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Zigeunerkind

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15.03.2008
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Zigeunerkind

Mein Vater, sagte sie, sei zu Zeiten der Sowjetbesatzung ein kleiner Junge gewesen. Die Soldaten hätten damals aus unerfindlichen Gründen gefährliches Zeug verschenkt, zum Beispiel einen explodierenden Kugelschreiber. Mit Sprengstoff gefüllte Gebrauchsgegenstände, das müsse man sich mal vorstellen. Die Kinder wären bald gewarnt gewesen - und damals wurden solche Warnungen ernst genommen, in unglücklichen Zeiten fordern nur Dummköpfe das Glück heraus. Niemand habe gewusst, warum die Russkis tödlichen Krams an Kinder verschenkten, aber es war auch keine Zeit der Fragen damals, in diesen Tagen. Kommunisten, Rote, die waren nur eine kleine Zeit da, in der abgelegenen Gegend in Transsilvanien, wo ihre Eltern lebten und leben. Nach ein paar extrem harten Wintermonaten seien sie abgezogen. Diese vielleicht hundert Tage hätten jedoch gereicht, um die Gegend zu verminen. Ein paar wenige Tellerminen, einige explodierende Kugelschreiber mehr.
Eines Tages war ihr Vater unterwegs mit anderen Kindern, um Brennholz zu holen. Es hatte tagelang geschneit und weiß war das Land, der Schnee bedeckte alles wie ein Tischtuch, ließ nur die Silhouetten erahnen. Umrisse von alten Bäumen und Vertiefungen auf den wenigen Pfaden, die als sicher galten. Der älteste Junge ihrer Gruppe habe den kleinen Expeditionstreck angeführt, Joseph habe ihr Führer geheißen. Den Namen erzähle ihr Vater stets mit, als wäre das wichtig, weiß der Teufel warum.
In Josephs Fußabdrücken stapfte das zweite Kind, das Dritte in den Füßen des Zweiten und so weiter. Der Marsch der Gänsekinder als Vorsichtsmaßnahme, um nicht von einer Mine erwischt zu werden. Von Joseph wurde geglaubt, der erkenne die minenfreien Wege auch unter einer Schneeschicht. So was kann stimmen oder nicht. Er orientierte sich an den markierten Bäumen entlang des Weges. Joseph war mit seinen dreizehn Jahren doppelt so alt wie die meisten und wog um einiges mehr. Wenn sein Gewicht keine Mine auslöste, habe man gehofft, es geben keine Gefahr für die hinter ihm Gehenden. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich aufmachten zu einer Holzexpedition, und bis zu diesem Tag sei immer alles gut gegangen.

An dem Tag habe sich Adis Vater jedoch im Schritt vertan, sich in den eigenen Gliedmaßen verheddert oder sei mithilfe einer Konzentrationslücke über eine Luftwurzel oder eine Wurzel aus Luft gestolpert. „Ach! Gören taugen nun mal nicht zum Gleichschritt“, lachte ihr Vater, als Adi fragte, was ihn damals zu Fall gebracht hätte. Seine Freunde, andere sieben Jahre alte Jungs, erwischte es jedenfalls nicht. Ihr Vater als Kind sei es gewesen, erzählte Adi, der fiel und eine Mine auslöste. Und diese Mine riss seinen linken Unterschenkel weg, zertrümmerte Knochen, zerstörte das Fleisch, ließ ihn schreien und heulen und raubte ihm die Mobilität.
Ihr Vater habe sich später ein Holzbein getischlert, geschreinert oder zurechtgeschnitzt. Was wisse sie schon davon, ihr Vater könne das sicherlich besser erklären, aber wie die Dinge lägen, würden wir ihn nicht kennen lernen und müssten mit Adis Version der Geschichte vorlieb nehmen, wenn wir wollten. „Wollt ihr überhaupt mehr hören?“, fragte sie listig und Tristan war froh, dass Macky schnell ja sagte - er kann solche Fragen nicht leiden und zog eine Fresse, als habe man ihm gammliges Fleisch angeboten. Um sich abzulenken und sein Gesicht kein offenes Buch mehr sein zu lassen, überlegte er, wo Adi ihr Deutsch gelernt haben könnte.
Sie benutzte mit Vorliebe solche etwas angestaubt wirkenden Formulierungen wie beispielsweise vorlieb nehmen oder Vorliebe. Es gab bedrohte Wörter, die Tristan nicht vermissen würde. Weiß Stalin oder Ceaucescu, woher sie die hatte, mit welchen Büchern sie ihre Schuldeutschkenntnisse erweiterte und vertiefte. Vielleicht Übersetzungen aus den frühen Fünfzigern? Als ein paar überlebende Intellektuelle sich dranmachten, für ein undichtes Mietdach über dem Kopf und ihr Schwarzbrot die Bücher von Ferenc Molnar und Sandor Marai aus dem Ungarischen ins Deutsche zu übersetzen. War nicht auch Cioran ein Ungar? Adi erklärte jedenfalls ihre Vorliebe für die ungarische Literatur dieses untergegangenen Zeitalters. Obwohl sie eine Rumänin war, was sprachlich unendlich weit vom Ungarischen entfernt sei, wie sie erklärte. Auf Tristans Frage, ob sie das auf Regeln und Konventionen bezöge oder eher auf das Sagbare, verzog sie unwillig die Mundwinkel. Da merkte sogar Tristan, hier sollte eine Geschichte erzählt werden, und nahm sich vor, weniger zu reden, mehr zu hören.

Als ihr Vater ein junger Mann im jungen kommunistischen Rumänien war und es Zeit wurde, ihm eine Planstelle zuzuweisen, habe er darum gebeten, Tischler werden zu dürfen. Sein Talent für Holzarbeiten hätte er da bereits unter Beweis gestellt, außerdem könne man da viele Arbeiten sitzend erledigen. Aber das sei ihm nicht erlaubt worden. Vielmehr habe man ihm ohne weitere Begründung eine Stelle in der örtlichen Fabrik zugewiesen, wo er den ganzen Tag habe stehen und hart arbeiten müssen. Eine grausame Entscheidung, wie Adi entschied, eine rätselhafte und grausame Entscheidung!
Schließlich seien die Talente ihres Vaters in der Holzverarbeitung unübersehbar gewesen, also wäre das die Stelle gewesen, wo ihn die Apparatschiks am effektivsten hätten ausbeuten können. Aber nein, es musste die Fabrik sein! Wo er genau so viel und genauso wenig machen konnte wie irgendein Dummkopf. Wo Menschen damals nicht viel mehr waren, als organische Maschinen mit Armen. Bio-Maschinen, die einem Halbfertigprodukt ein weiteres Bauteil zufügten. Keine inspirierende Tätigkeit, habe ihr Vater zugegeben. Aber die meditative Mechanik von genau definierten und immer wiederholten Bewegungen hätten ihn vom Schmerz im Beinstumpf abgelenkt, wie ihr Vater milde erwiderte, wenn Adi sich als junges Mädchen über die Dämlichkeit und Unnötigkeit seiner Arbeit aufregte.
Ach Arbeit, ein Urteil. Urteil, Unheil! Wie sie sich auszudrücken pflegte, ein Urteil, das er sich verdient habe für die Existenz im Rumänien dieser Zeit. Das noch ein ganzes Stück ärmer und härter gewesen sei als das heutige Rumänien, was für den Ortskundigen sicherlich schwer vorstellbar aber nichtsdestoweniger wahr sei und auf der Skala nach unten nicht mehr viel offen gelassen habe. „Grausamkeit!“, rief die jugendliche Adi. Aber ihr Vater habe nur milde gelächelt und mit friedfertigen Worten eine Entscheidung in Schutz genommen, unter der er sein Berufsleben lang litt. Er hätte doch leiden müssen, es sei ganz unvorstellbar, dass er nicht gelitten hätte; manchmal erwischte sie das seltsame Gefühl, mehr unter seiner Arbeit gelitten zu haben, als er selbst.
Heute sehe sie das anders, meinte Adi, und ihr energetisches Gesicht umwölkte sich kurz. Das damalige Regime zu kritisieren habe schnell tödlich enden können. Fast alle Familien hätten einen Blutsverwandten an den rumänischen Geheimdienst verloren. Sicherlich sei in ihrer kleinen Familie kein Spitzel gewesen. Und so wie sie lebten, weit weg, weit draußen auf dem transsilvanischen Hinterland: Arme Leute, eine Bäuerin und ihr Krüppel mit zwei Töchtern: Niemand habe sich für ihre Familie interessiert. Auch das kann ein kleines Glück bedeuten.
Doch egal wie klein und unbedeutend einer gewesen sei - wenn die falschen Worte an die richtigen Zuträger gerieten, wäre auch der letzte Hansel aus der Walachei interessant geworden. Exempel seien stets zu statuieren! Außerdem gibt es für jeden Spitzeldienst einen Judaslohn. Nicht mehr als ein Bakschisch, aber lange Armut lässt kleines Bakschisch größer aussehen.
Außerdem glaube sie mittlerweile, Menschen unter der Herrschaft des Terrors erlägen schneller dem Irrglauben, sie könnten sich etwas Sicherheit erkaufen, wenn sie zur Unsicherheit der Anderen beitrügen. Indem sie ihre Verwandten, Freunde und Kollegen ans Messer lieferten. Es sei eine diffuse Atmosphäre der Angst gewesen, die viele Köpfe krank machte, Herzen vergiftete und Gemeinschaften auseinander trieb. Bei ihnen sei das anders gewesen, in ihrer Familie habe es weder Verräter noch Zigeuner gegeben.
Ihr Vater habe gewusst, dass es nur einen wirksamen Schutz gebe, ohne den Nächsten zu verraten. Man müsse ein Niemand sein, ein Wesen, das mit Tapeten verschmelzen kann, dessen Worte den parteilichen Strom nicht verließen, denn dort lauerte Gefangenschaft, Folter, Tod. Man müsse ein Nemo sein.
Ein Nemo, dem die warmen Worte für die rot angezogene Diktatur flüssig über die Lippen gingen, wenn einer früge, und zwar ohne Zeitverzögerung. Reden als habe man nur darauf gewartet, dass einer fragt und freue sich, endlich sein Herz öffnen zu können, auf dass all die Liebe für den Diktator und obersten Folterer hinausfließen könne. Sie wisse nicht, wie ihr Vater das all die Jahrzehnte durchgehalten habe, ohne verrückt zu werden und mittlerweile traue sie sich nicht mehr, zu fragen. Es habe Ewigkeiten gedauert, bis sie dieses rätselhafte Verhalten seinerseits verstanden habe.

Ein Verhalten, das sie in ihrer Jugend so sehr aufgeregt habe, diese Verteidigung der offensichtlichsten Dummheit, Grausamkeit und Bösartigkeit! Unter der in ihrer Familie niemand mehr zu leiden gehabt hätte, als er selbst. Vor einem Jahrzehnt dann sei es ihr aufgegangen, als sie schon längst in Österreich arbeitete. Nachdem sie es jahrelang in einer verstaubten Kiste verstaut hatte, in einer dunklen Ecke der Rumpelkammer die das Gedächtnis ist. Bei einem Gespräch mit einem alten Patienten, der wie sie im kommunistischen Rumänien gelebt habe. Freilich sei der deutlich älter als sie gewesen, und habe folglich mehr gewusst von den Notwendigkeiten des Überlebens.
In diesem Gespräch sei Erkenntnis wie ein Blitz in ihr Leben eingeschlagen und habe den Raum erhellt. Warum Vater die größte Grausamkeit seines Lebens immer mit dem mildesten Lächeln beantwortete.
Mittlerweile waren es nur noch wenige Kilometer bis nach Budapest. Adi entschuldigte sich für die Abschweifung. Ihre Stimme hatte merklich ihren Klang verändert, war tiefer, dunkler geworden. Manchmal dauerte es etwas länger, bevor sie weitererzählte und es wirkte, als wäre sie unmerklich aus dem Fahrwasser oft erzählter Geschichten in ein gefährlicheres Gewässer geraten. Als segele sie auf unbekannten Wegen, die höchste Konzentration erforderten, um den Rumpf nicht am Riff aufzureißen. Doch dafür war möglicherweise Neuland am Horizont.
Was sie eigentlich habe erzählen wollen, begann Adi nach einer Pause, die ungefähr eine Jahreszeit lang dauerte. Sie hatte bisher noch keine zwei Sekunden geschwiegen, seit Tristan und Macky in ihr Auto eingestiegen waren.

Eigentlich habe sie erzählen wollen, erzählte Adi, dass ihr Vater nach vielen Jahren des Arbeitens und Sparens und der mehrjährigen Wartezeit endlich das Kunststück fertig gebracht hatte, einen Trabant zu kaufen. Damals sei das Benzin sehr teuer und rar gewesen. Allerdings hätte er über einen Verteilungsschlüssel zwanzig Liter monatlich zugewiesen bekommen. Vielleicht weil er Teilinvalide war, möglicherweise weil der Weg zur Fabrik nicht gerade kurz war, sie wisse es nicht. Bei genauerem Hinsehen sei diese unerwartete Zuwendung ähnlich absurd wie der Fluch seines Lebensberufes. Sie keuchte, Tristan sah Muskeln zucken in ihrem Gesicht, Spasmen liefen über ihre offenen Züge, sie verkrampfte in Wut und Trauer, namenlosem Hass. Tristan schaute schnell weg, obwohl das enorm interessant war. Aber er wusste von sich, wie er hasste, wenn Menschen ihn in Momenten der Schwäche und Hilflosigkeit erleben und nichts weiter tun als kucken. Wie oft, wenn er sich zur Ablenkung zwang, kamen die Worte von selbst, spielten ihre Melodie zu den Bildern des Tages. Durch dein rotes Haar Adriana leuchtet die morgendliche Sonne so träumerisch so romantisch so natürlich dank sei dem Smog großen Städten schlechten Katalysatoren und deinen roten Haaren Adriana, Adriana. Adriana angelte nach einer Zigarette, kurbelte das Fenster runter, steckte sich eine an. Tristan roch, in diesem Automobil wird normalerweise nicht geraucht. „Weiter geht’s“, sagte Adi.

Die monatliche Benzinzuteilung hätte ihr Vater in den Wintermonaten eisern gespart und sei zu Fuß zur Arbeit gehumpelt. Trotz des schmerzenden Stumpfes und eines zunehmenden Knieleidens, das es auf Arbeit umsonst gab. Jahrzehntelange einseitige Belastung in dieser entfremdeten Sklavenwirtschaft, die ihr Vater hartnäckig Beruf nennen wollte und will.
In den Sommermonaten wäre das aufgesparte Benzin auf den Kopf gehauen worden. Sobald es warm genug gewesen sei, wäre die Familie und alle Schwimmsachen, die man sich habe anschaffen und ausleihen können, mit einem oder zwei Nachbarskindern, in den Trabant gestopft worden und alle seien zum Wasser gefahren. So sei ihr Papa gewesen, das war ein Mensch, mehr müsse man doch über eine Person gar nicht wissen.
Er lebe immer noch mit seiner Frau, ihrer Mama, in dem rumänischen Dorf, wo er vor bald siebzig Jahren seinen Unterschenkel an eine sowjetische Spielzeugmine verlor. In einem alten Haus, dessen Ofen und Brunnen hervorragend seien, und wo die beiden mittlerweile bis zu drei Stunden Strom am Tag hätten. Tristan quatschte wieder dazwischen, erzählte von Freunden auf La Gomera, Ikaria und in der Karibik. Von Menschen die ähnlich lebten, in ihren Barrancas, selbstgebauten Häusern und Wohnhöhlen.
Adi wischte seine Bemerkung beiseite. Das möge ja sein, aber sie erzähle nicht von Aussteigerromantik – so leben Rumänen in ländlichen Gebieten noch heute, meinte sie, das sei alles, aber niemand habe sich das ausgesucht, Zufall der Geburt, eh? Das ist nur eine schlichte und harte Wahrheit, die sich Tag für Tag durch die Mühen der Menschen selbst erneuert. Vor allem die Alten kennten Zeit ihres Lebens keine andere Existenzform und hielten daran fest, bis sie stürben.
Sie überlegte. Wobei Fernheizung und Wasseranschluss freilich nicht aus einer Entscheidung reiner Willenskraft heraus entstünden, auch nicht in Transsilvanien. Adi lachte und zwinkerte, ohne jemand zu adressieren. Tristan wurde es warm.
Wer weiß, sagte Adi, wahrscheinlich hätten sie nichts gegen fließend Wasser und eine Wärme, die in der Ferne hergestellt wird und die Hütte im rumänischen Winter beheizt. „Eigentlich sind sie aufgeschlossen, ihre Herzen jung geblieben. In der Kühltruhe, die hinten bei Macky steht, sind Garnelen und Schrimps. Mama liebt Schrimps, diese zwergigen Meeresfrüchte mit den niedlichen Arschlöchern. Papa puhlt und isst sehr gern Garnelen, aber in Rumänien kosten die ein Vermögen. Deswegen gibt’s die nur, wenn ich sie mitbringe!“

Sie sprachen über einen geeigneten Ort, wo sie die beiden rausschmeißen könne. Tristan sagte, sie solle sich keine Umstände machen und die beiden einfach dort rauswerfen, wo es günstig sei für sie, worauf Adi erwiderte, das hätte sie nicht anders vor, natürlich denke sie zuerst an sich, darum müsse er sich keine Sorgen machen. Die Luft im Wagen knackte vor Trockenheit bei ihren Worten, ihre Stimme gewann den anfänglichen Schwung und die Sicherheit zurück, die ihr mit dem halben Bein des Vaters unterwegs verloren gingen. Tristan spürte ein Kribbeln entlang der Wirbelsäule, als hätte er selbst die Haltung wieder gewonnen.
Dann ging alles schnell. Sie hielten auf einem Rastplatz, der durch Tristans deutsche Linsen betrachtet unglaublich liederlich und verwahrlost wirkte. Adi winkte ihnen ein letztes Mal und fuhr weiter.

 
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Das damalige Regime zu kritisieren[,] habe schnell tödlich enden können.
[...]
Bei ihnen sei das anders gewesen, in ihrer Familie habe es weder Verräter noch Zigeuner gegeben.

Hallo kubus, altes Haus,

interessanter Versuch einer Erzählung im Konjunktiv, unterbrochen durch wenige Inseln des Indikativs (formal -
ein Beispiel;

U[n]merklich, wie Tristan hoffte, fasste er nach dem Türgriff und hielt sich fest, bis der Anfall vorüber war.
- ) und inhaltlich, wo die vermeintlich karge Welt Transsylvaniens auf die Welt der Aussteiger („Tristan“ & co.) trifft, die ohne ihren Thoreau zu kennen Walden auf warmen Inseln verbringen (was natürlich der seefahrende, flüchtige Syrer auf Kos selten merkt).

Schön, dass es bei Dir noch ein Zigeunerschnitzel geben wird (wann wird denn das Wiener Schnitzel umbenannt?), was mich verleitet, auf den Ursprung des Kern-Wortes hinzuweisen, der nix diskriminierendes hat: Als 1417 die ersten den Boden des Heiligen Römischen Reiches (teutscher Nation wurde später angehängt) betraten (Magdeburg, Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock werden als Zielgrößen genannt) nannten sie sich angeblich Secanen, das dem tschechischen cikan und dem ungarischen tzygany und dem cygan der Polen und Russen entsprach, einer Namenreihe, in der sich der Weg des östlichen Wandervolkes abzeichnet (vgl. Grimmsche Wörterbuch, Stichwort Zigeuner), was realistischer ist, als die Herkunft aus Ägypten zu unterstellen und die Leute als gipsys abzutun. In der Passage

als ein paar überlebende Intellektuelle sich dranmachten, für ein undichtes Mietdach über dem Kopf und ihr Schwarzbrot die Bücher von Ferenc Molnar und Sandor Marai aus dem Ungarischen ins Deutsche übersetzten
spiegelt sich ein Weniges des Wanderweges und der Namensgebung.

Aber weiter im Text:

Was besonders auffällt, ist – wie schon im Eingangszitat angedeutet – der übermäßige Gebrauch des „gewesen“, durch das so etwas wie Verwesung durchscheint (i. d. R. durch Verwendung des Konj. I des Verbs sein erzwungen, wo aber gefahrlos der Konjunktiv II verwendet werden könnte („Bei ihnen wäre das anders, …), was uns zu ein paar überschaubaren und korrekturbedürftigen Stellen führt

Eines Urteils, wie sie sich auszudrücken pflegte, ein Urteil, das er sich verdient habe für die Existenz im Rumänien dieser Zeit, das noch ein ganzes Stück ärmer und härter gewesen sei als das heutige Rumänien, was für den Ortskundigen sicherlich schwer vorstellbar[,] aber nichtsdestoweniger wahr sei und auf der Skala nach unten nicht mehr viel offen gelassen habe.
Als habe man nur darauf gewartet, dass einer fragt[,] und freue sich, endlich sein Herz öffnen zu können, auf dass all die Liebe endlich verbalisiert und hinausfließen könne.
Sie wisse nicht, wie ihr Vater das all die Jahrzehnte durchgehalten habe, ohne verrückt zu werden[,] und mittlerweile traue sie sich nicht mehr, zu fragen.
Vielleicht[,] weil er Teilinvalide war, möglicherweise[,] weil der Weg zur Fabrik nicht gerade kurz war, ...
& zuletzt noch mal im Indikativ
Durch ihr rotes Haar, Adriana, leuchtete die morgendliche Sonne so träumerisch[,] so romantisch[,] so natürlich schön, wie es Dank des Smogs in der Nähe großer Städte möglich ist.

Hat mich gefreut, mal wieder was von Dir zu hören, pardon, zu sehen!

Friedel

 

Hey Kubus, alter Hase,

hat dir jemand alle Absätze geklaut? Hab' doch Erbarmen mit den Lesern! :)

Liebe Grüße
bernadette

 
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Sehr geehrte virtuelle Wortgefährten, ich danke herzlich für die freundliche Begrüßung. ich werde versuchen, das doppelte alt in der Anrede als Ambition für mehr Weisheit und Gelassenheit zu nehmen.

Friedel,

die ohne ihren Thoreau zu kennen Walden auf warmen Inseln verbringen

aber wir kennen doch unseren Thoreau, wenigstens "Vom Wandern"!

Schön, dass es bei Dir noch ein Zigeunerschnitzel geben wird (wann wird denn das Wiener Schnitzel umbenannt?), was mich verleitet, auf den Ursprung des Kern-Wortes hinzuweisen, der nix diskriminierendes hat:

die kleine Etymologie glaub ich gern, klingt spannend!
wobei es da eben mE die Macht des Faktischen gibt: wenn die Mehrheit Zigeuner abwertend verwendet und die selbstbezeichnung von Sinti und Roma anders ist, dann kann Zigeuner eben nicht mehr in einer alten, möglicherweise unverfänglichen Form verwendet werden.
das wäre die Grundlage von der heraus ich mit diesem Begriff arbeite.
als Geusenwort könnte es höchstens von der Herkunftsgruppe verwendet werden.
ob sich zwei Schwarze Nigger nennen oder ob der weiße Mann sagt, meine Damen und Herren, liebe Neger ...

Was besonders auffällt, ist – wie schon im Eingangszitat angedeutet – der übermäßige Gebrauch des „gewesen“, durch das so etwas wie Verwesung durchscheint

Danke. ich schaue mir das noch mal gesondert an, bin gerade in der Bibliothek. da muss auf jeden Fall noch mal was am text gemacht werden. wollte mich mal melden, ist ja schon ein paar Tage her eure Antwort. freut mich auch, dich zu lesen.

Bernadette, da sind kleine Absätze im Text. und da der bestimmt nur ungefähr fünf Normseiten lang ist, halte ich diese Formatierung für zumutbar.

Kubus

 

Hi Alter,

den Lennon Titel Woman is the Nigger of the World, sollten wir aber belassen, ist doch woman a slave to the slaves. Zehn kleine Schwarzafrikaner käme mir auch äußerst befremdlich vor ...

Wann hätte pc oder gender, die Endung -in irgendwann die Stellung eines Menschen geändert?, außer das unnötig viel Buchstaben in die Welt gesetzt würden.

Tschüssikowski in die Bibliothek

Friedel

 
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Servus Kubus

Da merkte sogar ich, hier sollte eine Geschichte erzählt werden.
Das merkte ich als Leser auch sehr bald, dass mir eine Geschichte erzählt wird. Obendrein eine Geschichte innerhalb einer Geschichte bzw. einer Rahmenhandlung.

Allerdings hatte ich Probleme mit dieser Rahmenhandlung.
Sie macht zwar nur einen Bruchteil des Textes aus und ist auch handlungsmäßig nicht wirklich von Bedeutung, ja, eigentlich könnte man sie leidenschaftslos überlesen, ohne dass Adis Geschichte dadurch an Eindrücklichkeit verlöre, aber … na ja, also da sind mir halt ein paar Unstimmigkeiten drin aufgefallen, die ich einfach nicht kapiert habe. Und wo ich mir die Frage stellte, ob sich darin gar so ein erzähltechnisches Sub- bzw. Metadingsbums verbirgt, das sich mir halt nicht erschließt, oder ob diese Unstimmigkeiten von dir schlicht übersehene Folgen eines Überarbeitungschrittes sind. Vielleicht kannst du mich ja aufklären, Kubus.
Darum geht’s:

Während des kurzen Abstechers zur Literatur, dem ich nicht widerstehen konnte, …

Auf meine Frage hin, …

Da merkte sogar ich, …

Ganz augenscheinlich wird Adis Erzählung von einem Ich-Erzähler wiedergegeben. (Die ihm von Adi, wie sich dann herausstellt, während einer gemeinsamen Autofahrt erzählt wurde. („Mittlerweile waren es nur noch wenige Kilometer bis nach Budapest.“)
Doch plötzlich wechselst du zu einer quasi auktorialen Erzählperspektive:

Tristan überlegte, ob …

Er fragte sich, ob …

Am Rande dieser Frage ahnte er

Umerklich [Unmerklich], wie Tristan hoffte, fasste er nach dem Türgriff und hielt sich fest, bis der Anfall vorüber war.

(Der bisherige Ich-Erzähler kann ja schwerlich in Tristans Kopf hineinschauen.)

weil sie bisher noch keine zwei Sekunden geschwiegen hatte, seit Tristan und Macky in ihr Auto eingestiegen waren.
Und jetzt kapier ich gar nix mehr. Wenn nur zwei Personen (Ich nehme mal an, es handelt sich um autostoppende Tramper) in Adis Wagen mitfahren, wo ist dann der Ich-Erzähler geblieben? Oder redet der gar von sich selbst in der dritten Person?

Wir sprachen kurz über einen geeigneten Ort, wo sie uns rausschmeißen könne,
Jetzt ist er wieder da, …

Tristan sagte, sie solle sich keine Umstände machen und die beiden einfach dort rauswerfen, wo es günstig sei für sie,
… und jetzt ist er wieder weg. Hm.

Sollte dieser Perspektivenwechsel - oder soll ich sagen, diese extravagante Selbstwahrnehmung des Ich-Erzählers? - von dir beabsichtigt sein, erkenne ich einfach nicht die Intention dahinter. Für mein Gefühl lenkt dieses Rätsel den Fokus vom eigentlich Erzählenswerten ab, nämlich von Adis Geschichte.

Das finde ich schade, weil mir der übrige Text, eben Adis Geschichte, wirklich gefallen hat, vor allem sprachlich. Mit der beinahe durchgängigen Verwendung der indirekten Rede hast du eine tolle Methode gewählt, einen langwierigen Monolog - und um einen solchen scheint es sich während der Autofahrt ja überwiegend gehandelt zu haben - auf einem stilistisch hohen Niveau darzustellen. Die stellenweise wirklich hübsch klingenden Konjunktivflexionen zum Beispiel stehen immer wieder in interessantem Kontrast zu quasi umgangssprachlichen Formulierungen:

Ihr Vater habe sich später selbst ein Holzbein getischlert, geschreinert oder zurechtgeschnitzt, was wisse sie schon davon, …

Der älteste Junge aus ihrer Gruppe habe den kleinen Expeditionstreck angeführt, Joseph habe der geheißen, das weiß Vater noch genau und erzählt es stets mit, weiß der Teufel warum.

Wäre Adis Erzählung ausschließlich in wörtlicher Rede verfasst, müsste sie – um halbwegs authentisch zu klingen - viel umgangssprachlicher geschrieben sein, was natürlich auf Kosten der Literarizität bzw. des Lesevergnügens ginge. (Oder man legt der Figur Worte und Sätze in den Mund, wo sich der Leser dann aber vermutlich denkt: Na hallo, so redet aber kein Mensch, sofern er nicht gerade ein Drehbuch-Script in Händen hält, bzw. sofern der Text nicht von einem Ausnahmekönner wie Joseph Conrad verfasst ist, der es in dem grandiosen Roman Lord Jim immerhin schaffte, einen Großteil der Geschichte mittels eines Monologs in wörtlicher Rede über nahezu ich weiß nicht mehr wie viele Seiten zu erzählen, ohne dass es unglaubwürdig klingt.)
Wie auch immer, du schreibst in einem Stil, den ich persönlich wahnsinnig gerne mag und schon nach wenigen Zeilen stellte sich bei mir ein Lesefluss im besten Sinne ein, solche Satzkaskaden mag ich einfach, sofern sie gut gemacht sind. Und gerade diese teilweise wirklich langen Sätze mit den vielen eingeschobenen Nebensätzen - wobei über die Frage, was nun ein „langer Satz“ sei, die Meinungen vermutlich immer auseinander gehen werden - lassen die Geschichte trotz indirekter Rede beinahe wie mündlich erzählt wirken.

Ja, wenn’s nach mir ginge, Kubus, dürftest du diese Episode ruhig zu einem mehrere dutzend Seiten langen Epos auswalzen, zu einer zeitdokumentarischen Erzählung quasi über Adis Leben und das ihrer Familie. Immerhin geht es um gesellschaftspolitische Phänomene, die, auch wenn sie historisch und geografisch verortet sind, von zeitloser Relevanz sind, sozusagen was Allgemeingültiges haben. Genau so was will ich lesen.

Ist ein toller Text, Kubus.

offshore

Ein paar Bugs gibt’s noch:

außerdem war er mit seinen dreizehn Jahren mehr [als] doppelt so alt wie die meisten

… als ein paar überlebende Intellektuelle sich dranmachten, […] aus dem Ungarischen ins Deutsche übersetzten [zu übersetzen]

wenn sie zur Unsicherheit der Anderen [anderen] beitrügen

 
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Hallo Kubus,
auch mir gefällt die Sprache deines Textes. Der vorherrschende Konjunktiv der indirekten Rede wirkt zwar antiquiert, zieht mich als ältere Leserin allerdings in seinen Bann. Ein wenig fühle ich mich versetzt in die Werke der Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von denen du ja drei selber benennst. Über die Perspektivprobleme hat ernst offshore ja schon einiges gesagt. Da gibt es einige Ungenauigkeiten.

Auch die Erzählung Adis gefällt mir. Dabei ist es natürlich so, dass der Wahrheitsgehalt dessen, was sie hier erzählt, nicht in Frage gestellt werden kann. Sie kann fabulieren, Geschichte klittern, unlogisch sein - was soll ich als Leser dagegen sagen – es ist ihre Erzählung. Und doch wirft ihre/deine Geschichte für mich ein paar Fragen auf:

die Sache mit dem Kugelschreiber
Er soll rumänischen Kindern von den russischen Besetzern geschenkt und perfiderweise mit Sprengstoff gefüllt worden sein? Warum sollten die russischen Besatzer (nach dem Zweiten Weltkrieg) das Land verminen und die Kinder in die Luft sprengen? Es kann sich mE allenfalls um eine Mine des Zweiten Weltkrieges handeln.

Es hatte tagelang geschneit und eine meterhohe Schneeschicht bedeckte unterschiedslos das Land, lag schwer auf alten Bäumen und den wenigen Wegen, die als sicher galten. Der älteste Junge aus ihrer Gruppe habe den kleinen Expeditionstreck angeführt, Joseph habe der geheißen, das weiß Vater noch genau und erzählt es stets mit, weiß der Teufel warum. Der zweite Kleine ging in den Fußstapfen des Joseph und der Dritte auch und so weiter.

Wie findet man Holz unter einer meterhohen Schneeschicht? Wie bewegen sich Kinder durch diesen Schnee? Worüber kann der Junge fallen? Über eine Wurzel?

Der Ich-Erzähler erklärt sich Adis gute Deutschkenntnisse so:

Vielleicht mit frühen Übersetzungen aus den Fünfzigern, als ein paar überlebende Intellektuelle sich dranmachten, für ein undichtes Mietdach über dem Kopf und ihr Schwarzbrot (?) die Bücher von Ferenc Molnar und Sandor Marai aus dem Ungarischen ins Deutsche (zu) übersetzten

Ja, das kann so passiert sein, kam aber sicherlich sehr sehr selten vor. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Adi, dieses kleine Mädchen in einem weit abgelegenen Dorf irgendwo in Siebenbürgen an so ein Buch gekommen ist und damit ihre Deutschkenntnisse verbesserte. Oder aber, sie stammt aus einer deutschstämmigen Familie, dann wäre es vielleicht vorstellbar. Doch davon lese ich nichts. Interessant ist übrigens auch, dass Marai nach der vernichtenden Kritik Lukács’ kaum noch gedruckt wurde, weder in Ungarn noch in Rumänien. In Ungarn ist er heute viel weniger bekannt als z.B. in Deutschland. Und das wird wohl auch in Rumänien so sein.

Kafkaeske Grausamkeit! Habe die jugendliche Adi ausgerufen, aber ihr Vater habe nur milde gelächelt und diese Entscheidung in Schutz genommen, unter der er sein Berufsleben lang zu leiden hatte.

Das suggeriert, dass sowohl Adi als auch ihr Vater gewusst hätten, was ‚kafkaesk’ bedeutet. Was glaubst du, wie viele Kinder in Deutschland diesen Begriff kennen und benutzen? Und dann in Rumänien?

Probleme habe ich auch mit deinen Aussagen über Tristan:

Am Rande dieser Frage ahnte er den Abgrund der eigenen Fragen und Rätsel, des absichtlich Vergessenen und Verdrängten und eine kalte Hand griff nach seinem klammen Herz und drückte zu, er atmete nurmehr flach und spürte wilde Blitze durch seinen Brustkorb zucken. Umerklich, wie Tristan hoffte, fasste er nach dem Türgriff und hielt sich fest, bis der Anfall vorüber war.

Ich stehe vor diesen Sätzen und kann sie nicht einordnen. Du reißt einen Zusammenhang an, den du nicht konkretisierst. Dadurch wird dieser Einschub letztendlich inhaltslos. Überhaupt empfinde ich den Rahmen als zu vage, zu schwer vorstellbar. Was ist mit den beiden Mitfahrern? Sie nehmen für mich keine Kontur an. Manchmal habe ich das Gefühl, dass dein Text ein Ausriss eines Roadmovies ist, dessen Zusammenhang aber im Dunkeln bleibt. Das ist von dir wahrscheinlich so gewollt, Adis Geschichte steht im Zentrum. Aber mir als Leser bringt dieser Absatz so nichts.


Bei ihnen sei das anders gewesen, in ihrer Familie habe es weder Verräter noch Zigeuner gegeben.

Und hier kommt nun mein größtes Problem mit deinem Text: die Überschrift. Wie passt sie zu dieser Aussage, wie passt sie überhaupt zu allem, was du da erzählst? Nirgendwo, aber wirklich nirgendwo sehe ich einen Anhalt dafür, dass Adi ein typisches Zigeunerkind ist.

Denn, wenn ich als Autor die Überschrift ‚Zigeunerkind’ wähle, so suggeriere ich damit, dass hier zwar ein Einzelschicksal dargestellt wird, dass dies aber doch typisch für eine bestimmte Gruppe (die Zigeuner/die Zigeunerkinder) ist.
Das gibt dein Text für mich aber nicht her. Wo finde ich in ihm das Typische?
An welchen Stellen lässt sich der Text auf eben diesen Titel beziehen.

Oder willst du mit dunklen Aussagen wie diesen :

Ein Verhalten, das sie in ihrer Jugend so sehr aufgeregt habe, diese Verteidigung der offensichtlichsten Dummheit, Grausamkeit und Bösartigkeit, unter der in ihrer Familie niemand mehr zu leiden gehabt hätte, als er selbst.
Bei einem Gespräch mit einem alten Patienten, der wie sie im kommunistischen Rumänien gelebt hätte. Freilich sei der deutlich älter als sie gewesen, und habe folglich mehr gewusst von den Notwendigkeiten, denen zu folgen hatte, wer überleben wollte. In diesem Gespräch sei es wie ein Blitz in ihr Hirn eingeschlagen, warum ihr Vater dieses mildeste Lächeln aufgelegt hatte, wenn es um die größte Grausamkeit seines Lebens sich drehte.

andeuten, dass der Grund für das Schicksal des Vaters der war, dass er Zigeuner ist?

Vorausgesetzt, ich habe nichts Wichtiges überlesen, so kommt mir die Überschrift ‚Zigeunerkind’ eher reißerisch vor, zu sehr auf Wirkung bedacht, zu sehr auf das abzielend, was wir mit ‚Zigeunerkind’ verbinden, zu sehr eine dumpfe Emotion ansprechend.

Während des kurzen Abstechers zur Literatur, dem ich nicht widerstehen konnte, erklärte sie ihre Vorliebe für die ungarische Literatur dieses untergegangenen Zeitalters, obwohl sie eine Rumänin war, was sprachlich unendlich weit vom Ungarischen entfernt ist, wie sie erklärte.

Auch Adis Bildung (‚vorlieb nehmen’ ,kafkaesk’) ist absolut nicht typisch für ein Zigeunerkind. Eher habe ich das Gefühl, dass es sich bei Adi um eine Deutschstämmige aus Siebenbürgen (Transsilvanien) handeln könnte. Ihre Deutsch- und Literaturkenntnisse, aber auch die Schikanierung des Vaters während der ersten Zeit des Kommunismus sprechen sehr stark dafür.

Wie du siehst, gibt es für mich eine Reihe von Ungereimtheiten, die unterm Strich mein Lesevergnügen schmälern. Vielleicht kannst du die eine oder andere aufklären.


Freundliche Grüße
barnhelm

 

Hallo Kubus

Mir gefällt dein Schreibstil gut, vor allem am Anfang fliesst der Text schön vor sich hin und lässt sich gut lesen. Ich mag lange Satzstrukturen generell sehr gerne, deswegen kann ich mich da der Kritik von den anderen nicht ganz anschliessen. Allerdings wird der Text zur Mitte hin sehr langatmig und unübersichtlich. Ich habe ab da auch damit angefangen, den Text nur zu überfliegen, anstatt ihn genau zu lesen. Mir ist ehrlich gesagt auch nicht ganz klar geworden, was du mit deinem Text aussagen wolltest. Auf mich wirkt es wie eine Art Dokumentation der damaligen Ereignisse, auch der Sinn von dieser Abschweifung von Adi erschliesst sich mir nicht ganz. Vielleicht solltest du einzelne Passagen streichen und dich auf das Wesentliche konzentrieren, bzw. einen klaren Handlungsstrang ausarbeiten, anstatt so viele verschiedene Themen aufzugreifen.

Noch ein paar Anmerkungen:

Manchmal dauerte es etwas länger, bevor sie weitererzählte und es wirkte, als wäre sie unmerklich aus dem Fahrwasser oft erzählter Geschichten in ein gefährlicheres Gewässer geraten, und als segele sie auf unbekannten Wegen, die höchste Konzentration erforderten, aber dafür möglicherweise Neuland bereithielten.

Dieser Teil gefällt mir inhaltlich und stilistisch wirklich gut!

...in einer dunklen Ecke der Rumpelkammer, die das Gedächtnis ist.

Das klingt etwas holprig. Besser: "...die das Gedächtnis darstellt"

und ihr energetisches Gesicht

Bin mir nicht sicher, dass man das so verwenden kann. Bis jetzt kenne ich nur den Ausdruck "energisches Gesicht"

Gruss, lenk

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi offshore, du hast Recht mit deinen Anmerkungen zur Erzählperspektive. es rutscht ohne eigentlichen Grund vom Ich-Erzähler zum auktorialen / personalen. bei Nabokovs Pnin wird die ganze Zeit aus einer auktorialen Perspektive geschrieben, die irgendwann, nach zwei Dritteln vielleicht, durch einen Ich-Erzähler ersetzt wird, nur für ganz kurz, der in die Schuhe der bis dahin auktorial verfolgten Hauptfigur schlüpft. ich habe damals gedacht, das wäre der Witz eines Menschen, der sich selbst für einen Literaturgott hält - denn wer anders als Gott kann gleichzeitig auktorial schreiben und "Ich" sagen.
bei mir hingegen war es ein Versehen, weil ich dieses Textmodul vor dem Posten nicht ausreichend überarbeitete. trotz aller Extravaganzen schreibe ich nicht von Figuren, die von sich selbst in der dritten Person reden. "Zigeunerkind" ist auch Teil einer größeren Geschichte, bei denen aber jeder einzelne Teil auch für sich genommen les- und nachvollziehbar sein soll. hier eben der Ausschnitt von einer von Adis Geschichten. freut mich sehr, dass es dir gefällt.

Guten Tag BRM,

Ich lach mich tot :-) um mich zu beleidigen oder zu verärgern bedarf es mehr als deine Kritik :-)
Echt, du bist ein schräger Typ, so scheint es mir, aber auch interessant und deshalb werde ich dir antworten, auf deinen, inzwischen in voller Länge gelesenen, Kommentar :-)
Nur nicht jetzt. Muss arbeiten. Passiert aber noch diese Woche ;-)

Muss immer noch lachen, hast mir echt einen lustigen Einstieg beschert, in diesen verregneten und wolkenverhangen Tag ;-)


siehst du, das habe ich mir gedacht. du nimmst es sportlich. ist ja auch klar, wer austeilt, muss auch einstecken können, eh? offensichtlich war der vorauseilende Schutz doch gar nicht nötig. ich habe mir schon gedacht, dass ein Mensch wie du, der sich so weit aus dem Fenster hängt, es als Teil des Spiels versteht, wenn an seinem literaturprophetischen Bart gezogen wird.
ich freue mich auf deine Antwort.

Hallo barnhelm,

Dabei ist es natürlich so, dass der Wahrheitsgehalt dessen, was sie hier erzählt, nicht in Frage gestellt werden kann. Sie kann fabulieren, Geschichte klittern, unlogisch sein - was soll ich als Leser dagegen sagen – es ist ihre Erzählung

das festzustellen ist ein wichtiger Punkt, scheint mir, wenn - wie hier - die Geschichte so konstruiert ist, dass eine Geschichte wieder-erzählt wird.

dass Ton und Inhalt dir gefallen, freut mich. ich bin allerdings der Meinung, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts alle wichtigen literarischen Instrumente bereits entwickelt waren und die heutigen Schreibmoden eher den Zyklen der Neuheiten für Medienkonsumenten mit kurzem Gedächtnis folgen. außer vielleicht das angerissene, nicht ordentlich und schlüssig zuende ausgeführte: das würde ich als ein wichtiges Kennzeichen bezeichnen von postmodernen Klassikern wie Unendlicher Spaß, 2666, Underworld und Die Enden der Parabel.
womit die Literatur eben nicht mehr als Gegenwelt zu einer überkomplexen Welt konstruiert wird, sondern eben diese Komplexitäten abzubilden versucht. dabei wird nicht alles auserzählt, was im Text angefangen wurde. wie wir im Leben auch das Ende der meisten Geschichten, von denen wir Teil sind, oder die wir miterleben, meistens nicht mitkriegen. dieses anreißen und wieder fallen lassen, diese mäandernden Geschichten mit manchen toten Altarmen, war mE für mich immer wieder ein Mittel der Wahl, um aus heutiger Weltsicht Literatur zu extrahieren. verzeih, wenn ich dir bereits bekanntes erneut vorkaute. mensch weiß hier bei neuen Bekanntschaften nicht, wie der Stand des Gegenübers ist.

Er soll rumänischen Kindern von den russischen Besetzern geschenkt und perfiderweise mit Sprengstoff gefüllt worden sein? Warum sollten die russischen Besatzer (nach dem Zweiten Weltkrieg) das Land verminen und die Kinder in die Luft sprengen?

ich weiß es nicht. kam mir auch seltsam vor. ich dachte mir, vielleicht ist das so etwas wie eine moderne Legende, die entstand, weil die Rumänen so sehr unter dem Kommunismus zu leiden hatten und die russischen Soldaten eben die Vorboten des Kommunismus waren. ich habe diese Information nicht überprüft. Adrianas Geschichte ist zwar ausgeschmückt, aber an den entscheidenden Stellen habe ich mich daran gehalten, was sie sagte.

Wie findet man Holz unter einer meterhohen Schneeschicht? Wie bewegen sich Kinder durch diesen Schnee? Worüber kann der Junge fallen? Über eine Wurzel?

Der Junge stolperte vielleicht auch einfach über seine Füße. Den Rest kann ich dir leider nicht beantworten.

Ja, das kann so passiert sein, kam aber sicherlich sehr sehr selten vor. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Adi, dieses kleine Mädchen in einem weit abgelegenen Dorf irgendwo in Siebenbürgen an so ein Buch gekommen ist und damit ihre Deutschkenntnisse verbesserte. Oder aber, sie stammt aus einer deutschstämmigen Familie, dann wäre es vielleicht vorstellbar. Doch davon lese ich nichts. Interessant ist übrigens auch, dass Marai nach der vernichtenden Kritik Lukács’ kaum noch gedruckt wurde, weder in Ungarn noch in Rumänien. In Ungarn ist er heute viel weniger bekannt als z.B. in Deutschland. Und das wird wohl auch in Rumänien so sein.

Adi ist zum Zeitpunkt des Erzählens der Geschichte, längst kein kleines Mädchen mehr, ihre Eltern sind weit über siebzig und sie selbst arbeitet schon längst in Österreich, weil sie dort tausend Euro verdienen kann. je nachdem, wie lange sie schon dort arbeitet (und vielleicht lebt) könnte sie sich ihr Buchwissen in Österreich angeeignet haben. das sollte alles im Text zu finden sein.
Das mit Lukács’ ist interessant, das wusste ich nicht. kann mir aber gut vorstellen, dass Sandor Marai als Vertreter der alten Bildungseliten geschmäht wurde, als Reaktionär. mir ist Sandor Marai von meiner französischen Freundin nahegebracht worden. Ferenc Molnar habe ich vor nicht allzu langer Zeit in ungarischen Buchhandlungen gesehen.

as suggeriert, dass sowohl Adi als auch ihr Vater gewusst hätten, was ‚kafkaesk’ bedeutet. Was glaubst du, wie viele Kinder in Deutschland diesen Begriff kennen und benutzen? Und dann in Rumänien?

diesen Ausruf habe ich der jugendlichen Adi in den Mund gelegt, nicht einem Kind. möglicherweise ist das trotzdem zu weit hergeholt, das mag sein.

Ich stehe vor diesen Sätzen und kann sie nicht einordnen. Du reißt einen Zusammenhang an, den du nicht konkretisierst. Dadurch wird dieser Einschub letztendlich inhaltslos. Überhaupt empfinde ich den Rahmen als zu vage, zu schwer vorstellbar. Was ist mit den beiden Mitfahrern? Sie nehmen für mich keine Kontur an. Manchmal habe ich das Gefühl, dass dein Text ein Ausriss eines Roadmovies ist, dessen Zusammenhang aber im Dunkeln bleibt. Das ist von dir wahrscheinlich so gewollt, Adis Geschichte steht im Zentrum. Aber mir als Leser bringt dieser Absatz so nichts.

Danke für deine Einschätzung. natürlich wünsche ich mir, dass möglichst vielen Lesern gefällt, was mir gefällt und was ich schreibe. aber das geht nicht. zu dem angerissenen Zusammenhang habe ich ja weiter oben bereits was geschrieben.

Und hier kommt nun mein größtes Problem mit deinem Text: die Überschrift. Wie passt sie zu dieser Aussage, wie passt sie überhaupt zu allem, was du da erzählst? Nirgendwo, aber wirklich nirgendwo sehe ich einen Anhalt dafür, dass Adi ein typisches Zigeunerkind ist.

warum sollte sich "Zigeunerkind" auf Adi beziehen? an einer Stelle im Text legt sie sogar Wert darauf, nichts mit Zigeunerblut zu tun zu haben. osteuropäischer Antizygnismus

Denn, wenn ich als Autor die Überschrift ‚Zigeunerkind’ wähle, so suggeriere ich damit, dass hier zwar ein Einzelschicksal dargestellt wird, dass dies aber doch typisch für eine bestimmte Gruppe (die Zigeuner/die Zigeunerkinder) ist.
Das gibt dein Text für mich aber nicht her. Wo finde ich in ihm das Typische?

das würde ich nicht tun. Idealtypen existieren mE nicht. in der Soziologie ergibt es Sinn, mit ihnen zu arbeiten, aber in der Realität gibt es nur Einzelfälle. ich wüsste nicht mal, wie ich typischerweise über die Menschen meiner eigenen Herkunft schreiben könnte, der größte gemeinsame Nenner ist da schon klein. bei anderen Kulturen weiß ich das noch weniger. mein Zigeunerkind ist das eher im übertragenen Sinn.

Vorausgesetzt, ich habe nichts Wichtiges überlesen, so kommt mir die Überschrift ‚Zigeunerkind’ eher reißerisch vor, zu sehr auf Wirkung bedacht, zu sehr auf das abzielend, was wir mit ‚Zigeunerkind’ verbinden, zu sehr eine dumpfe Emotion ansprechend.

stimmt auch. und deine Kritik daran kann ich nachvollziehen. so was kritisiere ich immer wieder, wenn die Literatur sich am Boulevard oder am Marketing zu orientieren scheint.

Ich glaube, Adriana wuchs in Siebenbürgen auf.

Danke für den Kommentar.

Hi lenk,

Allerdings wird der Text zur Mitte hin sehr langatmig und unübersichtlich. Ich habe ab da auch damit angefangen, den Text nur zu überfliegen, anstatt ihn genau zu lesen. Mir ist ehrlich gesagt auch nicht ganz klar geworden, was du mit deinem Text aussagen wolltest

das passt zusammen. wenn ich einen Text nicht genau lese, weiß ich auch nicht, was der mir sagen kann, wie ich ihn befragen muss.

Vielleicht solltest du einzelne Passagen streichen und dich auf das Wesentliche konzentrieren, bzw. einen klaren Handlungsstrang ausarbeiten, anstatt so viele verschiedene Themen aufzugreifen.

das wäre eine Möglichkeit und ich habe das schon öfter getan - stringent geschrieben. hier wollte ich das nicht.

Danke auch für deine anderen Anmerkungen, lenk.

Kubus

 

BRM hat mich gebeten seinen Kommentar, der ja Ursprung der ganzen OT Diskussion war, zu löschen. Außerdem hab ich alle Beiträge gelöscht, die darauf Bezug nahmen und in denen nicht über die Geschichte selbst gesprochen wurde. Beiträge, die eine Vermischung von Geschichte und OT-Diskussion beinhalten, habe ich nicht "bearbeitet". Das kann jeder für selbst entscheiden, ob er hier was rausnehmen will oder eben stehenlassen.

 

Hi Kubus,

die Sätze sind nicht zu lang. Ich weiß nicht, ob das nach dem ganzen Hin und Her hier jetzt noch irgendwo steht, aber ich hatte das damals gelesen, und konnte die Meinung nicht teilen, dass das zu lang ist, dass man Sätze generell kurz halten müsse. Ich denke, das ist Geschmackssache, wie man es mag, einen Text zu verspeißen: Die einen mögens kleingehackt, ich persönlich finde Sätze, die über zwei, drei Zeilen hier im Forum gehen, absolut hinnehmbar - wenn du gut formatierst. Ich glaube, was den damaligen Kommentator gestört hat, war der Mittelteil. Klar, ist deine Sache, ob du Absätze reinhauen willst oder nicht, aber wenn du noch eine Meinung hören willst: Anfang und Schluss lesen sich super, sind auch gut formatiert, aber im Mittelteil kannst du ruhig noch zwei, drei Absätze reinschieben. Das ist einfach für das lesende Auge angenehmer, so ermüdet es relativ schnell, und es wird anstrengend. Ist aber deine Sache.

Zur Story: Mir hat sie gut gefallen. Das Konjunktiv fand ich auf irgendeine Art originell, hat mich beim Lesen auch nicht gestört. Anfangs bin ich ab und zu rausgekommen, z.B. hier:

Ihr Vater habe sich später selbst ein Holzbein getischlert, geschreinert oder zurechtgeschnitzt, was wisse sie schon davon, ihr Vater könne das sicherlich besser erklären, aber wie die Dinge lägen, würden wir ihn nicht kennenlernen und müssten schon mit Adis Version der Geschichte vorlieb nehmen.
Da wusste ich kurz nicht genau, wer die Figur des Vaters jetzt ist - weil die Figur ja davor noch das Kind war. Ja, man muss ein bisschen mitdenken, wenn du die Sache, wer wer ist - gerade bei den Zeitsprüngen - einen Tick durchsichtiger machst, wäre dem Leser womöglich geholfen.

Ansonsten fand ich den Plot sehr unterhaltend, auch originell, da sind 'ne Menge schöner Details drin, die das Erzählte sehr anschaulich und authentisch machen, es wird auch eine richtige Geschichte erzählt, man hat danach das Gefühl, den Vater von Adi und das Milieu besser zu kennen.
Ach ja, das sind Roma, oder? Wegen dem Titel. Ich weiß nicht, ob ich da jetzt etwas überlesen habe, aber wäre der Titel nicht da gewesen, dann wäre für mich als Leser (über große Teile des Textes) nicht 100% klar gewesen, dass es sich bei Adi und ihrer Familie um Roma handelt. Korrigiere mich, wenn ich da was überlesen habe. Jedenfalls könnte man das auch noch einen Tick durchsichtiger gestalten. Aber ist dein Text, du kannst damit machen, was du willst. Wollte das bloß noch erwähnt haben.

außerdem war er mit seinen dreizehn Jahren mehr doppelt so alt wie die meisten
glaube, da stimmt etwas nicht

Viele Grüße,
zigga

 

Verbannung aufgehoben ... und schon kömmt der noch ma' zu diesem "Roadmovie" über die Balkanroute im Konjunktief.

Da ist Adi (= Juwel, Ornament = hebr. Name, sofern er nicht Adolf! abkürzen soll) und soll zugleich die Sprache der Adi im tibeto-burmanischen Sprachraum sein. Die alten Briten glaubten, Zigeuner kämen aus dem alten Ägypten, daher gipsy. Tatsächlich geht die Rede, Roma und Sinti (die sich selbst gelegentlich nicht hold sind) kämen aus Vorderindien, was sich ja vor Tibet und Burma (weiß den neuen Staatsnamen gerade mal nicht) breitmacht. "Zigeuner" nannten uns unsere Eltern, wenn wir uns herumtrieben. Zigeuner = Rumtreiber. Kommen sie hier an, werden sie eingelagert und wieder abgeschoben. Werden zu doppelt Vertriebenen.

Tristan fährt nach Irland, Isolden seinem König Mark besorgen ... Auch eine Art Roadmovie. Dublin gabs da noch nicht ... meint der

Friedel,
der noch mal vorbeischaut

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi zigga,

ich nehme mir den Text noch mal vor. habe zwar keine Strichliste geführt, aber so Richtung Ermüdung und Schwierigkeit mit dem Mittelteil haben bestimmt zwei oder drei Leser kommentiert. ich wünsche mir zwar, dass hier auch alternative Geschichtenerzählkulturen ihren Raum für Wachstum bekommen, die auf den ersten Blick weniger eingängig sind, will dabei aber selbst nicht stur und bockig mich an Äußerlichkeiten aufhalten und bei der Verteidigung zum Spieß greifen. denn diese Formalia sind ja meine Herzenssache nicht. wenn es der Lesbarkeit dient und der Geschichtenkern erhalten bleibt, profitieren alle davon. da gehe ich also bald ran und gebe der Geschichte noch einen Nachschliff. als Instrumente der Wahl folge ich eurer Kritik und denke an großzügigere Absätze, mehr Satzzeichen und die Glättung der einen oder anderen Denkschleife.
ich fand den vorliegenden Text nicht anstrengend, sonst hätte ich ihn nicht so gepostet. ich weiß ja, dass ich da blinde Flecken habe und freue mich umso mehr über den geliehenen kritischen Blick von außen. deine Offenheit gegenüber dem Text in seiner jetzigen Form und der Ton deiner Kritik helfen mir auch, an der Geschichte zu arbeiten. da bin ich manchmal empfindlicher, als ich es mir wünschte, aber das muss ich als Fakt anerkennen und das beste daraus machen. bringt ja nix, sich ein Korsett anzulegen und etwas tun, zu dem man sich gezwungen fühlt. in Sachen Kreativität meine ich.

Da wusste ich kurz nicht genau, wer die Figur des Vaters jetzt ist - weil die Figur ja davor noch das Kind war. Ja, man muss ein bisschen mitdenken, wenn du die Sache, wer wer ist - gerade bei den Zeitsprüngen - einen Tick durchsichtiger machst, wäre dem Leser womöglich geholfen.

ist notiert. mal sehen, was ich daraus machen kann.

dann wäre für mich als Leser (über große Teile des Textes) nicht 100% klar gewesen, dass es sich bei Adi und ihrer Familie um Roma handelt. Korrigiere mich, wenn ich da was überlesen habe. Jedenfalls könnte man das auch noch einen Tick durchsichtiger gestalten

ich würde deine Lesart nicht korrigieren. der Autor kann zwar seine Intention mehr oder weniger subtil in den Text einbauen, aber ich mag Geschichten, die mehrere Lesarten erlauben. demzufolge sehe ich den Text nach dem Posten als autonom an und verstehe meine Interpretation als eine von mehreren möglichen. wenn denn Leser, Leserin oder Laser selbst interpretieren, verstehe ich deren Interpretation prinzipiell als gleichrangig zu meiner. de facto gibt es leider schon aufgrund der vom Autor mit seinem Text verbrachten Zeit und seinem Informationsvorteil eine größere Wahrscheinlichkeit, dass des Autors eigene Lesart die schlüssigere ist. nichtsdestoweniger würde ich - fast - keine Lesart ausschließen. der interpretierende und mitdenkende Leser ist doch des Autors größte Freude. in meiner Interpretation wäre Adi keine Sinti oder Roma. der Titel ließe sich als Täuschungsversuch verstehen, als bewusste Irreführung. es ist wahrscheinlich eine Gemeinheit.

glaube, da stimmt etwas nicht

glaub auch

Danke fürs Kritisieren, zigga, und viele Grüße.

Hey Friedel,

Verbannung aufgehoben ... und schon kömmt der noch ma' zu diesem "Roadmovie" über die Balkanroute im Konjunktief.

für dich ist noch nen Plätzchen frei - jetzt sitzen wir zu viert auf der Rückbank von Peterchens Lada Niva. Verbannung vorbei, o weh, das war ein großer Wind, der hier durch die Kommentarspalten fegte. tja, die situationsverschärfenden Aktionen meinerseits tun mir leid, vor allem der Ton, das war krass und wird auch immer schlimmer mit mir mit dem Alter. ich werde meinen klugscheißenden und cholerischen Vätern und Großvätern immer ähnlicher, obwohl ich mein Leben lang dagegen ankämpfe. ich finde es immer wieder schwierig, eine Balance zu finden zwischen radikaler Offenheit und Empfindsamkeit, die ich fürs Leben und Schreiben zu brauchen glaube und etwas Schutz und Dickfelligkeit. ich hätte achselzuckend und grinsend über das hinweg gehen können, was ich als Angriff verstand und impulsiv zu vergelten versuchte.

Da ist Adi (= Juwel, Ornament = hebr. Name, sofern er nicht Adolf! abkürzen soll

die hat ein paar krasse Nazi- und Hitlerwitze rausgehauen. echt so zweimal gedacht, nee, das hat die nicht gerade gesagt oder?

Die alten Briten glaubten, Zigeuner kämen aus dem alten Ägypten, daher gipsy. Tatsächlich geht die Rede, Roma und Sinti (die sich selbst gelegentlich nicht hold sind) kämen aus Vorderindien

diese Ideen begegnen mir auch regelmäßig. manchmal an Stellen, wo ich so was am wenigsten vermuten würde. manche meinen, die kamen aus dem Nachbartal der Arier und sind so um und bei zweitausend vor Christus zu ihrer ewigen Wanderschaft losgezogen. eigentlich wollten sie nur Beeren pflücken bei der Mündung des Indus, haben sich aber verlaufen und sind immer weiter vom Weg abgekommen anstatt wieder zurück zu finden. das war denen sehr peinlich und als sie irgendwann mitgekriegt haben, wir finden nicht mehr zurück, haben sie halt behauptet, wir ziehen freiwillig durch die Welt. die Arier waren gerade in die Erschaffung der Veden vertieft und als die fertig waren und wieder hochkuckten, waren ihre Kumpel weg. auf der Suche nach ihren Freunden aus dem Nachbartal, folgten die Arier den sogenannten Zigeunern schließlich nach Europa.

"Zigeuner" nannten uns unsere Eltern, wenn wir uns herumtrieben. Zigeuner = Rumtreiber.

meine Oma spricht davon noch manchmal, wenn sie meine Such- und Wanderbewegungen beschreibt. vom Klangkörper her ist es sauschade, dass dieses Wort so sehr zum Herabwürdigen missbraucht wurde. so was kriegste in tausend Jahren nicht wieder hin.
ich habe noch Quellen (und dieses Mal wirklich), in denen wird viel vom "fahrenden Volk" geschrieben und auf der einen Seite so klassische Zygan-Romantik bedient - Kesselflicker, Wahrsagerinnen, wilde Geiger etc, aber es geht noch bis vor hundert Jahren auch immer wieder deutlich darüber hinaus und Beschreibungen werden bisweilen auf eine Art detailliert und differenziert, die eine Fälschung oder Romantisierung unwahrscheinlicher macht.
zB in alten Polizeiberichten aus der Frühzeit der Disziplinargesellschaft, wenn die Polizisten dem Treiben der Gauner EInhalt zu gebieten versuchte, die Häuser, Zäune und Wege mit Zinken markiertenm, Gaunerzinken, Symbolsprache der Einbrecher, Diebe und Bettler. ob sich betteln dort lohnt, ob es Hunde gibt oder bewaffnete Typen, die Hintertür immer angelehnt ist, der Schlüssel im Blumentopf neben der Tür liegt etc. haben wir schon mal drüber gesprochen glaube ich du weißt das. das Rotwelsch hat so viele Entlehnungen aus dem zyganischen Sprachschatz, vllt nur aus dem Jiddischen mehr.
und diese alten Berichte erzählen von diesen im zweiten Weltkrieg untergegangenen Traditionen auf eine beiläufige und respektvoll-ängstliche Art, die auf mich glaubwürdig wirkt.

so soll es große Vorkehrungen gegeben haben und die Polizisten einer Landgendarmerie baten auf dem Dienstweg um Verstärkung, weil sie gehört hatten, in ihrer Gegend solle die Hochzeit des Zigeunerkönigs stattfinden. darüber gibt es auch einen Zeitungsbericht, der das bestätigt und uralte wacklige Fotos. ein alter Rom, der auf diese Geschichte angesprochen wurde, behauptete auch, die sei wahr, damals hätten sie einen König gekrönt. und zwar sei das ein stattlicher Rom gewesen, dumm wie Stroh, den sie gekürt hätten, weil sie die Fragen der Menschen in Steinhäusern satt hatten, deren ausgesandte Beamte immer wieder "zum König gebracht" werden wollten oder zu jemand, der zuständig wäre. die hätten dann im Nachhinein mit diesem Zigeunerkönig sprechen dürfen und der habe sich sehr gefreut, stets im Mittelpunkt zu stehen und großartige Festbankette zu seinen Ehren fressen zu können.

sind die Sinti und Roma nach den Kurden die zweitgrößte Kultur gemessen an Kopfzahl, die kein eignes Land haben? mir ist so. es ist echt krass und sehr schlimm, was unsere Gesellschaft mit diesem Volk gemacht hat und immer noch tut. ich bringe das auch kaum über mich, nett zu denen zu sein. niemand wird auch nur annähernd so dreist, schnell und skrupellos gelesen wie "Zigeuner". und durch unseren Abscheu werden auch die nächsten Generationen verlässlich so gedrillt. kann mir kaum vorstellen, wie diese wirkmächtign Dynamiken umgekehrt werden könnten. vor allem, wenn sich keiner drum kümmert. unsere Gesellschaften sind für Sinti und Roma extrem starr und undurchlässig, kaum oder keine Aufwärtsmobilität möglich. ist einer Rom und will studieren und Arzt werden, verheimlicht er seine Herkunft. was dann noch dazu führt, dass die Zygani, die ein positives Selbstbild haben und auch so wahrgenommen werden, nichts für die Außenwirkung der Herkunftskultur tun können, weil sie die eben oft verleugnen. vieles so verflixt effektiv eingerichtet. ich will nix mit der Romantisierung von Leid zu tun haben, aber ich kann mir vorstellen, dass es denen besser ging, als sie noch ihre Wagen hatten.

Werden zu doppelt Vertriebenen.

ja, nirgendwo Heimat. überall gefürchtet, gehasst und angespuckt. in Frankreich geht wohl auch Staat mit denen viel derber um als hier in Schland und mir kamen die Zygani von Lille auch immer noch einen Zacken dreister und heftiger vor. wie die um unsere Tüten kreisten am Markttag, versuchten offen zu klauen und lachten mich nur aus, als ich sie vertreiben wollte.

Roma und Sinti (die sich selbst gelegentlich nicht hold sind

in Hamburg bekam eine Sippe als Wiedergutmachung für die Gräuel des WK II eine Sackgassenstraße geschenkt - den Georgswerder Bogen auf der Veddel. fünf bis zehn Minuten von der S-Bahn Veddel entfernt, Nähe Haltestelle Fiskalische Straße. direkt am Eingang zu dem Rondell steht ein Häuschen mit Gelände, das aussieht, wie der feuchte Traum eines Messie. aller mögliche Krempel aus aller Welt, von einer fünf mal sieben Meter Plastik-Nachbildung eines Pagodentempels über zig Viecher in knalligen Farben bis zu einem Panzergerippe vom Anfang letzten Jahrhunderts. der Patriarch steht oft am Eingang und schwatzt den ganzen Tag, wenn er kann. jedenfalls ist diese Sippschaft entweder Roma oder Sinti. vor einem Jahr ungefähr hat - wahrscheinlich - die Hamburger Behörde für Migration eine andere Sippschaft, Balkanflüchtlinge, in direkter Nachbarschaft untergebracht. (ich war und bin da oft privat.) eines Tages standen auf dem kurzen Weg zur Wohnung eines Bekannten drei, vier Streifenwagen. und noch viel mehr überall in der Umgegend. es hieß, welche von den Zugezogenen hätten ein behindertes Mädchen der Sippe vom Bogen vergewaltigt und das gab Krieg. davon war seltsamerweise nichts zu lesen, nirgendwo, obwohl die Exekutive wochenlang massive Präsenz zeigte. zu hören und zu sehen war auch nichts. aber wenn die Polizei über einen so langen Zeitraum so stark auftritt, muss da ganz schön was los gewesen sein, denn der Senat gehört letztendlich den Kaufleuten und die sparen, wo sie nur können und machen so was nur, wenn sie glauben, damit schlimmeres verhindern zu können. bis dato und danach kriegte ich nichts mit von Streitigkeiten zwischen beiden Personenkreisen, wie du erwähnst. nur dieses unheimliche Setting.

Danke fürs Vorbeischauen, friedliche Grüße,

Kubus

 

Hola! erste Überarbeitung abgeschlossen und online gestellt. Danke fürs Feedback, das die Veränderungen möglich machte und viel Spaß beim Lesen.
Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

... lange Armut lässt kleines Bakschisch größer aussehen.

Hallo Kubus,

Adi braucht sich doch nicht für ihre Abschweifungen entschuldigen!*, ist doch eine schöne Geschichte vor allem über ihren Vater. Die Rede des Mädchens wird um Zusätze erweitert, als Würze, wie sie der wörlichen Rede (da ist die indirekte Rede ein gelungener Kunstgriff) und mündlichen Erzählung eigen ist - wie etwa bei explodierenden Kugelschreibern, die nun als eben nur ein „Beispiel“ daherkommen und dem Zusatz

..., das müsse man sich mal vorstellen,
was den Hörer/Leser ja direkt angeht. Auch die uralten Formen des Konjunktiv II - wenn ich mich recht hierorts an die Siebenbürger-Siedlung mit den Aussiedlern erinner, sprach man - vor allem natürlich die Alten - ein ans Mittelhochdeutsche erinnerndes Schwäbisch.

Aber es kommen auch Allgemeinplätze, wie

Niemand habe gewusst, warum die Russkis tödlichen Krams an Kinder verschenkten, aber es war auch keine Zeit der Fragen damals, in diesen Tagen. Kommunisten, Rote, die waren nur eine kleine Zeit da, in der abgelegenen Gegend in Transsilvanien, wo ihre Eltern lebten und leben
die in der alltäglichen Rede nicht fehlen, bis hin zu einer Kurzbeschreibung des Taylorism (Fließbandarbeit, die wissenschaftlich begründet wird und Arbeitsvorgänge in kleinste Abschnitte zerlegt, dass absehbar die Arbeit von Robotern erledigt werden kann)
Als ihr Vater ein junger Mann im jungen kommunistischen Rumänien war und es Zeit wurde, ihm eine Planstelle zuzuweisen, habe er darum gebeten, Tischler werden zu dürfen. … Aber das sei ihm nicht erlaubt worden. Vielmehr habe man ihm ohne weitere Begründung eine Stelle in der örtlichen Fabrik zugewiesen, wo er den ganzen Tag habe stehen und hart arbeiten müssen. ...
Schließlich seien die Talente ihres Vaters in der Holzverarbeitung unübersehbar gewesen, also wäre das die Stelle gewesen, wo ihn die Apparatschiks am effektivsten hätten ausbeuten können. Aber nein, es musste die Fabrik sein! Wo er genau so viel und genauso wenig machen konnte wie irgendein Dummkopf. Wo Menschen damals nicht viel mehr waren, als organische Maschinen mit Armen. Bio-Maschinen, die einem Halbfertigprodukt ein weiteres Bauteil zufügten. Keine inspirierende Tätigkeit, habe ihr Vater zugegeben. Aber die meditative Mechanik von genau definierten und immer wiederholten Bewegungen hätten ihn vom Schmerz im Beinstumpf abgelenkt, wie ihr Vater milde erwiderte, wenn Adi sich als junges Mädchen über die Dämlichkeit und Unnötigkeit seiner Arbeit aufregte.
Modern Times halt auch im Ostblock ...

Eine gewagt kühne Behauptung fällt auf

In den Sommermonaten wäre das aufgesparte Benzin auf den Kopf gehauen worden.
Slapstick?

Und einige Kommas sind nachzutragen

das heutige Rumänien, was für den Ortskundigen sicherlich schwer vorstellbar[,] aber nichtsdestoweniger wahr sei
Reden[,] als habe man nur darauf gewartet, dass einer fragt[,] und freue sich, endlich sein Herz öffnen zu können, auf dass all die Liebe für den Diktator und obersten Folterer hinausfließen könne.
Sie wisse nicht, wie ihr Vater das all die Jahrzehnte durchgehalten habe, ohne verrückt zu werden[,] und mittlerweile traue sie sich nicht mehr, zu fragen.
in einer dunklen Ecke der Rumpelkammer[,] die das Gedächtnis ist.
Manchmal dauerte es etwas länger, bevor sie weitererzählte[,] und es wirkte, als wäre sie
Vielleicht[,] weil er Teilinvalide war, möglicherweise[,] weil der Weg zur Fabrik nicht gerade kurz war, sie wisse es nicht.
Von Menschen[,] die ähnlich lebten, in ihren Barrancas, selbstgebauten Häusern und Wohnhöhlen.

Gern gelesen vom

Friedel


*

Adi entschuldigte sich für die Abschweifung.

Nachtrag: Vielleicht kennstu's schon und wenn nicht, dann der Hinweis auf Herta Müllers Atemschaukel, Rezension siehe hierorts unter http://www.wortkrieger.de/showthread.php?48388-Atemschaukel

 

Moin Friedrichard,

danke für deine themennahe Rückmeldung, das zu lesen macht Freude.

Die Rede des Mädchens wird um Zusätze erweitert, als Würze, wie sie der wörlichen Rede (da ist die indirekte Rede ein gelungener Kunstgriff)
das war die Absicht, schön, wenn das so funktioniert. ich mag ja maändernde Geschichten, die sich eher an dem nicht-stringenten Verlauf von Lebens-Geschichten orientieren, weniger an den klassischeren Ideen von Plotting und vorgedachter Konzeption, die Literaturpersonal, Spannungsbogen und Konflikte im Vorhinein skizziert und danach schreibend abarbeitet.
aber es bleibt die Frage, mit welcher Rahmenhandlung so ein Zugriff aufs Erzählen plausibilisiert wird. dass du die hier vorliegende Art des Wieder-erzählens als angemessen empfindest, freut und bestärkt mich da. (ich habe ja seit 2012 nurmehr wenig literarisch schreiben können, bin also aus der Übung.)

wenn ich mich recht hierorts an die Siebenbürger-Siedlung mit den Aussiedlern erinner, sprach man - vor allem natürlich die Alten - ein ans Mittelhochdeutsche erinnerndes Schwäbisch.

bei uns, in meiner Heimat (den Begriff lass ich mir nicht von Neurechten nehmen) hatten wir auch Spätaussiedler-Siedlungen, aber die kamen aus dem ehemaligen Sowjetreich. in Ungarn und Rumänien bspw gibt es noch so viele Städte und Stadtteile, die noch die alten deutschen Namen tragen. Herrmannstadt, Kronstadt, oder Josefstadt, der Stadtteil Budapests. Deutsch war in diesen Gegenden oft die zweite Fremdsprache, bzw sind einige Menschen mit Deutsch zweisprachig erzogen worden. Deutsche Sprache und deutsche Lebensart wird vielerorts hoch in Ehren gehalten, scheint mir.

bis hin zu einer Kurzbeschreibung des Taylorism (Fließbandarbeit, die wissenschaftlich begründet wird und Arbeitsvorgänge in kleinste Abschnitte zerlegt, dass absehbar die Arbeit von Robotern erledigt werden kann)

schön dass du das da rausgezogen hast. es sollte in erster Linie in der Geschichte als Charakterisierungs- und Konfliktpunkt wirken, aber immer wenn es um Arbeit geht, bin ich versucht, da noch etwas mehr reinzustecken. ein Schwerpunkt meiner interdisziplinären Studien war eben die Arbeits-Soziologie. das mit den Robotern ist eine real wachsende Problematik. vor kurzem meinte Stephen Hawking noch, dass KI entweder das beste oder das schlimmste sein wird, was der Menschheit je geschah. nicht zuletzt im Arbeitskontext. seitdem wir im VW-Werk in Wolfsburg waren und die dortigen Fertigungshallen gesehen haben, hat diese Sorge auch ein konkretes Bild bekommen.

In den Sommermonaten wäre das aufgesparte Benzin auf den Kopf gehauen worden.

Slapstick solls nicht sein. meinst du, der Ton passt nicht zu Adi?

Nachtrag: Vielleicht kennstu's schon und wenn nicht, dann der Hinweis auf Herta Müllers Atemschaukel, Rezension siehe hierorts unter

Danke für den Tipp. Atemschaukel las ich damals, als sie ihren Preis bekam, beeindruckend, erschreckend, ganz besonders, wie sie mit Sprache arbeitet.

herzliche Grüße und Danke,
Kubus (kleinbuchstabig gerne cube, aber kubus gefällt mir nicht ohne Majuskel am Anfang) :-)

 

Moin großer Kubus
(hat ich in jugendlichem Leichtsinn den kleinen würfel gewählt?, manchmal vergess oder verfehl ich auch die entsprechende Taste an der Klaviatur),
nix zu danken!

ich mag ja maändernde Geschichten, die sich eher an dem nicht-stringenten Verlauf von Lebens-Geschichten orientieren, weniger an den klassischeren Ideen von Plotting und vorgedachter Konzeption, die Literaturpersonal, Spannungsbogen und Konflikte im Vorhinein skizziert und danach schreibend abarbeitet.
So isset auch bei mir (weißtu doch, dass jedes Schriftstück ein Experiment ist wie das Leben selbst) und ich bin überzeugt, dass man Schreiben so wenig verlernt wie Schwimmen oder Fahrradfahren - und wenn, dann gibt es schwerwiegende und -treffende Probleme, die's verursachen.

In den Sommermonaten wäre das aufgesparte Benzin auf den Kopf gehauen worden.
Slapstick, meinte ich dazu, sollte es aber
nicht sein. meinst du, der Ton passt nicht zu Adi?
Ein rohes Ei kann man auf den Kopf (eines andern) hauen, solang das Ei geschlossen ist. Geld kann man buchstäblich auch im übertragenen Sinn auf den Kopf hauen (selbst das Buchgeld, dass man nicht mal in die Hand nehmen kann, da braucht es dann den andern als Abnehmer oder einer Inflation). Flüssigkeiten - ob zäh oder nicht - tun sich da schwer - vielleicht auch nur ich ... Tatsächlich kann so ein - ich nenns mal so - Bonmot in der wörtl. Rede entstehn.

Tschüss

Friedel

 

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