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Zirkus

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24.06.2001
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Zirkus

Es war wieder einmal Sonntag in der kleinen Stadt. Sicherlich wird man sich nun fragen, was so besonders daran ist, dass Sonntag ist und warum dies überhaupt erwähnt werden muss. Nun, es war kein Sonntag wie jeder andere in der veschlafenen Stadt. Etwas war nicht wie sonst und dieses Etwas könnte man spüren, wenn man vor die Haustür trat und die frische Luft unverbraucht durch die Nase einsog. Man spürte es nur ganz leicht, wenn man sich konzentrierte. Es war wie ein leichtes Zittern auf der Haut, das sich aus der Ferne durch die Luft zog, wie eine leise Melodie. Und man konnte es riechen, wenn man die Augen schloss und über nichts nachdachte. Geheimnisvoll, nicht vordergründig, sondern lockend, nicht rational, sondern emotional. Jeder konnte es spüren an diesem sommerlichen Sonntag. Heute waren die Christen der Kirche ferngeblieben, um dem Weltlichen zu frönen und sich zu dem freien Feld am Marktplatz zu begeben. Denn heute war Zirkus in der Stadt. Er zog die Menschen in seinen Bann und lenkte ihre Schritte den erhabenen Zirkuszelten und den Wagen zu, die sich zusammendrängten, ganz als wollten sie sich gegenseitig Schutz bieten. Der Zirkus war eine Welt für sich, gegen die graue sture Ernsthaftigkeit des Alltags. Selbst der Pfarrer konnte damit nicht wetteifern und musste seine Predigt vor leeren Reihen abhalten, während er die Nase in die Heilige Schrift steckte und nur aus den Augenwinkeln heraus die leere Kirche betrachtete. Er wunderte sich. Die Leute hatten allesamt ihre Sonntagskleider angezogen und ihr charmantestes Sonntagslächeln aufgesetzt, um das Zirkuszelt zu betreten. Dennoch sahen sie eher einem grauem Fremdkörper ähnlich, wie sie so im bunten Trubel und Treiben und Tanzen Platz nahmen und ihre Hüte vom Kopfe zogen, weil sie wussten, was sich gehört. Und was Anstand ist. Das hatten sie lange schon verinnerlicht und es sollte sich nicht ändern, ebensowenig wie die wöchentlichen Kirchgänge am Sonntagvormittag. Das dachten sie. Denn heute war kein gewöhnlicher Tag, er hatte nicht gewöhnlich angefangen und er sollte auch nicht gewöhnlich wieder aufhören, weil er kein Tag wie jeder andere war. Nichts sollte beim Alten bleiben. Doch das war ihnen nicht bewusst, als sie versammelt nebeneinander saßen und auf das harrten, was da kommen würde. Das Rund der Manege war angefüllt mit Sägespänen, hoch an der Decke hing ein Strick und wer ein Fallnetz suchte würde es nicht finden. Die Zeltwände waren bunt mit schwarzen, weißen und roten Streifen bemalt, wie in jedem anderen Zirkus auch. Gedämpft drang der Schall von Jahrmarksmusik hinein, ein leichter Sonnenstrahl, der aus dem kleinen Loch am höchsten Punkt des Zeltes drang, spiegelte sich in den glänzenden Augen der Besucher. Einige dachten an ihre Kindheit, viele dachten nichts. Ein Tag wie jeder andere. Die flackernden Scheinwerfer warfen die herrlichsten Farben an die Wände und wirbelten herum und tauchten das ganzen Zelt in ein Lichtermeer aus Farben und Formen, die das Auge kaum verfolgen konnte. Bis sie erloschen. Dann war alles dunkel in dem Zelt, obwohl es doch Tag war, fast als hätte jemand unbemerkt Scheinwerfer aufgebaut, aus denen schwarzes Licht drang. Aber war das möglich? Nein, natürlich nicht. Wir sind doch klar denkende Menschen, sind doch rational. Aber es ist trotzdem dunkel. Das Spiel begann. Ein Tag wie jeder andere? Dort. Was war das? Eine Gestalt? Nein. Doch! Ein Mensch? Er sah so aus wie ein Mensch in seinem schwarzen Totengräberfrack und sprach wie ein Mensch und bewegte sich wie ein Mensch. Also war er auch einer, oder? Er trug einen Seitenscheitel, war klein und hatte einen seltsamen Bart. Das konnte man erkennen. Die Stimme hallte murmelnd durch das Zelt, als wollte sie die Besucher beschwören oder hypnotisieren. Vielen kam der Gedanke, sich einfach die Ohren zuzuhalten, einigen nicht. Doch was sollten denn die Leute denken, wenn man so dasaß mit seinem Sonntagsanzug und mit seinem Sonntagsgesicht und sich die Ohren zuhielt? Doch das Gemurmel war ohnehin schon wieder verhallt, der Mann im Frack verschwunden. Nun jagten weiße Rosse durch die Arena immer im Kreise herum und die Leute kreischten vor Freude. Ihre Köpfe folgten ihnen wie als wären sie im Bann eines Magnetfeldes gefangen. Auf dem Rücken der Schimmel saß je ein Mädchen im weißen glänzenden Röckchen, die Äuglein weit geöffnet, wie die Münder, doch aus ihnen drang kein Schrei. Niemand sah, dass sie gefesselt waren und nicht abspringen konnten, als die Pferde immer schneller wurden und die Köpfe in immer kürzeren Intervallen kreisten. Einige bemerkten wohl, wie ihnen schwindlig wurde, viele bemerkten nichts. Doch schon waren die Pferde mitsamt den Mädchen verschwunden. Ein Clown war erschienen mit einem großen aufgemalten Mund und er stellte sich wirklich zu komisch an. Er warf silbern glitzernde Kugeln in die Luft und fing sie und warf sie wieder, nur höher und immer höher. Dann erschienen weitere Clowns, einer lustiger als der andere anzuschauen, und taten es ihm gleich. Jemand musste ihnen einen Wink gegeben haben, als sie plötzlich begannen wutentbrannt zu toben und sich gegenseitig mit den schweren Kugeln zu bewerfen. Die Zuschauer staunten und ein Raunen ging durch die Menge. Viele Clowns erzielten beachtliche Treffer, einige nicht. Einige Clowns überlebten, viele nicht. Und das Blut versickerte im Boden, der mit Sägespänen ausgefüllt war. Das Publikum tobte vor Freude und applaudierte und es gab niemanden, den es noch auf seinem Sitze hielt. Die Hände der Leute waren kaum noch zu bändigen. Sie schlugen immer schneller und immer stärker gegeneinander und ein tosender Beifall durchdrang das Zelt wie Donner. Kaum einem wird aufgefallen sein, dass das Zirkuszelt enger und kleiner geworden war, während man klatschte und sich köstlich amüsierte. Kinder brüllten und schrien neben ihren Eltern. Vor Angst. Denn sie wussten es bereits. Oben an dem Strick baumelte ein Seiltänzer ohne Anmut und wenn er es gekonnt hätte, so hätte er geschrien. Er war noch nie auf einem Hochseil gestanden und er hatte ohnehin Höhenangst. Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder, als er den Blick senkte und das versammelte Volk betrachtete und es ihn ansah voller Neugier. Er suchte nach einem Fangseil, doch er fand keines. Panik stiegt in ihm auf und er wankte. Blut raste durch seine Halsschlagader in den Kopf hinein und er befürchtete, sein Schädel würde zerbersten. Sein Gehirn befahl den Beinen stillzustehen, doch sie gehorchten nicht und wollten sich bewegen. Die Zuschauer starrten ihn an und lauerten auf das, was kommen würde, wie eine Katze, die eine Maus wittert und wartet und weiter wartet, bis sie zuschnappt. Der Mann dort oben tat zitternd einen Schritt und den nächsten, nur zaghafter. Er setzte ein Bein vor das andere, verharrte einen Moment und ging weiter. Blicke maßen die Entfernung. Noch fünf Meter, höchstens! Er könnte es schaffen, wenn er wollte, doch er durfte es nicht schaffen! Das war der sehnlichste Wunsch der Menschen. Der Mann schwitzte und Schweiß troff ihm in Sturzbächen die Stirn hinunter und ins Hemd hinein und er blieb stehen. Er schwankte schon beachtlich. Er schaute hinunter zu den Clowns, die tot am Manegenboden lagen und ihm blicklos entgegensahen mit ihren aufgemalten Lachen. Das hätte er besser nicht tun sollen. Denn so erfüllte sich der Wunsch der Besucher. Der Aufprall war gedämpft, da am Boden Sägespäne lagen, aber man konnte ihn in der atemlosen Stille deutlich hören. Der Applaus donnerte noch stärker und intensiver, noch begeisterter und euphorischer durch das Zirkuszelt und von irgendwo dröhnten Trompeten. Man konnte sie durch die dünnen Wände vernehmen. Doch es waren keine Trompeten. Es klang nur so. In Wirklichkeit waren es die Sirenen, die am Rathaus angebracht waren und vor Feindflugzeugen warnten. Die Bunker waren geöffnet, nur niemand kam, um darin Schutz zu suchen. Das Publikum klatschte immer noch, als im Zelt die deutsche Hymne gespielt wurde, um sich selbst zu feiern. Die Kirchenbänke waren leer. Und sie klatschten sogar noch als die Bomben fielen. Niemand dachte mehr daran, dass sie das Zirkuszelt nicht verlassen würden.
Wenige Kilometer entfernt lauschten Familien andächtig den Spätnachrichten und klatschten, als die Nachricht kam, dass der Krieg wohl bald vorüber sei. Und sie erhoben sich und klatschten, als die Reichshymne erklang.


Tobias Rösch

 

Das ist die Kurzgeschichte von mir, die ich gerade am meisten mag, vermutlich nicht zuletzt deshalb weil sie erst heute entstanden ist. Aus diesem Grunde widme ich sie C. Widmann!

Tobias

 

Lieber Toby,

gerade habe ich deine Geschichte gelesen und ich möchte dir ein großes Kompliment machen: du kannst gut schreiben, vor allem auch gut beschreiben. Es macht Freude, die Atmosphäre des Zirkus beim Lesen wahrzunehmen. Immer wieder zeigt es sich, dass ein vernünftiger Realismus dem Erzählen immer nur gut tun kann. Die Symbolik einer Handlung entsteht dabei ganz von selbst. Was ich an der Geschichte kritisiere, ist das unvermutete Ende, die Wendung ins Geschichtliche und Politische. Dafür hat man in den ersten Teilen überhaupt keinerlei Anzeichen. So etwas müsste man vorbereiten. Es scheint vielmehr so zu sein, dass die Menschen der Stadt die Zirkusatmosphäre als etwas Besonderes wahrnehmen, dass sie in ihr die Möglichkeit eines Ausbruchs aus ihren bisherigen Lebensgewohnheiten erkennen. Und man könnte das Zirkuserlebnis auch in diesem Sinne deuten, nämlich der bewusste Umgang der Artisten mit der Lebensgefahr. Der Seiltänzer stellt das gut vor. Und, wenn ich die Handlung recht verstehe, dann stürzt er ja auch ab, das heißt, es ereignet sich ein tragischer Unfall. Das allein schon hätte genügt als Höhepunkt für die Erzählung. Durch die Sirenen, die Bomben usw wird die Geschichte und ihr Sinn auf eine andere Ebene verschoben.
Du bist im Gebrauch der Sprache sehr sicher. Dennoch sind dir zwei Irrtümer unterlaufen beim Gebrauch der starken Verben. Es muss heißen: "Bis sie erloschen" und an einer anderen Stelle: "Die Leute kreischten". Aber ich denke, solche sprachlichen Erfahrungen lassen uns die klangliche Schönheit unserer Muttersprache umso mehr fühlen. Dein Erzählstil insgesamt ist sehr lebendig, spontan und natürlich. Ich habe den Text wirklich gern gelesen.

Herzlichst

Hans Werner

 

Lieber Hans Werner,

zuerst möchte ich mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie sich ein wenig Zeit für die Lektüre meiner Kurzgeschichte genommen haben. Die beiden Verben habe ich, wie Sie bemerken werden, bereits korrigiert. Ohne Ihre Anmerkung wären mir diese Fehler sicherlich nicht aufgefallen. Was den Inhalt anbelangt so muss ich zugeben, dass die Geschichte bewusst einen sehr überraschenden Schluss hat. Allerdings arbeite ich auf eben jenen "Überraschungseffekt" hin, indem ich sehr leise Andeutungen auch zu Beginn der Kurzgeschichte einfliessen lasse, die jedoch erst bei einer genaueren und eingehenderen Betrachtung ersichtlich werden. Beispielsweise spreche ich vom Zirkusdirektor als einem kleinen Mann mit Seitenscheitel und einem seltsamen Bart. Die Parallele zu dem Diktator Adolf Hitler ist hier durchaus kein Zufall, ebensowenig wie die Tatsache, dass das Zirkuszelt - ausgerechnet - mit den Farben schwarz, weiß, rot, den Farben der Handelsflagge des Deutschen Reiches bemalt ist. Wichtiger als der Bezug auf den Zweiten Weltkrieg ist mir aber die Thematisierung des Mitläufertums, wie wir es im Dritten Reich antreffen. Ich beschäftige mich schon lange mit der Frage, warum das deutsche Volk die Verbrechen an den eigenen Mitmenschen einfach geduldet und zum Teil auch aktiv unterstützt hat. Die alltägliche Szene eines Zirkus wird auf diese Weise umgekehrt, das einzige was bleibt, ist die Euphorie des Publikums, bzw. des Volkes. Hieran sehen wir auch die Verblendung des Volkes, das sich von gewissen persönlichen Zielen oder einfach der Belustigung wegen, zum Richter über das Leben anderer Menschen macht und statt einzugreifen der Dinge harrt, die ganz augenscheinlich passieren werden. Hinzu kommt ein nicht ganz zu vernachlässigender religiöser Aspekt: die Menschen ziehen den Zirkus (das Mitläufertum) der Kirche vor und widmen sich dem Weltlichen. Als die Bomben fallen und es entschieden ist, dass niemand von ihnen das Zirkuszelt verlassen wird, ist dies eine Art Sühne für das Verbrechen der Passivität. Am Ende erkennt man, dass sich diese Geisteshaltung nicht nur auf die Besucher des Zirkus beschränkt, sondern sich weit darüber hinaus ausbreitet und unzählige Menschen in ihren Bann zieht. So verwundert es nicht, dass die Leute, die nur wenige Kilometer entfernt wohnen, über das Ende des Krieges (nicht aber den Sieg) jubeln und somit der Verblendung erneut Ausdruck verleihen.
Es hat mich sehr gefreut, von Ihnen eine solch neutrale und ernsthafte Stellungnahme zu bekommen und ich möchte Ihnen hiermit meinen Dank dafür aussprechen.

Mit freundlichen Grüßen,

Toby

 

Lieber Toby,

ich bedanke mich für die ausführliche Erwiderung. Ich muss gestehen, dass ich diese Einzelheiten überlesen habe. Ich werde nun, aufmerksamer und, wie ich denke, auch mit tieferem Verständnis, deinen Text noch einmal lesen. Diese symbolischen Einzelheiten, wie der seltsame Scheitel des Direktors, sind sehr raffiniert angebracht, aber vielleicht dem unvorbereiteten und ahnungslosen Leser doch nicht auffällig. Die Grundfrage, mit der du vermutlich umgehst, und nicht nur du, sondern jeder, der solche Texte verfasst, ist die, wie man mit dem Leser-Bewusstsein spielen kann, wie man es so steuern kann, dass in ihm die nötigen Vermutungen rechtzeitig aufkommen. Das ist eine große Kunst. Und gerade dein Text und die Tatsache, dass ich manches einfach beim Lesen nicht gemerkt habe, ist ein lehrreiches Beispiel.
Sobald ich Zeit habe, werde ich mich mit deinen anderen Texten beschäftigen.

Mit herzlichem Gruß

Hans Werner

 

Hallo toby!

Ich habe deine Geschichte schon vor einigen Tagen gelesen, wurde aber durch den unerwarteten und überraschenden Schluss so aus meinem eigenen Gedankengang, der beim ersten Lesen der Geschichte aufkam, herausgerissen, dass ich Zeit benötigte, darüber nachzudenken.
Nun wurde mir das Denken durch euer Gespräch erleichtert ;)
Liest man die Geschichte mit dem Hintergrundwissen "Mitläufertum im zweiten Weltkrieg", so fügt sich jeder Gedankengang zusammen.
Als ich den Text jedoch zum ersten Mal gelesen habe, sind mir die Hinweise auf den Schluss (z.B.: Mann mit Seitenscheitel und seltsamen Bart) überhaupt nicht aufgefallen. Nach dem Bombenalarm musste ich einige Male blinzeln, bevor ich weiterlesen konnte.

Ich finde die Geschichte aber, ob nun in der Art wie ich sie zunächst - ohne Hintergrundswissen - gelesen habe oder beim wiederholten Lesen mit den Gedanken bei Hitler & Co, sehr gut, sehr gelungen und deine Art der Beschreibung fesselnd, eindringlich. Auch bei deinem Stil sind mir keine Stolpersteine aufgefallen.

Sylvia

 

WICHTIG! Ich habe noch eine Frage an den Webmaster, oder irgendjemand anderen, der sich damit auskennt: Kann mir mal jemand sagen, wie ich in diesen seltsamen Chat reinkomme? Ich glaube, ich bin ein wenig zu beschränkt dazu...

 

Hallo Toby!

Wie Hans Werner habe ich die versteckten Hinweise überlesen oder falsch gedeutet. Den Mann, der nur aussieht wie ein Mensch, habe ich für ein Symbol für den Tod gehalten. Auf dieser falschen Denkschiene waren für mich die Pferdeartistinnen ebenfalls tot (daher festgebunden). Auch der Tod der Clowns paßte in diese Denkschiene.
Vielleicht hätten die Farben in Verbindung mit "alten Symbolen" auf den Zeltplanen oder ein schwarzuniformierte Person oder etwas ähnliches eindeutiger in Richtung Drittes Reich gewiesen.

Ich denke, jeder Schriftsteller muß sich vor Beginn der Geschichte auch Gedanken über die Zielgruppe machen. Hier ist die Frage, wer sich mit der nationalsozialistischen Symbolik so gut auskennt. Mir waren zwar die Farben der Flagge der damaligen Handelsmarine bekannt (die ja auch der SS-Blutflagge entsprechen). Beim Lesen bin ich aber nicht sofort darauf gekommen.

Ich weiß nicht, ob es nur ein technisches Problem ist. Aber so, wie die Geschichte optisch dargestellt ist, ist sie zu wenig durch Absätze gegliedert.

Nachdem ich die Diskussion zur Geschichte gelesen habe, halte ich sie für gelungen. Mich würde interessieren, ob Du sie in einem Stück geschrieben hast, wie lange Du dafür gebraucht hast, bzw. wie Du den Aufbau entworfen hast.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar

 

Hi Dietmar!

Sorry dass ich erst jetzt antworte!
Zunächst möchte ich mich für deinen Kommentar bedanken, den ich für sehr konstruktiv halte. Sicherlich, es ist alles andere als einfach für den Leser die Zeichen, die die Zeit ausweisen, in welcher diese Kurzgeschichte spielt, zu erkennen. Die Handelsflagge des Deutschen Reiches ist ein wichtiger Anhaltspunkt, ebenso wie der Zirkusdirektor, der Adolf Hitler darstellen soll. Es wäre nicht allzu schwer gewesen, dies alles deutlicher herauszuarbeiten, doch ich muss zugeben, dass ich das zu keinem Zeitpunkt vorgehabt habe. Denn, was wäre nur aus dem Schluss geworden, wenn alles schon nach wenigen Zeilen Gestalt angenommen hätte und klar gewesen wäre? Ich finde die ganze Handlung bedeutend grausamer, wenn man sie sich in der Gegenwart vorstellt - worauf es ja hinausläuft wenn keine genauen Anhaltspunkte für den zeitlichen Raum gegeben werden. Die Aussage ist eigentlich recht banal: Wir sollten uns nicht von der Zeit des Dritten Reiches gedanklich distanzieren und uns sagen, dass dies alles nicht wieder geschehen kann, weil wir daraus solch große Lehren gezogen haben. Denn diese Aussage wäre nichts anderes als ein Vorwand, der uns letztendlich nicht voranbringen kann. In dieser Kurzgeschichte erfahren wir alle, dass etwas ähnliches zu jedem Zeitpunkt wieder geschehen könnte - sowohl in Deutschland, wie auch in jedem beliebigen anderen Land der Erde. Immer wieder kann es Einzelnen gelingen, die breite Masse nicht nur in ihren Bann zu ziehen, sondern auch aktiv zu steuern und auf diese Weise anderen (ethnische) Gruppen Schaden zuzufügen. Diese Kurzgeschichte habe ich übrigens tatsächlich in einem Stück geschrieben, in ungefähr einer Stunde. Ich sollte allerdings dazu bemerken, dass ich nicht einfach blindlings drauflos geschrieben habe, sondern dass mir die Handlung und auch das Ende der Geschichte von Beginn an klar waren. Ich wollte auf diese Weise versteckte Symbole in den Handlungsverlauf einfügen, die zwar vorhanden, aber nur so schwach sein sollten, so dass sie der Leser zwangsläufig überlesen musste. Das überraschende Ende wäre mir sonst wohl nicht gelungen. Ich konnte die Symbole aber auch nicht ganz weglassen, weil mir wohl sonst recht bald der Vorwurf gemacht worden wäre, ich hätte keinen Hinweis darauf gegeben und die Geschichte nicht folgerichtig dem Ende zugeführt. Ich glaube, die Geschichte bekommt erst dann ihren Reiz wenn man sie zum zweiten Mal und in Ruhe durchliest, denn erst dann erkennt man eine gewisse Struktur dahinter und bemerkt auch die Indizien für die Zeitspanne, in der sich die Geschichte bewegt. Auf der anderen Seite haben wir natürlich die, zugegebenermaßen recht brutale, Handlung, die sich gegen Ende hin kontinuierlich steigert und ihren Höhepunkt in der Bombardierung des Zirkuszeltes findet. Denn an dieser Stelle verschmilzt die Illusion der Zirkusvorstellung mit der grausamen Realität des Zweiten Weltkrieges. Bemerkenswert ist natürlich auch die geschichtliche Kontinuität, in der die Darstellung des Dritten Reiches dem Krieg vorangeht.
Im übrigen halte ich die optische Gliederung für vernachlässigbar. Mir ging es vor allem darum eine schnelle Abfolge der Ereignisse zu veranschaulichen. Hätte ich Absätze eingebaut, so wäre dieser schnelle Ablauf bereits optisch zerstört worden.

Mit freundlichen Grüßen,

Toby

 

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