Was ist neu

Zeitungen am Heiligen Abend

Mitglied
Beitritt
03.09.2015
Beiträge
35
Zuletzt bearbeitet:

Zeitungen am Heiligen Abend

Es war der 24. Dezember - Heiligabend.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren würde es wieder ein "Weißes Weihnachten" geben.
Um halb zwei Uhr morgens rasselte der Wecker - für Christine Zeit zum Aufstehen. Christine reckte sich in ihrem Bett und gähnte, sie hatte wie üblich noch keine rechte Lust aufzustehen aus ihrem mollig warmen Bett, noch zusätzlich gewärmt von ihren beiden Katzen, die mal wieder keinen besseren Schlafplatz gefunden hatten. Schließlich krabbelte sie dann aber doch unter ihrer Decke hervor, suchte nach ihren Pantoffeln und tappte im Dunkeln ins Wohnzimmer, wo sie dann Licht machte.
Nach einem kurzen Blick aus dem Fenster fing sie leise an zu fluchen. Schnee hatte ihr gerade noch gefehlt; das erschwerte ihre frühmorgendliche Arbeit ungemein, war sie doch so schon einige Stunden unterwegs. Christine hatte bereits vor einigen Jahren einen Job als Zeitungszustellerin angenommen; daher auch diese unchristliche Zeit des Aufstehens.
Sie zog sich an und ging in die Küche, um sich noch schnell einen Kaffee zu kochen. Inzwischen war auch eine ihrer Katzen aufgestanden und verlangte nach ein paar Streichel- und Spieleinheiten. Schließlich war Christine mit allem fertig und ging aus dem Haus. Ihr Fahrrad stand vor der Tür und hatte sich über Nacht in einen Mantel aus Schnee gehüllt. Nachdem sie den Sattel vom Schnee befreit und das Schloss abgenommen hatte, stieg sie auf und fuhr zu ihrer Ablagestelle, wo die Zeitungspakete schon auf sie warteten. Christine hatte Mühe, die Zeitungen in ihrer Tasche zu verstauen; mal wieder hatten diese Biester einen reichlichen Umfang. Endlich hatte sie es aber doch geschafft, wünschte ihrer Kollegin, die sie fast täglich traf, noch ein Frohes Fest und zog vollbepackt von dannen. Sie fuhr sehr vorsichtig, wollte sie doch nicht ausgerechnet Weihnachten im Krankenhaus verbringen müssen. Dank der vorangegangenen Winter kannte sie die gefährlichen Stellen und zog es vor, Teilstrecken zu Fuß zurückzulegen und das Rad zu schieben. Sie kam dadurch nur langsam vorwärts und würde es mal wieder nicht pünktlich schaffen, was ihr angesichts des Wetters aber reichlich egal war.
Immer wieder schimpfte sie halblaut über die Leute, die nichts Besseres zu tun hatten, als ihre Treppenaufgänge zu fliesen oder zu kacheln, ihrer Meinung nach bei Schnee einfach lebensgefährlich!
Endlich hatte sie den größten Teil der Strecke zurückgelegt und atmete auf; bald war sie zuhause und konnte sich wieder hinlegen und ...
Christine stand mal wieder auf einem dieser gefliesten Treppenabsätze, hatte die Zeitung im Kasten verstaut und wollte sich gerade umdrehen, um die Stufen wieder hinunterzusteigen; da verlor sie plötzlich den Halt, stürzte die Treppe hinunter und schlug hart mit dem Kopf auf den gefrorenen Boden.
Kurze Zeit war sie wohl ohnmächtig, dann rappelte sie sich langsam auf, leise vor sich hinfluchend. In ihrem Kopf dröhnte es und sie setzte sich noch eine Weile auf die unterste Treppenstufe, bis der Schmerz ein wenig nachließ. Schließlich ging sie zu ihrem Fahrrad und stieg auf. Es waren ja nur noch etwas über 20 Zeitungen, die sie ausliefern musste, dann war sie auch bald zuhause.
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie auf ihrer weiteren Fahrt durch die Nacht und sie war froh, endlich die letzte Zeitung in den Briefkasten geworfen zu haben. Christine war auf dem Heimweg.
Vor fünf Minuten hatte sich Herbert Schulze, der Lokalredakteur, die Zeitung aus dem altmodischen Briefschlitz an der Tür gefischt und las nun selbstgefällig seinen Artikel über die vor 50 Jahren während ihres Dienstes spurlos verschwundene Zustellerin Christine, als er das Klappern des Briefschlitzes erneut hörte. Neugierig ging er zur Tür, um nachzusehen, wer dort zu so früher Stunde etwas zu suchen hatte. Erstaunt hob er das druckfrische Exemplar der Zeitung vom Boden auf und begutachtete die Titelseite.
Ungläubig starrte er auf das Erscheinungsdatum.
Es war der 24. Dezember - Heiligabend ...

 

Hallo Katerli -

wie isset? Mich is jut, wie man hier im Ruhrpott so sagt. Wahnsinn, was Du seit unserer ersten Begegnung vorwärts gekommen bist! Das findet man selten, dass eine/r den Rat, sich beim Schreiben Zeit zu lassen und zu nehmen, so zu Herzen nimmt. Und jetzt gar eine Zeitreise über 50 Jahre ... Aber da werd ich andern interessierten Lesern nix verraten. Sollen doch selber lesen, gelle?

Vorweg, nichts kann einem die Füße so gut aufwärmen, wie Katzen oder bei mir eben Hunde - Bingo und Belgia zuletzt - er Retriver-Spitz-Mix, aber wie seine quadratische Bauweise durch und durch Spitz, sie, eine handbreit größer als er aber etwa gleich schwer und Groendaele (ein langhaariger Belgischer Schäferhund, daher dann auch der Name des Weibchens). Ja, und auch ich bin mit dem Fahrrad zur Arbeit, und im ersten Schnee ging ich die sechs km halt auch schon mal zu Fuß. Am zwoten Tag waren die Autofahrer so weit, dass sie einen Radfahrer auch mal in ihren Spuren fahren ließen, bis endlich das meiste geräumt war - wenigstens im Ruhrgebiet ist das so, nicht aber unbedingt im Emsland ... und das, obwohl dort der öffentliche Nahverkehr wirklich ein Stiefkind ist ...

Gleichwohl solltestu ein paar Korrekturen vornehmen (keine bange, Fehler passieren mir jede Nase lang, manche brauchen sogar bis zu zehn Jahren, um entdeckt zu werden. Sind halt gut getarnt ...)

..., sie hatte wie üblich noch keine rechte Lust aufzustehen aus ihrem molligwarmen Bett, noch ...
mollig warm würd ich auseinanderschreiben

... und das Schloß abgenommen hatte, ...
Schloss
Das Gegenstück kommt weiter unten ...

Die einzige Flüchtigkeit (allein daran ist schon der Fortschritt ersichtlich)

... und konnte sich wieder hinlegen und[...]...
Die Auslassungspunkte sollten mit einer Leerstelle vom vorhergehenden Wort getrennt werden
(weiter unten machstu's ja)
Und da ist das Gegenstück zu vorhin
... bis der Schmerz ein wenig nachliess.
nachließ

Und nur ein fehlendes Komma

Es waren ja nur noch etwas über 20 Zeitungen[,] die sie ausliefern musste, ...
Du weißt doch, dass mit dem "die" ein Relativsatz anfängt, oder?

Hat mich sehr gefreut, wieder von Dir zu lesen!

Tschüss vom

Friedel,
der noch ein schönes Wochenende wünscht!

 

Liebe Katerli,

das ist eine wirklich gut erzählte kleine Geschichte mit vielen Formulierungen und Beobachtungen, die mir sehr gut gefallen haben. Meine Probleme beziehen sich auf den Inhalt deiner Weihnachtsgeschichte.

Vor fünf Minuten hatte sich Herbert Schulze, der Lokalredakteur, die Zeitung aus dem altmodischen Briefschlitz an der Tür gefischt und las nun selbstgefällig seinen Artikel über die vor 50 Jahren während ihres Dienstes spurlos verschwundene Zustellerin Christine, als er das Klappern des Briefschlitzes erneut hörte. Neugierig ging er zur Tür, um nachzusehen, wer dort zu so früher Stunde etwas zu suchen hatte. Erstaunt hob er das druckfrische Exemplar der Zeitung vom Boden auf und begutachtete die Titelseite.
Ungläubig starrte er auf das Erscheinungsdatum.
Es war der 24. Dezember - Heiligabend ...

In eine ganz normale Alltagsgeschichte verpackst du eine mysteriöse Handlung. Das kann man natürlich machen, und ganz besonders in einer Zeit, in der wir uns gerne Märchenhaftes und Wunderbares erzählen lassen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir da an entscheidenden Stellen etwas fehlt:

Christine stand mal wieder auf einem dieser gefliesten Treppenabsätze, hatte die Zeitung im Kasten verstaut und wollte sich gerade umdrehen, um die Stufen wieder hinunterzusteigen; da verlor sie plötzlich den Halt, stürzte die Treppe hinunter und schlug hart mit dem Kopf auf den gefrorenen Boden.
Kurze Zeit war sie wohl ohnmächtig, dann rappelte sie sich langsam auf, leise vor sich hinfluchend.

Vor fünf Minuten hatte sich Herbert Schulze, der Lokalredakteur, die Zeitung aus dem altmodischen Briefschlitz an der Tür gefischt und las nun selbstgefällig seinen Artikel über die vor 50 Jahren während ihres Dienstes spurlos verschwundene Zustellerin Christine, als er das Klappern des Briefschlitzes erneut hörte.

Wie soll ich das lesen? Christine, die Zustellerin, ist gefallen, ist tot, sogar vom Erdboden verschwunden, und ist jetzt, am 24. Dezember plötzlich wieder auferstanden? Nur, um dem Lokalredakteur, der die Geschichte von ihrem Verschwinden wieder ausgegraben hat, ein zweites Exemplar seiner Zeitung zu bringen? Ist er mitschuldig an ihrem Tod? Hat er ihn zu verantworten? Hat er sie beseitigt? Was die beiden miteinander zu tun haben, außer dass er 50 Jahre später einen Artikel über ihr Verschwinden schreibt, bleibt mir unklar. Möglicherweise überlese ich Andeutungen in deinem Text, die mir erklären, was eigentlich passiert ist. Vielleicht liegt das Problem aber auch bei der Autorin. Vielleicht hat sie etwas im (Hinter-)Kopf, was mir ihre Geschichte aber nicht vermittelt? Das ist mir ein wenig zu viel 'Mut zur Lücke'.

Und noch etwas: Wenn man Unerklärliches zum Thema macht, reicht es mMn nicht aus, nur das äußere (normale) Geschehen zu vermitteln, auch die Art der Darstellung der Handlung sollte dieses Mysteriöse aufgreifen, vielleicht, indem etwas Schicksalhaftes angedeutet wird, etwas, das mir dieses Weihnachtsmärchen aus der Realität hebt, in deiner Geschichte vielleicht eine versteckte Andeutung dafür, warum Christine ‚wiederaufersteht’ und selbst dem Redakteur ein zweites Exemplar der Zeitung bringt.

Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie auf ihrer weiteren Fahrt durch die Nacht

Was du mir anbietest, ist lediglich das Stolpern und Hinfallen der Zustellerin und das ‚merkwürdige Gefühl’. Warum sie aber verschwunden ist, bleibt im Dunkeln. Und natürlich auch, warum Herr Schulze ein zweites Exemplar bekommt.

Es war der 24. Dezember - Heiligabend ...

Solltest du hier nicht vielleicht das Jahr nennen? (1977 vielleicht?)

Noch eine Kleinigkeit in deinem ansonsten wirklich gut formulierten und fehlerfreien Text:

und das Schloß (Schloss) abgenommen hatte

bis der Schmerz ein wenig nachliess (nachließ).

Nach langen Lauten immer 'ß', nach kurz gesprochenen 'ss'.

Dein Erzählstil ist wirklich gut, Probleme hatte ich lediglich mit den ‚Lücken’ des Inhalts. (Oder sollte ich doch noch eine Tasse Kaffee trinken und mich noch mal auf die Suche nach Erklärungen machen?:D)

Liebe Grüße
barnhelm

 

Lass das mal mit dem Kaffee,

liebebarnhelm,

lass Dear dass von einem alten, gebrechlichen Mann gesagt sein: Kaffee macht abhängig!
Nee, aber ich hab momentan einen Hang zu Wi(e)dergängern (Schimmelreiter oder aktuell Stichwort Habit ...), in diesem Falle einer Wi(e)derfahrerin ...

Tschüss und schönes Wochenende

Friedel

 

Guten Abend lieber Friedel!
Wieder einmal herzlichen Dank für deine Korrektur! Wird alsbald in Angriff genommen.
Hm, also bei 'Schloss' galten beide Schreibweisen, zumindest 2015 noch, hab ich extra überprüfen lassen ...
Gut, also mollig warm gehört getrennt, das andere ist mir doch tatsächlich bei der Vorkorrektur entfleucht - wird in Angriff genommen!

Dir auch ein nettes Wochenende und Danke nochmal.
Liebe Grüße Evi

 

Liebe barnhelm!

Schon in meiner Jugend war ich fasziniert von unglaublichen Phänomen, wie in der Zeit verschwundenen Menschen, die plötzlich später wieder auftauchten. Für diese waren nur wenige Sekunden vergangen ...
Genau das habe ich Christine durch den Sturz passieren lassen. Für sie nur ein Moment - für die Welt 50 Jahre. So ist es nicht das gleiche Exemplar der Zeitung.
Hoffe, du kannst damit was anfangen.

Liebe Grüße Evi

 

Katerli schrieb:
Schon in meiner Jugend war ich fasziniert von unglaublichen Phänomen, wie in der Zeit verschwundenen Menschen, die plötzlich später wieder auftauchten. Für diese waren nur wenige Sekunden vergangen ...
Katerli schrieb:
Für sie nur ein Moment - für die Welt 50 Jahre.

Liebe Katerli,
Katerli schrieb:
Hoffe, du kannst damit was anfangen.

Nein, leider nicht. So etwas scheint mir nur in einer SF- oder Fantasy-Welt möglich, nicht in unserer realen. Und genau das ist mein Problem mit deinem Text: Du tust so, als beschriebest du reales Geschehen. Menschen, die aus meinem Gesichtsfeld verschwinden und später gealtert wieder auftauchen, gibt es auch für mich immer mal, aber Menschen, die ‚in der Zeit’ verschwinden, für die nur ein paar Sekunden vergangen sind, während es für die anderen 50 Jahre sind, passen für mich nicht in die Wirklichkeit, sondern nur in eine erdachte Raum-Zeit-Phantasie. Nur finde ich bei deinem Text keinen der Tags ‚Fantasy’, ‚SF’ oder ‚Seltsam’.

Liebe Grüße
barnhelm

Ps: https://www.duden.de/suchen/sprachwissen/Schloss

 

Hallo liebe barnhelm,
es ist eine frei erfundene Geschichte mit, zugegeben, realem Hintergrund, im Versuch, den "Englischen Stil" nachzuahmen.
Bitte setz für dich das 'Seltsam' dazu, dann passt es.
Liebe Grüße Evi

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom