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Zitatetempel
„Ich kriege keinen Bissen runter“, klagte Art. „Mir ist ganz flau.“
„Und ich kann nicht schlafen“, sagte Mascha, „Ich habe bis zur Erschöpfung masturbiert, aber es hat nicht geholfen.“ Dann legte sie ihre immerkühle Hand auf Arts glühende Stirn und strich ihm die angestrengten Runzeln glatt.
„Wir sollten ein bisschen schweigen, vielleicht. Mir wird langsam schwindelig“, sagte Art, als der Tempel, auf dem sie saßen, wieder erzitterte. Ein paar Affen mit albern langen Schwänzen stoben kreischend davon, als der Stein knirschend einige Klafter aus der schwarzen Erde wuchs. Der feuchtwarme Boden brach nicht in Schollen auf, sondern wogte wie Meeresgischt, ein paar halbierte Regenwürmer in der Brandung.
„Jetzt aber dalli!“, rief Mascha den keckernd galoppierenden Affen hinterher.
Eine Weile schwiegen sie. Art kratzte mit einem kugellosen Kugelschreiber ein Rattenbildnis in den goldenen Sandstein und Mascha blies die funkelnden Quarzkörnchen aus den Ritzen. Ein paar blieben auf ihrer schweißnassen Haut kleben. Mascha ließ die Beine über dem Abgrund baumeln, bis sie taub und halbfremd waren, dachte, wie weich und gemütlich sich das Gebüsch am Fuße des Tempels ausnahm, obwohl seine Dornen ihr bei der Ankunft doch tiefe Risse in die Haut gezerrt hatten. Wie lange war das nun her? Sie wusste es nicht und konnte auch Art nicht danach fragen. Stattdessen berührte sie kurz sein Knie und fühlte die Ameisen in ihren Füßen.
Als Mascha sich auf den Bauch rollte, betrachtete Art die schimmernden roten Furchen, die die oberste Stufe an ihren weißen Oberschenkeln hinterlassen hatte und fragte sich, ob er deren salzige Mikroporung mit der Zunge würde ertasten können. Mascha drehte den Kopf zur Seite, damit sie ihn später wieder zurückdrehen könnte, um Art abermals beim Gucken zu erwischen.
„Es ist einsam und windig hier oben“, sprach er schließlich und beide fühlten das Knirschen, das wie ein Derwisch in die Mägen fuhr.
„Ja, wenn wir fielen, wir brächen uns wohl das Genick“, antwortete Mascha und machte ein gruseliges Knackgeräusch mit den Fingerknöcheln.
Art guckte ein bisschen ängstlich und sagte: „Ach Mascha, Mascha, wir könnten doch die Stufen nehmen.“
Mascha schluckte, denn sie spürte sein Herz ganz nah an ihrem flattern. Dann wehte ihr eine Haarsträhne verwegen ins Gesicht. „Mir ist auch unheimlich, aber es ist wild und aufregend“, sagte sie und Art strich mit den Fingerspitzen der linken Hand vorsichtig an ihrem Schlüsselbein entlang.
Beide mussten sich festhalten, als der Tempel ruckartig in die Höhe fuhr. Art ließ einen Kiesel die Stufen hinunterhoppeln und zählte mit.
„Warum eigentlich Dschungel?“, fragte er, die Nase noch im Zählen nickend. „Hier klebt doch alles. Das Hemd am Leib und die Egel an den Waden.“
„Du könntest ja mal eine kühlere Kulisse vorbeitragen lassen“, sagte Mascha und lächelte halbmündig. „Aber nichts Norddeutsches bitte, ich will nicht auf Kilometer hinaus sehen können, was kommt.“