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Woodstock Reloaded

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11.07.2009
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Woodstock Reloaded

Lydia begutachtete die Salatoberfläche, bevor sie ein Dutzend Petersilienblätter gleichmäßig auf ihr verteilte. Anschließend stellte sie die Schale behutsam in eine blaue Klappkiste.

"Hast du Herrn Finkenmöller schon um Erlaubnis gefragt?"
"Ne, ... noch nicht ganz!"
"Du hast Nerven, in fünf Stunden kommen die Gäste und du hast dich noch nicht mal darum gekümmert!"

Diese Äußerung traf Sven wie ein Schlag ins Gesicht. Lydia schien offensichtlich sein Organisationstalent in Frage zu stellen. Dabei war er es doch, der sich bei der Feuerwehr den Schwenkgrill geliehen hat. Auch der Spezialtarif mit der lokalen Brauerei für zwei Fässer Lütjenburger Unterbräu war ein Produkt seiner exzellenten Vorbereitung. Dem Vermieter kurz einen Zettel an die Tür zu kleben, stand in keinem Verhältnis zu diesen Taten. Für eine Person, die lediglich einen Nudelsalat vorzuweisen hatte, lehnte sich Lydia also ziemlich weit aus dem Fenster.

“Ich werde gleich mal hochgehen und dem ollen Finkenmöller Bescheid sagen!”, warf Sven beiläufig ein und steuerte zielsicher auf die Ausgangstür zu.
“Brauchst du nicht, ich hab ihn vor Kurzem im Treppenhaus gefragt!”
Das könnte ein kluger Schachzug gewesen sein. Lydia hatte sicherlich mit ihrem charmanten Lächeln noch eine Flasche aus Finkenmöllers Whiskeykeller ergattert.
“Er hat mich auf § 3.4 der Hausordnung hingewiesen”
Das Lächeln schien nicht besonders überzeugend gewesen zu sein.
“Und was bedeutet das für uns?”
“Dass wir nicht auf dem Balkon grillen dürfen!”, verkündigte Lydia mit einer Miene, die sonst nur Richter in Texas während der Verkündung eines Todesurteils aufsetzen.

“Hast du ihm nicht erzählt, wie wichtig dieses Grillfest für uns ist?”, flehte Sven, in dessen Stimme ein Hauch von Panik durchschimmerte.
“Doch, ich habe ihm berichtet, dass wir uns schon sehr auf dieses Fest gefreut hatten und insbesondere mein Freund seit zwei Wochen von nichts anderem mehr redet.”

Tatsächlich hatte Sven in den letzten 14 Tagen sein Leben komplett dem Gelingen dieser Feier gewidmet. Die Grundidee kam eigentlich von Lydia. Sie hatte betont, dass das Ausrichten eines gemütlichen Grillabends zu den gesellschaftlichen Pflichten eines jeden Studenten gehört. Sven nahm sich diese Pflicht ganz besonders zu Herzen und hatte noch am gleichen Abend ein Konzept aufgestellt. Als Grundpfeiler für die Party entwickelte er eine erstklassige Marketingstrategie. Ziel war es das Interesse möglichst vieler Kommilitonen zu wecken. Deshalb wurde zunächst eine Gruppe im Studi VZ gegründet mit dem treffenden Namen “WOODSTOCK RELOADED - Grillspektakel bei Lydia und Sven”.

Lydia musste sich ein leichtes Schmunzeln verkneifen als sie Sven anguckte, wie er, apathisch dreinblickend, auf zwei Kisten Radler saß. Um ihn noch ein wenig auf die Folter zu spannen, legte sie seelenruhig sieben Sätze Servietten in eine blaue Klappkiste, ehe sie heroisch verkündete:
“Ich habe die richtigen Worte gefunden und konnte Herrn Finkenmöller zu einer guten Lösung überreden!”

Sven war die Erleichterung deutlich anzusehen. Die braune Farbe kehrte langsam wieder zurück in sein, sonst so fröhliches, Gesicht.
“Er geht nach der Tagesschau immer eine Runde mit dem Hund. Die Zeit dürfen wir nutzen und nach Herzenslust Fleisch braten!”

Sven war begeistert und ihm wurde ein weiteres mal bewusst, warum er seit 4 Jahren glücklich mit dieser Frau zusammenlebt.
“Wie lange geht er denn mit dem Hund?”
“Exakt 15 Minuten. Er geht jeden Tag einmal zum Schrevenpark und wieder zur…”
“15 Minuten ??”
“Genau, er möchte danach in Ruhe die Doku auf 3sat gucken.”
“Er bleibt nicht länger als eine Viertelstunde weg???”
“Sven, der gute Mann ist 81 und gehbehindert!”

Diese unerwartete Zeitbeschränkung hatte Svens Planung wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen. Nervös kaute er auf seinen Fingernägeln. Bis zu diesem Moment hatte alles so reibungslos geklappt. Die Nachricht einer großen Hausparty hatte sich auf dem Campus schnell verbreitet. Die Jungs von der Burschenschaft “Glückauf Germania” sagten als erstes geschlossen zu. Sie hatten ohnehin nach einem geeigneten Ort für ihre Jubiläumsfeier “490 Jahre Deutsches Reinheitsgebot” gesucht und konnten somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Jetzt schien für den Eventmanager der richtige Zeitpunkt gekommen seine Freundin zu informieren, dass die Ausmaße des Grillfestes, überdurchschnittlich groß ausfallen könnten.
“Eine Viertelstunde reicht nicht aus, um das Fleisch für alle Gäste zu braten!”, eröffnete Sven seine improvisierte Rede.
Lydia, die inzwischen einen Kartoffelsalat anmischte, guckte ihn fragend an.
“Es könnte sein, dass wir dafür zu viele Leute sind und … naja … ein gutes, argentinisches Steak braucht traditionell 7,5 Minuten von jeder Seite, das ist bekannt, steht wahrscheinlich sogar schon in der Bibel und deshalb …”
“Sven, wie viele Leute kommen heute Abend?”

Das war eine sehr interessante Frage. Sven konnte bis jetzt nur vage Hochrechnungen aufstellen. Die Studi VZ Gruppe von Woodstock - Reloaded hatte bereits am Mittwoch die 100 - Mitglieder - Grenze geknackt. Außerdem hatte Sven in seinem jugendlichen Leichtsinn für 22 weitere Gäste gesorgt, als er beim Training seiner Fußballmannschaft, SSV Turbine Schilksee, das Wort “Freibier” eine Nuance zu laut aussprach.

“Es könnten über 30 Leute werden!”
Lydia sollte vorsichtig in die Problematik eingeführt werden.
“Bist du verrückt?! Wir haben doch nur eine 55 m² Wohnung!”
“Ja, aber da ist der Balkon nicht mit inbegriffen, da kommen also noch 4 m² hinzu!”
“Na toll! Und die wollen alle hier essen?”

Davon war auszugehen. Auf der digitalen Gästeliste standen hochkarätige Namen wie Dennis Böltermann, auf dem Campus besser bekannt als “Das Vakuum”, der Gerüchten zu Folge täglich den Nährstoffbedarf eines ausgewachsenen Giraffenbullen stillte.

“Naja einige Gäste kommen vielleicht auch nur zum Feiern!”, stammelte Sven, um ein weiteres Thema mit Konfliktpotenzial anzuschneiden.
“Hast du dir vielleicht mal überlegt ob eine solche Party überhaupt in eine Mietwohnung gehört?”

Lydias Äußerungen waren wenig konstruktiv. Natürlich hatte Sven auch schon festgestellt, dass ein buddhistische Schweigeseminar reihenhauskompatibler wäre. Solche Veranstaltungen haben unter Studenten aber nicht den gleichen gesellschaftlichen Stellenwert. Und außerdem gefiel ihm die Rolle als Bob Geldof Norddeutschlands.

“Vielleicht merkt Herr Finkenmöller ja gar nicht, dass hier eine Party steigt. Er ist schließlich ziemlich schwerhörig!”
“Selbst wenn er komplett taub wäre. Würde dieses Monstrum hier ihn in Kenntnis setzen!”
Lydia deutete auf die 10.000 Watt Sinus Bassanlage, die Sven sich von der lokalen Deathmetalband “Seek and Destroy” geliehen hatte. Als Gegenleistung wurden die Jungs kurzerhand zum Grillen eingeladen. Lydia wollte doch nicht ernsthaft dieses Wunderwerk der Technik zur Diskussion stellen?

“Diese Anlage ist die beste ihrer Größenklasse. Das hast du doch vorhin beim Soundcheck gehört!”
“Dein Soundcheck hat Eruptionen der Stärke 3 auf der Richterskala ausgelöst! In Kalifornien hätte man in so einem Fall den ganzen Stadtteil evakuiert.”
“Dann müssen wir es einfach drauf ankommen lassen. Als Dr. Motte in den späten Achtzigern die erste Loveparade aufgezogen hat …”

Svens letzte Versuche seine Freundin von der Durchführung des Grillabends zu überzeugen, stießen auf taube Ohren. Lydia war jetzt damit beschäftigt 100 Packs Plastikgeschirr in eine weitere blaue Klappkiste zu laden.

“… und man denke an die ersten Jahre vom “Wacken-Open Air Festival“. Meinst du die Veranstalter hatten eine Genehmigung?”
Nachdem auch diese Argumente seine Freundin nicht überzeugen konnten, hielt Sven inne und fragte:
“Wo willst du eigentlich mit den ganzen blauen Klappkisten hin?”

“In den Schrevenpark! Woodstock findet dort statt. Hättest du dich in den letzten Tagen mal in der Uni blicken lassen, wüsstest du das längst. Pack schon mal mit an, wir haben noch viel vor uns!”
Sagte Lydia und verließ mit einem Augenzwinkern die Wohnung.

 
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Hallo Tiefseeanker,

herzlich willkommen, sage ich einfach mal, bin auch noch nicht lange hier. Schöne Geschichte, fand ich nett. Viele satirische Spitzen, viel Lokalkolorit. Ein reichlich dämlicher Sven, der seine Freundin wohl verdient hat – ich würde ihr den Laufpaß geben.

Ich könnte mir die Geschichte auch noch ein bißchen spitzer vorstellen, aber in der Art, wie Du sie geschrieben hast. Könnte dann auch eine kleine feine Satire werden.

Manches verstehe ich nur, weil ich Kiel kenne, mal sehen, ob da andere Schwierigkeiten sehen.
Manches paßt nicht in meine Klischeekisten: träumen die Verbindungsstudenten von Woodstock? Ich wußte ja immer, Woodstock war eine Farce. Hier fände ich es besser, wenn die Hiebe gezielter kämen.

Kleinigkeiten:

bevor sie ein Dutzend Petersilieblätter gleichmäßig auf ihr verteilte.

Petersilienblätter

in 5 Stunden

in fünf Stunden

2 Fässer Lütjenburger Unterbräu

Zwei Fässer – aber in Nürnberg versteht den Witz keiner, da denkt man, dieses Bier gäbe es.

Bescheid sagen!” warf Sven

Hinter !" kommt ein Komma, zieh es einfach einheitlich durch, es kommt noch öfter.

verkündigte Lydia mit einer Mine

mit einer Miene

„…und insbesondere mein Freund seit zwei Wochen von nichts anderem mehr redet.”

Ziemlich böse. Wie nimmt Sven das auf? Ich glaube, er registriert es gar nicht.

zu den gesellschaftlichen Pflichten eines jeden Studenten gehört. Sven nahm sich diese Pflicht ganz besonders zu Herzen

Wiederholung,
Sven nahm sich dies besonders…reicht.

und ihm wurde ein weiteres mal bewusst, warum er seit 4 Jahren glücklich mit dieser Frau zusammenlebt.

Nach vier Jahren – hier wird es noch böser.

Er geht jeden Tag einmal zum Schrewenpark und wieder zur…”

Schrevenpark

für ihre Jubiläumsfeier “490 Jahre Deutsches Reinheitsgebot” gesucht

Spitze. Echt Kiel.

Jetzt schien für den Eventmanager der richtige Zeitpunkt gekommen seine Freundin zu informieren, dass die Ausmaße des Grillfestes, überdurchschnittlich groß ausfallen könnten.
Informieren – paßt nicht.

… dass das Grillfest sehr groß ausfallen könnte. Einfach formulieren, Worte sparen.

stammelte Sven um ein weiteres Thema

stammelte Sven, um ein weiteres Thema

ein Buddhistische Schweigeseminar reihenhauskompatibler wäre.

buddhistisches

warum reihenhauskompatibel? Sie wohnen doch in einer Wohnung.

Svens letzte Versuche seine Freundin

Svens letzte Versuche, seine Freundin

Also, wie gesagt: schöne Richtung, an Schärfe darfst Du gern zulegen. Und (vielleicht auch) zu dieser merkwürdigen "glücklichen" Beziehung:

Das besondere am Tiefseeanker ist nicht der Anker, sondern die lange Kette...

Gruß Set

 

Danke Setnemides für die Anregungen!

Ich habe jetzt die Grammatikfehler ausgebessert. Inhaltlich bleibt natürlich alles beim Alten.

MfG

Tiefseeanker

 

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