Was ist neu

Zeit für Träume

Mitglied
Beitritt
02.11.2001
Beiträge
290
Zuletzt bearbeitet:

Zeit für Träume

Es war wieder soweit. Herr Lehmann schloss die schwere grüne Holztür auf, öffnete sie ein wenig und atmete tief ein. Ein staubiger Geruch von Büchern, Wachs und Holz zog aus dem dunklen Spalt zwischen Tür und Türrahmen. Ein Geruch, den er seit vielen Jahren nicht mehr gerochen hatte. Für ihn war es wie ein Bouquet an Erinnerungen, Träumen und glücklicheren Zeiten. Gerüche wecken oft schneller und zuverlässiger Erinnerungen, als Bilder es je könnten.

So empfand es auch Herr Lehmann, der vor langer Zeit unter ganz anderem Namen sehr bekannt geworden war. Viele Sommer waren seitdem vergangen, keiner würde ihn heute wieder erkennen. Nicht einmal die, die ihn damals gefeiert haben und das waren nicht wenige.

Langsam öffnete er die Tür. Sie quietschte leise und er fürchtete für einen Moment, die Nachbarn aufzuwecken. Die schliefen, da war er sich sicher. In diesem Stadtteil wurde tagsüber hart gearbeitet, da blieb nachts kein Auge und kein Ohr wach. Das Licht der Flurbeleuchtung warf jetzt einen hellen Kegel auf die Holzdielen des Fussbodens vor ihm. Rechts konnte er einen Sessel sehen, dahinter einige schwer beladene Bücherregale. Links, verschluckt vom Schatten, waren weitere Bücherregale, das wusste er von früher.

Vor ihm im Raum, direkt beim Fenster, stand er: sein Sekretär, ein altes, schweres Möbelstück aus Mahagoni. Vorsichtig ging er darauf zu, Schritt für Schritt über einen alten Perserteppich, der ganz grau vom Staub geworden war. Das Licht der Kerze, die er in der Hand hielt, spiegelte sich flackernd im dunklen, lackierten Holz des alten Möbels. Er hielt unbewusst den Atem an, als er mit einer Hand über den verstaubten Rolladen strich. Ob er sich noch öffnen liess?

Er stellte den Kerzenständer auf einen kleinen Tisch vor dem Fenster links des Sekretärs und nahm bedächtig die beiden Holzknöpfe vom Rolladen in seine Hände. Langsam schob er den Holzrolladen im Halbbogen nach oben, bis die Schreibfläche zu sehen war. Es war alles noch wie früher. Kein Staubkrümel hatte die elegante grüne, lederne Schreibfläche getrübt.

Was ihn jedoch am meisten freute: Auf dieser Schreibfläche lag immer noch ein in schwarzem Leder eingebundenes Notizbuch und ein edler Füllfederhalter. Ganz so, wie er es damals hinterlassen hatte. Vor ewig vielen Jahren. So lange, dass er die Jahre gar nicht mehr zählen mochte. Und doch war es so, als wäre er nie fort gewesen. Streng genommen war er das auch nicht gewesen, zumindest räumlich. Dennoch schien ihm dieser Ort und alles was damit verbunden war, ewig weit entfernt gewesen zu sein.

Der Lederstuhl knarzte, als er sich setzte. Vor ihm lag das Notizbuch, und zum ersten Mal seit vielen Jahren verspürte er wieder diesen Sog, der davon ausging. Wie damals. Als müsste er sich sofort auf das Notizbuch stürzen und wie früher eintauchen. Eintauchen in fremde Welten und Geschichten. Fantasien, die in seinem Kopf entstanden, ihn fesselten und sich ohne sein Zutun wie von selbst entwickelten. Als würde er wie ein Archäologe eine verloren gegangene Stadt freilegen und darin unzählige Geschichten entdecken. So fühlte es sich jetzt wieder an und es war ein ungewohntes gleichzeitig altbekanntes, gutes Gefühl.

Viel zu lange war es her, dass er zum letzten Mal abgetaucht war, viel zu lange stand der Sekretär mit geschlossenem Rolladen in seinem Arbeitszimmer, dessen grüne schwere Holztür viel zu lange verschlossen gewesen war. Früher war er täglich an den Sekretär zurückgekehrt, aber es wurde immer weniger, bis er irgendwann den Sog gar nicht mehr verspürte und sein Geist wie ausgedorrt erschienen war, wie eine leere Geisterstadt.

Seitdem waren viele Jahre vergangen, Herr Lehmann führte ein langweiliges, bürgerliches Leben in einer sehr durchschnittlichen Nachbarschaft. Keiner seiner Nachbarn wusste, welche Träume und Fantasien Herr Lehmann, der damals unter anderem Namen veröffentlichte, jeden Abend zu Papier brachte. Welche Kreaturen sein quirliger Geist erschuf, welche Welten er in seinen Trance ähnlichen Schreib-Sessions bereiste. Vielen seiner Nachbarn waren dort mit ihm gewesen, später, wenn sie seine Bücher lasen. Keiner von ihnen ahnte jedoch, dass sie mit Herrn Lehmann dort gewesen waren. Für seine Nachbarn war Herr Lehmann ein staubgrauer Mann, der an der Stadtteilschule Deutsch und Geschichte unterrichtete.

Heute war ein anderer Tag. Das spürte er schon morgens, nach dem Aufstehen. Es pochte wieder in seinem Kopf, vibrierte. Wie früher, wenn Geschichten auf ihn warteten, wenn seine Protagonisten zur Handlung schreiten wollten. Ein fiebriges Gefühl. Die Gedankenblitze, Bilder und Dialogfetzen einer neuen Geschichte kreisten rastlos in seinem Gehirn, sodass er Angst hatte sie gleich wieder zu verlieren. So, wie man einen Traum verliert, den man nach dem Wachwerden zwar noch vor Augen hat, aber schon einen Moment später nicht mehr greifen kann, weil er sich wie eine lichter werdende Nebelwand in Luft auflöst.

So geschah es, dass Herr Lehmann an diesem Morgen zu seinem Schlüsselbrett bei der Wohnungstür schritt und den Schlüssel hervorholte, mit dem er vor vielen Jahren sein Arbeitszimmer mit traurigen Augen und hängenden Schultern abgeschlossen hatte.

Er schlug das Notizbuch auf. Die ersten zwei Seiten enthielten wirre, unzusammenhängende Notizen, Zeugnisse dafür, dass damals seine Schaffenskraft erlahmte. Die zwei Seiten würde er jetzt nicht mehr brauchen und nie wiedersehen wollen. Schnell riss er sie raus und warf sie in den Papierkorb, in dem noch viele weitere Seiten von damals lagen.

Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt, sagte er sich.
Ich träume wieder.
Es ist wieder Zeit.

 

Hallo philipp,

hat mir sehr gut gefallen, dein Text. Chapeau :thumbsup:

Unheimlich cool finde ich, wie du, der (laut Profil) nach 13 Jahren hier wieder erscheint bzw. aktiv wird (und die Wortkrieger wohl stark vermisst haben muss), gerade dies in deinem Text verarbeitest. :)

Schön, dich kennenzulernen. Hoffentlich muss man nicht wieder solange auf etwas Neues von dir warten. ;)

Beste Grüße,
GoMusic

 

Hallo GoMusic,

ja, es ist wirklich lange her, dass ich hier was veröffentlicht habe. Und ich habe auch viele Jahre nichts geschrieben. Aber seit einiger Zeit schreibe ich wieder und werde in Zukunft sicherlich das eine oder andere wieder hier zur Diskussion geben.

Insofern spiegelt der Text tatsächlich ein wenig meine Geschichte wieder, auch wenn ich nicht berühmt war, kein Lehrer bin und ebensowenig in Notizbücher schreibe, sondern in einen Computer ;)

Viele Grüße
Philipp

 

Hej philipp und welcome back,

schön, dass du zurück bist und ich habe mich gleich wohl gefühlt mit deiner Sprache und deinem melancholischen Protagonisten, aber kam auch gleich zu Beginn ins Grübeln. (Was ja kein schlechtes Zeichen ist).

Es war wieder Zeit. Lange war es her, aber nun war es wieder soweit.

Diese Wiederholungen haben durchaus eine verstärkende Wirkung, als dass ich äußerst interessiert bin, wie lange nun was her ist. Aber der erste Satz irritiert mich dennoch sofort, denn ich überlege augenblicklich, ob es nicht eher an der Zeit war?

Und als du mich dann im ersten Absatz so schön bildhaft in diese geheimnisvolle Welt der Bücher führst, kann ich dir gut folgen.

Vor ihm im Raum, direkt beim Fenster, stand er: sein Sekretär, ein altes, schweres Möbelstück aus dunklem Mahagoni. Vorsichtig ging er darauf zu, Schritt für Schritt über einen alten Perserteppich, der ganz grau vom Staub geworden war. Das Licht der Kerze, die er in der Hand hielt, spiegelte sich flackernd im lackierten Mahagoni des Sekretärs. Er hielt unbewusst den Atem an, als er den Sekretär erreicht hatte und mit einer Hand über den verstaubten Rolladen strich. Ob der Sekretär sich noch öffnen liess?

Er stellte den Kerzenständer auf einen kleinen Tisch vor dem Fenster links des Sekretärs und nahm bedächtig die beiden Holzknöpfe vom Rolladen in seine Hände. Langsam schob er den Holzrolladen im Halbbogen nach oben, bis die Schreibfläche zu sehen war. Es war alles noch wie früher. Kein Staubkrümel hatte die elegante grüne, lederne Schreibfläche getrübt.


Hier fällt mir die vermehrte Wahl des Wortes Sekretär auf und da bin ich nicht sicher, ob du es auch als Stilmittel benötigst. Auf mich wirkt es nicht.:shy:

Der Lederstuhl knarzte, als er sich setzte. Vor ihm lag das Notizbuch, und zum ersten Mal seit vielen Jahren verspürte er wieder diesen Sog, der von dem alten Notizbuch ausging. Wie damals. Als müsste er sich sofort auf das Notizbuch stürzen und wie früher eintauchen.

So wie du es hier mit dem Wort Notizbuch machst und ich wieder nicht verstehe wieso.
Und wo ich schon mal dabei bin, nutzt du das Wort plötzlich auch recht häufig.

Heute war ein anderer Tag. Das spürte er schon morgens, nach dem Aufstehen. Es pochte wieder in seinem Kopf, vibrierte. Wie früher, wenn Geschichten auf ihn warteten, wenn seine Protagonisten zur Handlung schreiten wollten. Ein fiebriges Gefühl. Die Gedankenblitze, Bilder und Dialogfetzen einer neuen Geschichte kreisten rastlos in seinem Gehirn, sodass er Angst hatte sie gleich wieder zu verlieren. So, wie man einen Traum verliert, den man nach dem Wachwerden zwar noch vor Augen hat, aber schon einen Moment später nicht mehr greifen kann, weil er sich wie eine lichter werdende Nebelwand in Luft auflöst.

Das ist wundervoll beschrieben und ich fühle, dass Herr Lehmann eine Wende in sein Leben bringen wird.

Er schlug das Notizbuch auf. Die ersten zwei Seiten enthielten wirre, unzusammenhängende Notizen, Zeugnisse dafür, dass damals seine Schaffenskraft erlahmte. Die zwei Seiten würde er jetzt nicht mehr brauchen und nie wiedersehen wollen. Schnell riss er sie raus und warf sie in den Papierkorb, in dem noch viele weitere Seiten von damals lagen.

Ja, dann muss man eben auch mal einen Schnitt machen, damit die Träume Platz bekommen, die sie in ihrer Zeit benötigen.

Was ich mich allerdings frage ist, was ist denn bloß passiert, dass Herr Lehmann nicht einmal das Zimmer betreten konnte für eine so lange Zeit? Es tut der Geschichte keinen Abbruch, die Stimmung, die du eingefangen hast, ist Geschichte genug, nur zeigt mir das, wie gut ich dran bin an Herr Lehmanns Rückkehr und freue mich schon darauf, was er zu Papier bringen wird. ;) Oder eben du.

Vielen Dank für diese Geschichte und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

vielen Dank für das ausführliche Feedback!

Was die Doppelungen angeht: es sind viele, vielleicht zu viele. Beim Sekretär und dem Notizbuch war es mir durchaus wichtig, diese Dinge hervorzuheben. Aber womöglich habe ich es übertrieben.

Ob es an der Zeit oder einfach nur Zeit ist - beides geht meiner Meinung nach und ich fand die jetzige Version schöner. Aber wenn noch mehr darüber stolpern, dann müsste ich das sicherlich ändern.

Der Grund, warum Herr Lehmann nicht mehr schreibt, ist mir nicht bekannt ;) Ich kann noch nicht mal sagen, warum ich persönlich so lange inaktiv war, außer dass ich beruflich viel um die Ohren hatte. Wobei das genau genommen eine fahle Entschuldigung ist.

Ich bin selbst gespannt, welche Geschichte sich als nächstes aus meinem Kopf befreien wird :)

viele Grüße
Philipp

 

Hallo Philipp,

ich gehe gleich mal in den Text:


Es war wieder Zeit. Lange war es her, aber nun war es wieder soweit. Herr Lehmann, der unter diesem Namen nur seinen Nachbarn bekannt war, schloss die schwere grüne Holztür auf, öffnete sie einen Spalt (weit) und atmete tief ein.
Die ersten beiden Sätze sind schon okay, du schaffst durch sie am Ende so was wie einen Ringschluss. Sie wirken aber auch etwas behäbig, dreimal war ... hm.
Ich lese deinen Text übrigens eher so, dass es zwar wieder in Herrn Lehman zwickt, er aber nicht von Anfang an das Zimmer aufschließt, um sich sogleich ans Werk zu machen, sondern um wieder mal die kreative Luft, die der Raum bereithält, die Erinnerungen aufzunehmen, und zu sehen, ob das was mit ihm macht. Und das macht dann ja auch was mit ihm, und das lässt dann letztendlich erst die entscheidende Schranke fallen, um wieder nach dem Füller zu greifen. So jedendefalls meine Leseart.
Zudem empfinde ich den Satz viel stärker zu Beginn, wenngleich er auch Fragen aufwirft, die der Text für mich nicht befriedigend genug beantwortet. Wieso kennen ihn nur die Nachbarn unter dem Namen? Er hat doch wohl unter Pseudonym geschrieben, oder habe ich das missverstanden? Dann sollte man doch den bürgerlichen Namen kennen; auch seine Schüler bsp.
Kannst ja mal darüber nachdenken, Philipp.

Ein staubiger Geruch von Büchern, Wachs und Holz zog aus dem dunklen Spalt zwischen Tür und Türrahmen.
So aus dem Bauch heraus: "von" durch "nach" ersetzen.

... öffnete sie einen Spalt und atmete tief ein. Ein staubiger Geruch von Büchern, Wachs und Holz zog aus dem dunklen Spalt zwischen Tür und Türrahmen.
Mal exemplarisch. Du schreibst: "Was die Doppelungen angeht: es sind viele, vielleicht zu viele." Ferner: "... wichtig, diese Dinge hervorzuheben."
Ich bin der Meinung, dass es "zu viele" sind. Hier bsp. sehe ich einfach keinen Mehrwert.

Ein Geruch, den er seit vielen Jahren nicht mehr gerochen hatte. Für ihn war es ein Bouquet an Erinnerungen ...
Was ist dieses "es"? Der Bezug zum Geruch wäre falsch. "Für ihn war es wie ein Bouquet an Erinnerungen", ginge vielleicht. Trotzdem suboptimal, finde ich.
So vielleicht: Ein Geruch, den er seit vielen Jahren nicht mehr gerochen hatte. Ein Bouquet an Erinnerungen ...

Gerüche liefern oft schneller und zuverlässiger Erinnerungen, als Bilder es je könnten.
Gerüche liefern Erinnerungen. Ich weiß nicht, Philipp, kann mich da nicht recht anfreunden mit. Vielleicht fällt dir noch was besseres ein.

So empfand es auch Herrn Lehmann, der vor langer Zeit unter ganz anderem Namen bekannt war. Plötzlich erinnerte er sich wieder an die Zeit damals. Viele Sommer waren seitdem vergangen, Herr Lehmann hatte inzwischen nur noch wenige graue Haare unter seinem zerbeulten Hut. Keiner würde ihn heute wiedererkennen. Nicht einmal die, die ihn damals gefeiert haben und das waren nicht wenige.
So viele Wörter für das bisschen Infos. Ich finde, der Text tritt stellenweise einfach auf der Stelle, kommt nicht voran.
Das hier klingt so, als wenn er damals schon graue Haare gehabt hätte. Da du später noch Folgendes schreibst: "Vor ewig vielen Jahren. So lange, dass er die Jahre gar nicht mehr zählen mochte", müsste man meinen, Herr Lehmann sei ururalt. Das "graue" würde ich also killen.


Ich steige hier mal aus.


Also, ich finde die Idee ist schön, du findest natürlich hier im Forum auch die geeignete Leserschaft für so was, die Schreibe dürfte aber mMn noch etwas "abgestaubt" werden. Der Text tritt - wie oben bereits erwähnt - stellenweise auf der Stelle, nimmt keine Fahrt auf. Das liegt, wie ich meine, auch an deinem Stil, den vielen Wiederholungen (Wörter und oder Aussagen).
Ich würde also die Geschichte nochmals darauf abklopfen und kritisch darüber nachdenken, was nun hervorhebenswert ist, und was nicht.
Ansonsten liest sich das schon flüssig und so, ich bleibe kaum an etwas hängen, aber wie gesagt, mir ist das alles etwas zu behäbig (stilistisch).

Ist natürlich nur eine Meinung von vielen, Philipp. Vielleicht kannst du ja trotzdem was damit anfangen.

Danke fürs Hochladen

hell

 

Hey philipp,

eine schöne kleine Geschichte ist dir da gelungen.

Im Großen und Ganzen hat mir die Art und Weise, wie du die aufkeimenden Emotionen deiner Hauptfigur beschreibst, sehr gut gefallen.

Wie einigen Anderen ist aber auch mir aufgefallen, dass du häufig die selben Wörter in kurzen Abständen hintereinander benutzt. Hier z.B.:

Der Lederstuhl knarzte, als er sich setzte. Vor ihm lag das Notizbuch, und zum ersten Mal seit vielen Jahren verspürte er wieder diesen Sog, der von dem alten Notizbuch ausging.

Wenn du die Doppelung nach dem Komma durch z.B. "..., der von den staubigen Seiten ausging.", ersetzt, klingt der Satz weniger aufdringlich. Oder du streichst diesen Teil komplett, was dem Satz asu meiner Sicht keinen Abbruch tun würde.

Vor ihm im Raum, direkt beim Fenster, stand er: sein Sekretär, ein altes, schweres Möbelstück aus dunklem Mahagoni. Vorsichtig ging er darauf zu, Schritt für Schritt über einen alten Perserteppich, der ganz grau vom Staub geworden war. Das Licht der Kerze, die er in der Hand hielt, spiegelte sich flackernd im lackierten Mahagoni des Sekretärs.

Auch hier reicht es wie ich finde, wenn du Mahagoni einmal verwendest. Der Leser weiß nun, aus welchem Material der Sekretär besteht und wie er sich ihn vorzustellen hat. In dem Moment, in dem du diesen Begriff (zwei Zeilen später) erneut benutzt, liest es sich etwas "erzwungen", so als wolltest du dem Leser fieberhaft klar machen, das dieser Tisch aus Mahagoni ist, dabei weiß er das ja schon.

Dir als Verfasser bleiben diese "Doppelungen" oft verborgen (ich spreche aus eigener Erfahrung), besonders kurze Zeit nachdem der Text fertig ist. Dem Leser jedoch, fällt sowas meist sofort ins Auge.
Den Text für einige Zeit ruhen zu lassen kann dir dabei sehr gut helfen, da du mit dem hinzugewonnenen Abstand, eine ganz andere Sicht auf deine eigenen Zeilen entwickelst.

Ansonsten bin ich sehr zufrieden :)
Ich hoffe ich kann in Zukunft mehr von dir lesen.

Gruß

Dave

 
Zuletzt bearbeitet:

Gude philipp,

mir gefällt der Grundtenor deiner Geschichte. Ein alter Mann, der sich wieder auf seine große Leidenschaft besinnt, das stimmt doch froh.

Ein Problem habe ich allerdings mit dem Arbeitsbüro des Herrn Lehmann.

... schweres Möbelstück aus dunklem Mahagoni ...
... über einen alten Perserteppich ...
... Das Licht der Kerze, die er in der Hand hielt ...
... ein edler Füllfederhalter.
Das ist das absolute Klischee. Dadurch wirkt Herr Lehmann für mich weniger wie der greifbare Lehrer von der Schule, sondern eher wie Batman, der in seine Höhle geht: seinen geheimen und voll ausgestatteten Unterschlupf. Ich vermute, du wirst das Klischee gezielt eingesetzt haben, allerdings muss ich dich fragen, warum :shy:
Deutlich sympathischer wäre für mich ein alter Holztisch, wo sich der Herr Lehmann früher vielleicht mal den einen oder anderen Splitter geholt hat, eine Schreibmaschine wäre wohl auch ein guter Kompromiss zwischen Moderne und Nostalgie.

Dann noch zwei kurze Anmerkungen:

So, wie man einen Traum verliert, den man nach dem Wachwerden zwar noch vor Augen hat, aber schon einen Moment später nicht mehr greifen kann, weil er sich wie eine lichter werdende Nebelwand in Luft auflöst.
-> Ein sehr schöner Vergleich.

Er schlug das Notizbuch auf. Die ersten zwei Seiten enthielten wirre, unzusammenhängende Notizen, Zeugnisse dafür, dass damals seine Schaffenskraft erlahmte.
-> Das Notizbuch muss er ja frisch vor der Schaffenskrise gekauft haben. Erwartet hätte ich eher einen anfangs dicht gefüllten Block, der zur Mitte hin deutlich abnimmt. Andererseits bietet dieser hier das Bild eines Mannes, der bereits gezweifelt hat, sich dann doch noch ein Heft gekauft hat - und es dann trotzdem nicht geschafft hat.
Vielleicht könntest du aus der Stelle mehr machen?


Ich würde in einem generellen Fazit feststellen, dass deine Geschichte rund ist und schön den "zweiten Frühling" des Herrn Lehmann zeigt. Allerdings finde ich sie auch etwas zu glatt und würde mir noch mehr wünschen.
In welche Welten hat er seine Leser damals entführt? Phantastik, Science Fiction, Krimi - oder gar Horror? Zum Planeten Muckefuck oder ins geheime Wunderland von Buchstabensalatien?
Was gab es vielleicht noch an Blockern damals als die Schaffenskrise begann - oder Auslösern für die Rückkehr?
Wie waren seine unkreativen Jahre - hat sein Umfeld gemerkt, dass er in einer Krise war und das, ohne zu wissen, was genau es war? Waren seine Unterrichtsstunden plötzlich grau und trist aus dem Lehrbuch statt wie früher in interessanten Ansätzen verwoben?
Ich finde, da ist noch viel Potenzial drin, das man nutzen kann und vielleicht auch sollte, wenn die Geschichte etwas extravaganter daherkommen möchte.


Hoffentlich war das hilfreich und liebe Grüße,
Vulkangestein

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen,

vielen Dank für das viele, detaillierte Feedback. Das gefällt mir an dieser Community: konstruktives Feedback, durch das man seine Texte weiterentwickeln kann.

Hauptkritikpunkt war offensichtlich, dass ich zu häufig Worte oder Gedankengänge wiederhole, wodurch alles behäbig wirkt, bzw. auf der Stelle zutreten scheint. Das sehe ich jetzt, wo ich mit der Nase drauf gestoßen wurde, auch so.


Nach der ersten Version habe ich mich zu früh an die Überarbeitung gemacht, war zu ungeduldig. Wie du schon richtig schreibst, Dave A

Den Text für einige Zeit ruhen zu lassen kann dir dabei sehr gut helfen, da du mit dem hinzugewonnenen Abstand, eine ganz andere Sicht auf deine eigenen Zeilen entwickelst.*

--> Werde ich beim nächsten Mal berücksichtigen


Und jetzt noch zu den anderen Punkten:

hell:

Ich lese deinen Text übrigens eher so, dass es zwar wieder in Herrn Lehman zwickt, er aber nicht von Anfang an das Zimmer aufschließt, um sich sogleich ans Werk zu machen, ...
--> Das ist genau richtig. Er merkt, dass er wieder zu seinem alten Leben zurück will, und wirft deshalb erstmal einen vorsichtigen, menlancholischen Blick auf die Stätte seines damaligen Schaffens.


Wieso kennen ihn nur die Nachbarn unter dem Namen?
--> das habe ich tatsächlich falsch formuliert. Es ist im Prinzip sein ganzes privates Umfeld, denn da er unter einem Pseudonym geschrieben hat, sind seine schriftstellerischen Tätigkeiten in seinem Umfeld nie bekannt geworden.

--> Dein Vorschlag, den dritten Satz als Einstieg zu nutzen geht natürlich auch. Ich wollte mit „Es war wieder Zeit“gleich zu Anfang etwas in den Raum stellen, was neugierig macht. Vielleicht hätte ich einfach auf den zweiten Satz („Lange war es her...“) verzichten sollen, den braucht es wirklich nicht.


So vielleicht:*Ein Geruch, den er seit vielen Jahren nicht mehr gerochen hatte. Ein Bouquet an Erinnerungen*
--> klingt gut. Würde ich so oder sehr ähnlich übernehmen.


Gerüche*liefern*Erinnerungen
--> Wecken, es muss natürlich wecken heissen!


Dave A

Wenn du die Doppelung nach dem Komma durch z.B. "..., der von den staubigen Seiten ausging.", ersetzt, klingt der Satz weniger aufdringlich.*
--> Klingt gut, würde ich so oder sehr ählich übernehmen.

Vulkangestein

Ein Problem habe ich allerdings mit dem Arbeitsbüro des Herrn Lehmann.*... Das ist das absolute Klischee.*... Ich vermute, du wirst das Klischee gezielt eingesetzt haben, allerdings muss ich dich fragen, warum*
--> Eine Mischung aus zwei Dingen. Ich habe tatsächlich so ein Möbelstück als Arbeitstisch. Davor liegt kein Perserteppich, aber manchmal hätte ich dort gerne einen. Und die Notizbücher – tja, ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er solche früher nutzte und nicht auf einer Schreibmaschine schrieb (und schon gar nicht auf einem Computer). Aber klar, in Summe klingt es sicherlich etwas nach Klischee.


Und zu deinem letzten Punkt:

Allerdings finde ich sie auch etwas zu glatt und würde mir noch*mehr*wünschen.*...
In welche Welten hat er seine Leser damals entführt? ...
Was gab es vielleicht noch an Blockern damals als die Schaffenskrise begann - oder Auslösern für die Rückkehr?*...
Wie waren seine unkreativen Jahre ...
--> Man könnte die Geschichte sicherlich noch weiter anreichern. Allerdings glaube ich, dass einigen Punkte die Geschichte nicht aufgewertet hätten – die Genres und Welten, in die er die Leser entführt hat, braucht es meiner Meinung nach nicht. Die Blocker für die Schaffenskrise und vor allem der Auslöser für die Rückkehr hingegen hätten sicherlich einiges zur Geschichte beigetragen. Ob ich diese Geschichte um solche Aspekte ausbauen möchte, weiss ich allerdings jetzt noch nicht.


Wie war das hier im Forum noch mal. Korrigiert man die ursprüngliche Fassung, wodurch eure Kommentare ggf. nicht mehr nachvollziehbar sind, oder poste ich eine verbesserte Version hier weiter unten im Thread?

Wie gesagt, vielen Dank für euer Feedback, jede einzelne Meinung ist interessant für mich, nur so kann man lernen!

 

Hey Philipp,


üblicherweise die ursprüngliche Fassung überarbeiten/ -schreiben.


Gruß


hell

 

Nochmal Danke an alle für das Feedback und sorry, dass es mit der Korrektur so lange gedauert hat!
Habe die meisten Korrekturen/Änderungsvorschläge übernommen, hoffe die Geschichte ist jetzt etwas runder geworden.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom