Ziegen vermissen
Es lebte ein kleiner Junge in einem Land im Orient. Der Vater des Jungen war Ziegenhirt und zog mit den Ziegen durch das hügelige Umland des kleinen Dorfes - manchmal für mehrere Tage. Wenn ihn jeweils die Suche nach saftigem grünem Gras weit weg vom Dorf führte, übernachtete er unter freiem Himmel oder im Zelt.
Für den kleinen Jungen war es immer ganz schlimm, wenn sein Vater nicht zu Hause war. Er vermisste ihn und seinen Geruch nach Ziegen sehr. Fast noch mehr vermisste er jedoch die Ziegen: Er liebte es, mit ihnen herumzutollen und Schabernack zu treiben.
An einem sonnigen Dienstagmorgen war es wieder mal so weit: Der Vater zog mit den Ziegen los. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit rechnete er damit, dass er mit den Ziegen ziemlich weit hinausziehen und übernachten müsse. Der kleine Junge winkte dem Vater und den Ziegen noch lange hinterher.
Der Dienstag wurde ein langer und langweiliger Tag für den Jungen. Seit dem Ausbruch des Krieges vor zwei Jahren gab es keinen geregelten Schulunterricht mehr und auch sonst nicht viel zu tun im Dorf. Nur die Frauen, die Alten und die Kinder waren zugegen. Am späten Nachmittag wurde es plötzlich laut. Wie aus dem Nichts tauchten zwei Kampfflugzeuge am Horizont auf. Der kleine Junge versuchte zu erkennen, aus welchem Land die Flieger wohl kommen. Waren es syrische, russische oder amerikanische Jäger? Er erkannte es. Die Antwort auf die Frage würde er aber Niemandem mehr erzählen können. Die Bombenexplosion war zu stark für den kleinen Jungen.