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Zeit genug für eine Unterhaltung
Zeit genug für eine Unterhaltung...
"Tja so kam das also." Nach dieser langen Zeit, in der sie sich jetzt schon unterhalten hatten, bekam man das Gefühl den anderen genau zu kennen, zu wissen wie er fühlt und was er denkt. "Und noch eine Sache muss ich dir erzählen, da war mal eine Sache, als ich noch klein war, ich war so ungefähr 6, da ging ich in die Schule, und zwar ohne Hose." Die Lehrerinnen haben mich sofort nach hause geschickt, doch seither hatte ich bei dem Mädchen, in das ich zu der Zeit verliebt war immer einen Stein im Brett, wir waren dann mal zusammen aber das hielt nicht lange, sie muss wohl festgestellt haben das ich eigentlich nichts so besonderes bin." Der andere hörte weiter schweigend zu, wie ein Psychater, dachte der Mann, er hört einfach nur zu und macht sich seine Gedanken über die Probleme der Menschen. "Naja", erzählte er weiter," da wird sie ja auch recht gehabt haben, damit, dass ich nichts besonderes bin, seit Jahren führe ich schon das selbe Leben: Morgens aufstehen, duschen, frühstücken, zur Arbeit gehen, zu Mittag essen, weiterarbeiten, mit dem Bus nachhause fahren, ein wenig Fernsehen, zu Abend essen, schlafen gehen, Morgens wieder aufstehen, duschen, frühstücken, zur Arbeit gehen, zu Mittag essen, weiterarbeiten, mit dem Bus nachhause fahren, ein wenig Fernsehen, zu Abend essen, schlafen gehen...
Nichts besonderes also, ich hab ja nichtmal einen interessanten Job, auf den ich stolz sein könnte. Jeden Tag Akten schleppen, Akten sortieren, Akten wieder herraussuchen. Eigentlich hätte sich mein Leben ganz anders entwickeln können, in der Schule war ich ein so guter Schüler, nagut eigentlich stand ich überall im Mittelfeld, dafür aber im guten Mittelfeld. Aber ich hätte studieren gehen können, und Pilot werden können oder wenigstens Bankier, dann würde ich Leute wie mich einstellen und sie Akten tragen lassen, sie so sehr verdummen, dass sie nicht mehr ihren eigenen Namen schreiben können, ohne heftigst nachdenken zu müssen. Ich würde mich wie ein König fühlen, vielleicht auch wie ein Kaiser, aber das ist ja nebensächlich, ich hätte ein tolles Auto und ein riesiges Haus, ich hätte mindestens drei Ex-Frauen. Vielleicht auch Kinder. Ich würde mit ihnen Weihnachten feiern und mich an ihrer Freude ergötzen. Vielleicht wäre es auch ganz anders gekommen, wenn ich zu Beispiel Aktionär bei der Tlekom geworden wäre, und ich hätte alles verloren müsste unter Brücken schlafen und mein Essen aus den Mülltonnen irgentwelcher Leute oder Restaurants klauen.
Das wäre kein schönes Leben. Die Welt bietet so viele Möglichkeiten, ich glaub ich kann in gewisser Weise auch froh sein, das ich so ein beständiges Leben hatte." Ein leichter Schauer lief ihn über den Rücken. Auch den anderen schien diese Ausdrucksweise an das zu errinnern das vor ihnen liegt. "Es ist Zeit zu gehen", sagt der Mann.
Drei Sekunden später ist der Mann nicht mehr zu erkennen, sein Blut vermischt sich mit dem Wasser seines Freundes, dem Regentropfen. Keiner von beiden hat den Sturz überlebt.