WunschTraumBegehrung
Rafael, so hieß der Junge, wollte eigentlich zur nächsten Wiese, um sich dort mit seinen Freunden zu treffen. Kurze Zeit davor öffnete er sein Paket, seine Mutter stand ungeduldig und mit einem Lächeln daneben. Seine Augen glühten, als er sein erstes Fußballtrikot in den Händen hielt. Bei seinen letzten Geburtstagen hatte er ein Buch bekommen, nun, mit zwölf Jahren, musste er beim Fußball mit Freunden nicht immer mit T-Shirt spielen. Auch wenn die Freude groß war guckte er seine Mutter fragend an, er wusste trotz seines jungen Alters, dass das Geld bei ihnen knapp war. „Mach dir darüber mal keine Sorgen, Rafael“, antwortete seine Mutter, obwohl er noch keine Frage gestellt hatte. Rafael rannte hinaus, stürmte voller Freude an jedem Haus vorbei. Doch an dem großen, weißen Palast, welchen er schon öfter bewunderte, blieb er stehen. Er sah eine ältere Frau alleine auf der Eingangstreppe sitzen, die Arme vor dem Körper verschränkt. Sie führte Selbstgespräche, doch worüber konnte Rafael nicht verstehen. Er betrachtete sie lange, sah ihr vollgeschminktes Gesicht, aber gleichzeitig auch ihre Unzufriedenheit. Sie schaute hinauf, sah Rafael auf der anderen Straßenseite stehen und blickte tief in seinen blauen Augen. In diesem überglücklichen Moment für ihn und verzweifelten Moment für sie blieb der Rest der Welt für beide stehen. Durch den vertrauten, interessierten aber auch angespannten Blick gingen beide aufeinander zu, obwohl die Entfernung zwischen ihnen gleich blieb. Sie bemerkte die heitere Stimmung, die der Junge ausstrahlte. In diesem Augenblick wünschte sie sich, der Junge würde sie verstehen. Sie träumte davon, sie würde so ein Leben führen wie der Junge. Sie begehrte alles, nur nicht das, was sie besaß. Derweil war sich Rafael nicht sicher, ob er weiterlaufen sollte. Die ältere Frau wirkte auf ihn niedergeschlagen und mutlos, er spürte den Drang, sie nicht alleine zu lassen. Aber trotzdem fragte Rafael sich, warum sie so traurig vor ihrem Palast saß. Wie oft hat er sich gewünscht, so viel Geld zu haben wie sie. Wie oft hat er geträumt, in so einem großen Palast zu wohnen. Er begehrte alles, denn er besaß nichts. Die Zeit verschwand in der Dunkelheit, Rafael beschloss trotz seiner Bedenken sich weiter Richtung Wiese aufzumachen. Er rannte los, sah die Frau, wie sie hastig aufsprang. Sie ging auf die Straße und schaute ihm hinterher. Sie gab die Hoffnung nicht auf, der Junge würde sich nochmal umdrehen oder ihr nochmal begegnen. Doch Rafael lief weiter, ohne sich nochmal umzudrehen. Aber er hoffte, dass die Frau ihm irgendwann nochmal begegnen würde.