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Zu spät.

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24.02.2017
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Zu spät.

Schluss. Aus. Ende.
Stille. Dröhnen in meinen Ohren. Das „Amen“ hallt in meinem Kopf wider, übertönt alle Gedanken.
Rascheln hinter mir. Ein kleines Mädchen. Was macht sie hier? Kleine Kinder sollten spielen, fröhlich sein, sollten so etwas nicht sehen müssen.
Sie weint. Warum weint sie? Kannte sie dich, Sara? Ich weiß es nicht, sag du es mir.
Kann sie in ihrer kleinen, naiven Welt begreifen, was endgültig bedeutet? Oder weint sie, weil alle um sie herum trauern?
Die vielen Gesichter um mich herum – verschlossen, abwesend, ernst.
Viele Schüler, viele Lehrer. Bekannte. Kaum Freunde. Wir hatten nur wenige echte Freunde. Wir hatten uns. Wir beide gegen den Rest der Welt. Schon immer. Es war immer genug. Und jetzt?
Einen Schlussstrich ziehen, würdest du jetzt sagen. Kurz und schmerzlos. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Einen Schlusspunkt setzen.
Du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht geht. Nicht einmal für dich war es schmerzlos.
Orgelmusik in der Kirche, viel zu laut. Langsam, traurig, melancholisch. Klavier wäre schöner. Ich hätte für dich gespielt. River flows in you. Oder Requiem for a dream, das ist passender. Früher war es ein schönes Lied. Jetzt ist es dein Lied geworden.
Ich weine nicht. Ich habe schon zu viel geweint. Mir ist eiskalt. Ich spüre meine Zehen nicht mehr.
Ich bin nicht hier, ich bin weg. Weit, weit weg, so weit oben, dass mich nichts erreichten kann. Meine Seele schwebt im Himmel, bei dir. Eine Mauer um mich herum, eine zarte Hülle um mein Herz.
Meine Seele kann fliegen. Du bist auch geflogen. Wie ist das, zu fliegen? Hast du gewusst, dass du stirbst? Du warst stark, du hast nicht geschrieen, du hast überhaupt kein Geräusch gemacht.
Weißt du, ich will dich festhalten. Ich will deine Hand nehmen und dich nie wieder loslassen. Ich will dich sicher über die Straße bringen, über jede Straße. Zu spät.
Du bist bei mir, jede Nacht, so nah, dass ich dich berühren kann. Wir stehen an der Straße. Ich erkläre dir alles, ich sage dir, was passiert. Aber ich bin verflucht, wie Kassandra von Troja. Du lachst. Du verschwindest. Ich strecke meine Hand aus, aber ich kriege dich nie zu fassen. Es ist zu spät. Du bist verblasst. Du bist ein Geist. Es ist zu spät für mich. Es ist zu spät für dich.
In meinem Kopf, in meinen Ohren deine letzten Worte: „Endlich Ferien.“
Deine Ferien enden nicht. Meine sollen woanders enden. Ich will keine Straßen mehr sehen, keine Schule, keine Autos. Ich will kein Blut mehr sehen, keine Blumen.
Hier sind überall Blumen. Schön bunt. Sie passen in dein Zimmer. Sie passen zu dir. Aber du passt nicht hierher. Du warst so fröhlich, so unbeschwert. Jetzt bist du eingesperrt. Du hättest getobt, geschrieen, in dein Kissen geboxt, wärst du zuhause. Du warst impulsiv.
Jetzt ist es still. Keine Orgel. Kein Flüstern. Kein Rascheln. Einfach Stille.
Weißt du, dass Stille laut sein kann? Laut wie die Orgel vorher, wie das Auto.
Weißt du, dass Stille schwer sein kann? Schwer wie Blei, wie mein Herz.
Stille gehört nicht zu dir, sie gehört zu mir. Es ist falsch hier, alles falsch. Ungerecht. Unwirklich.
Der Pfarrer redet. Es sind bedeutungslose Worte, ich kann sie nicht verstehen. Ich bin weg. Weit, weit weg. Meine Seele fliegt. Meine Seele hört ihn nicht. Im Himmel hört man keine Pfarrer. Du hättest ihm sowieso nicht zugehört. Gott gehört nicht zu deiner Welt.
Ich will ein Gewitter, heute Nacht. Gewitternächte gehören uns. Dann bist du vielleicht bei mir, eingehüllt in eine Decke, den Kopf an das Fenster gelehnt. Fasziniert. Wir beide haben nie im Regen getanzt. So viel verpasst. Es ist zu spät für dich.
Orgeln, viel zu traurig. Ich höre fast deinen Protest. Sie tragen dich trotzdem nach draußen, langsam, so langsam. Ich bin genauso ungeduldig wie du.
Sie stellen den Sarg vorsichtig ab. Jetzt darfst du die Radieschen von unten ansehen. Oder vielmehr die Blumen. Das sagen die Leute so, aber es ist Blödsinn. Der Himmel ist oben, das weiß jeder.
Der Sarg ist weiß. Unschuldig weiß. Die Erde ist hässlich, aber sie gehört dazu. Die Blumen sind schön. Genau richtig viele.
Der Sarg ist wie deine Seele. Am Anfang unschuldig weiß, dann kommen die bösen Momente, die Erde, die guten Momente, die Blumen.
Mein Kleid ist schwarz. Ich wollte ein lila Kleid, für dich, aber das macht man nicht. Stattdessen schwarz. Ein schwarzer Mantel aus Gleichgültigkeit um mein Herz. Eine schwarze Mauer um meine Gefühle. Du verstehst mich immer. Diesmal nicht. Es ist zu spät, um dir das zu erklären.
Beileidserklärungen. Ich lächle höflich. Eine Maske. Mein Gesicht ist schwer, mein Kopf ist schwer. Alles egal. Leer, ich bin leer. Meine Seele ist weg. Weit, weit weg. Sie erreichen mich nicht, auch wenn sie es versuchen. Meine Seele kann schweben.
Bald bin ich wieder zuhause. Zuhause ist meine Seele wieder da. Zuhause bist du wieder da.

Frische Erde. Feucht. Warm. Schmutzige Finger. Das bleibt übrig von dir.
Es ist zu spät. Du kannst dich nicht mehr um deine Beerdigung kümmern. Du kannst kein Testament mehr schreiben. Ich habe dein Tagebuch. Wenn du das nicht willst, ist es zu spät, um es mir zu sagen. Punkt.
Mama mag es nicht, wenn ich das sage. Ich glaube, es ist, weil Punkt. dir gehört. Basta. gehört Papa.
Es ist komisch, hier zu sein, weißt du. Oma und Opa sind immer noch total fertig. Bald gehen sie auch. Noch gehen sie nur zu deinem Grab. Bald muss ich drei Gräber besuchen. Du bist dann wieder bei Oma und Opa.
Pass gut auf sie auf. Pass gut auf dich auf. Pass auf Autos auf.
Vielleicht hast du im Himmel noch eine Chance. Hier ist es zu spät für dich.
Ich schreibe Briefe an dich. Ich verbrenne sie wieder. Die Flammen steigen in den Himmel. Sie können die Buchstaben zu dir mitnehmen. Hoffentlich kommen sie in der richtigen Reihenfolge an.
Wenn nicht, dann musst du eben puzzlen. Du hast ja jetzt Zeit. Dafür ist es nicht zu spät. Nur zum Reden. Und für WhatsApp. Das könnte schwierig werden.
Weißt du, Sara, ich vermisse dich. Wir sind leise geworden, Mama und Papa und ich. Ich mag keine Stille mehr.
Wir fahren nicht weg. Du bist alleine weggefahren. Das ist genug. Und ich will keine Autos mehr.
Wir sind eine Bilderbuchfamilie geworden, Mama und Papa und Tochter. Die Großeltern. Wenn man unsere Gesichter nicht ansieht, müsste man meinen, wir sind glücklich.
Irgendwann bin ich das wieder. Ich weiß das und du weißt das.
Meine Seele kommt langsam wieder zurück, sie fällt. Manche Leute können sie langsamer machen, aber niemand kann sie aufhalten.
Ich traue mich nicht, in dein Zimmer zu gehen. Es ist falsch, wenn es leer ist.
Ich weiß, dass ich seltsam bin. Das ist eben so. Punkt.
Ich brauche dich. Für immer.
Ich vermisse dich, so sehr, dass es wehtut.
Ich bleibe deine Schwester, und du bleibst meine Schwester. Für immer.
Punkt.

 

Hallo writing girl,

willkommen bei den Wortkriegern.
Gleich vorausgeschickt sei, dass ich hier nur meinen sehr subjektiven Eindruck wiedergeben werde. Andere werden das bestimmt ganz anders sehen, deshalb nimm Dir nicht zu sehr zu Herzen, was jetzt kommt:
Dein Text ist angenehm fehlerfrei. Und trotzdem war es mir unangenehm ihn zu lesen. Das liegt an der von Dir gewählten Form. Du führst ein sehr persönliches und intimes Zwiegespräch mit Sara und lässt die Leser außen vor. Das macht mich als Leser unfreiwillig zum Voyeur. Es ist, als hätte ich einen Tagebucheintrag oder Brief gefunden und würde ihn lesen, ohne ein Anrecht darauf zu haben. Du schüttest Deine Seele aus, gibst mir aber nicht das Gefühl, dass Du das wirklich mit mir (oder überhaupt mit anderen Menschen) teilen möchtest. Du vermittelst: Was Du da schreibst geht nur Sara was an. Und Dich natürlich. Niemanden sonst, also auch nicht mich. Deshalb habe ich nach wenigen Absätzen abgebrochen und nicht weitergelesen.
Für mich ist dieser Text zu persönlich gestaltet, ich kam mir vor als dränge ich in die Intimssphäre eines fremden Menschen ein. Das mag ich nicht tun, deshalb war Dein Text nichts für mich. Aber nochmals betont: das ist subjektiv und liegt mehr an mir als an Dir.

LG, Blaustrumpf

 
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Hallo writing girl,
herzlich Willkommen bei uns.

Du schreibst in deinem Profil, dass du dich verbessern möchtest und ernsthafte Kritik zu deinen Geschichten willst, um deinen Stil zu verbessern.
Ich würde an deiner Stelle gar nicht so sehr am Stil arbeiten oder einzelne Formulierungen verbessern, sondern an einer ganz anderen Stelle anfangen. Du schreibst nämlich weniger eine Geschichte als eine Art Totenlied.

Blaustrumpf schreibt dir:

Für mich ist dieser Text zu persönlich gestaltet, ich kam mir vor als dränge ich in die Intimssphäre eines fremden Menschen ein. Das mag ich nicht tun, deshalb war Dein Text nichts für mich. Aber nochmals betont: das ist subjektiv und liegt mehr an mir als an Dir.
Ich fand das spannend, mir ging das nämlich ganz genauso. Nur, dass ich mich weniger voyeuristisch fühlte als genervt. Ich habe dann auch entsprechend den Text zwar fertig gelesen, aber natürlich auch darüber nachgedacht, woran das liegen kann, dass zwei Leute so einen ähnlichen Eindruck kriegen. An deinem Stil liegt das nämlich nicht, der passt schon. Im Unterschied zu Blaustrumpf sehe ich das nicht nur subjektiv, sondern bin der Meinung, du baust/konstruierst hier zu wenig eine Geschichte, sondern verharrst auf dem Punkt der Trauer, ohne die Figur der Icherzählerin und ihrer Schwester (nehme ich an) Sara auszugestalten. Da sind schöne Stellen drin, wie zum Beispiel, das hier: M
ama mag es nicht, wenn ich das sage. Ich glaube, es ist, weil Punkt. dir gehört. Basta. gehört Papa.
Schön finde ich das, weil ich hier etwas Besonderes aus dieser Familie spüre, etwas, das ihr Verhältnis bestimmt. Da krieg ich einen Eindruck von den Figuren.
Ansonsten aber klebst du aus meiner Sicht viel zu stark an diesem Punkt der persönlichen Trauer fest. Das mag Leser ansprechen, aber viele eben auch aus den unterschiedlichsten Gründen abschrecken. Rein handwerklich ist es einfach so: Hier fehlt hier ein Gegenpunkt, entweder ein Konflikt, ob der nun innerlich oder äußerlich sein mag, das ist egal, aber du brauchst in einer Geschichte irgendetwas, was eine erzählerische Spannung auslöst, sonst wird das schnell monoton und sich selbst im Kreis drehend. Oder du entwickelst aus einer solchen Totenklage eine Darstellung der Figuren in ihrer Widersprüchlichkeit. Dann hast du neben der subjektiven Klage noch eine andere Schicht, die Entstehung nämlich einer Figur (der Toten) und vielleicht sogar einen Wendungspunkt für die Erzählerin drin.
Viele Grüße
Novak

 

Also, zuerst einmal Danke für alle eure Antworten und für eure ehrliche Meinung. Das ist genau das, was ich mir von dieser Seite erhofft habe.

Du führst ein sehr persönliches und intimes Zwiegespräch mit Sara und lässt die Leser außen vor. Das macht mich als Leser unfreiwillig zum Voyeur. Es ist, als hätte ich einen Tagebucheintrag oder Brief gefunden und würde ihn lesen, ohne ein Anrecht darauf zu haben.

Der Text ist wirklich sehr persönlich, so einen Eindruck wollte ich aber nicht vermitteln.
Natürlich ist deine Meinung subjektiv; du bist aber nicht der einzige, dem das hier auffällt, also muss wohl was dran sein.
Aber wie stellt man bei persönlicher Trauer mehr Leserbezug her? Ehrlich gesagt finde ich das ein bisschen schwierig, schließlich bleibt es ja irgendwo persönliche Trauer...


Ansonsten aber klebst du aus meiner Sicht viel zu stark an diesem Punkt der persönlichen Trauer fest. Das mag Leser ansprechen, aber viele eben auch aus den unterschiedlichsten Gründen abschrecken. Rein handwerklich ist es einfach so: Hier fehlt hier ein Gegenpunkt, entweder ein Konflikt, ob der nun innerlich oder äußerlich sein mag, das ist egal, aber du brauchst in einer Geschichte irgendetwas, was eine erzählerische Spannung auslöst, sonst wird das schnell monoton und sich selbst im Kreis drehend.

Ja. Eigentlich bringst du es so ziemlich auf den Punkt. Mir als Autor ist das anfangs gar nicht so aufgefallen, aber jetzt... Wenn ich mir das so noch mal durchlese, ist das wirklich mehr ein Totenlied geworden als eine Kurzgeschichte.
Danke für die Kritik, ich werde auf jeden Fall versuchen, sie zu beherzigen.

writing girl

 

Hallo writing girl,

und herzlich Willkommen.

schließlich bleibt es ja irgendwo persönliche Trauer...

Vorsicht! Der Protagonist ist NICHT GLEICH der Autor.

Mit dieser Aussage:

Foxys Cage schrieb:
Vielen Dank und vor allem: viel Kraft dafür.

dachte ich: auweia, Foxys Cage denkt tatsächlich, dass die Autorin das erlebt hat und nun als Trauerbewältigung aufgeschrieben hat. Das muss man unbedingt trennen.

Hier hatte ich auch dann das Problem wie meine Vorredner, dass hier zu wenig Geschichte erzählt wird, sondern nur der Gefühlszustand der Trauer mehrfach beschrieben wird.
Die zweite Person, also die Du-Ansprache, verstärken das extrem.
Wenn du Lust hast, würde ich dir empfehlen, die Geschichte in der dritten Person zu erzählen. Das wird dann eine ganz andere Geschichte, aber die könnte funktionieren, wenn du Rückblenden einbaust, in denen Situationen der Geschwister erzählt werden.

Was ich ganz irritierend fand:

Ein kleines Mädchen. Was macht sie hier? Kleine Kinder sollten spielen, fröhlich sein, sollten so etwas nicht sehen müssen.
Sie weint. Warum weint sie? Kannte sie dich, Sara? Ich weiß es nicht, sag du es mir.

Normalerweise weiß ein Geschwister doch, was für Kinder das andere Geschwister kennt. Und wenn das kleine Kind dann eine Reihe hinter der engsten Familie sitzt, muss es meiner Ansicht nach Verbindungen geben, da setzen sich keine wildfremden Menschen hin. Das hat mich rausgeschmissen, weil ich dachte, dass du die Situation nicht wirklich richtig durchdacht hast.

Liebe Grüße
bernadette

 

Liebe writing girl,

ich möchte mich der teils vorhandenen Kritik anschließen. Auch in finde, dass dein Text stilistisch schon sehr ausgereift ist und obwohl ich kein Freund kurzer, einfacher Sätze bin, fand ich, dass es sehr gut zu der Stimmung deines Texts gepasst hat. Allerdings hatte auch ich den Eindruck, dass ich keine Beziehung zu der Schwester der Erzählinstanz aufbauen kann, weshalb es schwerfällt, die intendierte Emotionalität beim Lesen aufrecht zu erhalten.
Eine grammatikalische Anmerkung noch:

Wenn du das nicht willst, ist es zu spät*,* um es mir zu sagen.

Herzliche Grüße,
Johannes Kreisler

 

Hey und Danke nochmal für die beiden neuen Antworten. Freut mich echt, dass ihr euch Zeit nehmt, mich zu kritisieren :).

Wenn du Lust hast, würde ich dir empfehlen, die Geschichte in der dritten Person zu erzählen. Das wird dann eine ganz andere Geschichte, aber die könnte funktionieren, wenn du Rückblenden einbaust, in denen Situationen der Geschwister erzählt werden.

Das ist auf jeden Fall eine sehr interessante Idee; das lohnt sich, glaube ich, wirklich, das einmal auszuprobieren. Da werde ich in nächster Zeit mal was schreiben... Dankeschön.

Normalerweise weiß ein Geschwister doch, was für Kinder das andere Geschwister kennt.

Ehrlich gesagt, weiß ich das bei meiner Schwester nicht unbedingt... Vor allem kenne ich nicht sämtliche Geschwisterkinder der Freunde meiner Schwester. So hatte ich mir das zumindest gedacht, ich habe dabei aber auch den Vorteil, dass ich als Autor mehr weiß als der Leser, also kann das schon sein, dass man das falsch versteht.


Eine grammatikalische Anmerkung

Danke für den Hinweis, das werde ich gleich korrigieren.

writing girl

 

Hallo writing girl,
einen ganz dünnen Handlungsfaden kann man aus Deiner, wie kann man es nennen, Trauerarbeit vielleicht, herauslesen. Da gibt es eine Schwester, die hatte einen Verkehrsunfall und nun wird sie beerdigt. Das ist aber auch nicht Deine Intention, sondern eben, ja, ich finde die Bezeichnung nicht unzutreffend, die Trauer zu bearbeiten oder eine Trauerbearbeitung darzustellen. Sprachlich ist das ganz schön variantenreich gestaltet, mit den rudimentären Sätzen, die sich bis zu einzelnen Worten ausdürren. Und der Einstieg ist ja auch schon einsilbig, der Sprachlosigkeit im Angesicht des Todes entsprechend. Das ist ein schönes Pendant.
Wenn ein Text allgemein ansprechen soll, also aus einem Einzelschicksal Relevanz für viele haben soll, braucht er eine gewisse Formung, einen Rahmen, damit die Botschaft eben auch aus der Individualität heraus allgemeine Gültigkeit bekommt. Und das ist der Punkt, der für mich dann bei Deinem Text nicht heranlässt. Mir erscheint die Gedankenfolge zu assoziativ aus dem Moment heraus, was sehr persönlich, sehr dicht an einer Person wirkt. Aber dadurch, dass ich wegen einer für mich zu wenig spürbaren Form gar keine Distanz bekomme, bleibt es für mich zu sehr im Individuellen hängen. Das ist aber jetzt ein sehr subjektiver Eindruck. Diese Grenze, wieviel Form man braucht und mag, oder welche Formelemente wichtig sind, das ist ja eine ganz variable Sache. Aber grundsätzlich braucht eben alles, was sich im weitesten Sinn Kunst nennt, diese formalen Elemente, einen Rahmen, eine Formung. Gut, in manchen Stilrichtungen der Bildenden Kunst gibt es diese spontanen Konzepte. Aber in der Sprache funktioniert das wahrscheinlich nicht so, wie auf der Leinwand. Und dann ist mir Deine Text eben zu lose, zu sehr aus der Praxis und zu unmittelbar.
Dennoch ist das Sinnieren über die letzten Dinge eine, wenn man so sagen mag, wunderbare Sache. Der Überdruss an den kirchlichen Ritualen, die Vorstellung von Seele und was vielleicht damit passiert, die Leblosigkeit in der Holzkiste. Das gibt schon Stoff und ist beeindruckend und da hast Du ja die ganz wesentlichen Sachen zur Sprache gebracht. Vielleicht aber eben dann in einer stärker handlungsmäßig betonten Form.
Sehr herzlich
rieger

 

Hallo writing girl,

Bei solchen Geschichten drohe ich immer einzuschlafen.
Es passiert mir hier viel zu wenig. Die ganze Handlung könnte man zusammenfassen mit: Jemand trauert.
Ich sehe da keinen Anreiz deine Kurzgeschichte zu lesen. Was bietet sie mir interessantes? Simple Trauer kennt doch jeder Mensch zur Genüge.

Die Melancholie deiner/s Protagonist/in kommt annehmbar herüber. An Stellen ist das ganze für meinen Geschmack noch zu kitschig, zu Autorengedacht. Ich spüre da größtenteils keine echte emotionale Verbindung, sondern nur ausgedachte Bruchstücke, die der Autor zwischen die Zeilen geworfen hat.

Ich bin nicht hier, ich bin weg. Weit, weit weg, so weit oben, dass mich nichts erreich[t]en kann. Meine Seele schwebt im Himmel, bei dir. Eine Mauer um mich herum, eine zarte Hülle um mein Herz.

Kitschalarm. Gefällt mir überhaupt nicht. Sagt für meinen Geschmack auch zu wenig aus. Solche Beschreibungen würde ich persönlich rigoros rausstreichen.


Hier sind überall Blumen. Schön bunt. Sie passen in dein Zimmer. Sie passen zu dir.

Vielleicht das größte Problem das ich mit dem Text habe, sind seine Halbbeschreibungen. Das obere Zitat ist ein gutes Beispiel. Was sind das für Blumen? Warum passen sie zu ihr? Für mich als Leser sagt das obige nicht aus. Hattest du irgendeine Blumenart im Sinn als du das geschrieben hast? Für mich scheint es so, als ob das wieder so ein Dahingeschreibsel ist, wie im Rest vom Text. Es fällt einem während dem Schreiben ein und gepackt vom Schreibfluss tippt man es hin und gut is es.
Allein diese Stelle hätte ausgereicht um die Tote schön zu charakterisieren. Blumen haben ja bekanntlich auch Charakter. Um ein Beispiel zu nennen, die Rose. Hättest du hier eine Rose verwendet, wäre dem Leser schon eine lebensfreudige, sinnliche Person suggeriert worden. Außerdem finde ich die Ellipse „Schön bunt“ als unwichtig. Natürlich stellt es den schweifenden Gedankenfluss der Protagonistin/ des Protagonisten da, doch das tut der restliche Text auch.

Mal soweit die Eindrücke von mir.


Gruß,
KorbohneD


PS: Vom Stil erinnerts mich an Fanfictionschreiberei. Stimmts oder hab ich recht?

 

Hallo writing girl
ich mag deinen Schreibstil und obwohl du, wie manche vor mir schon erwähnt haben, den Leser bei deiner Geschichte außenvorlässt, konnte man dem Geschehen trotzdem gut folgen. Die Handlung ist bei dir eher nebensächlich und hauptsächlich legst du den Fokus auf das innere Empfinden deiner Protagonistin, was bei deinem Thema zwar angebracht ist. jedoch nicht den ganzen Inhalt ausmachen sollte.
Was ich mir vielleicht vorstellen könnte wären einzelne Erinnerungen, wenn deine Figur an Sara denkt. Mit den Dialogen, die daraus entstehen würden, würdest du dem Ganzen zum Einen mehr Inhalt und Handlung geben, und zum Anderen die Wichtigkeit von ihrer Beziehung zu Sara vertiefen. Zwar ist ihre Bedeutung auch jetzt schon klar zu erkennen, aber nicht wenn es um die gesamte Familie geht wie sie miteinander umgegangen sind.
Ich hoffe bald noch mehr von dir zu lesen.

LG
Andrea

 

Vielen Dank nochmal für eure Kommentare und für die Zeit, die ihr euch genommen habt.

Wenn ein Text allgemein ansprechen soll, also aus einem Einzelschicksal Relevanz für viele haben soll, braucht er eine gewisse Formung, einen Rahmen, damit die Botschaft eben auch aus der Individualität heraus allgemeine Gültigkeit bekommt. Und das ist der Punkt, der für mich dann bei Deinem Text nicht heranlässt.

Ja, mein Text ist nur auf ein Einzelschicksal bezogen. Vielleicht würde es wirklich helfen, dem ganzen einen "Rahmen" zu geben, da werde ich mich die Tage mal dransetzen und alles noch einmal in Ruhe überarbeiten.


Bei solchen Geschichten drohe ich immer einzuschlafen.

Oh. Okay. Direkt formuliert. Auch darauf wurde ich schon mehrfach hingewiesen, ich werde mich auf jeden Fall bemühen, das in Zukunft zu ändern.

Vielleicht das größte Problem das ich mit dem Text habe, sind seine Halbbeschreibungen.

Also mehr Tiefe bei der Charakterisierung und den Beschreibungen? Okay, daran kann ich arbeiten.


Was ich mir vielleicht vorstellen könnte wären einzelne Erinnerungen, wenn deine Figur an Sara denkt. Mit den Dialogen, die daraus entstehen würden, würdest du dem Ganzen zum Einen mehr Inhalt und Handlung geben, und zum Anderen die Wichtigkeit von ihrer Beziehung zu Sara vertiefen. Zwar ist ihre Bedeutung auch jetzt schon klar zu erkennen, aber nicht wenn es um die gesamte Familie geht wie sie miteinander umgegangen sind.

Auch eine sehr interessante Idee, die sich bestimmt noch gut unterbringen lässt. Ich seh' schon, ich muss diesen Text dringend noch einmal überarbeiten. :)

writing girl


PS: KorbohneD: Ja, schreibe ich auch. Woran merkt man das denn?

 

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