wie Häuser, Bäume und kleine Waldstücke immer schneller vorbeiziehen, tauche ich ab in Zweigs Geschichte. Von einem Student schreibt er, der neu nach Wien gezogen ist und sich auf die Zeit seines Lebens freut. Doch alles war anders und schwerer, als er sich das vorgestellt hatte. Der junge Mann ist ein regelrechtes Würstchen; jung, ohne Selbstvertrauen und schwach wie ein kleines Kind. Stefan Zweig geiselt ihn 50 Seiten, die Menschen lachen über ihn und traurig und allein vegetiert er dahin. Fünf Seiten schenkt er ihm Freude, er ist verliebt und ich erhoffe mir ein glückliches Ende für den jungen Mann. Die letzten fünf Seiten lässt er ihn an Scharlach verkümmern, bis er im Fieberwahn in seinem Bett stirbt. Ich lege das Buch auf mein Tischchen und bekomme Gänsehaut; ein Kribbeln durchfährt mich. Betroffen schaue ich aus dem Fenster und wäre Stefan Zweig bei mir würde ich ihn anschreien und ohrfeigen wollen. „Hast du denn kein Herz?“, möchte ich ihm zurufen. Wie kannst du ihn nur so hassen deinen Studenten? Ja, er hätte etwas Besseres verdient gehabt.
Sachte hält der Zug am nächsten trostlosen Ort und zwei ältere Pärchen, die offensichtlich vom Wandern kommen, setzen sich in die Reihe direkt neben mich. „Oh nein!“ denke ich mir, da sie schon laut redend ins Abteil platzen. Ich versuche zunächst weiterzulesen, doch bei dem Geschnatter kann ich mich nicht konzentrieren. Dabei ist es leicht amüsant zuzuhören, wie sie in breitem Dialekt regelrecht schwätzen. Von Autos ist die Rede. Ich versuche mir etwas darunter vorzustellen, doch mir kommt es immer nur so vor, als ob sie Buchstaben aus dem Alphabet wahllos rauspicken und eine Zahl von eins bis zehn hinten dranhängen. M5 oder Q3, ich habe es einfach noch nie verstanden und werde es wohl auch nie durchschauen um welche Marke, oder welches Modell es sich nun handelt. Bei einer der Damen, lässt sich ihre Norddeutsche Herkunft nicht überhören. Unter den vielen „isch“, „weisch“, „hasch“, „gä“ steht als grundfestes Fundament der reine Klang des Hochdeutschs, was das was sie sagt noch komischer wirken lässt, als es schon ist. Über ihren Nachbarn schimpft sie, der seinen silbernen Mercedes samt Anhänger stets so parkt, dass der ganze Gehweg und noch dazu die halbe Straße blockiert sind. Gelangweilt und doch zugleich amüsiert von dem eintönigen Geschwafel, werde ich erst wieder munter, als der Schaffner uns die Ankunft in Stuttgart per Lautsprecher ankündigt.
Dort angekommen steige ich schnell aus. Kalter, öliger Bahnhofsgeruch füllt meine Nase und ich begebe mich gleich in den Raucherbereich. Ein junger Typ streift qualmend an mir vorbei und blickt mich an als wolle er mich fragen „Hast du ein Problem?“. „Hast Du ein Problem?“ rufe ich ihm in meinen Gedanken zu und boxe ihn imaginär mit einem Schlag K.O. Zufrieden rücke ich mir den Mantel zurecht; ein letzter, heißer Zug an meiner Zigarette bis die Lippen brennen und ich begebe mich in Richtung meines Anschlusszuges.
Ich sitze im großen Abteil und bin froh einen Platz gefunden zu haben. Ich entschließe mich die nächste Geschichte von Stefan Zweig zu lesen. Eine junge, wohl berühmte Dame schlüpft für einen Tag wieder in die Rolle eines unscheinbaren Mädchens. Sie lernt einen Studenten kennen. Diesmal kein Würstchen, sondern ein netter, unerfahrener Verführer. Sie verbringen gemeinsam die Nacht und nichts deutet auf ein schmerzliches Ende hin. Ich blättere ein Paar Seiten vor um nachzusehen, ob es noch für eine böse Überraschung reicht. „Gott sei Dank“ geht es mir durch den Kopf, nur noch zwei Seiten, eine kurze Geschichte. Die beiden müssten über den Berg sein. So ist es dann auch und dankend möchte ich nun Herrn Zweig meine Hand reichen, dass er mir meine Wut von vorhin nicht übel nahm und keiner draufging.
Zufrieden lege ich das Buch beiseite und blicke aus dem Fenster. Die Hügel der schwäbischen Alb liegen grün und still. Auf einem Berg thront ein breites Holzkreuz wie ein Wächter über dem einsamen Kuhdorf. Die Landschaft und die Dörfchen dösen in der Ruhe des Sonntagmorgens vor sich hin. Durch ihre spröde Art wirken sie auf mich, als wollten sie mir sagen: „Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.“ Auch ich träume vor mich hin und lese beim Vorbeifahren auf einem Schild den Namen „Dinkelscherben“. Dieser Name erweckt in mir stets die gleiche Assoziation. Ich sehe eine zerbrochene braune Bierflasche wie sie auf einem schmutzigen Boden liegt. Und zwischen den zersplitterten Teilchen bahnt sich flüssig und schäumend das Bier seinen Weg. Schmunzelnd und verwundert über was man sich so alles Gedanken machen kann nähere ich mich meinem Ziel.
„Meeeeine sehr verehrten Damen und Herren, unser nächster Halt ist in wenigen Minuten Augsburg. Sie werden dort alle vorgesehen Anschlusszüge erreichen. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Reise mit der Deutschen Bahn und. Auf. Wiedersehen!“ kommt es knisternd aus den Lautsprechern und der Schaffner wiederholt diese grandiose Ansprache noch auf Englisch: „Laaaaadies änd Tschentlmän in a fju Minits wi will arraif Augsburg. Oll konnekting treins will be rietscht. Sänk ju for trävelling wis Deutsche Bahn tuday and gutbai!“
In Augsburg steige ich aus und der Bahnhof kommt mir angenehm lebhaft vor. Leichte Sonnenstrahlen schieben sich durch die aufbrechenden Wolken und erwärmen meinen Körper. Die Luft ist noch kalt, doch ich spüre der Winter hat schon seine Sachen gepackt und die Sonne gelangt zu alter Stärke. Die Stadt ist ruhig und doch am Leben. Nur die herrischen Stadthäuser scheinen mich noch zu kennen und leise gehen die Menschen durch die Straßen. Bloß das gleichmäßige Rollen meines Koffers, der wie ein alter Traktor auf den Pflastersteinen tuckert, stört den sonntäglichen Frieden.

 

Hallo mac ondo!

Dein Text soll auch einen Kommentar bekommen.

Zugfahrt nennst du deinen Text und eine Zugfahrt beschreibst du. Und tut mir leid, aber ich finde es irre, irre, irre! langweilig. Mich würde interessieren, was du denkst, dass Leser an dieser Beschreibung einer ganz normalen Zugfahrt lesenswert finden könnten?

Ich gehe in die Details:

"Der Bahnhof steht grau und schmutzig unter einer wolkigen Decke."
=> Meinst du "Wolkendecke"? Unter einer "wolkigen Decke" kann ich mir nichts vorstellen (außer, dass hier der Autor vermutlich versucht, sich besonders poetisch auszudrücken).

"Kalter Wind schmeißt sich an das Gemäuer"
=> Dito. Versuch von poetischer Sprache, die ich eher schräg finde.

"ich sehe den Schmutz"
=> Dass es da schmutzig ist, hat der Leser schon begriffen; steht ja wortwörtlich bereits im ersten Satz.

"der würdelosen Bahnhofsunterführung."
=> Warum überlässt du dem Leser nicht die Wertung, wie er die Bahnhofsunterführung findet?

"roothariger"
=> doppelter RS-Fehler

Kommafehler werde ich dir nicht raussuchen; es sind aber einige (viele!) im Text.

"Der Zug rollt surrend und langsam an, und wie Häuser, Bäume und kleine Waldstücke immer schneller vorbeiziehen, tauche ich ab in Zweigs Geschichte."
=> Grammatisch schräg, finde ich.

"Stefan Zweig geiselt ihn 50 Seiten"
=> Vermutlich geißelt er ihn.

"Dabei ist es leicht amüsant zuzuhören"
=> schräg

"ob es noch für eine böse Überraschung reicht. „Gott sei Dank“ geht es mir durch den Kopf, nur noch zwei Seiten, eine kurze Geschichte. Die beiden müssten über den Berg sein."
=> Warum nimmst du dir nicht ein Beispiel? Schreibst eine Geschichte mit einem Plot, am besten mit einem interessanten Plot, wo man sich fragt, wie es weitergeht, wo Überraschungen drin sind, usw.?

"Durch ihre spröde Art wirken sie auf mich"
=> Wie sieht "die spröde Art" von Dörfern und Landschaften aus? Ich kann mir darunter absolut überhaupt nichts vorstellen!

"Schmunzelnd und verwundert über was man sich so alles Gedanken machen kann nähere ich mich meinem Ziel."
=> Wirklich, ich möchte echt nicht wisen, was die Leute den lieben langen Tag so vor sich hindenken. Ich kann über deine Assoziation nicht schmunzeln, was ist an Gedanken an 'ne zerbrochene Bierflasche zum Schmunzeln?

"Nur die herrischen Stadthäuser scheinen mich noch zu kennen"
=> Versuchs doch mal in einfacher, normaler Sprache. Die kommt meist viel besser an.

So, das war's von mir. Wie du gemerkt hast, konnte ich mit deinem Text nichts anfangen, sorry.

Grüße,
Chris

 

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