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Ynis Lochtyn

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21.06.2005
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Ynis Lochtyn

Es war ungewöhnlich heiß, und die Kinder genossen es, die Füße von der Barke ins kühle Wasser baumeln zu lassen und sich gelegentlich in wilden Plantschwettbewerben nass zu spritzen. Im Schatten des Baldachins saß, erschöpft und blass, die Mutter. Sie hatte die samtenen Schuhe von den geschwollenen Füßen gestreift und ließ sich von einer Zofe Luft zufächeln. Ihr Jüngster saß schlafend auf ihrem Schoss, selig gegen ihren riesig gewölbten Bauch gelehnt. Schwitzend ermahnte sie ihre Tochter, sich nur nicht von den Schelmereien ihrer Brüder anstecken zu lassen. Das Mädchen grinste unschuldig, sagte „Nein, Mama“, und schubste den ältesten ihrer Brüder flink ins Wasser. Kaum war er prustend an die Oberfläche zurückgekommen war, griff er über den Rand der Barke und zog die lachende, kreischende Ilthwyn zu sich ins Meer. Sämtliche anderen Kinder, mit Ausnahme des schlafenden Aetheldan sprangen übermütig hinter den beiden her, um dann im Wettbewerb hinter der Barke her zu schwimmen.

Als sie endlich alle wieder an Bord saßen und faul von der Sonne zusahen, wie die Insel immer näher kam, hob die Mutter die Hand und sagte: „Wenn wir in Ynys Lochtyn anlegen, möchte ich, dass ihr alle sofort auf den Hof zu den Priesterinnen lauft, und da wartet ihr, bis man euch ruft, verstanden? Euer Vater wollte nicht einmal, dass ich euch alle hierher bringe, er traut den Priestern nicht.“ Die Mutter schwieg einen Moment, bevor sie hinzufügte „Er traut der Göttin nicht. Nach all den Jahren und acht gesunden Kindern!“ Kopfschüttelnd wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und lächelte. „ Aber ich finde, ihr solltet euer neues Brüderchen willkommen heißen. Wenigstens diesmal. Ich schulde es der Göttin.“

Nur wenig später sprangen die Kinder an Land, und der runzelige, weißhaarige Priester, den sie schon so oft besucht hatten, half der etwas schwerfälligen Mutter aus der Barke. „Willkommen, Herrin, willkommen, Tochter“, sagte er und lächelte, aber seine alten Augen blickten sorgenvoll. Die Kinder winkten ihrer Mutter zum Abschied und rannten auf den Hof zu ihrer Linken, den die Priesterinnen bewohnten. Dort, das wussten sie aus Erfahrung, warteten kalte Milch und süßes Brot auf sie. Ilthwyn drehte sich im Rennen um, um der Mutter noch einen Handkuss zuzuwerfen, aber der Priester und sie waren nur noch weiße Schemen auf dem schmalen Klippenpfad, der zum Tal und dem Altar führte. Sie konnte die düstere Miene des Priesters nicht erkennen, noch hörte sie seine eindringlichen und verstörten Worte.

****

Der Saal war nahezu unbeleuchtet, als Ilthwyn ihn betrat, nur neben dem schweren Thron des Vaters glühte ein Kohlebecken. Das Gesicht des Vaters lag im Schatten; auf beide Hände gestützt war es selbst der schwachen Lichtquelle neben ihm abgewandt. Einzig das goldene Kreuz auf seiner Brust reflektierte die glimmende Glut. Ilthwnys Brüder standen hilflos um ihn herum und suchten nach seinem Blick. Noch nie war der Vater so unnahbar gewesen. Der Jüngste fing an zu weinen und rief nach der Mutter. Die anderen nahmen ihn erschreckt in die Arme und brachten ihn zum Schweigen. Die Mutter würde nicht kommen. Sie war auf der Insel geblieben, und mit ihr das neue Brüderchen. „Die Priester passen auf sie auf, Vater, für immer, das haben sie versprochen. Sie und die Göttin.“, flüsterte Ilthwyn dem König zu. Sie wollte ihn trösten, den Vater, der sonst immer ein Lächeln auf den Lippen hatte, wenn er sie ansah. Doch die graue Gestalt auf dem Thron bewegte sich nicht.
Greller Sonnenschein flutete in den Saal, als die beschlagenen Flügeltüren aufgeworfen wurden. Mit dem Licht kamen der Lärm von klirrendem Metall, von klappernden Hufen und heiseren Männerstimmen. Der Krieger, der in den Saal getreten war, verbeugte sich. „Herr, das Heer ist gemustert, und die Boote sind bereit.“
Endlich erhob sich der Vater. Seine müden Augen blickten blind auf seine Kinder, nur an seiner Tochter blieben sie einen Moment hängen. Dann gürtete er sein Schwert und folgte seinen Kriegern hinaus in den Hof, wo blitzende Schwerter und Lanzen gleißende Sonnenstrahlen reflektierten und Augen und Metall zum Glühen brachten. Die Kinder blickten ihnen verängstigt nach, als sie in den langen Kriegsbooten auf die Insel zuhielten. „Holen sie die Mutter?“, fragte der Jüngste. Aber seine älteren Geschwister antworteten ihm nicht, und Ilthwyn nahm seine Hand.

*****

Als die Krieger zurückkehrten, gab es kein Fest, keinen Siegeszug, keine Jungfrauen mit weingefüllten Bechern, die den heimkehrenden Kriegern die Füße wuschen. Der König segelte schweigend zurück nach Ancw und erreichte den Hafen noch vor dem Morgengrauen. Er hieß seine Männer sich das Blut der Priester und den Schmerz in ihren Seelen im Meer abwaschen, bevor sie sich der Stadt näherten, doch nicht einer von ihnen würde sich je wieder rein fühlen. Sie schlichen heimlich wie Diebe in ihre Häuser, und so mancher suchte Vergessen in den Armen seiner Frau. Aoilthwyn und ihre Brüder hatten die ganze Nacht im Saal auf ihren Vater gewartet, wie sie es immer getan hatten, wenn er ausgezogen war, doch er stahl sich an seinen Kindern vorbei und ließ sich auch in den nächsten Tagen nicht sehen. Bisweilen hörte Aoilthwyn ihn in seiner Kammer fluchen oder weinen, manchmal sogar lachen. Oft konnte sie diese Geräusche nicht auseinanderhalten.

In den folgenden Wochen, als der König aus seinem Delirium und seine Untertanen aus ihrer Schreckensstarre erwachten, tat man alles, um den Alltag wieder aufzunehmen, der nach dem Tod der Königin und dem unseligen Feldzug zum Erliegen gekommen war. Die Stadt stürzte sich in Handel und Handwerk, und im Königshaus wurde die Vermählung des ältesten Sohnes mit seiner Verlobten gefeiert. Niemand sprach über den Feldzug, und niemand erwähnte Ynis Lochtyn oder die Priesterkolonie, wenn er es vermeiden konnte. Der König aber verfiel immer mehr in Schweigen, und seine meergrünen Augen begannen ihre Farbe zu verlieren wie eine welke Blüte im Herbst.
*****

Aetheldan saß auf einer der Burgmauern und starrte die Küstenlinie entlang, die sich meilenweit in einer rauen, felsigen Linie hinzog, verlängert durch Fjorde und Landzungen und ewig bestürmt von gischtspritzenden Wellen. Die Morgensonne brach sich in den Wellen und befleckte die Küste, wann immer es eine Lücke in den dahinstürmenden Wolken fand. „ Sehr poetisch!“ grinste Ilthwyn ihren Bruder an und setzte sich zu ihm. „Wie du da sitzt und in die Landschaft starrst“, fügte sie hinzu, als ihr ältester Bruder sie fragend ansah. „Ich kann ja verstehen, dass du am Tage deiner Hochzeit tiefsinnig und romantisch wirken willst, damit deine schwanenhalsige Nordbraut in unsterblicher Liebe zu dir entbrennt. Aber solltest du nicht längst unten sein und dich herausputzen für die Zeremonie?“ „Schwanenhalsig. Von wegen. Hühnerbrüstig vielleicht“, grinste Aethelstan, „und solltest du nicht schon längst mit den anderen Mädchen Blumen streuen? Es ist immerhin deine letzte Gelegenheit, nächstes Jahr musst du mit den anderen heiratsfähigen Mädchen die ganze Zeit still stehen und ernst schauen und dich mit den langweiligen Tanten und Onkeln unterhalten…“ Er strich einen Strohhalm aus ihren wirren Zöpfen. „Auf keinen Fall wirst du jedenfalls noch in den Ställen stromern können.“ Einen Moment lang war Ilthwyn verlegen und starrte auf ihre Füße. Eigentlich hatte sie dort wirklich nichts verloren, dann die Pferde waren wild und strotzten vor Kraft. Doch als sie ihrem Bruder wieder ins Gesicht sah, erstarb ihr eine Entschuldigung auf den Lippen. „Sie werden nicht mehr hier sein, weißt du, die Pferde, meine ich“, murmelte Aethelstan und starrte wieder auf die Landschaft unter ihnen. „Warum nicht?", fragte Ilthwyn verstört. Die Pferde waren der ganze Stolz ihres Vaters und ihres ganzen Volkes. Sie züchteten sie und verkauften sie an andere Clans, aber sie verehrten sie auch und liebten sie nicht weniger als ihre Familien. "Er wird sie auf die Insel bringen."
Das Mädchen runzelte die Stirn. „Wieso? Unsere Weiden sind doch fruchtbar? Und die Familien der Knechte leben alle hier … und unsere Pferdeknechte sind die besten Züchter der Welt!“ Das letzte sagte sie im Brustton der Überzeugung, denn so hatte man es sie gelehrt. Ihr Bruder verkniff sich ein Lächeln. Seine Schwester war manchmal noch so jung, und doch würde sie schon nächstes Jahr zu den heiratsfähigen Jungfern gehören. Es würde Angebote für sie hageln: Sie war nicht nur das anmutige Ebenbild ihrer verstorben Mutter, sondern auch die einzige Tochter des Königs. Ein halbes Königreich würde der glückliche Freier aber nicht bekommen, nicht bei sieben Brüdern. „Ich weiß nicht wieso, Nesthäkchen. Aber der Vater will es so.“ Aetheldan schwang sich von der Mauer und strich seiner Schwester über den Kopf. Er wollte sie nicht beunruhigen. Eigentlich wollte er selbst gar nicht darüber nachdenken. Nicht am Tage seiner Hochzeit. Aber der Gedanke, irgendein lebendes Wesen auf die Insel zu lassen, auf der vor zwei Jahren das schreckliche Massaker an den Priestern und Priesterinnen stattgefunden hatte, stimmte ihn unbehaglich. Man flüsterte von Flüchen. Früher war die Insel der heilige Ort gewesen, an dem neues Leben in die Welt gebracht wurde. Ein Ort der alten Göttin. Doch seit dem Tod der Mutter machten selbst die Möwen einen weiten Bogen um die Insel, oder so erzählten es die Fischer, wenn sie betrunken und mutig genug waren, überhaupt von der Insel zu sprechen. Und war es nicht eine Verhöhnung der schrecklichen Ereignisse, jetzt die Pferde gerade dorthin zu bringen, die, fruchtbar und gesund und sich fleißig vermehrend, das blutgetränkte Gras der Insel weiden sollten? Wäre das nicht Blasphemie?
Fröstelnd erinnerte er sich an ein Märchen, dass die Mutter ihm oft erzählt hatte, als er klein war: Vom dreiäugigen Verschlinger, dem Diener der alten Göttin, der jeden Tod eines ihrer Anhänger rächte. „Wer ist der Verschlinger, Mama?“ hatte er gefragt. „Wen immer die Göttin dazu macht, mein Schatz, und das ist selten ein guter Mann!“ Die Mutter hatte ihm verschwörerisch zugezwinkert. „Deswegen nimmt sie ihm zuerst den Verstand, und dann alle Farbe, denn Farbe ist etwas zu Schönes, um es an einen bösen Mann zu verschwenden! Und jetzt wird geschlafen, mein Schatz, damit du einmal ein starker König wirst wie dein Vater und den Königsstein mit Kraft und Würde auf der Stirn tragen kannst!“ Sie hatte sich über ihn gebeugt und seine Stirn geküsst.

Der Prinz schüttelte sich, als ob er damit die düsteren Gedanken aus seinem Kopf verdrängen könnte. „Wer zuerst gestiefelt und gespornt in der großen Halle steht!“, rief er über seine Schulter, während er schon in langen Sätzen die Treppen des Walls hinunter sprang.

*****
„Die Pferde auf die Insel zu bringen, nachdem, was du dort angerichtet hast!“ Aetheldans Stimme überschlug sich vor Zorn, das war selbst durch das dicke Holz der Türe gut zu hören. Ilthwyn lauschte normalerweise nicht, wenn ihr Bruder und der Vater sich stritten, aber heute war ein Hass in den Stimmen der beiden, den sie nicht ertragen konnte. „ Natürlich werden sie krank, natürlich gehen sie ein!“
„Aberglaube! Heidnischer Aberglaube! Die Männer und Frauen auf dieser Insel waren Heiden, waren ungebildete Scharlatane, und es ist gut, dass wir sie los sind! Es ist kein Zauber, der die Pferde tötet, du Narr, und kein mystisches Rachwesen, es ist eine Krankheit! Eine Krankheit, du nichtsnutziger Götzenanbeter! Ich hätte es deiner Mutter verbieten sollen, diese …“ Der Vater wurde von lautem Gerumpel unterbrochen. Ilthwyn konnte nur vermuten, dass Aetheldan in seinem Zorn aufgesprungen und seinen schweren Eichenstuhl umgeschmissen hatte. „Sprich nicht über meine Mutter, als ob sie eine Närrin gewesen wäre! Du beschmutzt ihr Andenken, du beschmutzt uns alle! Die Pferde sterben deinetwegen! Du hast die Rache auf uns gebracht, als du diese Menschen getötet hast! Sie standen unter IHREM Schutz! Dein Hochmut und Blutwahn wird uns alle in den Untergang treiben, Vater. Und wer soll uns schützen? Dein gekreuzigter Gottessohn?“
Aetheldans Stimme klang nun verächtlich. Ein Klirren verriet der lauschenden Ilthwyn, dass ihr Bruder dem Vater das Goldkreuz heruntergerissen hatte, das er um den Hals trug, seit er der alten Göttin vor Jahren entsagt hatte. Das Mädchen stöhnte vor Schreck, wie konnte ihr Bruder das tun? Ein dumpfer Schlag, ein schmerzvolles Aufstöhnen ihres Bruders erklangen hinter der geschlossenen Tür. Dann Stille.
Endlich sprach der König wieder, schwer atmend vor Anstrengung und unterdrücktem Zorn. „Du gehst auf die Insel, mein Sohn. Du siehst dort nach den Pferden, und du sorgst dafür, dass von diesen heidnischen Altären und Steinen nichts mehr steht, wenn ich jemals wieder meinen Fuss auf diese verfluchte Insel setze. Ist das klar? Morgen brichst du auf, oder ich schwöre bei Gott und seinem Sohn, dass Abrahams Sohn Isaac nicht der einzige Sohn bleibt, der meinem Herrn als Opfer angeboten worden ist!“ Seine schweren Schritte kamen auf die Türe zu. Ilthwyn rannte davon.

****

„Herr, die Pferde sterben.“
Ilthwyn hielt bei den Worten des Boten erschreckt den Atem an. Den ganzen Morgen schon hatte sie ein unangenehmes Gefühl in sich getragen, wie eine böse Vorahnung. Auch der Vater war noch grimmiger als sonst, als erwartete er böse Nachricht. Was der Knecht da gesagt hatte, bestätigte ihrer beider Angst.

Der König sah den Knecht, der die Botschaft überbracht hatte, nicht an. Er stand an einem der hohen Fenster, die über das Meer hinaus blickten, und hatte seine Augen fest auf die nebligen Umrisse von Ynis Lochtyn gerichtet. „Wo ist Aetheldan? Wo ist dieser Nichtsnutz, der seit fünf Jahren nur darauf wartet, dass ich tot umfalle?“, presste er schließlich unter blassen, zusammengepressten Lippen hervor. „Warum sagt er es mir nicht selbst? Was kam bei seiner Expedition heraus? Was tut er dagegen, dass die Gäule umkommen? Wenn er diesen Thron erben will“, er zeigte auf den fellbedeckten Sitz im Schatten der Säulen hinter ihm, ohne seinen Blick von der Pferdeinsel abzuwenden, wie man sie jetzt nannte, „dann soll er auch dafür Sorge tragen, dass der Reichtum dieses Landes nicht elendig verreckt!“ Die letzten Worte brüllte er, und Aoilthwyn, die sich ihm mit einem Becher Gewürzwein genähert hatte, sah, dass seine Haut fahl war und seine Augen glühten. Vasthor, der zweitälteste Sohn des Königs, wich einen Schritt zurück und schien sich ducken zu wollen, als sich an seinen Vater wandte. „Er ist nicht zurückgekehrt, Vater. Wir können ihn nirgends finden. Sein Boot, seine Waffen… sogar seine Kleider … alles ist heute Morgen im Hafen angeschwemmt worden. Er …“ Der König schlug Aoilthwyn den Becher aus der Hand. Er knallte scheppernd an die Wand und rollte über den Boden. Eine dunkelrote Spur Gewürzweins markierte seinen Weg und bildete eine dampfende Pfütze neben dem Thron. Ilthwyn erwachte aus ihrer Schreckensstarre und wich dem Rinnsal aus. Ihre Hände verkrampften sich bei den nächsten Worten ihres Vaters in ihrem Kleid.

„Er ist desertiert? Dieser … ich … er ist enterbt. Ich will ihn hier nicht mehr sehen.“ Die Stimme des Königs war jetzt ruhig. Nur seine Augen, blass wie der Mond, glühten aus dem Schatten der Säulen heraus. „Wenn er sich der Burg nähert, wird er erschossen. Und jetzt raus, alle!“ Die Kinder des Königs standen wie erstarrt. Niemals konnte ihr Vater gemeint haben, was er da sagte! „Raus! Noch bin ich der König hier! Raus!“ Langsam bewegten sich die Prinzen und ihre Schwester auf die Tür zu, Entsetzen auf ihren Gesichtern.
„Vasthor!“ Der König hatte sich auf seinen Thron zurückgezogen. Sein Gesicht lag wieder im Schatten. „Nachdem du jetzt Thronfolger bist, wirst du auf der Insel nach dem Rechten sehen. Du brichst noch heute Nacht auf.“ Die Stimme des Königs klang jetzt wieder ganz ruhig, fast väterlich. Seine Kinder flohen.

*****

„Glaubst du, dass Aetheldan geflohen ist?“ fragte Ilthwyn atemlos ihre Brüder, sobald sie sich in der Sicherheit des Hofes befanden, den wahnsinnigen Augen des Vaters entzogen. Ihre vier jüngeren Brüder starrten ebenso wie sie mit großen Augen zu Vasthor und Daffydd, die das Boot des Thronfolgers gefunden hatten. Die beiden älteren wichen ihren Blicken aus. Tatsächlich hatten Vater und Sohn in den letzten Monaten viele schreckliche Auseinandersetzungen gehabt, deren letzte erst wenige Wochen zurücklag. Schließlich murmelte Ilthwyn: „Er wäre nicht ohne seine Frau geflohen, nicht wahr? Nicht ohne seinen Sohn.“ Ihr Bruder und seine schwanenhalsige, schlanke Nordfrau hatten einen Sohn, und sie war bereits mit dem zweiten Kind schwanger. Er hätte sie nicht zurückgelassen. Sie überlegte. „ Ich möchte mit dir kommen, Vasthor! Ich will wissen, was ihm passiert ist!“ Daffydd nahm seine Schwester in die Arme und murmelte in ihr Haar, dass sie schweigen solle, und dass keiner von ihnen das jemals zulassen würde. „Nicht, solange die alte Göttin nach Rache schreit“. Vasthor blickte hilflos zur Halle des Vaters hinauf. Seine Hände zitterten. Schnell steckte er sie unter seinen Mantel, damit seine Geschwister seine Angst nicht zu sehen bekamen.

Vasthor brach noch vor Sonnenuntergang auf. Der nächste Morgen schwemmte aus der Dunkelheit der Nacht ein Boot heran, voll beladen mit Proviant, Waffen und den Kleidern, die Vasthor sich zum Schutz gegen die Kälte auf der Insel übergezogen hatte. Man musste Ilthwyn in ihr Zimmer sperren, als sie versuchte, ein Boot zu stehlen und selbst nach ihren Brüdern zu suchen.

*****


Der Wind kam über das Meer gepeitscht und trieb Gischt und Nieselregen vor sich her. Ganz hinten am Horizont schien es, als ob die Wolkendecke langsam aufbrechen würde, aber es würde noch Stunden dauern, bis die blassen Sonnenstrahlen auch nur die dem Festland vorgelagerte Pferdeinsel erreichen würden. Trotzdem war die Barke, die sich der Anlegestelle näherte, gut zu erkennen. Die Laterne am Feuerpfosten wurde von den heftigen Böen hin und her gerissen, und das Licht, das sie warf, erleuchtete die Gesichter von sechs Männern. Sechs waren ausgefahren, sechs kehrten zurück.
Ilthwyn zog sich ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Sie wollte sich damit weniger vor dem Wetter als vor den Blicken ihres Vaters schützen: Auf ihrer Haut mischten sich die salzige Gischt und ihre Tränen. Unten an der Anlegestelle halfen jetzt die Fischerleute den erschöpften Soldaten aus der Barke. Das Wehklagen der Frauen und Kinder stieg auf bis zu der Mauer, auf der Aoilthwyn stand und sich verzweifelt an den soliden Zinnen festhielt. Kein siebter Mann, kein Daffydd.
Das Gefühl ohnmächtiger Wut und Trauer, dass sie schon so oft hatte erleiden müssen, für Aetheldan, für Vasthor, und jetzt für Daffydd, verdichtete sich zu einem grausamen, kalten Kern in der Mitte ihres Körpers. Sie blickte starr auf den Streifen blassen Goldes am Horizont; nur nicht den Kopf wenden, nur nicht den Vater ansehen, seine unbewegte Miene, die grau-fahle Haut überzogen mit dem Glanz der Gischt, aber frei von Tränen, ohne ein sichtbares Gefühl der Trauer über den Tod seines Sohnes. Sie würde schreien müssen, oder um sich schlagen, oder ersticken. Das strahlende Grau der Wolken dort, wo sie von der Sonne berührt wurden, ähnelte der Farbe seiner Augen ebenso wie dem Mondstein, der über diesen Augen schwebte, gehalten von einem goldenen Reif. Die Farbe des Steins und der Augen entsprachen sich jetzt so sehr, dass ihr Vater ihr wie ein dreiäugiges, unseliges Fabelwesen vorkam. Unsicher stolperte sie in Richtung ihrer noch verbliebenen Brüder. Doch die Hand ihres Vaters legte sich schwer wie Blei auf ihre Schulter, und so blieb sie wo sie war, schaute endlich in seine kalten Augen und schauderte.

*****

Seit Daffydds Tod – von etwas Anderem konnte man nicht ausgehen - hatte der Vater sich nicht mehr blicken lassen. Er hatte sich in den kleinen Tempel zurückgezogen, in dem seine Frau immer zu ihrer Göttin gebtet hatte. Und obwohl er diese Göttin, die er heidnisch nannte, verabscheut hatte - jetzt konnte nichts ihn mehr von ihrer Seite locken. Wirr und ungepflegt schien er, wenn Ilthwyn ihn widerstrebend besuchte, und voller Hass. Der Kampf, den er gegen die Statuetten und Symbole führte, kostete ihn sichtlich Kraft. Trotzdem hatte er bereits einen Tag genannt, an dem der nächste seiner Söhne die Insel würde aufsuchen müssen. Ilthwyn hatte ihn angefleht, dieses Opfer nicht zu bringen – den ein Opfer würde es sein, ein weiteres Menschenopfer an die heidnischen Götter, die der Vater herausgefordert hatte und die den Blutzoll immer weiter erhöhten.

Ein doppelter Mond leuchtete Ilthwyn, als sie die kleine Barke vom Ufer in das schwarze Wasser schob: Einer, der tief am Himmel hing und ihr die Umrisse von Ynis Lochtyn zeigte, und einer, der knapp unter der spiegelglatten Meeresoberfläche schwebte. Ilthwyn fragte sich, ob sie über ihn hinweg fahren müssen würde, um die Insel zu erreichen. Sie schauderte bei dem Gedanken, ohne indes sagen zu können warum ihr diese Idee so widerstrebte. Lautlos ließ sie die Ruder ins Wasser gleiten, und lautlos glitt sie auf die Insel zwischen den Monden zu.
Sie musste wissen, sie musste verstehen, was sich in jener grässlichenNacht geschehen war, in derm der Vater die Krieger auf die Insel genommen hatte. Sie musste wissen, welcher Wahn von ihrem Vater Besitz ergriffen hatte, und weshalb er bereit war, seine Kinder diesem Wahn zu opfern.

Verbissen gegen die nachtschwarze Strömung rudernd hielt sie auf die Insel zu. Die weichen Hügel verloren sich vor dem Hintergrund aus Meer und Nacht; nur silberne Umrisse aus Mondlicht verrieten, dass Ilthwyn nicht in ein wogendes, kaltes Nichts glitt.

Sie konnte hinterher nicht sagen, ob sie den Mondschein auf dem Wasser berührt hatte oder nicht. Wie in Trance hatte sie die kleine Barke auf die Insel zugesteuert, sie in den grauen Sand am Ufer gezogen und an einem Felsen vertäut. Zitternd zog sie ihren Umhang fester um sich und strich sich kalten Schweiß vom Gesicht. Alles fühlte sich klamm an, und die Kälte drückte sich an ihren Körper wie ein Kleid. Unter ihren Füßen wallte ihr Schatten, unklar und fransig im Mondlicht. Die schwarzen Wolkenfetzen, die über den Himmel rasten, schienen sich immer just vor dem Mond zu teilen. Suchend sah Ilthwyn sich um. Sie hatte als Kind so viele Sommer auf der Insel verbracht, und doch war ihr der Ort jetzt fremd und unheimlich.

Zu ihrer linken lagen die Häuser der Priesterinnen, in denen sie im Sommer des Todes ihrer Mutter mit ihren Geschwistern gewartet hatte. Das Dach war eingestürzt und die Mauern sahen selbst im trüben Mondlicht versengt aus. Sie wandte sich ab und lief den Pfad zu ihrer Rechten entlang, der sich an der Steilküste über der sandigen Bucht zog. Er würde sich um einen Steinriesen schlängeln, einen Monolithen von gewaltigem Ausmaß, und dann in einem bewaldeten Tal verschwinden, so viel wusste sie. Sie erinnerte sich außerdem, dass der Priester ihre Mutter diesen Pfad entlang geführt hatte. geschehen war. Zögernd näherte sie sich dem Monolithen, drohend vor ihr aufragte. Je näher sie kam, desto deutlicher wurden dunkle Verzweigungen im verwitterten Stein: wie die Adern einer zur Faust geballten Hand, dachte Ilthwyn schaudernd. Einem Impuls folgend legte sie ihre Hand auf den Felsen: Er fühlte sich kalt und tot an, wo er ihrem gewissen Gefühl nach warm und pulsierend hätte sein sollen.

Sie folgte dem Pfad hinunter ins Tal und erschrak beim Anblick der kahlen Bäume, die es säumten. Nichts schien mehr zu blühen oder Blätter zu treiben, selbst das Gras war verdorrt oder verbrannt. Zwischen den Bäumen lagen seltsam geformte Felsen oder gefällte Bäume, bleich wie das Mondlicht. In der Mitte des Tals fand sie einen Altar aus Stein, scheinbar ähnlich geädert wie der Monolith auf den Klippen hinter ihr. In seiner Mitte befand sich eine Kuhle, einladend wie der Schoß einer Mutter. Es musste der Geburtstein sein: Der Ort, an dem ihre Mutter alle ihre Kinder zur Welt gebracht hatte, bis das Achte sie das Leben gekostet hatte. Hier war sie selbst zur Welt gekommen, unter den Augen der Götter ihrer Mutter und mit derer Priester Hilfe.

Ilthwyns Finger glitten über den glatten Stein, und zuckten zurück: Sie hatte das Gefühl, eine totes Fleisch berührt zu haben. Panisch blickte sie um sich, und erkannte zum ersten Mal, was die seltsam geformten Felsen überall im Tal tatsächlich waren: es waren die Leichen der Pferde, die ihr Vater auf diese Insel gebracht hatte. Manche waren schon bis auf ihr Skelett verwest, andere wirkten, als seien sie eben erst gestorben. Was sie für gefällte, tote Bäume gehalten hatte, waren die Knochen von toten Pferden und toten Menschen, toten Priestern und Priesterinnen, wie sie an den Halsringen erkannte, die im fahlen Licht glänzten. Irgendwo dazwischen würden die Leichen ihrer Brüder liegen. Die Göttin vergab nicht.

Ihre Knie drohten nachzugeben, und sie stützte sich schwer auf den Altarstein. Ihr Gesicht nass von Tränen. Sie weinte um ihre Brüder, um ihre Mutter und um die Priester. Und sie weinte auch um ihren Vater, der aus Schmerz über den Verlust seiner Frau den Verstand verloren hatte und in maßlosem Zorn die Göttin herausgefordert hatte. Die Göttin würde nicht ruhen, das wusste sie, bis alle seine Söhne, erzogen im Namen des einzig wahren Gottes, in ihrem Namen geopfert waren, auf die Insel gebannt und dort von namenlosem Schrecken getötet. „Bitte nicht!“ Stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Nimm mir nicht alle, nimm mir nicht meine ganze Familie, ich flehe Dich an!“ Sie umklammerte mit beiden Händen den kalten, klammen Altarstein. „Bitte verzeih ihm, bitte vergib ihm und vergib uns!“

Und mit einem Mal war sie sicher, dass sie gehört wurde, gehört und geprüft. Gefangen zwischen unbändiger Freude und starrem Entsetzen blickte sie hinauf zum Mond. Noch nie war er so schön gewesen, so erhaben. Nicht nur eine silberne Scheibe, sondern ein Zeichen der Fruchtbarkeit und des Todes zugleich; ein gewölbter, mütterlicher Bauch und ein verschleiertes, totes Auge; Wandel und Stetigkeit in Einem.

Von einem Moment auf den anderen war es helllichter Tag. Gleißende Sonne brach sich auf Lanzen und Schwertern, glitzerte in Pfützen noch heißen Blutes. Der Priester, der ihre Mutter weggeführt hatte, kniete vor dem Altarstein und sah ihrem Vater, der wild war und voller Hass, ruhig in die Augen. Er schien etwas zu sagen, eine Warnung seinem Gesicht nach, aber Ilthwyn konnte nichts hören: Kein Geräusch drang zu ihr, nur Bewegungen und Farben und das gleißende goldene Licht der Nachmittagssonne. Der Priester flehte jetzt mit erhobenen Armen, doch Ilthwyn war sich sicher, dass er nicht für sich selbst, sondern für ihren Vater flehte. Der König lachte, das Gesicht verzerrt vor Schmerz und Trauer und Wut, und sein Schwert fuhr auf den Priester herab. Ilthwyn fühlte einen rasenden Schmerz in ihrem Körper, das Licht explodierte, und sie verlor das Bewusstsein.

Sie schwamm durch glitzerndes silbernes Licht. Lautlos glitt sie durch die Wellen aus Wasser und Licht, ihr nackter Körper verursachte kaum Widerstand. In ihrer linken Hand fühlte sie etwas Hartes, Kaltes. Sie hob die Hand aus dem Wasser, und sie leuchtete, leuchtete im Schein eines Monstrahls, der fest und eisig in ihrer Hand lag wie ein Dolch.

Vor ihr kauerte die Burg in den Klippen. Ein einziges Zimmer war noch beleuchtet, ein einziges wachsames Auge. Sie erklomm die Klippen und Zinnen leichtfüßig und ohne die kalte Luft oder den scharfen Wind zu spüren. Das Mondlicht fing sich in den Wassertropfen auf ihrem weißen Körper und machte sie selbst zu einem Mondstrahl. Die beiden Wächter auf dem Wehrgang hoben geblendet die Hände vor die Gesichter und ließen sie passieren, als wäre sie substanzlos wie das Licht selbst. Sie schlüpfte lautlos in das Gemach ihres Vaters und hielt einen Moment inne. Er stand vor dem Feuer und hatte ihr den Rücken zugekehrt. Seine Schultern hingen schwer, und seine Hände hingen kraftlos und nutzlos herab. Sie hob ihre silberne Hand und legte sie ihm tröstend auf die Schulter. Langsam drehte er sich um, und sein Gesicht verwandelte sich im Schein ihres Glanzes. Die Sorgenfalten strafften sich, und der Gesichtsausdruck wurde sanft. „Du …!“, lächelte er. Sie lächelte ihn liebevoll an und stieß ihm mit der anderen Hand den silbernen Dolch ins Herz. Er sank ohne einen Laut zu Boden, das Gesicht noch immer voller Freude.

Ilthwyn erwachte mit den ersten Sonnenstrahlen. Der Altarstein unter ihr fühlte sich warm an, die Adern pulsierten wie lebendig. Sie setzte sich auf und streifte ihr Gewand über, das sauber gefaltet neben dem Stein lag. Ihr Boot lag noch immer am Strand.

Sie erreichte die Burg am frühen Vormittag. Die Fenster der Burg waren mit schwarzem Stoff verhangen, und ein Begräbnis wurde vorbereitet. Ilthwyn rannte zu ihren Brüdern und umarmte sie heftig. Dann nahm sie sie an den Händen und zeigte ihnen die vier Felsen, die in der Nacht aus dem Meer unweit der Insel gewachsen waren. Hochaufgerichtet und schlank standen drei von ihnen, wie Wächter, und doch untergeordnet dem Vierten, auf dem ihr Blick zu ruhen schien. Dieser Vierte stand grimmig und majestätisch in der Gischt, und auf seinem Haupt zackten sich scharfe Felskanten wie eine Krone.

 

Okay, nach langem Zögern hab ich diese Geschichte jtzt doch eingestellt. Ich bin nicht sehr glücklich mit ihr, weil ich aber selber langsam daran verzweile, würde ich mich freuen, wenn ihr mir bei Folgendem helfen könntet:

1. Wie werde ich die harten Übergänge los?
2. Was kann raus? Die Geschichte ist mir zu lang und das Tempo nicht stimmig.
3. Das ganze basiert auf einer Sage aus Wales. Allerdings ist die "Moral" der Story in meiner Geschichte unklar, fürchte ich ...

Also, fire away!

Vielen Dank schonmal!

 
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Hallo ardanwen!

Endlich mal wieder was Längeres in Fantasy. :)

Der Sommer war ungewöhnlich heiß, und die Kinder genossen es, die Füße von der Barke ins kühle Wasser baumeln zu lassen und sich gelegentlich in wilden Plantschwettbewerben nass zu spritzen.

Eigentlich könnte der Sommer weg. Oder zumindest weiter hinter. Der Satzanfang wirkt nicht, er vermittelt mir keine Vorstellug von einem ungewöhnlich heißen Sommer. Das Plantschen danach und dir Reaktion der Mutter (sie ist erschöpft) sagt ja auch, dass es wohl heiß ist.

und schubste den ältesten ihrer Brüder flink ins Wasser

Kaum war er zurück an der Oberfläche, griff er über den Rand der Barke

die lachende, kreischende Aoilthwyn

Mhmhm. Ja, ob das jetzt authentisch ist oder nicht: Der Name ist ein Buchstabensalat, den keiner aussprechen kann, der sich noch nie mit Gälisch auseinandergesetzt hat. "Eltwin" spricht man das doch, oder? Dann schreibs doch so.

Euer Vater wollte schon nicht, dass ich euch alle hierher bringe, er traut den Priestern nicht.

Das "schon" da ... hm. Mir ist klar, was es aussagen soll, aber es wirkt so kraftlos, wie hingepappt.

"Eure Vater wollte ja nicht einmal, dass ich euch ..."

Kopfschüttelnd lächelnd wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.

"Sie schüttelte den Kopf, lächelte und wischte sich den Schweiß von der Stirn."

der runzelige, weißhaarige Priester, den sie hier schon so oft besucht hatten

Raus damit.

Die Kinder winkten ihrer Mutter zum Abschied und rannten dann auf den Hof zu ihrer Linken

Raus damit.

Seine müden Augen blickten blind auf seine Kinder

Wie blickt man denn blind? Ich würds rausnehmen.

Sie züchteten sie und verkauften sie an andere Clans, aber sie verehrten sie auch und liebten sie nicht weniger als ihre Familien. "Er wird sie auf die Insel bringen." Das Mädchen runzelte die Stirn. „Wieso? Unsere Weiden sind doch fruchtbar? Und die Familien der Knechte leben alle hier … und unsere Pferdeknechte sind die besten Züchter der Welt!“ Das letzte sagte sie im Brustton der Überzeugung, denn so hatte man es sie gelehrt.

Hier wäre es gut, wenn du nach einem Sprecherwechseln einen Absatz einfügen würdest. Liest sich dann übersichtlicher.

Der König sah den Knecht, der die Botschaft überbracht hatte, nicht an.

"Der König sah den Knecht nicht an, der ..."

dass ich tot umfalle?“(Komma) presste er schließlich

er zeigte auf den fellbedeckten Sitz im Schatten der Säulen hinter ihm, ohne seinen Blick von der Pferdeinsel, wie man sie jetzt nannte, abzuwenden

"er zeigte auf den fellbedeckten Sitz im Schatten der Säulen hinter ihm, ohne seinen Blick von der Pferdeinsel abzuwenden, wie man sie jetzt nannte"

Die letzten Worte brüllte er fast

Fast? Er brüllt, oder er brüllt nicht.

zurück und schien sich ducken zu wollen

Tut ers, oder tut ers nicht?

Der König schlug Aoilthwyn den Becher aus der Hand. Er knallte scheppernd an die Wand und rollte über den Boden.

Besser ein Satz: "Der König schlug ihr den Becher aus der Hand, er knallte an die Wand und rollte über den Boden."

Und dann würd ich gern erfahren, wie das Mädchen reagiert, anstatt zuzusehen, wie der Gewürzwein dampft.

Nur seine Augen, blass wie der Mond, glühten aus dem Schatten der Säulen heraus.

Blass? Oder glühen sie? Beides geht nicht.

Niemals konnte ihr Vater gemeint haben, was er da sagte?

Punkt ... das ist keine Frage.

sobald sie sich in der relativen Sicherheit des Hofes befanden.

Hohlbein verwendet das auch immer ... diese relative Sicherheit. Und ich mags nicht, das klingt so schwammig. Sind sie nun sicher, oder sind sies nicht?

"sie befanden sich im Hof, und dort fühlten sie sich sicherer als vor der Burg. Allerdings war allen klar, dass jederzeit eine Wache vorbei kommen könnte ..."

Monaten viele schreckliche Auseinandersetzungen gehabt, deren letzte erst wenige Wochen zurücklag

"... die letzte lag erst wenige Wochen zurück"

Oder:

"... die letzte vor wenigen Wochen"

die wie Aetheldans Frau fest an die alte Göttin geglaubt hatte

Streichen.

Dabei hatte er dem Vater die goldene Kette mit dem Kreuz abgerissen. Der Vater hatte ihn geschlagen und ihm anschließend befohlen, auf die Insel zu fahren und nach den Herden zu sehen. Die beiden hatten bis zu Aetheldans Aufbruch kein Wort mehr gewechselt.

Schließlich murmelte Aoilthwyn: „Er wäre nicht ohne seine Frau geflohen, nicht wahr? Nicht ohne seinen Sohn.“ Die Ehe ihres Bruders mit der schwanenhalsigen, schlanken Nordfrau hatte schon sehr bald nach der Hochzeit einen gesunden Jungen hervorgebracht, und sie war bereits mit dem zweiten Kind schwanger.


Jetzt wirds zu episch, langsam. Der Stoff würde ja auch für einen Roman taugen, und ich denk mir, streich ein paar Details und erzähl nicht in Rückblenden. Da bricht die Stimmung auseinander, weil ich nicht mehr drin bin, sondern das Gefühl habe, es wird ja nur alles nacherzählt.

Unten an der Anlegestelle halfen jetzt die Fischerleute den erschöpften Soldaten aus der Barke.

Raus damit.
Das Gefühl ohnmächtiger Wut und Trauer, das sie schon so oft hatte erleiden müssen

Der Vater hatte sich tagelang nicht mehr im Thronsaal sehen lassen.

weiteres Menschenopfer an die alte Göttin

dass der Priester ihre Mutter diesen Pfad entlang geführt hatte. geschehen war. Zögernd näherte sie sich dem Monolithen

Ein Überbleibsel. :)

Zögernd näherte sie sich dem Monolithen, der drohend vor ihr aufragte.

Sie hatte das Gefühl, eine totes Fleisch berührt zu haben.

Weg damit.

„Nimm mir nicht alle, nimm mir nicht meine ganze Familie, ich flehe euch an!“

Wenn sie die Göttin anspricht, dann "Euch". Oder ... eher "dich". Oder so. Aber "euch" klingt so nach mehreren Göttern, und dann müsste es auch "Nehmt mir nicht alle ..." heißen.

Sie schwamm durch glitzerndes silbernes Licht. Lautlos glitt sie durch die Wellen aus Wasser und Licht,

Viel zuviel Licht. :)

Sie erreichte die Burg am frühen Vormittag. Die Fenster der Burg waren mit schwarzem Stoff verhangen

Wiederholung.

So, das mal zum Kleinkram. Insgesamt hats mir gut gefallen. Die Szene am Anfang mit der Mutter in der Barke und den Kindern, die so unbeschwert spielen, das Bild wirkt die ganze Geschichte hindurch nach und man denkt später immer daran, dass diese Idylle zerstört ist. Das erzeugt einen guten Kontrast.

Mir war die Geschichte nicht zu lang, sondern eher zu gerafft. Stellenweise hatte ich das Gefühl, mir wird ein Roman in Auszügen erzählt. Wie ich oben schon schrieb, hätte die Geschichte wohl auch für ein Buch gereicht. Du hast ja selber schon geschrieben, dass sie dir zu lang ist und die Umbrüche zu hart. Wenn du ein paar Dinge herausnimmst, könnte es glatter werden.

Ich würd die Rückblenden streichen und darauf achten, die Geschichte vorwärts zu erzählen. Eins nach dem anderen, bis zum Ende. Du kannst ja erwähnen, dass der Bruder ein Kind hat, zum Beispiel.

Von der Geschichte her ists mir zu linear. Da passiert das Unglück und dann wollen sie den alten Zustand wieder herstellen, oder zumindest das Problem mit der Insel lösen. Nun ist der Text aber recht lang, ein kleiner Umbruch würde nicht schaden, ein positives Erlebnis mittendrin, und dann wieder eine Wende zum Negativen.
Vielleicht kommt das Boot durch den Nebel, und alle hoffen, dass der Bruder zurückkommt, und rufen schon und freuen sich, und als sie klar sehen können, ists doch nur die leere Barke und sein Proviant.

Der Text ist teilweise sehr schön mit starken Bildern. Die Szenen und die Insel konnte ich mir gut vorstellen, die Burg eher weniger, was ich jedoch wichtig fände. Deine Protagonistin war mir zu sehr im Hintergrund. Du könntest sie mehr zur Leitfigur machen, dann hätte der Leser eine Person, mit der er sich besser identifizieren kann.
Idealerweise beginnt man jede Szene dann mit dem Protagonisten und erfährt, wo er ist, was er macht - und so weiter.

Beispiel:

„Herr, die Pferde sterben.“
Der König sah den Knecht, der die Botschaft überbracht hatte, nicht an. Er stand an einem der hohen Fenster, die über das Meer hinaus blickten, und hatte seine Augen fest auf die nebligen Umrisse von Ynis Lochtyn gerichtet. „Wo ist Aetheldan? Wo ist dieser Nichtsnutz, der seit fünf Jahren nur darauf wartet, dass ich tot umfalle?“ presste er schließlich unter blassen, zusammengepressten Lippen hervor.

Hier erfährt man erst viel weiter unten, dass das Mädchen auch mit in der Szene ist. Sie ist aber wichtig. Wenn du schreiben würdest:

"Herr, die Pferde sterben!"
Der Knecht sah aufgeregt aus und Aoilthwyn wunderte sich darüber, dass der König ihn nicht ansah. Stattdessen ging er zu den hohen Fenstern, die ..."

Kürzen kann man viel. Du könntest ein paar Brüder kürzen, ohne dass es schaden würde. Oder die Szene mit den Pferden. Und die Hochzeit.

Da fällt mir ein: Du könntest die Szene mit der Hochzeit anders einsortieren, und zwar kurz vor dem Ende. Da ist alles drückend, aber man versucht nochmal, glücklich und fröhlich zu sein. Und dann stirbt er. Das wäre auch ein Wendepunkt.

Zum Tempo ... ich glaube, das gibt sich, wenn du ein paar Szenen kürzt. Hat mich jetzt nicht so gestört.

Und deine Moral? Hmmm. Es gibt eine Moral? Vielleicht ... leg dich nicht mit der Göttin an? Bewahre den alten Glauben? Sie tötet ja ihren Vater als Göttin, so scheints mir. Was mit den Brüdern geschah, kann ich mir nur denken: Sie sind als Krieger gekommen und nicht als Bittsteller, darum wurden sie getötet oder zumindest in Stein verwandelt ... das war mir nicht ganz klar.

Ich fands seit langer Zeit die beste Geschichte hier. :)

Bis bald!

yours

 

Kann man eigentlich meinen Kommentar da oben lesen? Bei mir taucht der in der Übersicht bei Fantasy nicht auf (da steht noch ardanwen drin bei der letzten Antwort) ... aber wenn man auf die Geschichte klickt, dann schon.

/Edit: Jetzt steh natürlich ich drin als letzter Antworter, allerdings passt die Nummer nicht, denn laut Liste gibts zwei Antworten, es sind jetzt aber drei. :)

 

Hallo yours truly!

Also zu allererst einmal vielen vielen Dank für die sehr ausführliche Beschäftigen mit meiner Geschichte! Find ich wirklich toll, dass du die bei der Kritik so viel Zeit genommen hast! Davon lebt dieses Forum, finde ich, also nochmal vielen Dank!

Ich habe die kleineren Anmerkungen alle übernommen, und auch versucht, das Vorwärtserzählen besser umzusetzen. Um die Szenen durcheinanderzuwürfeln und einen Umbruch zu erzeugen - was ich eine gute Idee finde - brauche ich noch ein bisschen mehr Zeit, ich hoffe du verstehst das - ich will ja nicht wild drin rum murksen. Aber ich denke dass du Recht hast, ein Umbruch wird der Geschichte gut tun.

Falls du nochmal die Geduld aufbringst, die Geschichte in der jetzigen Fassung zu lesen, dann freue ich mich natürlich arg!

viele Grüße,

ardandwen

 

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