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Zartbitter

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23.01.2007
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Zartbitter

Ich lag im Bett und versuchte zu träumen, aber es gelang nicht. Durch die Plattenwand hörte ich meinen Nachbarn hämmern. Das Pochen raubte mir den Schlaf, klang wie ein fremder Herzschlag und verfolgte mich in die Untiefen eines Traumes, in dem ein übergroßes Herz schlug und auf mich herabzufallen drohte.
Es war die Enge in meiner Brust, die mich aufschrecken ließ.
Ich musste etwas tun.
Fünf Minuten später war ich vor der Tür meines Nachbarn, klopfte gegen das Hämmern an und bemerkte erst dann, dass ich nicht alleine war. Die Röte schoss mir ins Gesicht, aber der Mann schien sie nicht zu bemerken. Gegen meinen Willen lächelte ich und er lächelte zurück.
»Kannst nicht schlafen?«
Ich nickte.
»Das geht jetzt schon seit Stunden so.«
Wieder nickte ich.
»Wenn er nicht bald aufhört, hole ich die Polizei.«
Nicken.
»Kannst du nicht sprechen?«
Ich nickte, dann schüttelte ich den Kopf, dann nickte ich.
»Doch«, sagte ich.
»Ich bin Nils. Du wohnst auch nebenan, oder? Auf der anderen Seite?«
Ich nickte.
Er nickte.
Wir schwiegen.
Hinter der Tür hämmerte das Herz.
In meiner Brust hämmerte meines.
»Ich bin Jana.«
Ein Lächeln, eine ausgestreckte Hand, meine Hand in seiner, Wärme und Zigarettenrauch. Ich glaube, es war seine Hand, der ich zuerst vertraute. Eine weiche Hand ohne Schwielen, sie erzählte von Büroarbeit und Sicherheit.
»Du wohnst noch nicht lange hier, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Ich hab Baileys und Milch. Wenn du möchtest - damit kann man besser schlafen.«
Tief in jedem Menschen gibt es das Eine. Den Zauber, den jeder Mensch hütet wie ein Geheimnis. Das Etwas, das jede Handlung bestimmt. Wenn man es betrachtet, kann man es mit dem eigenen Geheimnis vergleichen, und sehen, ob sie zusammenpassen. Sag mir, was du trinkst, und ich sag dir, ob ich dir vertraue.
Und so lernte ich Nils kennen.
Ein paar Kilometer von meiner Wohnung gab es ein verlassenes Theater. Viele Abende verbrachte ich alleine auf der Bühne und inszenierte mich selbst. An einem Tag war ich Julia, dann Iphigenie, doch am liebsten spielte ich Kassandra.
Ich glaube, jeder Mensch hat eine Rolle, die ihn prägt. Eine Rolle, die passt.
Meine war die der Kassandra.
Das Problem mit Nils war, dass er das Theater nicht mochte. Er sah die Farbe, die nach all den Jahren abblätterte, sah das verfallene Foyer, die morschen Dielen und die eingeworfenen Fenster.
Ich dagegen sah das Grün der Wände, es war matt, und die Leisten hatte man mit goldener Farbe verziert, sah die Große Treppe zur Empore, sah die tausend Füße, unter denen sie sich schon gebogen hatte.
Nils sah nicht, dass ich das Theater liebte.
Nils sah so vieles nicht.
Als ich ihm das Theater zeigte, betrachtete er die Fassade und ich betrachtete ihn, suchte nach Gesten, nach Spuren. Die Falten in seiner Stirn formulierten eine Frage und ich beantwortete sie, bevor sie seinen Mund erreichte.
»Es fällt nicht zusammen. Es hat schon viel überstanden, es wird dich auch überleben.«
Ich lächelte, er lächelte, ich fühlte mich elend. Ich zweifelte. Es war falsch, an diesen Ort zu gehen. Nils war falsch hier. Er war fremd. Ich wünschte mir Panzer, Granaten, Tränengas, einen kleinen Dolch in der Hand – mitten ins Herz. Der Ort ist mein Tempel, ich bin Göttin, Priesterin und Bettlerin zugleich. Und manchmal bin ich Wächterin.
»Hier treibst du dich also rum, ja?«
Ich nickte.
»Zeigst du mir, wie es innen aussieht?«
Wir gingen durchs Foyer, ich drückte seine Finger, hielt mich fest. Fühlte mich wie ein Kind, mein Onkel besuchte mich und wollte mein Zimmer sehen. Da waren meine Puppen, meine Pferde, rosa Ponys. Dem Hund fehlte ein Bein, aber wenn er richtig saß, dann sah man es nicht und über meinem Bett hatte Mama Leuchtsterne an die Decke geklebt.
Auf dem Weg zur Bühne durchquerten wir einen Vorhang aus Licht, der durch Löcher in der Decke fiel.
Mein Prinz wird mich dort küssen, auf der Bühne, vor allen Leuten im Saal wird er zu mir stehen und ich werde in seinen Armen liegen wie die Prinzessin im Märchen, und wenn wir nicht gestorben sind, dann leben wir noch heute. Ein Kindheitstraum.
»Weißt du, was die hier gespielt haben?«
»Märchen«, antwortete ich und schüttelte den Kopf. »Ich meine: Viel Klassisches. Hab ein altes Programmheft gefunden.«
Er stand am Aufgang zur Bühne und reichte mir die Hand. Ich zögerte. Würde er als erster gehen oder würde er mir den Vortritt lassen?
Manche Dinge muss man in der richtigen Reihenfolge machen. Eine Freundin hat mir beigebracht, falls ich einen Kuchen backe, erst das Mehl mit dem Backpulver zu mischen, bevor ich es mit den Eiern verrühre. Mehl und Backpulver mischen sich besser ohne Ei. Sonst gibt es Klumpen, Knoten, Verunreinigungen, Flecken im Kuchenteig, die man nur mit viel Arbeit wieder herausbekommt. Oder nie.
Den letzten Schritt machten wir gemeinsam, der Knoten in meinem Herzen verschwand. Eine Sekunde und zwei Füße betraten die Bretter, die meine Welt bedeuteten. Ehrfurcht machte sich breit, Lampenfieber vor einem Publikum aus Stühlen und herabgefallenem Putz.
Er sah mich an, feierlich, hielt meine Hand.
»Komm schon.«
In der Mitte der Bühne wandte er sich mir zu, und ich sah einen kleinen Jungen vor mir, mit großen Zähnen und Sommersprossen.
Zwei weitere Hände berührten sich. Wir wussten nicht, welches Auge wir an unserem Gegenüber betrachten sollten und bald schon konnte ich seinen Atem spüren, fühlte, wie sich alles in mir sehnte.
Der Augenblick war richtig.
Wir beide wussten es.
Im Theater haben die Schauspieler Stichworte, die sie lernen müssen, damit sie wissen, wann sie dran sind. Früher, als es noch keine Kopierer gab und Papier und Tinte teuer waren, bekam jeder nur den Text seiner eigenen Figur und die Stichworte, auf die er achten musste. Erst beim Zusammenspiel kam man dahinter, worum es in dem Stück ging.
Es war, als hätten wir unsere Stichworte vergessen.
Die Stühle tuschelten schon, das Stück hing. Gab es keinen Souffleur, keinen schwitzenden Regisseur hinter der Bühne, der die nötigen Wörter hervorpresste?
Ich fühlte, wie uns der Moment entglitt. Und er ließ sich quälend lange Zeit damit. Schweiß trennte unsere Hände.
»Was kann man … hier noch sehen?« Er rang um diese Worte. Es waren die falschen. Ich ließ seine Hände los, fühlte mich verloren.
»Ist nicht so wichtig«, antwortete ich, sah zu Boden, sah die Dreiecke, die unsere Füße bildeten, ein kleines und ein großes und dachte, dass alles falsch war, elend, ich wünschte, er wäre nicht hier, wünschte, wir wären nie hergekommen. Ich hasste mich dafür, dass ich das getan hatte.
Die Dielen verschwammen vor meinen Augen.
»He, warte!«, rief er mir noch nach.
Ich warte schon mein Leben lang.
Das Mädchen weint. Da sind meine Puppen, meine Pferde, rosa Ponys. Der Hund hat nur ein Bein, aber wenn man ihn richtig hinsetzt, dann fällt es nicht auf. Der Onkel ist weg, aber er hat Schokolade dagelassen. Zartbitter.

 

Tud mir leid, wenn das jetzt grob klingt, aber am Ende vom Text musste ich vor allem denken: Oh Gott sind Frauen kompliziert!

Der Text gefiel mir aber trotzdem ganz gut. Ich mochte diese Begegnung mit Nils zu Beginn. Dieses permanente Nicken, das du da eingebracht hast. Sehr authentisch, sehr ehrlich.
Es steckt sehr viel Gefühl in dem Text, und als Leser spürt man das auch.

Wenn man hinsieht, kann man es erkennen, man kann es mit dem eigenen Geheimnis vergleicht, und sehen, ob sie zusammenpassen.

Da bin ich drüber gestolpert.

Schöner Text, hat mir gefallen, vor allem der Beginn.

mfg

 

Moikka yours,

schön klingt so abgegriffen, aber wenn es stimmt, muß man es so sagen: Eine wunderschöne Geschichte, unglaublich dicht erzählt, intensiv. Stimmige Charaktere: liebenswert mit all den dunklen Seiten, Ecken & Kanten, Träumen, machen neugierig, sind nie aufdringlich.

Die Geschichte ist so rund, daß ich gar nicht alles rausgreifen kann, was mir so gut daran gefällt, aber diese Sachen fand ich besonders gelungen, vielschichtig:

Ich lag im Bett und versuchte zu träumen, aber es gelang nicht.
Ich wünschte mir Panzer, Granaten, Tränengas, einen kleinen Dolch in der Hand – mitten ins Herz. Der Ort ist mein Tempel, ich bin Göttin, Priesterin und Bettlerin zugleich. Und manchmal bin ich Wächterin.
Die einzelnen Worte suggerieren Kitsch, die gesamte Konstruktion macht die Aussage wieder harsch - sehr schön.
Ich fühlte, wie uns der Moment entglitt. Und er ließ sich quälend lange Zeit damit. Schweiß trennte unsere Hände.

Kompliment, habe ich wirklich sehr gern gelesen. Und ein feiner Titel!
Sonnige Grüße,
Katla

 

Hallo yours!

Für meinen Geschmack eine wunderschöne Geschichte, die mir einen äußerst grantigen Morgen versüßte. Einfühlsam geschrieben, sprachlich schön, etwas zum mehrmals Lesen. Manch einer wird vielleicht Kitsch monieren oder Sprachverliebtheit. Wie auch immer, bei mir ist dein Text gut angekommen. Dankeschön!

Ich dagegen sah das Grün der Wände, es war matt, und die Leisten hatte man mit goldener Farbe verziert, sah die Große Treppe zur Empore, sah die tausende Füße, unter denen sie sich schon gebogen hatte.
sah die tausenden Füße,
bzw. sah tausende Füße

Die Dielen verschwammen von meinen Augen
vor meinen Augen

Manuela :)

 

Kompliment yours,

die Geschichte ist rund - wie sie runder nicht sein könnte :).

Der Aufbau a la klassischem Drama passt gut zum Theater. Nils der Mann fürs "Grobe" - er sieht vor allem das Theater als Bruchbude und sie - die Frau fürs Sinnliche. Da passt dann auch die Schokolade schön ins Bild - Zartbitter - Kindergeschmack verkannt, würde ich mal sagen.

Die Parallele zwischen dem Onkel und Nils - toll!
Der Onkel der herzlich wenig mit dem Spielzeug anfangen kann und Nils nicht mit dem Theater - ihren Welten. Trotzdem zeigt man es ihnen und hofft.

Meine Lieblingsstelle waren diese hier:

Ich nickte.
Er nickte.
Wir schwiegen.

...

»Märchen«, antwortete ich und schüttelte den Kopf.


Da sagt sie in einem Wort so viel über sich selbst.

Der Traum, die Sehnsucht nach dem perfekten Mann, der den Prinzen spielt ... ach wie kitschig - ohne das Du es kitschig umsetzt. Sauber gelöst!

Sehr gern gelesen.
:thumbsup: Fliege

 

Hallo Juju!

Tud mir leid, wenn das jetzt grob klingt, aber am Ende vom Text musste ich vor allem denken: Oh Gott sind Frauen kompliziert!

Hrhr, ja, das sind sie. :) Wirklich!
Dieses permanente Nicken, das du da eingebracht hast. Sehr authentisch, sehr ehrlich.
Es steckt sehr viel Gefühl in dem Text, und als Leser spürt man das auch.

Das freut mich natürlich sehr, dass der Text bei dir funktioniert hat. Danke dir fürs Lesen und deinen Kommentar! Die Stelle habe ich ausgebessert.


Hallo Katla!

schön klingt so abgegriffen, aber wenn es stimmt, muß man es so sagen: Eine wunderschöne Geschichte, unglaublich dicht erzählt, intensiv. Stimmige Charaktere: liebenswert mit all den dunklen Seiten, Ecken & Kanten, Träumen, machen neugierig, sind nie aufdringlich.

Da werde ich ja rot und falle gleich vom Stuhl. Danke für diese Worte! Es ist ja schwer, so haarscharf am Kitsch entlang zu schreiben, und ich bin sicher, wie Manuela das später auch anmerkt, viele sehen in der Geschichte schlicht Kitsch. :) Das befürchtete ich ja. Danke, dass du mehr dahinter gesehen hast, hat mich sehr gefreut.


Hallo Manuela!

Auch die danke für den Kommentar und natürlich dafür, dass du sie schön gefunden hast. Kitsch, ja, viele denken das sicher. Ich mein, irgendwie, klar, etwas Kitsch ist das sicher, aber ich hoffe eben, nicht zu viel.

Schön, dass du es nicht als Kitsch gesehen hast.

Deine Anmerkungen habe ich im Text ausgebessert, danke auch dafür!


Hallo Fliege!

Ja, so wars gedacht, danke, danke, es hat funktioniert!

Nils der Mann fürs "Grobe" - er sieht vor allem das Theater als Bruchbude und sie - die Frau fürs Sinnliche.

Genau, sie sind ja gegensätzlich, die zwei, und doch mögen sie sich "irgendwie". Aber es fehlt eben doch noch etwas. Sie wagt ja mit dem Theater einen sehr gewagten waghalsigen Schritt, sie zeigt ihm etwas sehr Persönliches. Und er ist nicht so begeistert, wie sie sich das vielleicht gewünscht hat, richtig.

Schön, dass auch die Parallele mit dem Onkel bei dir funktioniert hat. Und die mit der Schokolade. Und überhaupt! :)

Danke fürs Lesen und für deinen Kommentar!


Euch allen noch einen schönen Dienstag,

yours

 

Hallo yours truly,

bei deiner KG bin ich - was eine endgültige Bewertung betrifft - nicht so ganz zu einer abschließenden Meinung gekommen, obwohl ich mich intensiv mit ihr beschäftigt habe. Dennoch schreibe ich jetzt mal meinen Kommentar, bevor ich mich wieder zu weit entferne.

Handwerklich ist die Geschichte gut, das ist nicht der Punkt, der mich zum grübeln bringt. Okay, den Stil empfinde ich teilweise etwas "zuckerwattig", aber es geht ja auch um Gefühlswelten deiner Prota.

Im ersten Moment ist man geneigt, die Story so zu werten, dass deine Prota sich (auf den ersten Blick) in jemanden verliebt, um dann schnell festzustellen, dass die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen nicht für eine Erfolg versprechende Beziehung ausreicht, und so macht sich in zunehmenden Maße Enttäuschung breit. Sie schwärmt für die Welt des Theaters, und Nils kommt pragmatisch rüber, und kann mit dem Theater nichts anfangen. Sie spürt in den alten Fassaden den Atem alter Dramen und die geheimnisvolle Atmosphäre des immer währenden Schauspiels, er denkt wahrscheinlich "Hier müssten mal wieder dringend gestrichen werden."

Auf dem zweiten Blick aber steckt da meines Erachtens etwas anderes in der Geschichte, und ich lass mich gern eines Besseren belehren, sollte ich da falsche Interpretationswege beschritten haben.

Genau genommen ist deine Prota total weltfremd, gefangen in unrealistischen Träumen und Kindheitserinnerungen und nicht zwingend auf die Welt des Theaters und der Liebe dazu fixiert, sondern eigentlich nur auf sich selbst. Ich weiß nicht, über diese Positionierung deiner Figur wirklich so beabsichtigt ist, aber auf mich wirkt sie total verhuscht und fast selbst ein wenig theaterhaft. Das Theater, die Bühne, das sind alles nur Mittel zum Zweck der Selbstdarstellung. Sie inszeniert sich, flüchtet sich in Rollen und träumt davon, aus dem Leben eine Bühne für sich zu machen. Mit dieser Zielsetzung benötigt sie eigentlich keinen Partner auf Augen- bzw. Gefühlshöhe, sondern eher einen, der die Rolle des Publikums übernimmt. Wer sich selbst so im Mittelpunkt seiner Träume stellt, lässt ja neben sich keinen Platz für jemanden, der ebenso denkt. Das funktioniert nicht.

Nun habe ich aber ein Problem mit der Frage, ob deine Geschichte wirklich darauf abzielt, dass ich als Leser zu diesen Erkenntnissen komme. Dafür ist sie mir letztendlich nicht konsequent genug in diese Richtung geschrieben.

Am Ende hatte ich dann doch eher das Gefühl, dass es dir "nur" um die Darstellung ging, wie aussichtslos eine Liebe sein kann, wenn die Interessen zu weit auseinander liegen, wenn Feingeist auf Pragmatismus trifft. DAS wäre mir in seiner Aussage dann doch etwas zu wenig. Meine anderen Gedanken aber bleiben nur Mutmaßungen, durch deine Geschichte zwar ausgelöst, aber im Verlauf nur in Ansätzen und nie direkt bestätigt worden.

Nun denn, wenn ein Text solche Überlegungen in Gang setzt, dann hat der Autor eine Menge erreicht. Letztendlich bin ich in meinem Leben auch schon mal Frauen begegnet, die sich eine Liebe erträumten, deren Rahmenbedingungen schon derart festgelegt waren, dass für den Mann an ihrer Seite nur noch Platz in einer starre Schablone übrig blieb. Da gibt es dann nur eins: So schnell wie möglich abhauen :-)

Da ich viel über deinen Text nachgedacht habe, ist allein diese Tatsache ein Lob, denke ich, auch wenn ich nicht wirklich Fan bin, von solchen etwas weltfremden Gefühlswelten.

Warum unter "Sonstiges" gepostet? Für mich klar R/E!

Rick

 

Hallo yours,

um das Bild von Rick aufzugreifen:

Okay, den Stil empfinde ich teilweise etwas "zuckerwattig", aber es geht ja auch um Gefühlswelten deiner Prota.
Ich fand's viel zu zuckrig, ich lieg da nach einer Seite im Zuckerkoma.
Wenn man die Liebe beschreiben will, dann reicht's doch bei einer Metaphernwelt zu bleiben? Da muss man doch nicht alle 5, 6 Zeilen in eine neue reingehen? Die Bilder würgen sich da gegenseitig ab, für mein Empfinden. Wenn man sowas hat wie im ersten Absatz das Pochen des fremden Herzens dann musss man das Metapher-Meter erstmal runterfahren lassen, bevor man das nächste bringt.
Und dann die Vorstellung schon an der Tür: "Ich bin nicht allein", da dachte ich erst, hinter ihm ist nun jemand, dabei hat nur wer die Tür aufgemacht; und dann ist der Ich-Erzähler ne Frau.
Ehm, ja, also Metaphermeter sprengt da wirklich an vielen Stellen die Skala. Und es ist ja auch kein Funken Ironie darin, das zu mildern. Keine Spur eines solchen Bruchs. Ich seh vor lauter Gefühlen überhaupt nicht, was die da machen: Huch, sind im Theater. Huch, rennt weg. Aha.

Und noch eins:

Der Augenblick war richtig.
Wir beide wussten es.
Diese "Ich bin eine Betonung"-Zeilenumbrüche ... damit sollte man auch deutlich sparsam umgehen. Das ist wie mit Ausrufezeichen, wenn dann nix kommt, ist auch blöd.

Hier auch:

Nils sah nicht, dass ich das Theater liebte.
Nils sah so vieles nicht.

Aber gut, den Leuten scheint's zu gefallen, dann mach mal so weiter :)
Quinn

 

Hi yours,

ich verspäte mich mit meinem Kommentar, denn es gibt dem nicht mehr viel hinzuzufügen, was Rick schon gesagt hat. Als ich die Geschichte gelesen habe, ist mir dieses Prinzessinnen-Getue deiner Protagonistin mächtig auf die Nerven gegangen. Dieses "Hach, ich bin so verträumt, so kreativ, romantisch! Zartbitter, dass mich keiner versteht mit meinen rosa Ponys!" - das trägt nicht dazu bei, sie besonders sympatisch zu machen, zum Einen, weils nicht authentisch ist in diesem alten Kitsch, zum Anderen weil, wie Quinn gesagt hat, es keinen Bruch gibt in der Sprache des Textes, keine kritische Perspektive auf dieses Mädchenklischee (weil Frau kann man da schon kaum sagen).

Ein Manko ist auch, dass Nils kein Profil hat. Der soll zwar unsympatisch wirken, weil er auf diese Traumwelt nicht eingehen kann, komischerweise passiert das Gegenteil, man denkt sich, der arme Typ, bei welcher Nicht-ganz-dichten ist er da gelandet. Schade nur, dass er so blass und austauschbar ist, sonst hätte der Text zumindest durch ihn mehr Substanz gewonnen.

Einen Satz fand ich gut: "Der Hund hat nur ein Bein, aber wenn man ihn richtig hinsetzt, dann fällt es nicht auf".

Trotzdem hab ich jetzt Lust bekommen, etwas Gemeines und Sexistisches zu lesen. :D

Gruß
Kasimir

 

Hallo yours truly,

ich noch mal. Jetzt ist mir doch noch eingefallen, was mich an deinem Text besonders irritiert:

Die Verklärung des Theaters, dieser eher altmodische Blickwinkel. Dabei ist Theater nicht so eindimensional, wie es dein Text zeigt, das ist eher der Blick eines kleinen, verträumten Kindes. Eben weltfremd.

Theater aber ist viel mehr, experimentiert, erfindet sich neu, geht Wagnisse ein, lotet Grenzen aus, kann revolutionär sein, wild, erdig, angriffslustig, laut, schrill, derbe, eine bunte und weiß Gott nicht nur romantisch-schwülstige Welt ...

Und so wenig, wie Nils Ahnung vom Theater hat, hat auch letztendlich deine Prota Ahnung davon. Sie sieht im Theater wirklich nur die Möglichkeit der Selbstinszenierung, und die wirkt wie ein verstaubter, unreifer Kindertraum, wie der Blickwinkel einer "Theater-Barbie".

Vielleicht ergänzt und verdeutlicht das noch meine Kritik.

Rick

 

Hallo Rick!

Danke für deinen sehr, sehr ausführlichen Kommentar und für die Gedanken, die du dir gemacht hast.

Ich greif mal ein paar Punkte raus.

Handwerklich ist die Geschichte gut, das ist nicht der Punkt, der mich zum grübeln bringt. Okay, den Stil empfinde ich teilweise etwas "zuckerwattig", aber es geht ja auch um Gefühlswelten deiner Prota.

Es ist zu grell, ja, das sagt Quinn auch. Aber als ich das schrieb, war es eben so da und ich habe, ganz ehrlich, schon viel Zuckerwatte entfernt. Am Anfang war der Text noch weiter in der Richtung.

Werde das nächste Mal die Gefühle etwas dosieren, hab ich mir vorgenommen.

Genau genommen ist deine Prota total weltfremd, gefangen in unrealistischen Träumen und Kindheitserinnerungen und nicht zwingend auf die Welt des Theaters und der Liebe dazu fixiert, sondern eigentlich nur auf sich selbst. Ich weiß nicht, über diese Positionierung deiner Figur wirklich so beabsichtigt ist, aber auf mich wirkt sie total verhuscht und fast selbst ein wenig theaterhaft.

Deine Einschätzung bzgl. der zwei Sichtweisen (also einerseits Real: Sie haben andere Interessen, und andererseits das Innere: sie ist theaterhaft), das trifft schon sehr gut das, was ich sagen wollte. Glaub mir, ich freue mich hier riesig, dass das geklappt hat.

Es steht ja im Text, dass sie sich selbst inszeniert, das Theater ist ihr Inneres, ihr Innenleben. Ich hatte zwei Gedanken vor dieser Geschichte: "Wir alle spielen Theater", und "Sie sieht mich einfach nicht." Ja, das ist aus dem Lied vom Xavier. Und aus dem "Sie" wurde Nils, weil ich das besser hinbekomme.

Das Theater, die Bühne, das sind alles nur Mittel zum Zweck der Selbstdarstellung. Sie inszeniert sich, flüchtet sich in Rollen und träumt davon, aus dem Leben eine Bühne für sich zu machen.

Richtig, so hatte ich mir sie vorgestellt.

Mit dieser Zielsetzung benötigt sie eigentlich keinen Partner auf Augen- bzw. Gefühlshöhe, sondern eher einen, der die Rolle des Publikums übernimmt. Wer sich selbst so im Mittelpunkt seiner Träume stellt, lässt ja neben sich keinen Platz für jemanden, der ebenso denkt. Das funktioniert nicht.

Hm, ich hatte es anders geplant. Sie nimmt ihn mit auf ihre Bühne, bietet ihm einen Platz in ihrem Herzen an und sieht zu, wie er sich benimmt. Sie stehen ja beide dort auf der Bühne, sind Prinz und Prinzessin, auch wenn es "ihr" Theater ist.

In einem weiteren Rahmen hätte er sie vielleicht in sein Theater mitgenommen, vielleicht wäre es eine Kinoleinwand gewesen, er wäre Steven Seagull und sie das arme, hilflose Mädchen, in seinen Träumen.

Das Theater ist wirklich mehr ein Traum als Realität. Zumindest wollte ich es so wirken lassen in der Erzählung meiner Protagonistin.

Nun habe ich aber ein Problem mit der Frage, ob deine Geschichte wirklich darauf abzielt, dass ich als Leser zu diesen Erkenntnissen komme. Dafür ist sie mir letztendlich nicht konsequent genug in diese Richtung geschrieben.

Das ist schon die Richtung, so in etwa, und dass das angekommen ist, freut mich schon. Ich denke darüber nach, ob ich es noch deutlicher machen kann. Aber gerade fällt mir nicht ein, wie. Ich werde mit meiner Protagonistin darüber reden. :)

Warum unter "Sonstiges" gepostet? Für mich klar R/E!

Puh ja, weil der Text dann zu sehr als Romanze glesen wird, von der einen Hälfte, und die andere Hälfte ist enttäuscht, weil man keine Titten sehen kann. :)

Und so wenig, wie Nils Ahnung vom Theater hat, hat auch letztendlich deine Prota Ahnung davon. Sie sieht im Theater wirklich nur die Möglichkeit der Selbstinszenierung, und die wirkt wie ein verstaubter, unreifer Kindertraum, wie der Blickwinkel einer "Theater-Barbie".

Exakt so stelle ich sie mir vor. Also nicht wie eine Barbie, aber doch innerlich unreif, außen vielleicht erwachsen, aber im Inneren ein Kind. Daher auch der "Kindheitstraum", die sie hat, obwohl sie ja selber in ihrer Erzählung sagt, dass es eben nur ein "Kindheitstraum" ist.

Sie wünscht sich, gesehen zu werden, sie wünscht sie, dass jemand erkennt, was ihr diese Welt bedeutet. Aber Nils ist viel zu sehr an der Realität interessiert ("Was kann man hier sonst noch sehen?"), als dass er erkennen könnte, was Jana ihm zeigen will.

Und das ist das, was sie am Ende traurig macht. Sie fühlt sich ungesehen, unverstanden. Weil sie Zartbitterschokolade bekommen hat, aber eigentlich wollte sie was anderes haben.

Naja. Vielleicht hab ichs übertrieben und das ist doch alles etwas zu sehr danebengeraten. Aber, Rick, danke dir sehr für deine Gedanken! Mir hilft das weiter.

Hallo Quinn!

Ich fand's viel zu zuckrig, ich lieg da nach einer Seite im Zuckerkoma.

Ja, das hat Rick auch angemerkt. Ich habs wohl wirklich etwas übertrieben, und manchmal ist weniger eben mehr.

Wenn man die Liebe beschreiben will, dann reicht's doch bei einer Metaphernwelt zu bleiben? Da muss man doch nicht alle 5, 6 Zeilen in eine neue reingehen?

Wenn du so drauf wärst, wie meine Protagonistin drauf war, als sie das erzählt hat, dann würdest du es (vielleich) auch so machen.
Stell sie dir vor, sie sitzt auf einem Dach, ne Kippe in der Hand - Gauloises Blondes (die blauen), sieht in eine laue Sommernacht, vielleicht hat sie was getrunken, ach was, natürlich hat sie was getrunken, und sie hat Kummer. Schlimmen Kummer. Kummer, der es erforderlich macht, dass sie ihr Herz ausschüttet.
Neben ihr sitzt ein guter Freund - nicht mehr! - nur ein guter Freund, sie kennen sich seit fünfzehn Jahren, und sie reden gegen die Kühle der Nacht an.

Und schließlich fragt er: "Warum lernst du immer nur die falschen Leute kennen?"

Und sie erzählt ...


Ja, okay, es ist ein Märchen, irgendwie. Und ich sehe ja auch, dass es bei dir nicht so geklappt hat.

Mit den Betonungen bei den Zeilenumbrüchen, gekauft. Das hab ich übertrieben. :) Ich werde es überarbeiten.

Danke für deinen Kommentar!


Hallo Kasimir!

Als ich die Geschichte gelesen habe, ist mir dieses Prinzessinnen-Getue deiner Protagonistin mächtig auf die Nerven gegangen.

Ja, sie ist eben so, und sie nervt manchmal. Okay. Ich kann allerdings sie selber nicht kritisch hinterfragen, weil sie es ja erzählt, diese Geschichte. Dazu müsste sie sich selber kritisch hinterfragen, aber dazu ist sie im Text nicht in der Lage. Sie ist nicht so.

Das würde bedeuten, entweder die Protagonistin zu ändern, oder die Erzählsituation komplett zu ändern. Ein "Sie wusste damals noch nicht ...", käme sicher reflektierter rüber und dann, klar, wäre sie nimmer so nervig. :)

Wegen Nils gebe ich dir Recht, ja. Er kommt zu kurz und das schadet der Geschichte.

Trotzdem hab ich jetzt Lust bekommen, etwas Gemeines und Sexistisches zu lesen.

Hrhr, und ich bekomme Lust, mal was Gemeines und Sexistisches zu schreiben. :)

Danke dir für deinen Kommentar! Und fürs Lesen und so.


Bis bald euch allen!

yours

 

Hallo yours truly,

Sehr gut geschrieben.
Manche Leute warten irgendwie ihr Leben lang auf Prinzen und Prinzessinnen, anstatt auch jemandem einmal wirklich eine Chance zu geben, diese Rolle auszufüllen.
Finde ich also sehr realistisch.
Die Hauptperson lebt in ihrer eigenen Welt (in ihrem "Mädchenzimmer" und obwohl sie sich eigentlich wünscht, dass jemand eintritt und bleibt, sabotiert sie sich auch selbst.)

Ich finde nicht, dass diese Geschichte sexistisch ist und sie weckt auch keine Gedanken in mir wie "Frauen/Männer sind so kompliziert und verstehen nie etwas", obwohl ich selbst nie wirklich diese "Prinzessin" war.
Es ist einfach Tatsache, dass viele Mädchen mit solchen Träumen heranwachsen und sie nie wirklich abstreifen.


Grüße,

f.

 

Hallo yours truly,

mir gefallen die Assoziationen und Einblendungen.Die Geschichte ist außerdem so geschrieben, dass man zum Weiterlesen förmlich gezwungen wird..:) gefühlsmäßig spüre ich eine große Ambivalenz und Sehnsucht der Ich-Erzählerin, könnte eventuell noch etwas mehr von sich zeigen.
Dennoch hinterlässt die GEschichte einen interessanten Eindruck bei mir.

Lg

Anna

 

Hallo Foehre!

Die Hauptperson lebt in ihrer eigenen Welt (in ihrem "Mädchenzimmer" und obwohl sie sich eigentlich wünscht, dass jemand eintritt und bleibt, sabotiert sie sich auch selbst.)

Ja - sie traut sich nicht. Sie bewertet wohl alles in Bezug auf sich und wartet auf "den richtigen Moment", aber der kommt nicht, ganz sicher auch deswegen, weil sie das nicht zulässt.

Schön, dass es dir gefallen hat und danke für deinen Kommentar!


Hallo Anna!

Die Geschichte ist außerdem so geschrieben, dass man zum Weiterlesen förmlich gezwungen wird.

Das übe ich gerade. Danke für die Rückmeldung, dass es bei dir funktioniert hat! Das ist ja immer schwirig, bei einem klappts und beim Nächsten nicht. Jeder hat seine eigene Neugier. Freut mich, dass ich deine damit getroffen habe.


Wünsche euch noch ein schönes Wochenende,

yours

 

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