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Zu zweit im Aufzug
„Sie ist überall und doch nicht greifbar. Die Dunkelheit verhindert das Aufspüren des zum Schliessen des Stromkreislaufes der Kabinenbeleuchtung erforderlichen Schalters."
„Hä was? Was ist los? Ich seh nichts.“
„Aus den akkustischen, in ihren Stimmbändern geborenen Verbalaussagen schliesse ich, dass ich nicht von Sinneswahrnehmungsstörungen befallen bin, sondern meine Orientierungslosigkeit auf den Schwund von Licht zurückzuführen ist. Da wir beide darunter leiden, liegt die Ursache nicht bei uns, sondern bei dritten.“
„Was reden sie. Was ist mit der Scheiss-Beleuchtung los?“
„Die Aussergewöhnlichkeit der Situation scheint eine starke Manipulation ihres Gemüt zu bewirken. Solch schnell aufkeimende Nervosität und wütende Wortwahl spricht nicht für ihre Fähigkeit, Extremsituationen zu verarbeiten. Ich bin nicht ermächtigt Eindeutigkeiten in meine Spekulationen über die Ursachen des Fehlers einzubauen.“
„Halten Sie ihr Maul. Wo sind Sie, ich bringe sie zum schweigen. Sie machen die Situation nur noch schlimmer.“
Im Aufzug geht das Licht wieder an. Die beiden Türen schieben sich in die Wand und öffnen den Weg in den zweiten Stock zur Herrenmode.
Die beiden Männer im Aufzug schauen sich kurz an. Links steht ein stinkender Mann, unrasiert in einer dreckigen olivgrünen Jacke: „Jetzt sehen sie mich ja. Bringen Sie mich doch zum schweigen, oder ist ihre Wut so schnell erloschen wie sie gekommen ist?“
Rechts steht ein Herr mit Gelfrisur, Aktenkoffer und Schweissperlen auf der Stirn. Seine Krawattennadel glitzert im Licht der Kaufhausbeleuchtung. Mit schnelleren Schritten dringt er in die Konsumabteilung ein. Der stinkende Mann mit der zerrissen Jacke fährt noch ein paar Stunden im Aufzug hin und her. Er hat kein Zuhause und im Aufzug ist es warm.