Zilla-Flip
>> Die Füße dicht an den Körper gezogen sitze ich am offenen Fenster und verschränke meine Arme vor den Beinen. Mein Kopf ruht auf meinen Knien und ich betrachte einen alten Mann, der aus dem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite herausgeht und sein Fahrrad aufsperrt. Sein nackter Oberkörper ist rundum gebräunt, seine nackten Füße in Sandalen gesteckt und ein mächtiger Bauch schiebt sich über den Gürtel seiner abgeschnittenen Jeans. Eine prallgefüllte Plastiktüte stellt er in den Fahrradkorb.
Die CD hat aufgehört zu spielen und ich habe keine Lust mich zu erheben oder nach der Fernbedienung zu greifen. Der Himmel ist wolkenlos und die Sonne brennt zur Mittagszeit, erleuchtet für einen kurzen Augenblick die Gesichter der Kinder, die sich endlich auf den Heimweg machen können. Doch hier im Schatten ist es unwirklich kalt und ich ziehe die Füße enger an mich heran.
Ich scheine auf einen Anruf zu warten. Ein Motorrad fährt zwei Stockwerke tiefer zwischen mir und einer jungen Frau hindurch. Sie sitzt an einem offenen Fenster des gegenüberliegenden Hauses und tippt irgend etwas in ihren Computer. Unsere Blicke treffen sich kurz. Ihr Gesichtsausdruck verrät Verwunderung, aber ich wende mich schnell wieder ab.
Am Ende der Straße erkennt man, wie heiße Luftschichten aufsteigen. Ich umschließe meine Beine noch fester.
Mein Blick folgt dem alten Mann auf dem Fahrrad, der seine Plastiktüte inzwischen um ein Lenkerende gebunden hat. Er verschwindet hinter der nächsten Häuserecke und ich höre, wie Rascheln von Plastik und das Brechen von Speichen ein kurzes Scheppern und Krachen begleiten. Die Frau am Computer blickt auf und ich hebe meinen Zeigefinger zum Gruß.
Ich wandere mit den Augen an der Wand entlang und überprüfe, ob das Telefon ausgesteckt ist. Das schwarze Kabel <<
"LANGWEILIG! Wo hast Du das denn ausgedruckt?" schreie ich Benni entgegen, lege das Blatt beiseite und lache ihn mit aufgerissenen Augen an. "Bullshit! Warum muß man denn derart in Selbstmitleid versinken? Ist doch alles nur so eine Standpunkt-Sache und was man daraus macht. Los! Nimm' die Tasche, wir müssen los! Sonst nehmen sie uns die ganze Arbeit ab und essen uns auch noch das ganze Grillzeug weg. Vergiss' die Sonnencreme nicht!"
Ich gehe rüber zur Fensterbank und stoße Benni leicht, so wie man eben jemanden stößt, der auf dem Fenstersimms sitzt und die Beine aus dem Fenster baumeln läßt, während man ihn erschrecken will. Ich habe Mühe ihn zu packen und schnell wieder an mich zu ziehen. Mit leeren Augen schaut er mich an, klettert wieder herein und hängt sich die Tasche über die Schulter.
Zwei Minuten später sind wir unten im Hof und startklar. Ich fahre mit meinem Rad voraus und stelle fest, dass es gar nicht so einfach ist, das Gleichgewicht zu halten, wenn man sich eine Tasche voller Weinflaschen und Bierdosen um den Lenker gebunden hat. In dem Moment, in dem ich als erstes um die Ecke biege hätte ich gerne mit Benni getauscht.
Ich hätte kein Brechen von Speichen, kein Scheppern gehört. Ich sehe nur, wie der heiße Asphalt schnell näher kommt. Noch bevor sich die Haut meines Gesichts auf dem grobkörnigen Belag abreiben wird schießt es mir durch den Kopf: "Wirst Du von der Welt gefickt, trampel sie einfach nieder!" Ich wundere mich warum ich gerade in diesem Augenblick an eine von "Godzillas 99 kleine Weisheiten" denken muss, aber ich muß innehalten, um nicht laut loszulachen, bevor den dumpfen Schlag höre.