Was ist neu

Zu Besuch

Mitglied
Beitritt
21.01.2004
Beiträge
10

Zu Besuch

Hannes war auf dem Weg zu seinen Eltern. Er wohnte leider etwas weiter weg und musste jedesmal gut und gerne zwei Stunden Autofahrt hinter sich bringen, wenn er die Beiden besuchen wollte. Doch das nahm er jeweils gerne auf sich. Er mochte die Besuche bei seinen Eltern sehr. Es brachte stets viele Erinnerungen hoch und oft kamen ihm dabei Dinge in den Sinn, die er längst vergessen zu haben glaubte.
Er drehte das Radio auf. Passenderweise lief ein Song von den Rolling Stones. Seine Eltern liebten die Musik der Stones. Sie waren in ihren jungen Jahren öfters zusammen an Konzerte gegangen und hatten sich ja schliesslich auch an einem kennengelernt. Das war im Sommer 1967, soweit sich Hannes erinnern konnte. Ein Jahr später hatten die Beiden dann geheiratet. Das war damals durchaus ziemlich unüblich, dass nach so kurzer Zeit geheiratet wurde. Sein Vater sagte dazu immer schnippisch, dass man halt „zuschlagen muss, solange das Essen noch heiss ist“. Immer wenn er das sagte, musste seine Mutter herzhaft lachen und verdrehte die Augen.
Hannes war inzwischen selber verheiratet und hatte zwei kleine Kinder, Finn und Kevin. Und es war tatsächlich so, wie man immer sagt. Man erkennt erst, was die eigenen Eltern für einen getan haben, wenn man selber zum Elternteil wird. Zuvor realisiert man nicht mal annähernd, was für eine bedingungslose Liebe und Hingabe dahintersteckt.
Sie liebten seine zwei Jungs abgöttisch und hatten sie jeweils zu Weihnachten und Geburtstagen mit mehr Geschenken eingedeckt, als wirklich gut war. Aber das war schon okay so. Dieses Recht durften sich Grosseltern wohl einfach rausnehmen. Als Hannes heute aus dem Haus ging und sich verabschiedete, wollten Finn und Kevin auch mitkommen. Aber er musste ablehnen, heute wollte er seine Eltern mal wieder ganz alleine besuchen und über alte Zeiten sprechen. Und nicht nur darüber, was die Kinder die letzten Wochen so alles erlebt hatten.
Er nahm nun die nächste Ausfahrt und fuhr nach einem kurzen Landstrassenabschnitt in das Dorf, in dem er aufgewachsen war. Seine Eltern waren immer hier geblieben und hatten auch nie das Bedürfnis, irgendwo sonst hinzugehen. Warum auch, es gefiel ihnen hier und es gab keinen Grund zur Veränderung.
Hannes fuhr weiter und kam an seiner alten Schule vorbei. Es kamen immer dieselben Erinnerungen hoch, wenn er hier vorbeifuhr und hinter den Bäumen das Schulhaus auftauchen sah. Einerseits, dass er auf dem Pausenplatz ständig von Peter und seinen Kumpels verprügelt wurde und andererseits, dass er hier mit Marie seinen ersten Kuss erleben durfte. Da hinten an diesem alten grossen Baum, der da immer noch stand.
Seltsamerweise hatte er mit Peter noch immer regen Kontakt, mit Marie aber nicht mehr. Er hatte sie schon ziemlich bald nach dem Ende der Schulzeit aus den Augen verloren und nie mehr wieder etwas von ihr gehört. Wie es ihr wohl erging? Mit Peter ging er ab und an ein Bier trinken und quatschte vornehmlich über Fussball. Die Prügeleien von früher sprach keiner jemals an.
Hannes näherte sich seinem Zielort, bog links ab und parkierte sein Auto. Er öffnete die Wagentüre und stieg aus. Nachdem er seinen Wagen mit einem Druck auf die Funkfernbedienung abgeschlossen hatte, lief er zwischen grossen Bäumen hindurch einen kurzen Kiesweg entlang, bis er zu einem gusseisernen schwarzen Tor kam. Er öffnete es und trat auf den gepflasterten Weg. Einige hundert Meter weiter blieb er stehen, ging langsam in die Knie und berührte sanft die beiden Grabsteine.

„Hallo Mama. Hallo Papa.“

 

Hallo madcybi!

Leider hat mir diese Geschichte nicht so gefallen.
Es wird eine Lebenssituation gezeigt, die sicherlich als Geschichtenstoff nicht uninteressant ist. Gewiss gibt es Menschen, die an oder über ihre verstorbenen Eltern denken als wären diese noch am Leben.
Aus meiner Sicht liegt hier gewissermaßen indirekt der Fehler Nummer eins: Ein Ich-Erzähler wäre hier glaubhafter gewesen. Durch den auktorialen Erzähler wirkt das Ganze so als solle hier der Leser hinters Licht geführt werden.
Fehler Nummer zwei: Man kann hier nur das Gesamtbild wahrnehmen, wobei „Bild“ schon fast wörtlich zu nehmen ist. Es gibt keine Veränderung!

Aber recht gut geschrieben! :D


Lieben Gruß

Asterix

 

Edit: Das deckt sich so ziemlich mit dem, was Asterix geschrieben hat, aber weil ich den Kommentar schon fertig hatte, stell ich ihn jetzt einfach dazu.

Servus madcybi,
ich sag‘s ganz unverblümt: viel konnte ich mit dem Text nicht anfangen. Sowohl sprachlich als auch handlungsmäßig konnte er mich nicht überzeugen,
Im Grunde ist hier eine sehr beliebige, spannungsarme Handlung ausschließlich im Hinblick auf eine sehr schwache Schlusspointe geschrieben. Also ich finde das jetzt nicht rasend originell, wie da ein Mann auf dem Weg zu einem Besuch des Grabes seiner Eltern über dieses und jenes räsoniert, sich für den Leser belanglosen Erinnerungen hingibt.

Und es war tatsächlich so, wie man immer sagt. Man erkennt erst, was die eigenen Eltern für einen getan haben, wenn man selber zum Elternteil wird. Zuvor realisiert [erkennt, bemerkt, kommt einem nicht in den Sinn, usw.] man nicht mal annähernd, was für eine bedingungslose Liebe und Hingabe dahintersteckt.
Das z.B. ist eine Erkenntnis, deren Originalität sich halt schon in sehr engen Grenzen hält.

An dem Text ärgert mich beinahe, dass er eigentlich arglistige Lesertäuschung betreibt. Sobald nämlich die Katze aus dem Sack ist und man als Leser, nein, nicht realisiert, sondern erkennt, dass von Verstorbenen die Rede ist, stellen sich gewisse Sätze nachträglich als grammatikalisch falsch heraus.

Seine Eltern liebten die Musik der Stones.

Sie liebten seine zwei Jungs abgöttisch.

Das z.B. müsste, um korrekt zu sein, im Plusquamperfekt stehen. So gesehen funktioniert die Geschichte für mich einfach nicht.
Tja, tut mir leid, irgendwie ist mir das zu seicht, zu harmlos, zu uninspiriert.

offshore

 

Hallo zusammen und vielen Dank für Eure Kritiken.

@Asterix
Witzigerweise zeigen mir Deine Kritikpunkte genau, dass die Story so funktioniert hat, wie sie eigentlich gedacht war. Zwar nicht mit dem gewünschten Effekt, sondern mit einem eher langweilenden bzw. negativen Effekt des Hinters-Licht-Führens, aber eigentlich war das genau das, was ich bezwecken wollte.

Die Geschichte ist allerdings nicht sonderlich lang, nicht sonderlich interessant und es hat auch keine grossartigen Pointen oder Handlungstwists drin. Und zwar absolut gewollt...

Betreffend Ich Perspektive, da scheu ich mich noch etwas davor. Keine Ahnung warum. Hatte mir den Text auch überlegt in der Ich Perspektive, habe mich dann aber dagegen entschieden. Wäre aber sicherlich ein Experiment wert.

@offshore
Thanks auch für Deine - auch schon etwas deutlicheren - Worte ;-) Das auch hier wieder das mit der Lesertäuschung kommt, ist für mich wirklich überraschend. Eine Täuschung war zwar beabsichtigt, dass das aber so negativ rüberkommt, eigentlich nicht. Irgendwelche Tipps, das besser zu machen?

Weil Täuschung ja oftmals der Vorreiter der Pointe ist und in vielen Büchern offensichtlich getäuscht wird bzw. verschleiert, unklar geschrieben, so das es viele Interpretationen offen lässt und dann die Pointe für den eigentlichen Twist sorgt.
Das ist auch der Grund für die falsche Zeitform. Klar ist das "eigentlich" falsch geschrieben. Hätte ich das im PQ Perfekt geschrieben, wäre von Anfang an klar gewesen, worums geht. Und die Pointe wäre sinnlos.

In letzter Konsequenz muss ich aber wirklich zugeben, dass der Text wirklich etwas seicht, harmlos und uninspiriert ist :D

 

Hallo!

Witzigerweise zeigen mir Deine Kritikpunkte genau, dass die Story so funktioniert hat, wie sie eigentlich gedacht war.

Ich ahnte es. :D

Übrigens, gut recherchiert, die Stones hatten 67 ihren ersten Auftritt in der Schweiz. :thumbsup:

Lieben Gruß!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom