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Wolkenmeer
Der Himmel war voller Wolken.
Das Rauschen des Meeres hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich.
Es hat etwas regelmaessiges, was den Stroemungen in meinem Kopf eine Richtung weist, in welche sie zusammen fliessen koennen.
Ich schlug meinen Weg nach links auf einen kleinen Fussgaengersteg ein und schlenderte ihn hinauf, immer weiter hinein in das Wasser, oberhalb seiner Flaeche.
Eine glaeserne Vitrine steht am Ende des Steges. Ich trete naeher an sie heran.
In ihr sehe ich ein kleines Maedchen. Seine Augen sind geschlossen.
Als ich genau vor ihr stehe schlaegt das Maedchen die Augen auf und blickt mich an.
"Es ist wie mit den Wolken.", sagt sie.
"Wie bitte?"
"Es ist wie mit den Wolken.", sie schmunzelt ein wenig, "Die Form liegt im Auge des Betrachters. So koennen sie jede Form annehmen. Ob sie wahr ist oder nicht kann niemand sagen. So ist mein Herz."
Einen Moment stehe ich stumm da.
"Aber das bedeutet, dass deine Form willkuerlich ist, nicht? Du bist immer nur das, was ein anderer in dir sieht."
Bedauern hatte sich in meine Stimme gemischt.
Das Maedchen schwieg. Dann laechelte sie breiter.
"Weisst du, fuer diejenige die es sehen ist es vielleicht alles andere als willkuerlich. Ich kann alles sein, alles um meinem Betrachter zu gefallen."
"Und du?"
"Ich?"
"Welche Form ist die deine?"
"Was bin ich fuer dich?", fragte das Maedchen anstelle einer Beantwortung meiner Frage.
Ich mustere sie. Im Bruchteil einer Sekunde steigt ein Nebel auf. Das Gefuehl von Waerme und Zuversicht ohne quaelende Gedanken und ohne Angst.
Ich blinzle und das Laecheln des Maedchens wird breiter.
Ich blicke auf ihr Herz. Mit dem naechsten Wimpernschlag ist der Steg menschenleer.
Ich sehe zu, dass ich so schnell mich meine Beine tragen zurueck zur Promenade komme.
Der Himmel ist blau und wolkenlos.