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Ziegenhuf und Ziegenhorn

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12.12.2001
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Ziegenhuf und Ziegenhorn

Wenn in weißer Winterpracht
Kalter Tod vom Himmel fällt,
Schleicht der Wahnsinn durch die Nacht,
Sammelt all’ die toten Seelen
Deren blasses Leichenfeuer
Seinen wirren Weg erhellt.

Dann, in kalter Winternacht
Wird gebetet und gefleht,
Daß, wenn er seine Runde dreht,
Er die Liebsten und die Nächsten
Noch ein Jahr verschonen mag
von den Qualen, die er sät.

Doch wen er will, den kriegt er immer
Denn die, die einsam und verlassen,
Mit Leidenschaft ihr Leben hassen,
Die läßt das weiße Trauerkleid
Im Fieberwahn verblassen.

Denn wen er will, den kriegt er immer.


Schwere Schneeschichten ließen die Äste der dichtstehenden Bäume in tiefer Trauer gebeugt herabhängen, während die mächtigen Stämme weißen Monolithen gleich in den wolkenverhangenen Himmel ragten. Noch immer fiel Schnee, der jede Sicht versperrte und den Wald selbst fast vollständig in einem wirr tanzenden Kleid aus Schneekristallen verbarg. Nur die Wipfel der größten Tannen sah man stumm und regungslos dem winterlichen Wirbel trotzen. Darunter, zu Füßen der uralten Bäume, zitterten die Pflanzen und Tiere, die nicht schon erfroren oder in den meterhohen Schneewehen erstickt waren. Aneinander gekauert, die großen Brüder ob ihrer stoischen Ruhe beneidend, harrte man dem Kommenden, den sicheren Tod vor Augen.
Ein Stöhnen, schwer gehender Atem, durchbrach die Stille, als sich ein Mann über eine der mörderischen Schneewehen kämpfte. Nur mühsam kam er voran, steckte bis zur Hüfte im Schnee fest, daß es fast tödliche Anstrengungen kostete, auch nur einen Fuß zu heben und den nächsten Schritt zu machen. Mit den Armen schaufelte er das Weiß zur Seite und erreichte so nach vielen kräftezehrenden Minuten eine Stelle zwischen einigen Tannen, an denen der Schnee nur wenige Handbreit hoch war. Schnaufend lehnte er sich gegen einen der Stämme und rutschte daran zu Boden. Feiner Schnee stieb auf als er denselben erreichte und bedeckte seine Beine gleich wieder mit einer dünnen, weißen Schicht. Mehr als eine kurze Pause war ihm nicht möglich, sonst würde er eingeschneit bis ans Ende der Welt hier liegen. Nur langsam kam sein Herz zur Ruhe und desto mehr zitterte sein Körper ob der Überhand gewinnenden Kälte. So richtete er den Kragen seines Mantels wieder auf und zog sich den wollenen, halb zerrissenen Schal ins Gesicht. Als er merkte, daß selbst das nicht ausreichte, die schneidende Luft abzuhalten, wickelte er sich in seinen dicken, braunen Fellumhang, um kurz darauf festzustellen, daß es ihm in dieser Lage schwer fallen würde, wieder aufzustehen.
Den letzten Gedanken unterdrückte er mit einem weiteren Stöhnen und schaute sich um. Die Lichtung, auf der er saß, schien von Menschenhand in den Wald geschlagen worden zu sein, so gleichmäßig rund erschien sie ihm. Etwa zehn Schritt mußten es von dieser auf die andere Seite sein – zehn Schritt, die kaum verschneit waren, sondern lediglich in einem schwachen Weiß schimmerten. Seine Augen verengten sich mißtrauisch, als er diesen Umstand realisierte, doch verwehrte ihm sein Verstand jedwede weitere Auseinandersetzung mit dem Gesehenen. Statt dessen wanderte sein Blick weiter an den Rand der Lichtung, wo mächtige Tannen an den meisten Stellen den Weg völlig versperrten. Daß zur freien Seite hin nur wenige Äste schauten, an denen so wenig grün wie weiß zu sehen war, und er somit auf eine einzige braune Wand aus Baumstämmen blickte, nahm er in seinem Frieren nicht wahr.
Den Rücken gegen die Rinde hinter ihm gepreßt, schob er sich langsam und offensichtlich unter Schmerzen nach oben, bis er, immerhin aufrecht, gegen den Baum gelehnt, dastand. Doch schon beim ersten Schritt verließen ihn seine Kräfte wieder und er sackte zusammen. Mit bestialischen Anstrengungen schaffte er es, Herr über sein Bewußtsein zu bleiben und ehe sein Geist dazu in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, befahl sein Willen ihm, wieder aufzustehen. So stemmte er sich nach oben, taumelte zwei Schritte nach vorne und ging abermals zu Boden. Doch dieses Mal ließ sein Geist ihn allein und so schlossen sich seine Augen und mit einem Seufzer verlor er für kurze Zeit das Ringen um sich selbst.
Schon Minuten später erwachte er jedoch wieder und zwang sich dazu, seinem Willen zu gehorchen, nicht nachzugeben und nicht nachzulassen. So erhob er sich ein drittes Mal, dieses jedoch mit der wilden Entschlossenheit des Verzweifelnden und wuchtete seinen Körper mit einem Schrei nach oben. Wieso in diese Schwäche so plötzlich überkommen hatte, konnte er sich nicht erklären – und ebensowenig, wieso sie sogleich wieder zuschlug und ihn nach den nächsten zwei Schritten das nächste Mal auf die Knie schickte. Dieselben durchzuckte ein stechender Schmerz als sie kleine Steine unter der dünnen Schneeschicht trafen. Er wankte und eine erste Träne rann ihm über die Wange, als er erkannte, daß er es nicht mehr in die alte Jägerhütte am Rande dieses verfluchten Waldes schaffen würde.
Doch dann, gerade als seine Seele entfliehen und ihre Hülle endgültig auf die Erde schleudern wollte, ward er einer Spur gewahr, die genau vor ihm im Schnee begann und in Richtung der Hütte im Dickicht aus Geäst und weiß bedeckten Tannennadeln verschwand. Ziegenhufe, menschenfußgroße Ziegenhufe waren hier in die Schneeschicht gebrannt, als sei der Teufel höchstselbst auf dieser Lichtung erschienen. Unmenschliches Entsetzen durchzuckte jede Ader seines Leibes, als er, wie ihm Fallen stillstehend, über die Spuren gebeugt erstarrte und mit großen, schreckengeweiteten Augen auf die groteske Erscheinung starrte. Nur weg! Da gab die Furcht ihm neue Kraft, die zügellose Angst ließ neue Energien durch seine Muskeln schießen und so sprang er auf die Beine, machte einen Satz auf den drohenden Baumwall zu und verschwand im weiß funkelnden Dunkel des Unterholzes. Daß er denselben Weg eingeschlagen hatte, auf dem sich auch die Ziegenhufe bewegt hatten, kam ihm an der Schwelle zur Verrücktheit nicht mehr in den Sinn.

Er stürzte zwischen den Tannen hindurch auf die Hütte zu, all’ die Äste, die nach ihm schlugen ignorierend und all’ den Wunden, die sie schon gerissen hatten, keine Bedeutung beimessend. Blut rann längst aus all’ seinen Poren, Mantel und Umhang hingen zerfetzt an ihm hinunter, schon mehr rot als weiß. Das Haar hing, in nassen Strähnen, von Blut und Schweiß getränkt, in seinem Gesicht und verbarg die Todesangst, die ihn auf seinem Weg noch oft überkommen hatte. Denn mehr als einmal war er auf die seltsame Spur gestoßen. Ein ums andere Mal hatte sie seinen Weg gekreuzt, um dann wieder zu verschwinden und wieder aufzutauchen, wie um ihn zu verspotten, um ihm zu verdeutlichen, daß es kein Hirngespinst war, das er da vor sich sah, sondern die bittere, gefährliche Wahrheit, die, um so mehr sie nicht seien konnte, um so mehr war.
Wiederum außer Atem und schnaufend, der völligen Erschöpfung nahe, erreichte er die offenstehende Tür der Jagdhütte und stürzte hinein. Sein Liebes, sein Alles, saß am Tisch unter dem Fenster und starrte ihn verwundert an, als er auf sie zu stolperte. Die Verwunderung wich, machte blankem Schrecken platz und nahm jegliche Gesichtsfarbe mit. Blaß und mit starrer Miene saß sie noch immer da, als er in ihre Arme fiel und zu weinen begann. Ohne die kleinste Pause, ohne sie zur Besinnung kommen zu lassen, fing er wie wirr an zu reden, sprang von ihrem Schoße auf und zog sie nach oben. Mit wilden Gesten zwang er sie in die Stiefel und stieß sie ohne jegliche Erklärung aus der Hütte ins Freie. Daß sie wegmüßten war alles, was er von sich gab, doch war er offensichtlich nicht bei Sinnen. Dann sank er wiederum in ihre Arme. Bevor ihn die Dunkelheit umfing, warf er gehetzte Blicke in alle Richtungen, als wollte er vor seinem Tode noch so viel Welt wie irgend möglich mitnehmen. Dann lag er regungslos an ihrem Busen.

Diesmal vergingen einige Tage, bis er wieder die Augen aufschlug und sich in warme Decken gehüllt im Bette seiner Jagdhütte wiederfand. Nach einiger Zeit wich seine Müdigkeit, doch seine Verzweiflung blieb. Ebenso konnte er nicht umhin, sich einzugestehen, daß die Schwäche, die die Ziegenhufspuren in ihm hervorgerufen hatten, nicht verfliegen wollte. So blieb er weiterhin ans Bett gefesselt und mußte sich ganz auf die pflegenden Hände seiner Liebsten verlassen. Diese umsorgte ihn mit dem Eifer, den ihr die Sorge gebot, und strengte sich an, ihm bald wieder aus seiner Bettstatt helfen zu können. Von seinem verstörenden Auftritt und seinem geschundenen Leib sprach sie jedoch nicht. Ihre Fragen darüber verschwieg sie, wohl in der Angst, er könne wieder anfangen, den Verstand zu verlieren, wenn er sich an das Geschehene erinnerte.
Daß er insgeheim die ganze Zeit damit zubrachte, an eben diese Dinge zu denken, konnte sie nicht wissen. Nur wenige Augenblicke, nachdem er aufgewacht war, hatte die Nervosität wieder von ihm Besitz ergriffen, die er aber, zu seiner eigenen Verwunderung, gut verbergen konnte. Es war wohl die Kraftlosigkeit, die ihm die nötig Ruhe verschaffte. Sofort hatte die Flucht durch den Wald angefangen, durch seine Gedanken zu spuken und die unheimlichen Spuren wanderten unaufhaltsam durch seine Phantasie, so sehr er sie auch aus derselben zu verbannen suchte. Seiner Vernunft war es nicht möglich, ihn davon zu überzeugen, daß er nur geträumt hatte, aber ebensowenig konnte er selbst seinem Verstande die Zustimmung abringen, daß alles wirklich geschehen war. So war er hin und her gerissen zwischen Wirklichkeit und Irrealem, beides zog und zerrte an ihm, daß er den Eindruck hatte, bald im Dazwischen versinken zu müssen.
Es war spät im Dezember, wenige Wochen nach seinen Erlebnissen, als er den unbestimmten Drang verspürte, in der Sache etwas unternehmen zu müssen. Er fühlte, daß er die Schwäche, die ihn befallen, nur mehr loswerden konnte, wenn er dem Spuk auf den Grund ging, sich davon überzeugte, ob er gewacht oder geträumt hatte, um sich so zumindest über seinen Geisteszustand klar zu werden.
Als er ihr von seinem Vorhaben erzählte, erwartete er, auf einigen Widerstand zu treffen, jedoch stimmte sie seinem Entschluß sogleich zu, mit der Auflage, mitkommen zu dürfen. Freude über seine Absicht zeigte sie freilich keine, doch bestärkte sie ihn und machte ihm Mut, so gut sie nur konnte.
So warf er sich erneut Mantel und Fellumhang über, die inzwischen mehr schlecht als recht geflickt worden waren, zog sich seine Stiefel an, sammelte sich ein letztes Mal und trat vor die Türe, und ging, sich der Gegenwart seiner Liebsten vergewissernd, in Richtung der Stelle, an der er damals, halbtot und halb ohne Sinne, auf die Spuren getroffen war.

Die Schwäche, die ihn tagelang gelähmt hatte, ging jedoch nicht zurück, sondern wurde, im Gegenteil, immer mehr und immer hemmender, je weiter sie in das Dickicht vordrangen. Bei jedem seiner Schritte durch das tiefe Weiß, konnte er merkendaß mehr Kraft aus seinen Gliedern wich. Auch die Gesichtsfarbe, die er in der Zeit zuvor langsam wieder gewonnen hatte, veränderte sich zur ungesunden Blässe, was ihm seine Begleiterin mit großer Bekümmertheit mitteilte.
Auch die Schneemassen, die seit seinem letzten Ausflug keinesfalls weniger geworden waren, erschwerten ihnen, und insbesondere ihm den Weg zur Lichtung. Wie er zurück zur Hütte gekommen war, wie er, blind vor Angst, durch das Schneegestöber hatte stolpern können, und vor allem, wie ihm die Ziegenhufspuren in diesem Chaos hatten begegnen können, war ihm vollkommen unverständlich. Es war ja, seit sie losgegangen, kein einziger Fußbreit Boden zu sehen gewesen, auf dem sich etwaige Spuren länger als vielleicht eine halbe Minute halten konnten. Wenn nicht seine unnatürliche Schwäche ihm anzeigte, daß etwas nicht stimmte, er würde umkehren und den Spuk Spuk sein lassen.
Nur wenige Schritte, nachdem er dies gedacht, fuhr ihm der Schrecken durch alle Glieder, als er ein leises, häßliches Lachen vernahm, das von einer Position hinter ihm, an seine Ohren drang. Starr stand er da, ohne jede Regung und lauschte dem unmenschlichen Geräusch, das ihm bald mehr ein Wiehern zu sein schien.
Aber hinter ihm stand seine Liebste. Er hielt ihre Hand in der seinen.
In dem Augenblick, als das verstörende Gelächter so plötzlich, wie es angefangen hatte, wieder verstummte, wirbelte er herum und sah… nichts.
Sie war weg und in seiner Hand hielt er nichts mehr, von der einen auf die andere Sekunde nichts mehr. Das Zittern und Stöhnen begann wieder von ihm Besitz zu ergreifen, als er sich seiner Situation voll bewußt wurde. Und fast im selben Atemzug schoß es wie ein Blitz durch seinen Schädel und vernichtete jeden klaren Gedanken, die in Funken auseinander stieben. Was geschehen war konnte nicht sein. Ungläubig blickte er in das Schneetreiben, den Kopf nicht bewegend, nur mit den Augen die Umgebung absuchend, wie in Angst, daß er gleich ebenso plötzlich verschwinden, vom weißen Chaos verschluckt werden könnte. Wie in Trance stand er da, still wie festgefroren, mit offenem Mund und kurzem Atem.
Dann ein Kichern, ebenso kalt wie das Gelächter zuvor. Es war, als würden die umstehenden Tannen über ihn lachen, mit knorrigen Fingern auf ihn zeigen, mit Rindenmündern, zu einem Grinsen verzerrt. Da starrte er ungläubig auf eben diese Bäume und ward gewahr, daß er sie kannte – daß es dieselben, an einer Seite kahlen Tannen waren, die ihn auf der Lichtung – der Lichtung mit den Spuren, eingerahmt hatten. Er war wieder hier, unbemerkt war er auf den kleinen Platz gestolpert, an dem der Schnee noch immer nur dünn den Boden bedeckte. Was eine Teufelei, was war der Wald verflucht, daß er seine Sinne so zu täuschen vermochte. Und wo war sie?
Wieder ein Kichern, langgezogen, als wolle es ihn bewußt damit quälen, wurde zum erneuten kehligen Lachen. Dann mit rauher Stimme, sich überschlagend, daß es ihm in den Ohren hallte. Er drehte sich auf der Stelle, ein ums andere Mal, immer wieder, in alle Richtungen und schaute gehetzt in jeden Winkel des Unterholzes, den er einsehen konnte und suchte die ganze schreckliche, schwarze Wand ab, die er hinter dem fallenden Schnee ausmachen konnte, doch nichts fanden seine Augen, nichts was eine Erklärung für das Geschehende liefern konnte. Und erst als er zu Boden blickte, sah er die Ziegenhufspuren, die inzwischen die ganze Lichtung bedeckten, die in bizarren Bahnen über die ganze Erde verteilt waren und nicht verschwinden wollten, soviel Schnee sich auch darauf legte. Und stetig, ohne Unterbrechung, kamen neue hinzu. Von ihm weg liefen die Spuren, dann wieder zurück, zu ihm hin und kehrt, von ihm weg, und dann im Kreis um ihn herum und mit jedem Schritt, den die unsichtbaren Ziegenhufe machten, ward das Gekicher lauter und eindringlicher, bis er schließlich anfing zu beben, unter dem Eindruck all’ der Unmöglichkeiten. Die Schwäche hatte ihn besiegt, als er strauchelte und in der Mitte des Platzes zu Boden ging – inmitten der Spuren, der dunklen Tannen, des Kicherns und der funkelnden Schneekristalle.
Dann sah er einen Schatten zu seiner Linken auftauchen, der in Sekundenschnelle am Waldesrand vorbei aus seinem Blickfeld huschte, um Augenschläge später zu seiner Rechten wieder aufzutauchen. Die Umrisse waren undeutlich, doch als sich die Gestalt langsam, in majestätischem Gang, so schien es ihm, auf ihn zu bewegte, erkannte er sie in aller Deutlichkeit. Sie war es, die da auf ihn zu kam. Wo kam sie her? Und… und sein Herz explodierte als er ihre Füße sah, als er an ihren wunderschönen Beinen hinab auf die Hufe sah, auf denen sie lief. Zwei Hufe, die Spuren in den Schnee trieben und ihn dem Wahn näher brachten. Dann hinauf zu ihrem Gesicht, das ihn nicht mehr freundlich ansah, sondern verzerrt war, zu einer Grimasse von teuflischer Pracht. Ein dämonisches Leuchten schien aus ihren Augen, wie glühendes Weiß. In alle Richtungen, in Raum und Zeit, zerstob sein Verstand bei diesem Anblicke und die Leere, die an dessen Stelle trat, ließ ihn sich leer weinen, trieb die Tränen aus den Augen und das Blut aus Mund und Nase, ihn zu martern, bis er geläutert war. Doch noch nahm ihn die Erlösung nicht in ihre Arme, denn mit seinen toten Augen sah er Hörner, die aus dem Kopfe seiner Liebsten ragten, - Ziegenhörner! – die pechschwarz das Weiß durchbrachen.
Wie naiv war er gewesen? All’ die Jahre, all’ die Tage. Der Satan stand vor ihm und forderte Tribut, sog Seele und Atem in sich auf, bis die Hülle vor ihm gedankenlos auf die Düsternis starrte, die sie umgab. Die Schneekristalle verloren ihr Weiß, die Tannen verdunkelten sich und Erde und Himmel verfärbten sich schwarz, tiefschwarz, wie selbst das Nichts es nicht ist. Und bevor es vorbei war, fing er an zu lachen, dem Teufel ins Gesicht zu lachen. Die letzte Fröhlichkeit bemächtigte sich seiner, bei dem Gedanken an seine verräterische Liebe, und schüttelte ihn in einem Lachen, mit dem er sich selbst endgültig verlor – denn so ist das Lachen das Weinen des vollends Verzweifelten und die Heiterkeit die Trauer des Zerstörten.

 

Hallo falk!
Also, erst mal: Großes Lob! Die Geschichte gefällt mir wirklich sehr sehr gut und sie passt echt in die Rubrik Horror/Grusel. Es lohnt sich, die lange Geschichte zu lesen und am Anfang ahnt man noch überhaupt nicht, wer denn jetzt diese "Ziege" ist. Ich habe mir alles wirklich gut vorstellen können, den fast toten Mann und die ganze weiße Landschaft. Natürlich auch den Teufel. Ich weiß, ich sage eigentlich nie, dass mir eine Geschichte überhaupt nicht gefallen hat und ich schlage eigentlich auch keine Verbesserungsvorschläge vor, aber ich glaube, dass zu Rechtschreibfehler gemacht habe.

"Von seinem verstörendem Auftritt und seinem geschwundenen leib sprach sie jedoch nicht."
Hier hast du im text leib klein geschrieben, man schreibst aber groß.
"Und...und sein Herzen explodierte als er ihre Füße sah..."
Ich weiß nicht, was du damit meinst. Was meinst du mit Herzen? muss das nicht Herz heißen? Und ich glaube, dass nach explodierte ein Komma kommt.

Also, das wars. Ich weiß natürlich nicht, ob ich bei den vermutungen, dass du das falsch gemacht hast, richtig lag, aber naja...:confused:
Und was ich mich noch seit dem Anfang der Geschichte gefragt habe: Wieso blutete der Mann überall? oder muss man sich das im prinzip selber zusammenreimen?
Und, ich weiß nicht, ob das Absicht war, du hast irgendwie manche (oder alle?) Wörter in der alten Rechtschreibung geschrieben, aber das ist ja auch ziemlich schnuppe!
Sorry für meine Pingeligkeit (oder so ähnlich), aber die Geschichte ist echt superspitze!
Bye,

Mausilein

 

In Kürze: Die Geschichte ist im Prinzip okay, aber sie ergab für mich keinen rechten Sinn. Wieso ist seine "Liebste" plötzlich der Teufel, und wieso muß er zu dieser Lichtung gehen, um von selbigem geholt zu werden?
Stilistisch ist teilweise etwas zu dick aufgetragen, so als ob jemand versucht hätte, alle relativierten und gemäßigten Wörter durch Extreme zu ersetzten.
Ansonsten ist mir Existence zuvorgekommen, ich unterschreibe seine Kritik in allen Punkten.

r

 
Zuletzt bearbeitet:

Hmm, tja, bleibt mir nur zu sagen, daß die Geschichte offenbar nicht verständlich genug ist, da sie nicht verstanden wurde. Werde mal schauen, ob ich manche Stellen so abändern kann, daß es besser funktioniert.

@relysium
Naja, da mußt du dich fragen, ob man nicht etwas Phantasie mitbringen sollte, wenn man im Horror-Genre postet... :D
Nein, im Ernst, für mich ist die Sache eindeutig, aber ich bin ja auch der Autor... werd's irgendwie zu verdeutlichen versuchen.

@Existence
Wiederholungen und Sprache sind sicher Geschmackssache. Unter meinen Geschichten steht deswegen auch grundsätzlich Begeisterung oder Abneigung gegenüber dem Stil. Da kann ich glaube ich wenig dran ändern.

dass der Protagonist sich schließlich selbst derjenige entpuppen würde, dessen Spuren er da folgt, und sich darum die Pointe spinnen würde (was ich ganz originell gefunden hätte).

Das fände ich hingegen viel zu platt. Aber auch die Geliebte als Teufel abzustempeln finde ich zu platt. Viel zu platt.

Zu deinen Punkten:
(was ich nicht erwähne, hab' ich gleich geändert.)

mE sollten in einer Geschichte, in dem ein Anglizismus wie „Trance“ fällt, kein „ward“ stehen

Da empfehle ich dir dringend den Blick in ein Fremdwörterlexikon. :)

außerdem müsste dann „Bekümmertheit“ auch durch „Bekümmernis“ ersetzt werden

Wieso? Warum Bekümmernis besser zu 'ward' passen sollte, will mir nicht ganz einleuchten.

Die Stämme sind doch zumeist nicht verschneit, schließlich sind die meisten Bäume ziemlich senkrecht gewachsen

Sehr richtig - die Äste aber schon. Und durch die weißen Äste hindurch wird man kaum noch braunen Stamm sehen. Aber ist zugegebenermaßen nicht perfekt formuliert. *drübernachdenk*

-„bis ans Ende der Tage“ oder „bis zum Ende der Welt“.

Wieder was, das ich nicht verstehe. Ich find's gut so, wie's ist.

Ich mag sie auch nicht, die neue Rechtschreibung, aber es lohnt einfach nicht mehr, sich weiter dagegen aufzulehnen; in diesem Sinne schlage ich ein kooperatives „Dass“ vor.

Nö, keine Chance. Als Prosa-Autor hat man ja zum Glück mehr Freiheiten als zB Schulaufsätzen. Die wollen genutzt werden. Zumal gerade die Neuregelung der ß/ss-Schreibung jeglichem Sinn entbehrt.

Anstrengungen können unmenschlich sein, bestialisch impliziert für mich für mich Grausamkeit gegenüber anderen

Muß es aber nicht heißen. Kann ja auch unmenschlich grausam gegen sich selbst bedeuten.
Generell finde ich nicht 100%ig passende Adjektive sogar ganz reizvoll - natürlich nur, solang es nicht völlig abstrus wird.

Siehst Du es an dieser Stelle selbst? Die Spreche ist recht modern, der „verfluchte Wald“ mutet fast ein wenig amerikanisch an, und plötzlich dieser alte Ausdruck- es passt einfach nicht.

Das liegt aber einzig an deinem Sprachempfinden - von verfluchten Wäldern wirst du in vielen Märchen/alten Romanen lesen. Ich sehe hier überhaupt kein Problem.

Das sind dann Kuh- oder Pferdehufe

Hmm, sicher, daß man das nicht unterscheiden könnte? Werd's aber ändern!

Ich wüsste nicht, dass Derwische bevorzugt durch Tannen auf Hütten zu jagen.

Kennst du nicht das Bild des wilden, halbverrückten Derwisches? Ist aber gestrichen.

Lass’ wenigstens den Apostroph weg

Nö, wieso? Ebenso wie dein ' da steht, um den Wegfall des -e anzuzeigen steht der meine da, um den Wegfall einer Endung anzuzeigen. Lediglich beim ersten "all'" kann man sicher streiten, aber so sieht es einheitlicher aus. Das dritte "all'" hab' ich rausgenommen.

Eine weitere Wiederholung; der Leser weiß schon, was Du meinst. Selbst wenn nicht, dieser Satz verwirrte ihn vollends.

Was dem Zwecke der Geschichte sehr zugute kommt. :)

Ach, schon wieder. Dabei ist er gerade fast gestorben vor Kälte und Erschöpfung, dann munter durch die Gegend gerannt, und jetzt will er wieder schlappmachen?

Jau! Was der Wahn alles mit einem machen kann, gell!?

-„Bett“ oder „Schlafstatt“

Nein, Bettstatt!

Wen interessiert, ob sie ahnt, was sie nicht weiß? Wen interessiert überhaupt, was sie denkt, man weiß schließlich nichts über „sie“.

Dich anscheinend nicht... :)

Wofür aber soll der Protagonist geläutert werden, da hat er bestimmt was Böses angestellt, wenn der Teufel sich seiner persönlich annimmt. Wie auch immer, das hat mit dem Erzählten nichts zu tun...

Echt nicht!?
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Hmm, naja, normalerweise übernehme ich gerne Hinweise von Kritikern, aber mit den deinen kann ich zu 90% gar nichts anfangen. Das liegt, glaube ich, hauptächlich daran, daß wir die Geschichte völlig unterschiedlich verstehen. Das soll aber kein Vorwurf an dich sein - ich bin der Meinung, Erzählungen müssen für sich allein stehen können und so wie diese hier nun steht, scheint sie nicht so eindeutig zus ein, wie ich es beabsichtigt hatte. Ist aber nicht weiter tragisch, wenngleich ich, wie gesagt, trotzdem versuchen werde, meine Intention deutlicher zu machen.

 

Wenn ich meine Phantasie anstrengen soll - und das geht bei mir in der Regel nie ohne Auslassung der Logik - dann ist der Prot. geistig verwirrt und diese ganze Ziegengeschichte nur eingebildet.
Was schade wäre, denn dann hätte die Geschichte keine Grundsubstanz und würde mich nur nerven.

r

 

@Existence
Korrigieren solltest du deine Kritik nicht - ich bin der Meinung, daß man Geschichten nicht falsch verstehen kann, sondern nur anders. Insofern ist das von dir gesagte durchaus korrekt.

Das mit dem verfluchten Wald verstehe ich immer noch nicht. Ob er jetzt wirklich verflucht ist oder nur vom Sprecher so genannt wird, ist doch unerheblich. So oder so gibt es den Ausdruck schon seit drei Ewigkeiten. :)

Ich habe die Erzählung tatsächlich eher zweifach verstanden - einmal so wie sie dargestellt wird und einmal so, wie relysium es anspricht. Wenn man versucht das Wahnsinnige darzustellen, muß man, finde ich, auch die sprachlichen Mittel daran anpassen - in streng logisch aufgebauten Sätzen und logisch aufgebauter Handlung ist das mMn schlicht nicht möglich.

Daher muß der beschriebene Charakter irgendwo zwischen Offensichtlichem und Abstrusem stehen und untergehen. Hier zB auch das "geläutert" - es beschreibt ja bloß, was der Protagonist denkt, wie das überhaupt auf alles zutrifft außer vielleicht die Passagen, in denen seine Liebste einige wenige Gedanken hat.

Auch daß beide Charaktere weder Namen noch Leben haben, ist für mich ein eindeutiger Hinweis darauf, daß sie nicht Thema der Geschichte sein können. Thema wäre somit am ehesten der Wahnsinn - der Wahnsinn aber ist etwas ganz reales und, wenn man sich auf den Gedanken einläßt, womöglich sogar realer als die Realität. Insofern macht relysiums Einwand "nur eingebildet" gar keinen Sinn (für mein Verständnis von Wahnsinn, heißt das).
Das ist es eben, was es aufzuzeigen gilt: Nicht alles geträumte muß Traum sein, und nicht alles nicht reale muß nicht real sein.

Auch das Gedicht liefert schlußendlich einen weiteren Ansatz.
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"Wahnsinn" ist irgendwie immer mein Grundthema in fast allen der letzten Geschichten. In einigen scheint es gut rüberzukommen, in anderen weniger. Woran das liegt, hab' ich noch nicht herausfinden können, aber vielleicht kommt das ja noch. :)

Abschließend sei noch mal erwähnt, daß meine nun dargelegte Intention eure Kritiken nicht falsch macht!

 

Ich denke eines der zentralen Probleme liegt in diesen Zeilen:

Ihre Fragen darüber verschwieg sie, wohl in der Angst, er könne wieder anfangen, den Verstand zu verlieren, wenn er sich an das Geschehene erinnerte.
Daß er insgeheim die ganze Zeit damit zubrachte, an eben diese Dinge zu denken, konnte sie nicht wissen, ja, ahnte es nicht einmal.
Wo, wie Existence es formulierte, das Autorenwissen im Widerspruch zur Pointe steht.
Zu Darstellung von Wahnsinn:
Ich denke, der sollte vom Leser (bei dem die Annahme, daß er nicht wahnsinnig ist, immer gemacht werden sollte, außer man gibt eine hausinterne Zeitung in der landespsychiatrischen Anstalt heraus) entweder so erlebt werden, daß er gar nicht merkt, einem Wahn aufzusitzen (und so zum "Komplizen" wird), oder aber der Leser sollte anhand logischer Brüche merken, daß hier etwas nicht stimmt. Ich empfehle hierzu unbedingt die Lektüre von "Einer flog über das Kuckucksnest", einem Anstaltsdrama, das aus der Perspektive eines Insassen erzählt wird.
Was auf jeden Fall immer schlecht ist, ist, wenn der Leser im Unklaren darüber gelassen wird, was eigentlich los ist. Das ärgert ihn nur.

Dazu noch eine letzte Anmerkung, formuliert als Frage: Glaubst du, daß ein Betroffener von seiner eigenen Wahnidee überrascht werden kann?

r

 

Du machst den Fehler, den Wahnsinn als direkten Gegensatz zum Realen, also zum "Normalen" aufzufassen. Dann hast du sicherlich Recht mit deinen Anmerkungen.

Davon halte ich persönlich allerdings nichts. Hier ist es so, daß der Protagonist sehr wohl weiß, was mit ihm passiert, aber nicht abschätzen kann, was in welchen Bereich gehört, ja, nicht einmal sicher sagen kann, ob es zwei getrannte Bereiche sind, in denen er sich bewegt.

So würde ich hier nicht die medizinische Definition des Wahnsinns heranziehen wollen. Vergleichbar ist es eher mit einem allzu realen Traum - wenn du aufwachst und vielleicht schon etwas Zeit vergangen ist, fragst du dich, ob es nun real war oder eben nicht. Du weißt, daß es ein Traum war, kannst es aber nicht richtig glauben, da das Gefühl der Beklemmung so real ist.

Das gesagt, muß weder der Protagonist seinen Wahn nicht bemerken noch die Geschichte logische Brüche haben. Das fände ich auch ehrlich gesagt - besonders ersteres - ziemlich langweilig und banal. Das ist das mit der Grundsubstanz, die du ansprachst. ;)
Ich denke, da prallen zwei komplett verschiedene Geschmäcker aufeinander. (was ja nichts schlechtes ist)

 

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