XXL Frighterrace 2441
An Bord eines Raumschiffes wandelten zwei Gestalten mit Taschenlampen umher. Eine der beiden Personen legte den Hauptenergieschalter um. Das Notlicht ging an.
„Wenn sie das Schiff unbedingt haben wollen können sie es bekommen.“
„Sicher möchte ich es.“
Die Maklerin übergab Neerayh einen stoß Papiere.
„Hier sind die nötigen Papiere zur Eigentumsübernahme, der Entseuchungsantrag, der Antrag auf Unterlichtzulassung, ein Liegeplatzkatalog, der dazugehörige Antrag zum einlaufen in die Ringstation, Liegeplatzzuteilungsantrag, Treibstoffcheckliste, Stabilitätsprüfungsantrag, Versiegelungsantrag und die Schiffscodekarte. Unterschreiben sie hier den Erhalt der Unterlagen.“
Die junge Weganerin unterschrieb das Übergabeprotokoll.
„Und nun die Vorläufige Zulassung, bis das Schiff ... was auch immer. Ich glaube der Bürokratische Aufwand ist verschwindend gering gegen die Aufarbeitung dieses Wracks.“
„Wenn sie das sagen.“
„Nun, ich wünsche dennoch viel Erfolg.“
Die Maklerin geht den Ausgewiesenen Gang zur Dockschleuse. Neerayh sichert durch einen Bolzen den Hauptschalter und geht dann zur Brücke. Die Geräte sind mit Planen abgedeckt. Nachdem sie diese entfernt hatte begann sie die Brücke in Betrieb zu nehmen. Der Computer fuhr langsam und nur widerwillig hoch. Einige Systeme stürzten ein paar mal ab, bevor sie stabil liefen. Nach einem Prüfenden Blick auf die Akkumulatorkontrolle legte sie eine ganze Batterie von Kippschaltern in Funktion. Im Sicherungsschrank in der Rückwand der Brücke sprangen ein paar Sicherungen heraus. Allerdings waren dies zur Zeit unwichtige, Stromfressende Systeme. Sie ging zum linken Pilotensitz, klopfte den Staub ab und setzte sich. Die Plombe am Maschinentelegraphen zu ihrer rechten brach sie ab und schaltete auf >>Manöverschub<<. Das zweihändige Steuerpult umschloß sie Kraftvoll und trat das Beschleunigerpedal voll durch. Das Schiff kroch störrisch und äußerst langsam voran, obwohl alles stark vibrierte. Einige Verkleidungsplatten schwangen auf. Wie gern würde sie jetzt die Haupttriebwerke zuschalten. Sie liebte es Technik und Maschinelle Kraft zu fühlen. Doch leider war ihr das Schiff ohne Atomzünder übergeben worden. Mal ganz abgesehen davon was bei diesen Uralt-Reaktoren hätte passieren können. Jetzt, da der Computer endlich komplett hochgefahren war schaltete sie den Autopiloten ein. Dieser verringerte sofort die Geschwindigkeit, so daß alle Anzeigen aus dem roten Bereich herauskamen. Sie machte es sich im Sitz bequem und studierte über das Display das Logbuch. Vier Stunden später war sie in Sichtweite der Erdumspannenden Ringstation, welche sich als dünner Ring auf diese Entfernung darstellte. Die Lektüre des Logbuches ergab fünf komplette Maschinenausfälle, eine Explosion im Lebenserhaltungssystem, 36 Hüllenbrüche, neun mal Strahlungsnotalarm und ungezählte weitere Störfälle. Anscheinend war das Schiff eine Zeit lang als Versuchsfahrzeug des Astronautischen Amtes genutzt worden oder war einfach nur zu alt.
Der Selektivruf der Schiffskomunikation gab ein nerviges Gesumme von sich. Neerayh kramte die vorläufige Zulassung hervor und schaltete den Funk ein. Die darauf geschriebene Nummer las sie ab.
„Tango Charly 67001 hört?“
„Wo hast du denn dieses Wrack her?“
„Vom Schiffsfriedhof.“
„So sieht es auch aus. Du darfst an Port Alpha 99 parken.“
„So weit weg?“
„Ja, du siehst mir heute einfach zu strahlend aus.“
„Danke, na dann gib mir mal einen Leitstrahl.“
„Kommt sofort, bis dann.“
Neerayh eilte zum Maschinentelegraphen und stellte ihn auf >>Gesteuert<<. Über den Funk war zu hören, daß der Anflugkorridor freigehalten werden soll.
„Hast du wirklich damit vor beim XXLFR mitzumachen?“
„Sicher.“
„Dann brauchst du sicher eine Crew“
„Ich nehme das Angebot an.“
„Ich wußte das, und habe etwas vorbereitet.“
Tomcat holte seine Werkzeugkiste hervor, die zuvor unsichtbar für Neerayh auf seiner Seite neben der Luke stand.
„Willkommen an Bord.“
„Die anderen kommen nachher noch.“
Nur eine Stunde später war auf dem Schiff zum ersten mal seit Jahren wieder geschäftiges Treiben. Die Inspekteure waren ebenfalls schon da – durch Beziehungen, wie das eben so üblich war. Und Zwei Stunden später hatte Neerayh die Liste in der Hand, welche die größen Mängel aufführte.
„Haarrisse an den Hauptstreben, Hydraulikdefekt der Reaktorregelstäbe und mehrere ausgebrannte Computerbänke. Na das ist schon mal nicht Schlecht. Besser als ich erwartet habe.“
„Die Risse und die Hydraulik kriegen wir hin, aber für den Computer wird es wohl keine Ersatzteile mehr geben.“
„Da müssen wir das System abspecken. Hast du eigentlich eine Idee wo wir einen Zündkopf herkriegen?“
„Nein, keine. Aber wir könnten den verbliebenen Reaktor im Dock zünden ... über die Stationsversorgung.“
„Dann darf er aber auch nicht wieder ausgehen.“
„Na das dürfte funktionieren.“
Neerayh spielte an den Schaltern der Reaktorkontrolle.
„Wenn die überhaupt noch laufen.“
„Du hast Recht. Ich habe noch nie ein so Notdürftig geflicktes Schiff gesehen. Die Transformatorwicklung ist mit einem Magnetstiefel geflickt worden.“
Wochen vergingen. War das Schiff an einer Stelle in stand gesetzt löste sich ein anderer Teil gerade auf und der Termin für das Frachterrennen rückte näher. Doch schließlich stand das Schiff Abflugbereit an der Startlinie am Rande des Asteroidengürtels.
„Ladies and Gentlemen! Please Start your Engines. Es sind nur noch wenige Sekunden bis zum Start.“
Neerayh drehte die Reaktorleistung voll auf. Erstaunlich, daß seine Werte zwar knapp, aber noch unter der Sicherheitslinie blieben. Das Startsignal ertönte und wiedereinmal konnte Neerayh es genießen das Beschleunigerpedal voll durchzutreten. Wie aber erwartet zogen alle anderen Schiffe schon vorbei. Das sagte allerdings noch nichts aus, da der Großteil der Strecke durch Fly-By-Manöver absolviert werden mußte. Das heißt, die Gravitationskräfte der Asteroiden nutzen.
Neerayh steuerte auf den größten Klumpen, direkt voraus, zu.
„Unsere Geschwindigkeit erhöht sich.“
„Großartig.“
„450.000.“
„Bis 500.000 geh ich mit.“
Der Asteroid wurde sehr schnell größer.
„Das wird zu dicht!“
„Geschwindigkeit?“
„480.000“
Neerayh riß das Steuer zu sich heran und das Schiff zog in einer perfekten Rückenkurve am Asteroiden und an einem anderen Schiff gefährlich nahe vorbei. Das ächzen des alten Stahls war nicht zu überhören.
„Austrittsgeschwindigkeit?“
„505.000“
„Fast perfekt.“
„Wir sind auch nicht mehr letzter.“
„Halten deine Nerven das nächste Manöver auch aus?“
An einem kleinen Brocken vorbei setzte sie das Schiff in den Antriebsschatten eines sehr viel größeren Schiffes. Sie wartete den richtigen Moment ab um aus dem Schatten heraus auf eine Asteroidengruppe zu zielen. Dummerweise hatte jemand anderes die selbe Idee und befand sich bereits mitten darin.
„Was macht der denn da? Dann eben anderes.“
Sie ließ das Schiff durch den Antriebsschatten tauchen und um ein paar Asteroiden fliegen. Gekonnt drückte sie sich an dem Konkurrenten vorbei und brach mit dem Schiffsbauch einem der Asteroiden eine Zacke ab.
„Das war eindeutig zu dicht.“
„Ich habe es gemerkt!“
Über das Schiffsintercom meldete sich der Chefingenieur.
„Hey Neerayh, der Verdichter ist schon am kochen. Schüttle uns mal nicht so durch hier.“
„Ein paar mal muß es noch sein. Wir sind doch schon Sechzehnter.“
„Ein bißchen Vorsicht sonst sind wir Sechzehn Millionen Einzelteile.“
Tomcat trat von seinem Kontrollpult näher zu Neerayh heran.
„Wie hast du dir das vorgestellt? Das Schiff durch jeden Antriebsschatten gleiten lassen bis wir den ersten überholen?“
„So ungefähr. Wenn wir am letzten Checkpoint noch tiefer zu Ceres heruntergehen als was der Sicherheitsstandard ist, müßten wir geradewegs und ohne zusätzliche Kurskorrektur durchs Ziel schießen.“
„Wieviel tiefer?“
„Auf 50 Meter.“
„Wenn mir die Sache zu heiß wird schalte ich die Automatik ein.“
„He, ich bin solche Manöver gewohnt und darauf trainiert.“
„Wir nähern und Ceres.“
„Triebwerke in Leerlauf.“
Das Schiff näherte sich mit rasender Geschwindigkeit dem größten Asteroiden des Sol-Systems. Es sah so aus als würde es zwangsläufig kollidieren.
„80 Meter.“
„60 Meter.“
Neerayh ließ die Triebwerke aufheulen, als wollten diese aus dem Gehäuse brechen. Mit einem großen Satz verließ das Schiff den Gravitationsbereich von Ceres. Als Neerayh zu schmunzeln begann fiel das Licht aus und das Maschinengeräusch nahm an Lautstärke ab.
„Jackson, was ist los bei euch da unten?“
„Du hast den Reaktor abgewürgt. Hätte nicht gedacht, daß je jemand eine 14 Giga Sicherung rausspringen läßt.“
„Na nun freut euch doch, wir sind Neunter.“
© 7-12/2001
[Beitrag editiert von: Psylocke am 03.01.2002 um 11:04]