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Zeitloch
Zeitloch
Ich sah ihn am Hafen. In der Mittagshitze saß er vor der halb geöffneten Türe eines alten Hauses und flickte an einem Fischernetz. Sein großer, zum Teil zerrissener Strohhut warf einen runden, mit Licht durchlöcherten Schatten auf seinen braungebrannten Rücken. Er war die erste menschliche Gestalt, die ich seit meinem Aufenthalt in der kleinen Ortschaft gesehen hatte.
Ich dachte schon ein paar hungrigen Möwen, die über der Ortschaft kreisten, wären die einzigen Lebewesen und nach dem ich in einer Stunde die Ortschaft erkundet hatte, wollte ich weiterfahren.
Ich besichtigte die kleine Kirche, kletterte auf die Steinbrücke, sah mir die halb verkommenen Häuser an. In den menschenleeren Gassen, die alle in den Hafen mündeten lief ich umher. Auf dem feinsandigen Strand lagen alte Fischerboote. Alles schien wie vor Jahren verlassen zu sein.
Am Hafen betrachtete ich eine Weile das schmutzig braune Meer. Die Stille, die mich überall verfolgte, wurde am Hafen unerträglich. Ich dachte in ein Zeitloch gefallen zu sein, ohne genau zu wissen, was das eigentlich bedeutete.
Es war als ob die Ortschaft nur für kurze Zeit aus einem schon längst vergessenem Märchen aufgetaucht wäre. Ihre Bewohner, sofern sie welche hatte, waren bestimmt keine wirklichen Menschen, sondern Märchengestalten, die vor Jahrhunderten in einen tiefen Schlaf versunken waren. Vielleicht war ich die jenige, die den Auftrag hatte, diese Ortschaft zum Leben zu erwecken. Wie würde ich das bloß anstellen? Wartete irgend ein Prinz zum Wachküssen auf mich?
Dass es einfach zu heiß war, um sich in den Mittagsstunden draußen aufzuhalten und dass die Bewohner der Ortschaft in ihren kühlen Häusern schliefen, und erst nach Sonnenuntergang aus ihren Häusern gehen würden, war natürlich die realistischere Annahme.
Ich war nach Marseille unterwegs. Ich sollte spätestens Morgen da sein um einen Vortrag über alternative Energien vor einer Gruppe internationaler Interessenten zu halten.
Die winzige Ortschaft war nicht ein mal auf der Landkarte eingezeichnet. Ich hoffte auf eine Raststätte, ein Kaffeehaus oder was anderes, weil ich mich kurz ausruhen wollte und bog von der Hauptstrasse in einen engen, staubigen Weg, der mich zwischen den Bergen hierher führte.
Auf dem Rückweg zum Auto sah ich ihn. Erstarrt blieb ich vor ihm stehen, weil ich nicht mehr damit gerechnet hatte, einem Menschen zu begegnen.
Hallo sagte ich, bin auf der durchreise, niedliche Ortschaft hier, wollte eigentlich schon weiterfahren. Könnte ich vielleicht etwas zu trinken bekommen?
Seine hellblauen Augen musterten mich von Kopf bis zu Fuß. Ich sah ein seltsames Strahlen in seinen Blicken. Mit langsamen Bewegungen, ließ er das Netz, an dem er flickte, aus der Hand fallen und zeigte mir die halb offene Haustür.
Gerade aus gelaufen, war ich in der Wohnküche angekommen. Als er hinter mir stand, spürte ich seinen Atem an meinem Nacken und war erschrocken. Er ging regungslos mit langsamen Schritten zu einem alten Holzschrank, holte zwei Weingläser und eine Flasche Wein. Von dem saueren, roten Wein trank ich einen Schluck und sagte merci.
Nach dem er sein Glas leer getrunken hatte, näherte er sich an mich und fasste plötzlich meinen Busen an. Ich dachte mein Herz bleibt stehen. Noch bevor ich verstehen konnte, was los war, geschweige dem reagieren, riss er meine Bluse auf und mit nacktem Oberkörper blieb ich vor dem unheimlich schönen Mann stehen.
Dann streckte er seine große Hand zu mir und fuhr mit seinen Fingerspitzen über meine Brustwarzen, was die Warzen fest und mein Gesicht aus Scham rot werden ließ. Seine Hände rutschten zu meinen Hüften, streichelten sie zärtlich. Seine trockenen Lippen spürte ich an meiner Nase, seine nackte Brust berührte meine.
Seinen Gürtel löste er mit einer Hand während die andere mir zwischen die Beine griff. Seine zerfranste, kurze Jeanshose fiel an seinen beharrten Oberschenkeln herunter. Er hatte einen starken Körperbau und ich bekam Angst. Ich bekam Angst, dass er mir weh tun würde. Zugleich verspürte ich eine berauschende Lust, die mir nicht ganz geheuer war und sagte dass er mich loslassen soll, dass ich gehen möchte, wobei ich nicht damit rechnete, dass er dies auch gleich tun würde. Meine Stimme zitterte und ich machte mich auf das schlimmste gefasst.
Während ich meine Augen schloss und darauf wartete, dass er meinen Rock zerreist, mich auf den Zementboden warf und wie ein wildes Tier besteigt, ließ der Mann mich los. Ich öffnete meine Augen und sah wie der Mann sich erneut an seine Arbeit machte. Das hellblaue Netz und seine hellblauen Augen strahlten in der Sonne.
Einige Minuten stand ich benommen da. Seit Jahren war ich alleinstehend. Nach dem Tod meines Mannes vor sieben Jahren, konnte kein Mann mehr meine Interesse wecken. Ich hatte mich Jahre lang in meine Arbeit vertieft. Nun traf ich wieder mal einen Mann, der mich zwar mit seiner Art in einen tiefen Schock versetzte, mir Angst einjagte aber auch wahnsinnig anmachte.
Nicht ein mal in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir so etwas vorstellen können. Mein Herz pochte. Ich wollte mich diesem Mann restlos hingeben. Durch den halbdunklen Gang ging ich zu ihm. Ich habe es mir anders überlegt, sagte ich, ich werde noch eine Weile bleiben. Kann ich noch ein Gläschen Wein haben? (Meine Hände hielt ich vor meinen Brüsten).
Der Mann ließ das Netz aus der Hand fallen und lächelte (ich glaube er spürte wie die Lust in mir loderte). Langsam stand er auf, hielt mich an der Hand und zog in das Haus rein.
Die Wendeltreppe führte uns in die obere Etage. In einem kühlen Raum - an den Wänden hingen Bilder von glücklichen Meerjungfrauen - löste er mein langes, zu einem Knoten gebundenes, aschblondes Haar und schob mich sanft auf ein Bett, das nach Lavendel duftete. Seine kurze Hose zog er aus und warf sie in eine Ecke.
Meinen engen, schwarzen Rock, aus feiner Seide wollte ich ausziehen doch war er schon in mir, hart und fest und ich stöhnte.
Es war als ob ich Jahre lang in einem dunklen Meeresboden, zwischen bizarren Klippen gelebt hätte und jede seiner Bewegungen näherte mich Stück für Stück der Oberfläche.
Am späten Nachmittag, als ich mit eiligen Schritten zum Auto lief, war immer noch kein einziger Mensch in den Gassen zu sehen. Mein Körper bebte noch immer vor Lust und ich nahm mir vor, nach zwei Tagen, auf der Rückfahrt wieder hierher, zu ihm zu kommen.
Der Vortrag war erfolgreich. Ich konnte viele Investoren für mein Projekt gewinnen. Nach zwei Tagen war es soweit. Ich war auf dem Weg zu dem schönen Mann, der mit mir zwar kein einziges Wort gesprochen hatte aber dafür mich wie wild liebte. Ich konnte es kaum erwarten wieder in seinen Armen zu liegen. Voller Freude fuhr ich.
Die Stelle, an der ich abgebogen war, hatte ich mir gut gemerkt. Es zeigte ein verrostetes Schild hin. Der Rost bedeckte die Buchstaben und ich konnte den Namen der Ortschaft nicht lesen. Es war auch eine grüne Wiese mit weißen Pferden. Dann fand man sich plötzlich in einem Wald wider und es ging eine Weile bergauf.
Verzweifelt suchte ich ganzen Nachmittag lang, nach dem engen, staubigen Weg, der mich zu dem Franzosen führen sollte. Doch trotz meiner Anstrengungen fand ich ihn nicht. Traurig gab ich die Hoffnung auf und machte mich auf den Heimweg.
Die seltsame Ortschaft und der schöner Mann sind irgendwo in Frankreich. Vielleicht mach ich mich eines Tages erneut auf die Suche.