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Zahlenkamera
Lana wartete mit Furcht auf die Prüfung.
Die anderen machten sich einen Jokus daraus, doch er selbst nahm die Sache ziemlich ernst.
Sein Ehrgeiz war eine der scheinbar unbegrenzt vorhandenen Eigenschaften, die ihn von seinen Genossen unterschieden.
Wenn sie Plastik waren, war er Metall.
Wenn sie Schlösser waren, so war er ein Riegel.
Sie waren Kalender ohne Zahlen, dafür mit Gesichtern, und er war eine Wählscheibe auf einem Münztelefon.
Für ihn war Mathematik das einzige von Bedeutung.
Wohlgemerkt- Bedeutung, nicht Bedeutungen.
Denn alles war in gewisser Weise, und unter den richtigen Umständen betrachtet homonym.
Alles hatte Ecken und Kanten, die durch die Perspektiven laufen und sich mit den Winkeln verformen.
Doch Mathematik war eine Kugel- man konnte sie drehen und wenden, man konnte sie von allen Seiten betrachten, doch das würde nichts ändern.
Eine Kugel war der Kuss der Logik, rein und vollkommen. Wie die Mathematik- der Palast, in dem die Zahlen wohnen.
Jemand sprach Lana von der Seite an.
„Wie bitte?“ fragte er.
„Tut mir leid, ich habe Sie nicht verstanden, ich war in Gedanken, wissen Sie? Ich war versunken in der Umarmung eines Traumes, einer Ansammlung von Wörtern und Sinnen und Farben und Zeichen.
Man könnte meinen, ein Wesen aus einer anderen Welt habe seine Angel nach mir ausgeworfen, und mich hinabgezogen in ... Untiefen.
Kennen Sie diese Welt? Können Sie mir vielleicht ihren Namen sagen, könnten Sie das?
Oder warten Sie! Womöglich kann man ihren Namen nicht aussprechen, womöglich ist der Name kein Laut- kein Geräusch, das unsere Münder hervorwürgen können.
Vielleicht ist ihr Name ein Geruch, ein Geschmack.
Verstehen Sie mich? Bitte verstehen Sie mich!“