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Wolkenmeer

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27.07.2017
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Wolkenmeer

Der Himmel war voller Wolken.

Das Rauschen des Meeres hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich.
Es hat etwas regelmaessiges, was den Stroemungen in meinem Kopf eine Richtung weist, in welche sie zusammen fliessen koennen.

Ich schlug meinen Weg nach links auf einen kleinen Fussgaengersteg ein und schlenderte ihn hinauf, immer weiter hinein in das Wasser, oberhalb seiner Flaeche.

Eine glaeserne Vitrine steht am Ende des Steges. Ich trete naeher an sie heran.
In ihr sehe ich ein kleines Maedchen. Seine Augen sind geschlossen.

Als ich genau vor ihr stehe schlaegt das Maedchen die Augen auf und blickt mich an.
"Es ist wie mit den Wolken.", sagt sie.
"Wie bitte?"
"Es ist wie mit den Wolken.", sie schmunzelt ein wenig, "Die Form liegt im Auge des Betrachters. So koennen sie jede Form annehmen. Ob sie wahr ist oder nicht kann niemand sagen. So ist mein Herz."
Einen Moment stehe ich stumm da.
"Aber das bedeutet, dass deine Form willkuerlich ist, nicht? Du bist immer nur das, was ein anderer in dir sieht."
Bedauern hatte sich in meine Stimme gemischt.
Das Maedchen schwieg. Dann laechelte sie breiter.
"Weisst du, fuer diejenige die es sehen ist es vielleicht alles andere als willkuerlich. Ich kann alles sein, alles um meinem Betrachter zu gefallen."
"Und du?"
"Ich?"
"Welche Form ist die deine?"
"Was bin ich fuer dich?", fragte das Maedchen anstelle einer Beantwortung meiner Frage.
Ich mustere sie. Im Bruchteil einer Sekunde steigt ein Nebel auf. Das Gefuehl von Waerme und Zuversicht ohne quaelende Gedanken und ohne Angst.
Ich blinzle und das Laecheln des Maedchens wird breiter.
Ich blicke auf ihr Herz. Mit dem naechsten Wimpernschlag ist der Steg menschenleer.
Ich sehe zu, dass ich so schnell mich meine Beine tragen zurueck zur Promenade komme.

Der Himmel ist blau und wolkenlos.

 

"Weisst du, fuer diejenige die es sehen ist es vielleicht alles andere als willkuerlich. Ich kann alles sein, alles um meinem Betrachter zu gefallen."

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

Fezzik!

Ja, das Wolkenmeer beherrscht derzeit deutsche Lande und es konnte nur eine Frage der Zeit, bis es hierorts niederging. Und auf mich hat das Meer auch eine beruhigende Wirkung. Aber ist es nicht ein arger Aufwand, um zur Allerweltsweisheit aus dem Munde eines Mädchens zu gelangen, dass "die Form - andere meinen vielleicht die Schönheit, mancher gar alles - im Auges des Betrachtes" läge, wahrscheinlich weil der Gesichtssinn noch vor Gehör und Geschmack, aber auch Tastsinn der wichtigste Sinn überhaupt ist.

Die Poesie, die zweifellos in dem kleinen Text mitschwingt, würde m. E. gesteigert, wenn das grammatikalisch korrekte Geschlecht des Mädchens durchgehalten würde, wie bei seiner ersten Nennung

In ihr sehe ich ein kleines Maedchen. Seine Augen sind geschlossen.
(Selbst das gelingt nicht jedem!) Nun gut, man passt sich halt der Umgangssprache an. Aber doch
schade, dass es nicht durchgehalten wird.

Das neutrale, sächliche "es" käme sogar dem Wesen des Mädchens als bloßer vorgestellter Erscheinung

Ich blinzle und das Laecheln des Maedchens wird breiter.
Ich blicke auf ihr Herz. Mit dem naechsten Wimpernschlag ist der Steg menschenleer.
entgegen.

Aber da gibt es einiges zu korrigieren. In der wörtl. Rede

"Es ist wie mit den Wolken[...]", sagt sie.
endet der bloße Aussagesatz nicht mit dem Punkt, wenn der übergeordnete Satz ("sagt sie" - um wie viel genauer wäre ein "es"!) folgt (bei Frage und Ausruf dagegen beschließen die entspr. Zeichen die Rede, da liegstu in aller Regel richtig.)

Und eine Katastrophe für einen poetischen Versuch, eine unnötige Substantivierung

"Was bin ich fuer dich?", fragte das Maedchen anstelle einer Beantwortung meiner Frage.
wie sie von Verwaltung und Bürokratier herrührt. Wie wäre es stattdessen mit "fragte das Mädchen, statt meine Frage zu beantworten"?

Gleichwohl, nicht ungern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Fezzik,

Zunächst zur Gestalt des Textes:
Ich fände es wesentlich angenehmer zu lesen, wenn du die üblichen Zeichen für Umlaute verwenden würdest - einfach der Ästhetik halber, aber das nur am Rande.
Dann ist mir ein Wechsel in den Zeiten aufgefallen; du beginnst mit

Der Himmel war voller Wolken.
und machst weiter im Präsens, was ich im Fall des zweiten Absatzes noch verzeihe, weil es um eine Eigenart geht, die sich nicht ändert. Nachdem jedoch der dritte Absatz im Präteritum ist, springst du im vierten zum Präsens, also
Eine glaeserne Vitrine steht am Ende des Steges. Ich trete naeher an sie heran.
In ihr sehe ich ein kleines Maedchen. Seine Augen sind geschlossen.
Das ziehst du eine Weile lang durch, wechselst aber nach
Bedauern hatte sich in meine Stimme gemischt.
wieder ins Präteritum und schließt den Text kurz darauf im Präsens ab.
Kurzum: Das sind einige Wechsel innerhalb eines kurzen Textes. Ein Fehler, der sich durch Korrekturlesen leicht vermeiden lässt.

Der Inhalt gestaltet sich wie eine Traumsequenz und passt daher gut in die Kategorie "Philosophisches", jedoch kommt der Twist für mich viel zu unvermittelt und das Ende ist zu abrupt. Warum rennt das Ich denn plötzlich weg? Fühlt es sich bedroht?
Das könnte man noch weiter ausbauen, um dem Ende einen verdienten Ausklang zu geben.

Liebe Grüße,

Jana

 

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