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Zeitwert

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25.09.2002
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Zeitwert

Zeitwert

"Was soll denn das heißen?"
"Die Reparaturkosten übersteigen den Zeitwert des Wagens. Ich möchte ihnen aus ökonomischen Gründen dazu raten ihn aufzugeben."
Die mitleidige Kälte in Drexlers Stimme erschreckte Frank noch mehr als die dazu gehörige Information. Der Meister hatte sein treues Auto als Deserteur entlarvt. Seine grauen Augen ließen keine Milde erkennen. Du dachtest der Wagen sei dein Freund, schienen sie zu sagen. Aber er ist ein niederträchtiger Verräter. Du weißt doch wie man mit Verrätern verfährt, oder?

Frank liebte seinen roten Toyota Camry. Er hatte ihn vor sechs Monaten gebraucht gekauft. Damals stand die große Stufenheck-Karosse völlig schmucklos in der hintersten Reihe des kiesbedeckten Hofs eines Gebrauchtwagenhändlers. Ein hoffnungsloser Fall. Zwischen den eleganten Erscheinungen beliebter einheimischer Fabrikate wirkte er wie nüchterne automobile Hausmannskost. Das rote Blech fügte sich eindeutig nicht dem Luftwiderstand, die steile Stirn stellte trotzig das Markenemblem zur schau, die polierten Reifenflanken säumten schmucklose kleine Radkappen. Unter der Heckschürze lugte ein unverhältnismäßig großes Endrohr hervor. Und selbst das ist mittlerweile rostig, dachte Frank.
Dennoch zeugte gerade der Auspuff von den Qualitäten des Fahrzeugs. Er entließ den Atem von weit mehr Pferden, als man unter der feuerwehrroten Haube erwarten würde, was daran liegen mochte, dass die üblichen Chauffeure solcher Autos am Ende ihrer mobilen Unabhängigkeit standen und das Gaspedal mit der Sorgfalt eines Arztes beim chirurgischen Eingriff betätigten. Für die Alten war jede Fahrt ein kleines Abenteuer, dass sie in ihrer wiedererworbenen Kindlichkeit auf sich nahmen. Ihre Wahrnehmung der Zeit war irgendwann zurückgeblieben, und sie bewegten sich wie raumzeitliche Anomalien durch das hektische Straßenbild.

Der Händler war das, was sein Vater einen Galgenvogel nannte. Sein schmales südländisches Gesicht wurde von einem buschigen schwarzen Schnauzbart dominiert. Herr Dugan erwartete nicht viel Gegenwehr von einem achtzehnjährigen Führerscheinneuling. Das taten in der Branche die wenigsten.
Händler von dieser Sorte hatten Frank bereits zur Genüge mit dubiosen Kleinwagen traktiert. Die Verkäufer bedachten das Milchgesicht vor ihnen immer mit diesem geduldigen überlegenen Lächeln und verschränkten Armen, während sie seine Fragen knapp beantworteten.

Der Weg zum ersten Auto war für Frank eine Odyssee.
Ein Schrauber kurz vor dem Rentenalter hatte ihn gefragt, wo seine Mutter abgeblieben sei. Frank hatte sich eine giftige Antwort verkniffen. Das Verkaufsgespräch scheiterte wenig später, als der Alte es nicht fertigbrachte den auserkorenen Fiat Punto aufzuschließen. (Er hatte auch mit Schlüsseln gänzlich anderer Hersteller im Schlüsselloch gestochert. Sämtliche Schlüssel hingen an einem einzigen gewaltigen Bund, der wie ein surrealer Granatapfel wirkte.)
Frank hatte Reifen ohne nennenswertes Restprofil gesehen, hatte über Reifen mit selbst eingeschnitzten Profilen gestaunt, hatte in fingerdicken Rostlöchern gestochert, hatte in einem Fahrersitz, der eher ein Schaukelstuhl war, gesessen, hatte Bremspedale ohne erkennbaren Widerstand ins Bodenblech gedrückt, hatte in Motorräume geblickt, in denen das winzige ölverschmierte Triebwerk verloren über dem Asphalt schwebte.
Allzu oft waren es Verkäufer der Gattung Galgenvogel, primitivus, die ihren Bestand an ungewaschenen Stadtwägelchen feilboten.
Und dann stand er mit einem dicken Briefumschlag vor Schnauzbarts Schreibtisch, der seine Reserviertheit gegenüber jungen Käufern beim Anblick von Bargeld spontan ablegte. Von da an hatte er den Grünschnabel mit Herr Schlömer angeredet und ihm beim Abschied sogar die Hand gegeben. Als Frank vom Hof gerollt war, hatte Dugan ihm gewunken. Auf seinem Gesicht ein schiefes Schmunzeln.

Und nun, sechs Monate später war der Schlamassel da. Der Toyota hing hoch in der Luft, die bereiften Glieder hilflos herabhängend, die Unterseite schonungslos entblößt, von den Armen der Hebebühne in die Höhe gestemmt.
Am Auspuffrohr wucherte der Rost. Obwohl der Endtopf selbst intakt aussah, war er laut Drexler Leck geschlagen.
Doch es war hauptsächlich die Kupplung. Sie rutschte ständig durch und der Gangwechsel vollzog sich nur noch mit trunkener Ruckelei und viel Gas beim Einkuppeln.
So hatte Frank einen Termin in der Vertragswerkstatt ausgehandelt, auf den er zwei lange Wochen warten mußte. Bis sich am betreffenden Tag jedoch ein Mitarbeiter seiner annahm, mußte er noch eine halbe Stunde warten. Alle fünf Hebebühnen waren ausnahmslos mit neuwertigen Corollas und Avensis besetzt. Weitere Fahrzeuge parkten neben dem Verkaufsraum des Autohaus "Boll."
Ein junger Lehrling mit fettigem blonden Haar wusch einen dunkelgrünen Avensis in einem gekachelten Alkoven. Ein Schrauber mit Dreitagebart steuerte mit horrendem Tempo einen schicken silbernen Camry (natürlich das neue Modell) über das Gelände und parkte ihn gekonnt ein. Er notierte etwas auf einem Block und stieg aus.
Beim Anblick der vielen geschäftigen Mechaniker, die sich in ihrem eigenen ordinären Jargon lautstark unterhielten und fast beiläufig ihre Arbeiten mit geschulter Hand ausübten, fühlte sich Frank gut aufgehoben. Das war vor Drexlers verheerendem Urteil gewesen.

Und dann saß er an Drexlers großem Schreibtisch. Der warme Kaffee stand unberührt vor ihm. Dahinter Drexlers kalte grauen Augen. Frank hielt einen Kostenvoranschlag mit mehreren Punkten in den Händen.
"Wie wollen wir vorgehen, Herr Schlömer?"
"Nun, die Sache ist einfach zu teuer. Kann ich mir nicht leisten. Verdammt."
Frank unterdrückte ein bitteres Beben seiner Lippen. Seine leise Hoffnung auf eine schnelle und kostengünstige Reparatur der Kupplung war kalt zerschlagen wie eine Wasserbombe.
"Wenn es nur die Kupplung wäre", bedauerte Drexler. "Aber wir müßten noch den kompletten Auspuff wechseln."
"Und die Bremsen sind auch hinüber, oder was?"
"Ja, da müssen neue Scheiben und Klötze drauf. Und die Reifen haben gerade noch die gesetzlichen zwei Millimeter an Profil. Ich sag`s mal so. Mit der Karre würde ich nicht mehr auf die Autobahn fahren. Den nächsten TÜV können sie vergessen."
"Aber ich brauche doch einen Wagen."
Drexler seufzte und überlegte einen Moment. Frank registrierte, dass die Augenbrauen seines Gegenübers bereits ergraut waren, obwohl das altmodisch nach hinten gekämmtes Haupthaar noch einen dunkelblonden Ton behauptete. Drexlers Haar war gefärbt. Frank dachte an die Werbekampagne eines Kosmetikherstellers. Das beworbene Produkt kehrte den Prozeß des Ergrauens praktisch um, indem es bei jeder Kur den natürlichen Farbton stufenweise wieder herstellte. Frank fragte sich plötzlich, was Menschen dazu bewog solche Selbsttäuschungen auf sich zu nehmen. Er war erstaunt festzustellen, dass er Drexler in diesem Licht auf eine irrationale Weise als unseriös empfand. Mit seinem faltigen Gesicht und den geschwollenen Tränensäcken sah Drexler jetzt sehr alt aus. Das gefärbte Haar wirkte aufgesetzt.
"Nun, da ließe sich vielleicht etwas machen. Ich habe da einen Starlet auf dem Hof stehen, den sie..."
Frank stand auf und nahm den Schlüssel, der neben dem erkaltenden Kaffee lag.
"Ich lasse mir von ihnen nichts andrehen", sagte er. "Ich habe schon genug von den Kisten gesehen, die Leute wie sie für Leute wie mich bereithalten. Nein danke und tschüs."
Er verließ das Büro ohne sich noch einmal umzudrehen. Nicht, dass Drexler ihm noch etwas zu sagen gehabt hätte.
Die schwatzende Mechanikergruppe beachtete ihn nicht weiter, als er mit dem Toyota vom Hof rumpelte. Die Schrauber lachten schallend über einen schmutzigen Witz eines Kollegen. Es war Freitagnachmittag - noch zwei Stunden bis Feierabend.

Am Montag meldete Frank den Wagen ab. Der Camry stand traurig vor dem Haus, durch die Abnahme der Kennzeichen seiner Existensgrundlage beraubt. Wie ein Soldat, der seine Hundemarken eingebüßt hat, dachte Frank.
Er konnte sich glücklich schätzen den Wagen während seiner letzten Fahrt noch nach Hause gehievt zu haben. Bei einem trotzigen Ausflug am Samstagabend in das hiesige Tanzlokal, hatte die Kupplung ihren Streik drastisch verschärft. Sie unterstützte nunmehr den ersten Gang. Mit einem peinlichen Lärmpegel kroch der Camry im Anschlag des Drehzahlmessers ruckelnd durch das verschlafene Dorf. Das Motorengeräusch erklang aufgrund des kaputten Auspuffs als furzendes Trompeten. Lichter gingen an, empörte Rufe drangen aus Fenstern und Türen. Als der Wagen um drei Uhr morgens in der heimischen Auffahrt ausrollte, mühte sich Frank bittere Tränen zurückzuhalten , wodurch sein Kloß im Hals schmerzhaft wuchs.

In den ersten beiden Wochen nach dem Kauf des Camry fühlte Frank einen Stolz, wie ihn ein junger Mann ansonsten nur bei einem Spaziergang mit seiner ersten Freundin empfindet. Er überredete ein ausgewähltes Aufgebot an Freunde zu einer Probefahrt. Sie veranstalteten die Ausfahrt am ersten warmen Frühlingstag. Auf den weichen grauen Polstern des Camry saßen vier sturzbetrunkene Gestalten, während Frank den Wagen mit Höchstgeschwindigkeit über die Autobahn jagte. Daniel Schurkamp jubelte jedem Wagen zu, den der Camry von der linken Spur verblies. Einmal mußte Frank auf dem Standstreifen anhalten. Daniel übergab sich geräuschvoll über die Leitplanke.
So unbeholfen und bieder der Camry auf dem Hof eines Händlers war, so famos und couragiert verhielt er sich auf der Autobahn. Er war vulgär und majestätisch zugleich. Er war anstößig und bescheiden. Er war komfortabel wie Omas Sofa. Er war sportlich wie ein Turnschuh mit Luftfederkissen. Einen alten Toyota Camry fuhren Hutträger und Rentner, die deutsche Jugend fuhr Golf, möglichst tiefergelegt. Frank steuerte mit dem großen Lenkrad zwischen zwei Klischees und fühlte sich beschwingt, stolz, zufrieden.

Eine Woche nach der Abmeldung seines Wagens fuhr Frank mit dem Fahrrad über die Landstraße. Er hatte es in einem Fachgeschäft mit dem geistreichen Namen "Cyclone" gekauft. Er fuhr so schnell er konnte. Dabei imitierte er die vornübergebeugte aerodynamische Haltung der Radrennfahrer, die er im Fernsehen bei der Tour de France gesehen hatte. Das Fahrrad war ein billiges Sonderangebot gewesen und er hatte als Dreingabe noch Beleuchtungssatz, Luftpumpe und einen Schmutzfänger bekommen.
Obwohl er eine natürliche Abneigung gegen Radfahren hatte, fand sich Frank schnell mit der Situation ab. Der Drahtesel war unvermeidlich, wenn er zur Schule oder zu seinem Nebenjob im Getränkemarkt gelangen wollte.
Frank fuhr nicht zum Spaß. Er veranstaltete regelrechte Zeitfahrprüfungen und strebte permanent nach einer Verbesserung seiner stoppuhrermittelten Bestzeit zum Getränkemarkt und zurück.
Es war ein sonniger aber kühler Septemberabend. Der stahlblaue Himmel gerann am Horizont zu einem ungesunden Orangerot. Frank näherte sich seinem Heimatort. Trotz des hohen Tempos, schossen die Autos in einem arroganten Bogen mit böse zischenden Reifen an ihm vorbei. Franks Schatten strampelte im Straßengraben auf der Stelle. So sehr er sich auch anstrengte, so sehr fühlte er sich immer noch als lästiges Verkehrshindernis. Er mußte dabei immer an Frau Jennig auf ihrem knarrenden und ächzenden Rad denken, die in ihrer unverwüstlichen Beharrlichkeit den Verkehr in den schmalen Dorfstraßen mit wenig mehr als Schrittempo fast zum Erliegen brachten. Oft genug hatte er am Steuer gesessen, war auf eine Überholchance lauernd hinter dem Mütterchen hergerollt und war dann mit demonstrativem Gaseinsatz am Störenfried vorbeigeröhrt. Und jetzt war er der Störenfried.
Frank zwang sich, seinen Tritt nochmals zu beschleunigen. Er biß auf die Zähne und ertrug die Anstrengung, als wolle er sich selbst bestrafen. Sein gesamter Oberkörper war eine einzige Lunge, die den Sauerstoff veratmete und verbrannte. Nach kurzer Zeit hatte er einen Rhythmus gefunden, der durch das kalte Aufblähen der Lungenflügel und das heiße Ausstoßen der Abluft bestimmt wurde. Es gelang ihm, die Geschwindigkeit konstant zu halten und er erreichte einen klaren Geisteszustand, als blase ihm der schneidende Wind den Kopf frei.
Es war kurz vor sechs. Eine ganze Wagenkolonne überholte ihn. Allesamt konservative Familienfrachter mit Breitreifen und modernen dunklen Metallic-Farben aufgewertet. Blinkende Chromleisten, getönte Scheiben, lackierte Stoßstangen. Keines der Autos beförderte neben dem Fahrer Passagiere. Jeder pilotierte seine eigene Trutzburg gegen Zeit und Raum. Wie selbstverständlich wälzten sich die Limousinen und Kombis über die ebenmäßige monotone Asphaltbahn. Was waren das wohl für Leute am Steuer dieser Wagen? Sie fuhren morgens fünfzehn Kilometer ins Büro zur Arbeit und Abends wieder zurück. Natürlich mit einem von findigen deutschen Ingenieuren entwickelten und pedantisch konstruierten Auto. Vorbei an Miniatur-Kreisverkehren in einer verkehrsberuhigten Zone mit modischer Begrünung zu ihren diskreten Häuschen, Straßen und Orte durchdacht von Städteplanern, gezeichnet am elektronischen Reißbrett. So pendelten sie tagein, tagaus wie das Pendel eine Standuhr.
Die Autos gingen ihm nicht aus dem Kopf. Warum investieren Menschen mehrere Jahresgehälter für luxuriöse Neuwagen? Warum brauchten die Leute überhaupt etwas, in das sie Geld investieren konnten. Warum? Warum die Arbeit?
Aus dem selben Grund, weshalb Drexler sich die Haare färbt. Diesen Gedanken in seinem Kopf sprach eine nachdenkliche Stimme, die er vorher noch nie gehört hatte. Es war die Eingebung seines älteren Selbst.
Die Angst vor dem Tod! Weißt du, Franky. Alle Dinge haben die Tendenz kaputtzugehen. Nichts wird mit der Zeit besser auf dieser Welt. Alles geht irgendwann kaputt. Heute die Kupplung, morgen eine Gasleitung, nächste Woche dein Gehirn. Die Leute brauchen Symbole der Erneuerung. Die Angst vor dem Ablauf ihres Zeitkredits ist immer da. Und sie arbeiten und verdienen Geld. Das Geld wird ihnen die Spanne bis zum Ende der Zeit versüßen, vergessen machen, denken sie. Aber wir beide wissen es besser, stimmt`s Franky? Das Geld kann die Uhr ebenso wenig anhalten wie ein Mercedes. Am Ende machen sie uns den Abschied von der Materie nur schwerer. Die Menschen ahnen es manchmal, aber sie kaufen noch mehr Materie. Sie wollen immer mehr.
Frank Schlömer kam sein Leben auf einmal sinnlos vor.
Drei Tage später wurde der Camry verschrottet.

ENDE

 

Hallo positron!

Eigentlich fand ich den Großteil Deiner Geschichte gar nicht schlecht - bis auf ca. das letzte Drittel, wo mir vorkommt, als hättest Du nicht mehr gewußt, wie Du Deine Gedanken, die Du in die Geschichte einbauen wolltest, rüberbringen kannst; Da habe ich plötzlich nicht mehr das Gefühl, daß ich die Gedanken des Protagonisten lese, sondern daß mir der Autor mit der Holzhammermethode eine Meinung aufzwingen will. Sätze wie

Er mußte dabei immer an die umweltbewußten Omas in den schmalen Dorfstraßen denken, die in ihrer unverwüstlichen Beharrlichkeit den Verkehr mit wenig mehr als Schrittempo fast zum erliegen brachten.
lassen mich an der Ernsthaftigkeit Deines Textes zweifeln.

Aber am meisten die Haare aufgestellt hat es mir bei

Alles geht irgendwann kaputt. Heute die Kupplung, morgen das World Trade Center,
Wie kann man denn beim WTC von "kaputtgehen" sprechen?

Wie gesagt, das letzte Drittel klingt absolut nicht überzeugend.

Wäre es zumindest erkennbar eine Wut des Protagonisten, würde ich mir denken, Du wolltest genau das kritisieren. Aber so, wie Du das letzte Drittel Deiner Geschichte gestaltet hast, fühlt sich (vermutlich) jeder oder zumindest jeder zweite Leser beschuldigt.

Bestimmt wolltest Du aber aufzeigen, wie sehr Dein Protagonist sein Selbstwertgefühl von einem Untersatz auf vier Rädern abhängig macht. Erst fühlt er sich ja auch noch ganz gut, solange das Auto noch fährt. Aber sowie es kaputt ist, ist plötzlich die ganze Welt Scheiße und jeder ist schuld daran. Daß er sich, wenn ich die letzten beiden Sätze richtig deute, gar deshalb umbringt, finde ich zwar stark übertrieben, aber gut.

Nun glaubst Du vielleicht, ich finde gar nichts Positives in Deiner Geschichte, das ist ganz und gar nicht der Fall. Ich möchte nur, daß Du sie gründlich überarbeitest. Daß Deine Intention beim Schreiben des Textes war, zu zeigen, daß Dein Protagonist genauso sein Lebensglück von der Materie Auto abhängig macht, wie die, die er so stark kritisiert, muß besser herauskommen, sonst glaubt man am Schluß, hier hat nur der Autor seine Wut auf die Welt hineingeschrieben. (Was ja hoffentlich nicht der Fall ist...)
Ich denke schon, daß Du die Absurdität und gleichzeitige Inkonsequenz des Protagonisten aufzeigen wolltest. Wie wir alle zwar reden, daß dieses oder jenes gar nicht notwendig, vielleicht sogar umweltschädlich ist, das Leben auf einfachere Weise wesentlich glücklicher machen kann, aber doch ganz froh sind, wenn wir denn stolzer Besitzer sind bzw. die Welt zusammenbricht, wenn das Auto, der Fernseher, oder gar der Computer kaputt sind.

Das ohne Holzhammer zu bewerkstelligen und so, daß man nicht das Gefühl hat, der Autor hätte seinem Frust freien Lauf gelassen, sondern so, daß man selbst zu der Erkenntnis kommt, ist sicher nicht einfach, aber es geht, wenn Du Dich bemühst. ;)

Einige Fehler sind auch noch drin:

Bei "Stufenheck - Karosse", "Metallic - Farben" und "Miniatur - Kreisverkehr" sind die Leerzeichen fehl am Platz. So sind es Gedankenstriche. Ein Bindstrich (ohne Leerzeichen) verbindet, Deine Striche trennen.

"mit der Sorgfalt eines Arztes beim chirurgischen Eingriffs betätigten." - Eingriff ohne s

"jede Fahrt ein kleines Abenteuer, dass sie in ihrer..." - Abenteuer, das sie

"und sie bewegten wie raumzeitliche Anomalien..." - zwischen "bewegten" und "wie" fehlt was

"Das Taten in der Branche" - taten

"Vertragswerkstadt" - Vertragswerkstatt

"Die schwatzende Mechanikergruppe beachteten ihn nicht weiter," - beachtete ohne n

"wodurch ein Klos im Hals" - Kloß (lang gesprochener Selbstlaut = ß)

"betuliche Frührentner" - was für Frührentner? Meinst Du betuchte (=wohlhabend)?

"fast zum erliegen brachten" - zum Erliegen

"Frank zwang sich seinen Tritt..." - sich, seinen (Beistrich)

"Es gelang ihm die Geschwindigkeit" - ihm, die (-"-)

"zu ihren diskretes Häuschen" - diskreten

"Tag ein, Tag aus" - tagein, tagaus

"das Anhängsel eine Standuhr" - einer - übrigens heißen die "Anhängsel" der Pendeluhr Pendel (oder auch Perpendikel), Schlaggewicht und Ganggewicht

"Warum sollte Mensch mehrere Jahresgehälter..." - ein Mensch? der Mensch? Vielleicht meinst Du auch "mensch" als Ersatz für "man"? hmm...

"für besonders hochwertigen Neuwagen" - für einen besonders

"immer etwas, in dass sie ihr Geld" - das

Alles liebe
Susi

 

Hi Susi!

Zunächst einmal eine Danksagung für den umfangreichen und kritischen Kommentar.
Die Flüchtigkeitsfehler sind natürlich ärgerlich. Ich werde sie mit Hilfe deines Beitrags demnächst ausmerzen.
Ein großes Missverständnis liegt allerdings vor, wenn du glaubst, der Protagonist bringe sich nach seiner Erkenntnis um. Das steht dort nicht, so banal es auch klingt. Wenn die Sinnlosigkeit im Leben ein Grund für Selbstmord wäre, bräuchten wir uns um Überbevölkerung keine Sorgen zu machen. ;) (Faß das aber bitte nicht auch als radikale Ansicht vom Typ "Öko-Oma" auf.)
Außerdem handelt die Geschichte von einem jugendlichen "Halbstarken." Und Angehörige dieser sozioloischen Gruppe haben nun mal Auffassungen, die sich mit deinen Vorstellungen vielleicht nicht decken. Auch müssen die Ansichten des Protagonisten keinesfalls denen des Autors entsprechen. Man muss Frank ja nicht mögen. Ich würde ihn nicht ändern, damit Leser ihn symphatisch finden.
Die Geschichte beschreibt den Niedergang des Protagonisten und thematisiert meiner Meinung nach die allgemeinen degenerativen Tendenzen der Welt. Sie ist nicht romantisch und gewiss nicht optimistisch. Es handelt sich um eine Kurzgeschichte. Lange Kurzgeschichten wollen, glaube ich, die Leute an dieser Stelle kaum lesen. Da kann man nicht alles szenisch präsentieren. Den Gedankenfetzten am Ende, herbeigeführt durch die meditative Radfahrt, finde ich nicht unangebracht, denke aber über eine Überarbeitung nach.

mfG Thomas :cool:

 

So!
Der kritische Kommentar scheint die potentielle Leserschaft arg vergrault zu haben. Ist auch verständlich. Ich habe jetzt reagiert und eine modifizierte Fassung aufgelegt, in der die Fehler ausgemerzt und und "kontroverse Passagen" entschärft wurden. Einen zweiten Kommentar hätte ich dann doch gern. ;)

Thomas

 

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