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Wortkunst

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16.02.2012
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Wortkunst

Der glimme Sonnenball sank widerwillig
in den wühlenden Schlund der See
Die Riesin erhob sich noch einmal orange
schöpfte Atem und stemmte den Nacken
gegen die weiche Übermacht der Wolken
Tropfte fingrig dem Fischkutter zu
den nur eine winzige Meile
trennte vom rettenden Ufer
Man flehte um sein Leb
gab sich Got
Wilds

Irgend jemand hatte doch tatsächlich eine Ecke aus dem einzigen Exemplar des wohl wichtigsten Gedichtbands gerissen, den Sebald Schnetzger je verfasst hatte. Schnetzger schrieb altmodisch mit Feder und Tinte, und seine Werke erschienen ausschliesslich als Faksimile. Und nun, kurz nach seinem Tod, sollte das Werk „Geschnetzgertes“ herausgebracht werden, seine Erben reich und vor allem seinen Verleger noch reicher machen. 'Posthum' lief immer noch besser als alles andere.

Es war schon nach acht. Lehmkötter lief in seinem Büro auf und ab wie ein neurotischer Tiger in seinem Käfig, ließ sich von seinem Assistenten bereits die vierte Zigarre anzünden und fluchte unaufhörlich, während er mit seinem grobschlächtigen Leib die Rauchwolken zerteilte, die den Raum vernebelten.

„Was zum Henker machen wir nur? Kein Schwein ist auch nur annähernd so bekifft oder besoffen, eine solch verdammte Sülze abzuseihern wie Schnetzger. Ich bin am Ende!“

„Chef, es fehlt ja nur ein kleines Stück. Wir könnten...“

„Nichts können wir, Breuer, überhaupt nichts. Erinnern Sie sich denn nicht an den zweiten Band? Ganz sanft lektoriert haben wir, ganz sanft. Schnetzger war am Ende sogar einverstanden und hat alles nochmals kalligraphiert. Und? Die Meute hat uns den Stand auf der Buchmesse angezündet. Und dann dieses bescheuerte Faksimile. Gut, heutzutage billiger herzustellen als in den Anfangstagen, aber trotzdem sieht man jedes kleinste Pixel. Sie müssen sich schon etwas Besseres einfallen lassen. --- Ja, genau! Wofür bezahle ich Sie? Lassen SIE sich etwas einfallen!“

Breuer schluckte. Lehmkötter würde ihn rauswerfen, sollte er versagen. Das allerdings wäre die mildeste Form der Strafe - eher würde er ihn vernichten, zerquetschen, teeren, federn und so öffentlich ausstellen. Mit seinem Chef war nicht zu spaßen, das hatte er schon mehr als einmal miterlebt. Friede den armen Seelen. Genau so schlimm war, dass Lehmkötter Recht hatte. Nicht ein i-Punkt durfte von fremder Hand sein. Niemand hatte bisher ergründen können, was die Leute an Schnetzger fanden, und so würde die kleinste Fälschung unweigerlich in die Katastrophe führen.

Lateral denken! Breuer erinnerte sich an die letzte betriebliche Fortbildung. Ein gelackter Typ mit Goldkettchen hatte davon geredet, dass der direkte Weg fast nie zum Ziel führt und von jeder Menge anderem Blabla. Nach einer halben Stunde und achtzig Folien war Breuer eingeschlafen. Die Sache mit dem lateralen Denken aber war bei ihm hängen geblieben.

Er versuchte es: Was würde Jesus tun? Nach etwa zehn Minuten, in denen sein EEG aus schnurgeraden Linien bestand, versuchte er es anders: Was würde Schimanski tun? Ja, das war es! Breuer bestellte ein Taxi und ließ sich in die verrufenste Spelunke der Stadt fahren.

In der „Breitbeinigen Gazelle“ wimmelte es von Typen in Anzügen, die teurer aussahen als Breuers neuer Audi. Trotzdem fühlte er sich unangenehm overdressed. Das lag wohl an den ebenfalls anwesenden Damen, die sich aber nicht für ihn zu interessieren schienen. Nach vier Gläsern Whisky, die ihn ein halbes Monatsgehalt kosten würden, hatte er den Mut einen der zwielichtigen Herren anzusprechen. Der Mann schien überhaupt nicht aggressiv zu sein, sondern bestellte Getränke für sich und Breuer, hörte sich dessen Geschichte in Ruhe an, nickte zwischendurch einige Male verständnisvoll und nippte an seinem Bourbon. Dann erhob er sich, um ein paar Telefonate zu führen. Breuer blieb gespannt zurück.

Nach endlosen Minuten kam der Mann wieder, den Breuer nicht nach seinem Namen gefragt hatte. Jetzt war es dafür auch längst zu spät. Er lächelte Breuer an, legte ihm einen Arm um die Schultern und zog ihn in Richtung Ausgang. Niemand fragte nach der Rechnung. Zumindest eine Sorge weniger.

„Wir treffen jemanden, der dir helfen wird. Ist zwar nicht ganz mein Fachgebiet, aber ich kann dir auf jeden Fall versichern: Wenn du irgendwo, irgendwann den Mund aufmachst und über die Dinge plauderst, die du gleich mitbekommen wirst, wird man dich finden. Tot. Möchtest du lieber aussteigen?“

„Nnn..nein!“

„O.K., du gefällst mir.“

Man fuhr schweigend durch die Nacht, bis der Wagen über eine Kieseinfahrt knirschte und vor einem herrschaftlichen Jugendstilhaus stehen blieb. Breuer und sein Begleiter stiegen aus.

„Ich stell dich kurz vor, dann muss ich zurück. Das Geschäft, du verstehst.“

Der Mann betätigte einen altmodischen Türklopfer. Ein Dienstmädchen im schwarzen Kleid und passender Schürze öffnete. Der Mann sagte nur: „Herr Breuer wird erwartet!“ und verabschiedete sich.

Breuer ließ sich zum Salon führen. Er hatte erwartet, zwischen himmelhohen Bücherregalen in einem riesigen Sessel zu versinken, bis der Hausherr ihm seine Aufwartung machen würde. Stattdessen blendete ihn das Neonlicht eines Computerzentrums. Er blieb er an der Tür stehen und blinzelte in ein Gewirr blinkender Lämpchen und zuckender Monitore, die scheinbar wahllos auf kühlschrankgroßen Geräten herumstanden, von denen die meisten die Aufschrift 'IBM' trugen.

Nach ein paar Sekunden trat ihm ein pockennarbiger Mann entgegen, den Breuer auf Mitte fünfzig schätzte. Sein strohiges, langes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, ein fleckiges T-Shirt mit der Aufschrift 'Can you suck like Windows?' spannte sich hilflos über einen enormen Bierbauch, und die speckige Jeans ging fast unmerklich in schmutzige, nackte Füße über. Der Typ streckte ihm eine nikotinvergilbte Hand entgegen. Breuer griff unschlüssig zu.

„Komm mit durch, die Verträge liegen irgendwo da hinten. Ich bin übrigens Mike.“

„Also, ...Mike“, Breuer duzte ungern, „ich bin nicht sicher, ob Sie mir helfen...“

„Spar dir die Spucke. Rocky hat mich ins Bild gesetzt. Hier, unterschreib! Allerdings...“

„Ja?“

„Lyrik ist kompliziert, das werden dann zweitausend pro Seite...“

Breuer begriff schnell, was zu begreifen war, überschlug im Kopf die Kosten und kam zu dem Schluss, dass sich das Geschäft lohnen könnte. Für ihn selbst und auch für Lehmkötter.

„Wenn Sie, ich meine du, verzeihst, woher weiß ich denn, ob die, äh, Computertexte auch etwas taugen?“

„Hat dir Rocky nichts erzählt? Typisch, er ist und bleibt eine Krämerseele. Als ob jemals einer nicht unterschrieben hätte, den ich hier hineingelassen habe. Ich mach das jetzt, seit es Computer gibt - ich kann nur keine Presse dabei gebrauchen. Der Vertrag ist dann reine Formsache, sozusagen eine Gedächtnisstütze für die Kunden.“

Mike kicherte wie ein Schuljunge.

„Hier, schau mal, der nächste Harry Potter. Das wird der Knaller! Die Rowling hat zwar rumgezickt, aber das mit dem Aufhören hab' ich ihr schnell ausgeredet. Paragraf 6 oder so.“

Breuer las. Der Text schien authentisch, und er war gut! Von wegen Epilog und aus - jetzt ging es erst richtig los. Rons und Hermines Tochter stellte ihren Onkel schon im ersten Kapitel weit in den Schatten. Breuer löste sich nur ungern von dieser fesselnden Lektüre, als Mike weiter erklärte:

„Die zwei Maschinen da drüben arbeiten Tag und Nacht nur für die Pilchers. Von der Sorte stehen hier fast zwei Dutzend. Hinter dir laufen die Politikermemoiren, da reichen einfache PCs. Also, unterschreibst du? Ich denke, du willst doch wieder nach Hause?“

Breuer verstand den Blick, mit dem Mike seinen Worten jede Zweideutigkeit nahm, und fummelte einen Kugelschreiber aus seinem Jackett.

„Ich bin beeindruckt. Dennoch, wäre es möglich, dass ich vielleicht einen frischen Text, so zur Probe, ich meine...“

„Kein Problem. Was magst du denn selbst so? Oder, was kennst du am besten? Dan Brown? Guter Kunde! Schätzing? Sag was, ich hab sie alle unter Vertrag.“

Breuer überlegte kurz.

„Handke!“

Der Nerd grinste. Nach zwei Zigarettenlängen, die beide Männer schweigend damit zubrachten dem Blick des anderen auszuweichen, sirrte ein Drucker los. Breuer begann erst auf Seite 20 zu lesen, immer noch mißtrauisch.

„Das liest sich wie ein echter Handke, alle Achtung!“

„Ich glaube, du verstehst nicht ganz. Sie sind alle hier entstanden. Peter hat in seinem ganzen Leben noch keine Zeile verfasst. Der liest das Zeug lieber vor und macht damit eine Extramark. Euro, mein ich. Ich komm' selten raus.“

Wieder kicherte Mike.

Übertrieben theatralisch holte Breuer aus und signierte den Vertrag, ohne ihn zu lesen. Welchen Unterschied hätte das auch machen sollen? Mit den Worten „Have Fun!“ verabschiedete Mike ihn in die Dunkelheit.

Breuer fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Erst gegen Mittag kam er in den Verlag. Bevor er den Mund aufmachen konnte überfiel ihn Lehmkötter, tanzte mit ihm durch das Vorzimmer seines Büros und küsste ihn auf die Stirn.

„Wir sind gerettet! Das fehlende Stück ist aufgetaucht, alles wird gut, Breuer! Die Putzfrau - ich hab sie auch gleich gefeuert - sie hat heute Morgen gebeichtet. Ich habe ein Femegericht durchgeführt, ich hätte auch gefoltert und alles, ich bin so glücklich!“

Breuer verschwamm es vor den Augen. Nun würde er wohl das Haus seiner Großmutter verkaufen müssen, um Mike zu bezahlen. Mit dem Mut des Verzweifelten sprach er Lehmkötter an:

„Chef, ich hab mich auch umgetan. Es sind Spesen angefallen, ich...“

„Breuer, Sie kennen mich doch lange genug. Ich vertraue Ihnen. Wenn Sie es für nötig hielten, dann tue ich es auch. Also, wieviel?“

„150...tausend“. Lehmkötter schluckte, sah aber merkwürdigerweise eher interessiert als wütend aus.

„Ich kann alles erklären, aber ich darf es nicht. Mein Leben hängt davon ab...“

„Nun beruhigen Sie sich erst einmal, alter Freund.“

Lehmkötter ging zur Bar und schüttete beiden einen Drink ein. Er hielt Breuer ein Glas hin und sagte in ruhigem Ton:

„Ich wollte eigentlich nicht darüber reden, Sie verstehen, aber mit Schnetzgers letztem Buch „Sengende Brache“ haben wir fünf Millionen gemacht. Und heute ist mein Glückstag, das neue bringt mindestens das Dreifache. Vergessen Sie die Sache einfach.“

Breuer leerte sein Glas in einem Zug. Ihm war in diesem Augenblick erst richtig klar geworden, welche Bürde er für den Rest seines Lebens tragen würde, vielhundertmal schwerer als die eines Beichtvaters. Lesen würde ihm auch keinen Spaß mehr machen. Seine Gehaltsabrechnung vielleicht, sicher war er sich aber nicht.

 
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Hallo veermouth und herzlich willkommen bei kg.de.

Die Grundidee Deiner Geschichte ist interessant, wenn auch nicht ganz neu. Gerade computergenerierte Lyrik ist doch schon laenger ein Thema (deshalb verstehe ich auch nicht ganz, warum diese Gattung am schwierigsten herzustellen sein soll). Es gibt diese Shakespeare-Affenhorde. Und anscheinend benutzen einige dieser Vielschreib-Bestsellerautoren auch irgendwelche Schreibprogramme. Hab zwar nie ganz verstanden, wie die funktionieren, aber ich denke mal, da geht es vor allem um bestimmte Plot-Strukturen.
Also aus dem Thema koennte man schon eine sehr schoene Satire machen. Es ist ja auch so, dass man bei vielen Autoren das Gefuehl hat, wenn die einmal die Erfolgsformel gefunden haben, wenden sie die ziemlich mechanisch immer wieder an.
Deinem Erzaehlstil konnte ich gut folgen, der zieht schon rein. Es gab keine besonderen Glanzpunkte, aber das braucht es auch nicht unbedingt, wenn man eher plotorientiert erzaehlt.
Allerdings verschenkst Du das meiste Satire-Potential, indem Du an der entscheidenden Stelle zu oberflaechlich bleibst. Du nennst einige Autorennnamen, die man allerdings durch beliebige andere Autorennamen ersetzen koennte, weil Du gar nicht darauf eingehst, was den Stil dieser Autoren spezifisch macht. Woran erkennt er, dass er Handke liest? Woran, dass es der naechste Rowling ist (mal abgesehen von den Protagonistennamen)? Wie muss man einen Computer programmieren, damit er eine Politikerbiographie und keinen Rosamunde-Pilcher Roman ausspuckt? Sich das auszudenken, sich die Muehe zu machen, die Autoren, die man erwaehnt, auf Stilalogrithmen zu abstrahieren, waere hier die intellektuelle und literarische Herausforderung gewesen. Da liegt auch das Satirepotential. Ich seh ein, dass das ne Menge Arbeit erfordern wuerde, aber ohne diese Arbeit bleibt der Text leider abstrakt und flach.
Da ich mich mit Computern nicht gut auskenne, und die Programmierung nicht gut beschreiben koennte, wuerde ich auch immer eine Art Hoellenmaschine zur Literaturgenerierung vorziehen (diese pragmatische Wahl wuede allerdings auch ein anderes Literaturbild erzeugen). Da kann man die jeweils benoetigten Zutaten einfach oben rein fuellen. Welche waeren das bei Rowling, welche bei Schaetzing?

Ja, wenn das gelaenge, waere es eine grossartige Geschichte. Aber Du versuchst es ja nicht mal, deshalb finde ich die Geschichte insgesamt enttaeuschend.

lg,
fiz

 

Hallo veermouth,

herrliche Satire!

Zunächst erstmal herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de!

Deine Satire hat mir gut gefallen.

Dir ist eine muntere Satire gelungen, die sich gut runterliest und die bis zur Mitte der Handlung auch Spannungsaufbau hat.

Ein paar Mängelchen habe ich trotzdem, die beschreibe ich allerdings nicht, um mein soeben geschriebenes Lob zu zersägen, sondern deswegen, falls du an der Geschichte noch arbeiten möchtest, um sie besser zu machen.

Der Mike ist mir ein wenig zu blass. Du fängst gut an mit der optischen Beschreibung des Typen, aber dann finde ich im Dialog zwischen ihm und Breuer null charakterliche Unterschiede.
Ich weiß, dass ist nicht einfach, so gute Dialoge zu schreiben, dass man sogar den Charakter einer Person nur durch das, was sie sagt, erkennt, aber es wäre ja vielleicht eine Herausforderung für dich, es zu versuchen.

An manchen Stellen fand ich die Dialoge auch nicht knapp genug bei Mike.

Klar, das Problem bei Dialogen ist, dass man versucht, möglichst viel hinein zu packen, um nicht nebenher noch die Geschichte ausserhalb des Dialogs vorantreiben zu müssen. Und hier rächt es sich, dass du die Figur des Mike nicht richtig bis zu Ende ausgedacht hast.
Ist er nun eigentlich so ein Computerfreak, der wortkarg, menschenscheu und weltfremd daherkommt? Oder ist er derjenige, den man nur ein bisschen antippen muss und dann hört er gar nicht mehr auf zu sabbeln? :D

Was ist er? Verklemmt? Fachidiotisch? Größenwahnsinnig? Realist? Ignorant?

Das Problem ist, dass man innerhalb einer Kurzgeschichte nicht den Platz hat, die Figuren dem Leser langsam und immer intensiver zu präsentieren.
Man muss also fast die Quadratur des Kreises versuchen, um in Kürze genügend Tiefenschärfe des Charakters reinzubringen. Wenn du das ausschließlich über die Dialoge schaffen möchtest, ist das eine Riesenaufgabe.
In der Geschwindigkeit, in der eine Geschichte abläuft, ist nicht viel Zeit für breit Angelegtes, man ist also auf Holzschnittartiges angewiesen, dass aber nicht grobklotzig oder klischeehaft wirken darf. Die Quadratur des Kreises eben.... ;)

Wie wäre es mit einerseits noch geschliffeneren Dialogen zwischen den beiden, andererseits noch zusätzlichen Informationen über den Mike, die auf seinen Charakter hinweisen?
Es könnten z.B. überall halbgefüllte Kaffeepappbecher rumstehen, mit Kippen überlaufende Aschenbecher, verschmierte Tastaturen, naja das sind zwar alles Klischees und nicht besonders gelungene Beispiele, aber es soll auch nur zur Verdeutlichung sein. Wie wärs mit Marotten?

Ich habe gelernt und gestehe, dass ich auch oft genug dabei schlampe, dass man auch in einer Kurzgeschichte, ein sehr genaues Bild von seinen Personen haben sollte. Wie sehen sie aus, was treibt sie im Innersten an, wie reden sie, was für Vorlieben haben sie, welche Abneigungen, welche wunden Punkte und so weiter. Von all diesen Dingen wird meist kaum etwas direkt in einer Geschichte stehen, aber alles wird runder, logischer, glaubwürdiger, wenn man diese Vorarbeit für jeden einzelnen Typen, den man in einer Geschichte agieren lässt, getan hat. Und man ist dann auch in den Dialogen treffsicherer.

Fazit: Ich bin von deiner Geschichte sehr angetan, eine ansprechende Satire. Weiter so!

Lieben Gruß

lakita

 
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Erst einmal vielen Dank für die freundliche Aufnahme, vor allem aber für die Mühe, die ihr euch mit meinem Text gegeben habt. Das ist anders und wertvoller als das, was ich erwartet habe!

Ihr hättet mir Fehler in Rechtschreibung und Zeichensetzung um die Ohren hauen können. Ich habe so lange daran herumgefeilt, dass ich zum Schluss meinen eigenen Namen nicht mehr richtig hätte schreiben können.

Beunruhigend ist für mich, dass ich den Kern meiner Geschichte nicht so habe transportieren können, wie ich es wollte. Es geht nicht um Literatur oder Computer. Im Mittelpunkt steht der Verlagsangestellte Breuer, der erkennen muss, sein Leben lang in einer Illusion gefangen gewesen zu sein.

Einem bis zu dieser Wende fröhlichen Esser werden nach und nach die ekligen Details der Wurstherstellung vor Augen geführt, für die er sich offenbar nie interessiert hat, obwohl er in der Verwaltung einer Fleischwarenfabrik arbeitet. Schlimm genug.

Schwerer aber wiegt für ihn die bittere Erkenntnis, dass alle anderen Beteiligten auf die eine oder andere Weise ihren Nutzen aus dem Geschäft gezogen haben, auch wenn sie (wie sein Chef) ebenfalls nicht alle Einzelheiten kannten.

Breuer ging immer leer aus, und das wird sich auch nicht ändern. Die Hoffnung auf wenigstens eine Gehaltserhöhung verwirft er in dem Moment, in dem er sie denkt. Sein Ehrgefühl (Beichtvater) steht ihm im Weg.

Diese Parabel auf den Arbeits-(Politik-, Kultur-)alltag allzu vieler Mitmenschen kam bei euch nicht an. Lakita nennt den Grund: die Charaktere sind zu flach geraten. Dass für sie Mike im Mittelpunkt zu stehen scheint, macht es um so schlimmer. Ich habe noch viel zu lernen. Danke!

 

Hallo veermouth,

stimmt, es kommt für mich leider nicht rüber, dass Breuer für dich die tragische Hauptfigur ist.

Ich verweise nochmals auf meinen letzten Absatz der Kritik, wenn diese Gedankenarbeit bezüglich aller Figuren in einer Geschichte erledigt ist, muss zwangsläufig mehr Deutlichkeit in den Figuren entstehen.

Tragisch ist es schon, was Breuer erlebt, das kommt rüber, aber es ist eher die allgemeine Tragik, erkennen zu müssen, dass handwerkliche Geisteskunst, oder wie soll ich es nennen, na schriftstellerische Tätigkeit, auch durch einen Computer erledigt werden kann.

Ich hab nochmals in deine Geschichte geschaut und glaube, es liegt nicht nur an dem Profil Breuers, sondern du setzt den Leser auch in dem Moment auf eine falsche Fährte, als Breuer sich ins Milieu begibt, um mit halbseidenen Typen etwas zu erreichen.

Da verlässt er doch selbst seinen eigenen Pfad der Tugend, nicht wahr?

Vielleicht kannst du das dadurch retten, indem du seine Erwartungshaltung bezüglich seines Treffens in der Kneipe noch deutlicher machst. Zum einen vorher, dass man als Leser begreift, warum er auf die Schimanski-Tour kommt und zum anderen, indem er nochmals dem Typ in der Kneipe klarmacht, dass es ihm aber um "gute" Literatur geht.

Gleichzeitig gibst du damit Breuer mehr Kontur oder könntest es dadurch tun.

Könnte mir auch folgendes vorstellen: vielleicht ist es grad so, dass du noch ein wenig mehr Abstand benötigst zu deiner Geschichte. Ich kenne es meist bei mir, dass ich mehrere Wochen benötige, um die Tragweite dessen zu verstehen, was die Kritiker gemeint hatten.Meist verstehe ich sofort, was die meinen. Denke ich, denn oft erlebe ich einige Zeit später, dass ich nur oberflächlich verstanden hatte. Kannst es ja auch mal so versuchen. Einfach eine Weile stehenlassen und dann, wie ein Leser, über den eigenen Text gehen.


Lieben Gruß

lakita

 

Hallo veermouth,

der Anfang deiner Geschichte ist das beste, was ich seit langem in dieser Rubrik gelesen habe! Was der Geschichte fehlt, um vollends umwerfend zu werden, ist - wie so oft - die Glaubwürdigkeit.

Das beginnt damit, dass es für meine Ohren nicht sehr plausibel klingt, dass der Computertyp, der sämtliche Bestseller erzeugt, ausgerechnet in Deutschland sitzt, bequem in Breuers Reichweite und es endet in der kühnen Behauptung, dass Literatur, die sich verkaufen lässt, ausschließlich von einer KI erzeugt wird. Um so etwas zu programmieren, müsste man selbst Dinge wie Recherche, wirkungsvollen Stil und Konflikte nicht nur verstehen, sondern auch noch mit den Möglichkeiten der Softwareentwicklung in ein funktionierendes Modell bringen.

Von der Authentizität der Rotlicht-Leute und ihrer Verbindung zu Mike oder den Verkaufszahlen für Gedichtbände will ich gar nicht erst anfangen...

Aber wo Schatten ist, ist auch viel Licht: Die Idee mit dem abgerissenen Blatt und die Beschreibung der Lyrik von Sebald Schnetzger fand ich hinreißend!

Meiner Meinung nach wäre eine Möglichkeit, der Geschichte mehr Glaubwürdigkeit zu geben, dass sich die Sache mit Mike und seinen Computern als Lüge herausstellt, eingefädelt von den Gangstern und von Breuer geglaubt - weil er natürlich keine Ahnung von Literatur hat und ihm Kunst im allgemeinen schlicht egal ist.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Also ich finde diese Story fantastisch.

Wieso redet ihr von Glaubwürdigkeit? Das Ganze ist in meinen Augen weit logischer aufgebaut als neun von zehn sogenannten Krimis im Abendprogramm. Es gelingt Veermouth hier ausgezeichnet, von den Lücken abzulenken, die mit langweiligen Erklärungen aufgefüllt werden könnten - aber nicht müssen. Mir macht es mehr Spaß, an manchen Stellen selbst weiter zu spinnen und mag es, wenn der Anstoß dazu einfach witzig ist.

"Was würde Jesus machen? - Was würde Schimanski machen"
(weiß leider noch nicht, wie man hier Zitate einbaut..)
Das ist köstlich, und ich könnte Dutzende solcher Stellen nennen.

Die fehlerfreie, flüssige Schreibweise lässt mich auch über kleine Schwächen hinweg sehen, wo der Autor vielleicht beim Kürzen/Korrigieren etwas übersehen hat:
...die beide Männer schweigend damit zubrachten dem Blick des anderen auszuweichen,.. warum sollte Mike seinen ausweichen, ist er doch sonst so cool? Oder das etwas abrupte Ende.

ich bin sehr gespannt darauf, was man von dir hier noch lesen wird.
Schönen Gruß
Dea

 

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