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Xc20
v4.0
Berghoff erwiderte das Feuer und warf sich in Deckung. „Wo bleiben diese verdammten XC20?“, schrie er, um sich dann erneut über die Brüstung ihres Verstecks zu lehnen und eine Salve abzufeuern.
„Die kommen schon“, beruhigte ihn Rembrannt.
„Na hoffentlich. Ich will zum Abendessen wieder an Bord sein“, sagte Berghoff und streckte Rembrannt seine Hand entgegen, damit dieser einschlagen konnte. Berghoff schoss weiter. „Ich bin ein verdammter Held!“
„Achtung!“ Rembrannt stieß Berghoff zur Seite und schoss über ihn hinweg auf einen Angreifer, der es zu ihnen auf die Dachterrasse geschafft hatte. Berghoff starrte auf den Toten, begriff, wie knapp er gerade mit dem Leben davongekommen war, nickte Rembrannt zu und begann wieder damit, die Straßen unter ihnen zu beobachten.
Rembrannt ging neben Berghoff in Deckung. „Jetzt beginnt die Show.“ Gespannt blickten sie über die Brüstung auf die staubige Ortschaft mit ihren vier, fünf Häusern. Zwei riesenhafte, dunkle Silhouetten zeichneten sich am Ende der Hauptstraße ab. Auf ihren Panzerketten fuhren sie durch die Ortschaft, feuerten in alle Richtungen und eliminierten sämtliche feindlichen Kämpfer, die sie entdecken konnten. Die XC20 waren gekommen.
Die Kampfmaschinen arbeiteten sich durch die Stadt, von Haus zu Haus, öffneten Türen und drangen in die Gebäude ein, um ihr Werk fortzusetzen. Als Berghoff merkte, dass sie dabei über ihr eigentliches Ziel hinaus schossen, rief er: „Verdammt! Die knallen Frauen und Kinder ab!“
„Hat Klain mal wieder die Freund-/Feinderkennung nicht richtig hingekriegt“, sagte Rembrannt. „Ich rufe die Einsatzleitung, damit sie die Dinger zurückpfeifen. Moment.“
Einige Augenblicke später kam das Rückzugssignal. Der Großteil der gegnerischen Kombattanten war eliminiert worden und die XC20 wurden abgezogen.
Berghoff packte seine Sachen zusammen. „Unsere mechanischen Freunde haben mal wieder ganze Arbeit geleistet. Effizient, aber dumm.“
„Du hast keine Ahnung“, konterte Rembrannt. „Die Dinger können auch ganz anders. Die sind intelligent und verfügen über ziemlich perfide Kampftaktiken. Glaub mir das.“
Zurück an Bord traf sich das Team zum Abendessen in der kleinen Kantine des Raumschiffs, eine entspannende Routine nach ihren Kampfeinsätzen. Berghoff balancierte sein Tablett auf einer Hand, während er den Raum erfasste, entdeckte Rembrannt an einem der langen Edelstahltische und setzte sich ihm gegenüber.
„Ich habe mich für vorhin noch gar nicht bedankt.“
„Kein Ding“, gab Rembrannt zurück. „Du würdest das Gleiche für mich tun.“
Berghoff kaute auf seiner Mahlzeit herum. „Da hast du Recht.“ Er biss in sein Brot, kaute, schluckte, wartete, bis er Augenkontakt mit Rembrannt hatte. „Hör mal“, sagte er schließlich mit fester Stimme, „wo immer du bist, ich werde für dich da sein. Wenn es sein muss, werde ich mein Leben für dich geben.“
Rembrannt legte eine Hand auf Berghoffs Schulter. „Ich für dich. Du für mich."
„Ich für dich. Du für mich“, erwiderte dieser den Schwur.
Beide lachten. Derartige Schwüre wurden häufig geleistet, beinahe inflationär, und dienten dazu, die Einheit zusammenzuschweißen. Sie machten den Männern Mut ob der aussichtslosen Situationen, in die sie manchmal gerieten.
Dann aßen sie weiter und unterhielten sich über Belanglosigkeiten des Bordalltags.
Die Einheit bestand aus kampferprobten Soldaten, die bereits seit Monaten gemeinsam im Einsatz waren. Man achtete sich gegenseitig, denn jeder wusste, wie wertvoll der andere im Gefecht war.
Bis auf Klain. Eigentlich gehörte Klain gar nicht zur Einheit, sondern war ein Anhängsel, das sich um technische Wartung kümmerte, und kein für den Kampf trainierter Soldat. Aus diesem Grund, und wegen seiner geringen Körpergröße, war ihm der Spott der Einheit jederzeit gewiss.
„Hey, Klain“, rief einer der Soldaten, als er den schmächtigen Mann in der Kantine entdeckte, „das war ja eine Meisterleistung heute mit der Freund-/Feinderkennung. Vielleicht solltest du doch noch einmal das Handbuch lesen.“ Die Kantine quittierte die Bemerkung mit Gelächter. Einer schlug Klain auf die Schulter und meinte „Du bist mir schon so ein Mechaniker.“
Klain hatte während seiner Zeit an Bord gelernt, auf solche Anfeindungen nicht einzugehen, nahm sein Essen von der Ausgabe und verschwand aus der Kantine. Er hatte dem massierten Spott der Soldaten nichts entgegenzusetzen.
Er aß seine Mahlzeit im Wartungsraum der XC20, in dem es immer etwas kühler war als im Rest des Schiffs. Aber das nahm Klain gerne in Kauf, denn hier ließ man ihn in Ruhe.
Die schnippischen Kommentare der Soldaten ärgerten ihn. Sie nannten ihn stets Mechaniker, obwohl er den Titel eines Ingenieurs trug und seine Aufgabe viel weitreichender war, denn ihm oblag die einsatzspezifische Programmierung der XC20. Die abschätzige Behandlung durch die Soldaten war eine Belastung, die ihn immer häufiger in Rachefantasien hatte flüchten lassen. Insgeheim stellte er sich vor, wie er, bewaffnet mit zwei Sturmgewehren, lässig links und rechts aus der Hüfte schießend, durch die Gänge des Schiffes marodieren und sie alle seine Verachtung spüren lassen würde. Aber er war kein Mörder. Er würde seine Rache darauf beschränken, den Soldaten einen Schreck einzujagen.
Vor Wochen bereits hatte er seinen Abschied eingereicht und heute war sein letzter Abend an Bord. Viele Konsequenzen hatte er nicht zu fürchten und so beschloss er, die XC20 in den Demo-Modus zu versetzen, mit dem man ihre Fähigkeiten demonstrieren konnte, ohne dass sie tatsächlich töteten. Er wollte eine Säuberungsaktion programmieren, die XC20 dabei mit erhobenen Waffen und rot glühenden Augen durch das Schiff fahren und jeden Soldaten einzeln anvisieren lassen, bevor sie sich dem nächsten widmen würden. Klain freute sich diebisch, als er sich die erschrockenen Gesichter seiner Peiniger vorstellte, die im ersten Moment nicht verstehen würden, was los war. Vielleicht würden einige sogar panisch in Deckung springen.
Er betrachte die Kampfmaschinen. Ihre massive, bullige Gestalt mit der umfangreichen Bewaffnung hatte ihn stets beeindruckt. Über den breiten Kettenantrieben ragten die in Schwarzmetallic lackierten Maschinen zweieinhalb Meter nach oben, waren eineinhalb Meter breit und einen Meter tief. Ihre beidseitig installierten Maschinengewehre wirkten wie Arme. Überhaupt hatten die Entwickler den XC20 ein Erscheinungsbild gegeben, das entfernt einem Menschen ähnelte. Unterstrichen wurde dies durch zwei nebeneinanderliegende, rot glühende, schlitzförmige Kameras an ihrem oberen, kuppelförmigen Ende, das dadurch wie ein Gesicht mit zwei Augen aussah.
An Bord verbrachten die Maschinen ihre Zeit stets deaktiviert in ihren Ladestationen. Klain war sich sicher, dass der bloße Anblick der mit aktiven Waffensystemen durch die Gänge fahrenden XC20 für Panik sorgen würde. Aktiviert symbolisierten sie den Tod und auch auf dem Schlachtfeld hielt man sich besser von ihnen fern.
Nachdem er mit der grundlegenden Programmierung fertig war, schützte er das System mit einem Zugangscode, damit ihm niemand den Spaß durch Drücken der Abbruchtaste an der Kontrollkonsole verderben konnte. Dazu musste er die Sicherheitsprotokolle deaktivieren, was ihm nach einigen Eingriffen in die tieferen Schichten der Steuerungssoftware auch gelang.
Schließlich schwebte sein Finger über der roten Startschaltfläche auf dem Touch-Display. Er überlegte, ob er die Einstellungen noch einmal prüfen sollte, entschied sich aber dagegen. Er wollte den Spott der Soldaten nicht dadurch bestätigen, dass er jetzt tatsächlich noch einmal das Handbuch las. Er wusste was er tat, schließlich war er geschulter Wartungsingenieur.
Einen Moment lang dachte er noch einmal darüber nach, ob er es wirklich tun wollte, und versicherte sich erneut, dass er nichts zu befürchten hatte. Was sollten sie schon tun? Kündigen konnten sie ihm nicht mehr. Und letztendlich konnte er die Aktion als Fehlfunktion deklarieren. Die Untersuchung würde Wochen dauern, und er wäre dann schon Zivilist.
Seine Hand zitterte. Er atmete langsam ein und aus. Dann, in einer entschiedenen Bewegung, ging seine Hand nach unten. Er drückte den Schalter zur Aktivierung der XC20 — und war im nächsten Moment tot.
Berghoff saß in der Kantine, nachdem die anderen bereits zu Bett gegangen waren. Er nippte an seinem Bier und ließ den Tag Revue passieren, dachte an den Schwur, den er geleistet hatte. Insgeheim war Berghoff froh, dass er noch nie in eine Situation gekommen war, in der er wirklich sein Leben für jemanden hätte geben müssen. Aber er sagte sich, dass er es tun würde, sollte es je nötig sein. Vor allem für Rembrannt, der ihn heute gerettet hatte. Sie waren von Anfang an auf der gleichen Wellenlänge gelegen, echte Freunde. Und nun schuldete er ihm sein Leben. Das verband.
Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als sein Kopf in Richtung Eingang ruckte, um dort einen blutenden Soldaten zu sehen, der vor seinen Augen zusammenbrach. Er stürzte zu ihm und erkannte, dass dem Mann ein Stahlbolzen in der Brust steckte, auf dessen Ende das sechseckige XC20-Symbol prangte.
Entsetzt wollte Berghoff medizinische Hilfe anfordern, als er einen weiteren Soldaten den Gang hinunter Richtung Kantine rennen sah. Hinter ihm schob sich die riesige Gestalt eines XC20 um die Ecke und der Mann brach unvermittelt zusammen, ohne dass ein Schuss zu hören gewesen wäre.
Berghoffs Training setzte ein und er verließ augenblicklich die Kantine, in der er sonst in der Falle gesessen hätte. ‚Zum Waffenlager!‘, dachte er, rannte los und hielt sich dabei links, weg von dem XC20, der sich schnell näherte. Im Waffenlager griff er sich ein Sturmgewehr und rannte weiter durch das Schiff, bis er sich sicher war, dass der Roboter ihm nicht mehr folgte. Er verschnaufte in einer der in regelmäßigen Abständen vorhandenen Nischen.
Was nun? Er brauchte Befehle. An der Wand befand sich eine Sprechanlage, auf die er einen Schritt zu machte, um den Rufknopf zu drücken. „Brücke?“, fragte er und ließ den Knopf wieder los. Keine Antwort. „Brücke?“, wiederholte er, diesmal eindringlicher. Weiterhin keine Antwort.
Ohne Kommunikation keine Befehle. Er musste selbst entscheiden und dachte nach, was er als nächstes tun sollte. Klain! Ihm fiel Klain ein, der die Maschinen programmierte. In dessen Arbeitsraum befand sich die Kontrollkonsole der XC20, mit der man diese steuern konnte. Dort musste er hin.
Berghoff bewegte sich vorsichtig durch die kahlen Gänge, bis er in der Nähe des Wartungsraums war. Er streckte den Kopf vor und spähte nach rechts um die Ecke — nur um ihn sofort wieder zurückzuziehen. Ein XC20 fuhr den Gang entlang, direkt auf ihn zu. Entweder war das der, den er bereits gesehen hatte, oder der zweite Kampfroboter lief ebenfalls Amok. Es gab sonst keinen Grund, warum er nicht in seiner Ladestation stehen sollte.
Berghoff verwarf den Gedanken, die Kampfmaschine mit seinem Sturmgewehr anzugreifen, denn gegen einen XC20 mit seiner Kompositpanzerung halfen keine Sturmgewehre, nur schwere Artillerie — innerhalb eines Raumschiffs ein Ding der Unmöglichkeit.
Plötzlich erklangen vom anderen Ende des Ganges her Schüsse. Eine Gruppe von Soldaten beschoss den XC20 und zog sich zurück, als sie erkannten, dass ihr Angriff nutzlos war. Der Roboter machte kehrt, verfolgte sie und gab so den Weg zum Wartungsraum frei. Berghoff huschte hinein.
Hinter dem Schreibtisch lag Klain, tot, ein Stahlbolzen in seiner Stirn. Die Situation wurde immer verworrener. Klain hatte Kontrolle über die XC20, warum hatten sie ihn getötet? Ein erweiterter Suizid? So hatte er Klain nicht eingeschätzt.
Auf dem Schreibtisch entdeckte er die Kontrollkonsole und warf einen Blick auf das Display, das die aktuelle Programmierung zeigte. Dort standen die Einträge „Säuberungsaktion“, „Deaktivierte Freunderkennung“, „Deaktivierte Sicherheitsprotokolle“, „Lautlos-Modus“ und „Demo-Modus“. Neben jedem Eintrag befand sich ein grünes, sechseckiges Symbol mit einem Haken in der Mitte, das dessen Aktivierung bestätigte. Außer bei „Demo-Modus“. Dort war kein grüner Haken verzeichnet, sondern ein rotes X und, in sehr kleiner Schrift, der Text „Demo-Modus nicht möglich (deaktivierte Sicherheitsprotokolle)“. Klain musste bei der Programmierung einer Kampfsimulation einen Fehler gemacht haben. Soviel war Berghoff klar. Aber er fragte sich, wie Klain so etwas passieren konnte.
Er verdrängte den Gedanken, denn er war im Moment unwichtig. Wichtig war, diesen Wahnsinn zu beenden. Er drückte das Abbruch-Symbol am unteren Ende des Displays. Daraufhin wurde ein Fenster angezeigt, eine Code-Abfrage mit dem Titel „Klains magischer Code“. Er blickte auf die Leiche des Ingenieurs, dachte ‚Idiot!‘ und probierte gängige Codes wie „0000“ und „1234“, aber keiner wurde akzeptiert. Wann hatte Klain nochmal Geburtstag? Er wusste es nicht. Nervosität breitete sich aus. Er hatte keine Chance, den Code in kurzer Zeit zu erraten. Dafür konnten die XC20 jeden Moment wieder auftauchen. Um nicht in der Falle zu sitzen, musste er in Bewegung bleiben und beschloss, sich in Richtung Bug aufzumachen. Wenn es wirklich nicht gelänge, die XC20 zu deaktivieren, würde er mit einer der Rettungskapseln fliehen müssen. Er verließ den Wartungsraum und machte sich auf den Weg.
Da die XC20 im Lautlos-Modus waren, konnte er sich nicht darauf verlassen, sie bereits von Weitem zu hören. Sie würden nur ihre beinahe geräuschlosen Waffen einsetzen, luftdruckgetriebene Stahlbolzengeschütze, Wurfmesser und Bajonette. Hinter jedem Eck konnte eine der Maschinen stehen und auf ihn warten, Berghoff musste sehr vorsichtig sein. Er bewegte sich so leise wie möglich durch die Gänge, immer von Nische zu Nische, in der Hoffnung, dass die Kampfmaschinen ihn nicht hören oder sehen würden.
Es waren nur noch wenige Meter bis zum Raum mit den Rettungskapseln, als er jemand vor sich mehrmals schreien hörte. Er zögerte. Schreie waren ungewöhnlich, denn XC20 töteten schnell, ohne ihren Opfern Zeit zum Schreien zu geben. Berghoff schlich weiter die linke Seite des Gangs entlang bis zur letzten Nische, spähte um die Ecke und erblickte eine grauenhafte, unwirkliche Szenerie. Er zog seinen Kopf zurück und versuchte zu verarbeiten, was er gesehen hatte. Er verstand es nicht, konnte es nicht einordnen. Viel hatte er in seinem Soldatenleben bereits gesehen, aber noch nie so etwas. Er brauchte einige Sekunden, um sich zu sammeln. Schließlich riskierte er einen erneuten Blick.
Auf dem Boden lag Rembrannt, bewacht von einem XC20, der ihm ein überdimensional langes, blutverschmiertes Bajonett in den Oberschenkel drückte, es immer wieder herauszog, um es dann erneut in Rembrannts Bein zu stechen. Berghoff riss sich von dem grauenhaften Anblick los und drückte sich wieder in die Nische. Allmählich verstand er, dass er gerade Zeuge einer dieser perfiden Kampftaktiken wurde, die Rembrannt am Nachmittag erwähnt hatte. Der XC20 benutzte seinen Kameraden als Köder, um Berghoff — und wer immer sonst noch am Leben war — anzulocken.
Rembrannt schrie vor Schmerz, als das Bajonett erneut in seinen Oberschenkel eindrang. Berghoff wusste nicht, was er tun sollte. Vor ihm wurde der Mann gequält, dem er vor einer Stunde noch Kameradschaft bis zum Tod geschworen hatte. Er musste seine Deckung verlassen und die Maschine angreifen. Aber ein Angriff würde unweigerlich auf seinen Tod hinauslaufen, ohne Rembrannt dabei retten zu können.
Er verzweifelte an seiner Mutlosigkeit und feuerte sich an, endlich nach vorne zu stürmen, wie ein echter Mann zu handeln, den Tod nicht zu fürchten, seinen Schwur einzulösen. Aber seine Beine versagten ihm den Dienst, er war wie gelähmt. Berghoff kauerte sich in seine Nische, während Rembrannt weiter erbärmlich schrie.
Er entwickelte einen Plan. Erst wollte er den XC20 auf sich aufmerksam machen, dann wegrennen und den Roboter so herauslocken. Später würde er zurückkommen und seinen Kameraden holen. Doch in dem Moment, in dem er den Gedanken gefasst hatte, hörte er das leise mechanische Rattern eines Kettenantriebs. Er blickte nach hinten und sah den zweiten XC20 vom Heck aus den Gang herauf rollen, direkt auf seine Position zu. Sein Plan würde nicht mehr funktionieren.
Er spielte in Gedanken seine Optionen durch. Etwas weiter vor ihm befand sich eine Wand. Links von ihm waren Rembrannt und die Kampfmaschine. Von hinten kam der zweite Roboter auf ihn zu. Ihm blieb nur noch der Gang zu seiner Rechten, der direkt zu den Rettungskapseln führte. Von dort aus würde es nicht weiter gehen, der Raum hatte nur einen Ein- und Ausgang.
Sein Herz sagte ihm, dass er seinem Kameraden beistehen musste, aber sein Verstand sagte ihm, dass sein eigener Tod sinnlos war. Egal, was er tat, Rembrannt war verloren. Die Entscheidung zerriss ihn innerlich. Er musste an ihren Schwur denken. ‚Ich für dich. Du für mich.‘
Rembrannt schrie erneut. Es klang fürchterlich. Verzweifelt. Voller Angst, Schmerz und Hilflosigkeit. Der XC20 kam näher und würde Berghoff bald entdeckt haben. Berghoff musste jetzt handeln. Er schrie „Es tut mir leid!“, sprang aus der Nische und rannte in den Gang nach rechts. „Es tut mir so leid!“
Sofort begannen beide XC20 ihre Stahlbolzen auf ihn abzufeuern. Zu Berghoffs Glück machte der Gang einen Knick und bot ihm rasch Deckung. Hinter sich hörte er Rembrannt schreien. „Berghoff! Hilf mir! Berghoff!“
Er blieb stehen, zögerte, wollte zurück, sah aber den XC20 auf sich zukommen. Wieder schrie Rembrannt. Berghoff zwang sich weiter, rannte den Gang hinunter, erreichte die Rettungskapseln, sprang in die erste, schloss die Tür und schlug mit der flachen Hand auf den roten Startknopf.
„Es tut mir so leid.“
Er trieb in der winzigen Kapsel durch das All. Weitere hatte er nicht gesehen und nahm deshalb an, dass er der einzige Überlebende war. Es machte ihn fassungslos. Wie konnte das alles passieren? Es war so schnell gegangen.
Er war in Sicherheit, denn die XC20 konnten Vieles, aber kein Raumschiff steuern. Außerdem war dieser Teil des Weltraums hoch frequentiert, es war nur eine Frage der Zeit, bis sein Notsignal aufgefangen und er gerettet werden würde. Trotzdem war ihm elend. Er fühlte, dass er seine Rettung nicht verdient hatte, dass er ein Feigling war, der seinen Kameraden im Stich gelassen hatte. Er war davongerannt, anstatt sich wie ein Held zu verhalten. So hatte er sich selbst immer gesehen. Ein Held — der er anscheinend doch nicht war.
‚Ich für dich. Du für mich.‘ Er wollte hemmungslos weinen, aber es kamen nur wenige Tränen. Er hatte nie gelernt, hemmungslos zu weinen.