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Wolkenkinder

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19.08.2003
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Wolkenkinder

Wolkenkinder

Dschana und Opa Pero hatten ihren Spaziergang unterbrochen und saßen, wie so oft am späten Nachmittag, auf einer der aus Steinen aufgeschichteten Mauern, mitten in den Terrassenfeldern hoch über dem Meer. Dschana, die sonst ein richtiges Plapperschnutchen war, hatte bisher kaum etwas gesagt.
„Opa, ich möchte nicht, dass du stirbst“, sagte sie für den alten Mann unerwartet, und Tränen standen in ihren Augen.
"He, mein kleines Mädchen, was soll das denn, ich denke noch nicht ans Sterben“, antwortete Opa ohne Zögern, legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie liebevoll an sich.
„Ich habe aber gehört, wie Mama zu Onkel Ivan gesagt hat du seiest ganz schlimm krank. Und wenn man ganz schlimm krank ist, dann stirbt man vielleicht.“
„Menschen werden geboren, und Menschen sterben, das ist so, und das kann man auch nicht ändern. Mit dem Sterben lasse ich mir aber noch Zeit, und krank bin ich schon gar nicht. Es ist lediglich das hier“, beschwichtigte er und zeigte seine gichtgekrümmten Hände vor.
„Aber selbst damit kann ich immer noch dies hier halten“, lachte er, hob seinen Gehstock in die Luft und schlug zur Bestätigung damit kräftig gegen die Steinmauer. Eine braungraue Eidechse flitzte aufgeschreckt neben Dschanas Beinen die Wand hoch und verschwand genauso schnell wie sie aufgetaucht war unter einer Wurzel.

„Schau mal“, sagte Opa und zeigte auf die Adria hinaus und hinüber zur Halbinsel Peljesac, „siehst du das, da über dem Gipfel des höchsten Berges?“
Dschana konnte nichts besonderes entdecken.
„Sieh genau hin“, forderte sie ihr Opa auf, „siehst du nicht die kleine, blasse Wolke genau über dem Gipfel?“
„Ja, jetzt sehe ich sie“, bestätigte Dschana, „aber die ist wirklich noch ganz klein.“
„Wenn wir noch ein wenig warten, wirst du erkennen, dass sie schnell wächst, und sich auch über den anderen Gipfeln weitere Wolken bilden werden. Es wird dort bald eine richtige Wolkenfamilie geben.“
„Oh schön“, freute sich Dschana, „ich sage wer Mamawolke, Papawolke und wer das Wolkenkind ist. Und dann geben wir allen einen Namen.“
„Das ist eine schöne Idee, das machen wir“, stimmte der Opa zu. „Doch das da drüben sind nur Wolkenkinder“, schränkte er ein.
„Und wo sind die Eltern? Wolkenkinder müssen doch auch eine Mama und einen Papa haben.“
Dschana war verwirrt und sah ihren Opa fragend an.
„Sicher haben sie Eltern“, erklärte der, „das Meer und die Sonne sind Vater und Mutter.“
Er zupfte einen frischen Rosmarinzweig vom Busch neben sich ab und hielt ihn Dschana unter die Nase. Sie lächelte und atmete tief ein. Dann steckte er sich das frische Grün hinter sein rechtes Ohr.
Dschana brauchte nicht lange warten, und nahezu über jedem Gipfel stand eine kleine Wolke. Sie wuchsen schnell, lösten sich dann von den Bergen und zogen Richtung Nordosten. Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte die Wolkenkinder in wunderschöne Farben, vom hellen Rosa bis hin zu kräftigem Violett.
Dschana und ihr Opa saßen still auf der Mauer und beobachteten das Schauspiel. Dschana unterbrach das Schweigen: „Wohin fliegen die Wolkenkinder jetzt, Opa?“
„Wolltest du ihnen nicht Namen geben“?, kam die Gegenfrage.
Dschana lächelte etwas verlegen, denn es waren doch mehr Wolken geworden, als sie erwartet hatte.
„Na gut“, half der Opa, „ich werde dir vom Leben der Wolkenkinder erzählen, und die erste Wolke, die wir gesehen haben, nennen wir Wölkchen.“
Dschana nickte aufgeregt, rutschte ein wenig zur Seite, und sah ihren Opa erwartungsvoll an.
„Schon jetzt“, begann der alte Mann zu erzählen, „schon jetzt gehen die Wolkenkinder in den Wolkenkindergarten.
Du hast gesehen, wie schnell sie gewachsen sind. Dann, über dem Festland kommen sie in die Schule. So wie du und deine Freunde, spielen sie natürlich in ihrer Freizeit Verstecken und Fangen. Sie steigen auf und ab, sausen umeinander herum, und bald ist aus unserem Wölkchen eine große Wolke geworden. Dort, weit hinter uns im Landesinneren, liegt ein sehr großes Gebirge, mit Bergen, die viel höher sind, als du dir vorstellen kannst. Wenn Wölkchen dort ankommt, ist sie inzwischen so schwer geworden, dass sie nicht über das Bergmassiv hinweg kann. Gerne würde sie noch weiterfliegen und mit ihren Brüdern, Schwestern und Freunden spielen, doch sie kann es nicht schaffen. Das macht Wölkchen dann so traurig, dass sie zu weinen beginnt und ihre Tränen als Regen zur Erde fallen."
„Ja, aber, nach dem Regen ist der Himmel wieder blau, die Wolken weinen so lange bis sie sich ganz aufgelöst haben“, sagte Dschana verzweifelt, „dann stirbt Wölkchen doch.“
„Nein“, beruhigte sie ihr Opa, „so wie aus dir einmal eine erwachsene Frau wird, so ist es auch mit Wölkchen, sie wird langsam erwachsen.“
„Muss sie dann auch arbeiten“?, fragte Dschana.
„Oh ja, schon auf ihrem Weg zur Erde fängt das an. Sie reinigt die Luft und wäscht den Staub von den Blättern der Pflanzen. Am Boden sammelt sie sich in Pfützen und Teichen und tränkt die Tiere.“
„Und dann ist Wölkchen auch bestimmt nicht mehr traurig, weil die Arbeit ihr gefällt“, unterbrach Dschana den Opa.
„Sicher“, nickte Opa, „denn viel Spaß hat Wölkchen auch. Sie macht eine Rutschpartie durch das Bett des Baches die Hänge vom Gebirge hinunter. Da wird sie oft richtig übermütig. So Manchen, der an der Uferböschung sitzt, bespritzt sie und gluckert dabei vor Vergnügen.“
Dschana hielt sich kichernd die Hand vor den Mund, da sie sich vorstellte, wie Wölkchen den Opa bespritzte und der pitsch patsche nass dastand.

„Du erinnerst dich doch sicher an unseren Besuch bei Tante Miranda und weißt, wo sie wohnt“, sagte der Opa, „oben in Jablanica in Bosnien.“
„Ja“, nickte Dschana, und mit einem Mal wurden ihre Augen ganz groß. „Das Haus der Tante liegt direkt neben einem Bach und das ist der, den Wölkchen hinuntersaust, oder?“
„So ist das“, bestätigte der alte Mann und erzählte weiter. „Du hast auch die vielen anderen Bäche und kleinen Flüsse auf unserer Fahrt dorthin gesehen. Sie alle bilden früher oder später den großen Fluss, den wir Neredva nennen.“
„Und da trifft Wölkchen ihre Schwestern, Brüder und Freunde wieder“, rief Dschana begeistert, „und wie geht es dann weiter?“
„Zwischen dem Ort Jablanica und der Stadt Mostar wartet eine Menge Arbeit auf sie. Doch Wölkchen, ihre Geschwister und Freunde sind zusammen so stark geworden, dass es ihnen keine Mühe macht dort die Turbinen der Wasserkraftwerke anzutreiben, die uns den Strom liefern. Dann, in Mostar angekommen, sind doch alle sehr froh, dass die Zeit der harten Arbeit vorüber ist.
Wer oben in Mostar auf der alten Brücke steht, kann beobachten, wie sie darum unten in der engen Schlucht ein Fest feiern. Tanzend und singend wirbeln und toben sie ein letztes Mal zwischen den Felsbrocken umher. Von da an wird es ruhiger. Das Flussbett wird breiter und später im Delta haben sie noch eine kleine Aufgabe. Sie sorgen dafür, dass Mandarinen-, Apfel- und Kirschbäume genügend Wasser bekommen. Doch unsere Freunde die Wolkenkinder sind alt und müde geworden.“
„Aber stark sind sie alle“, protestierte Dschana, „immerhin tragen sie jetzt die großen Schiffe. Du bist ja auch noch stark, Opa. Auch du hilfst bei der Olivenernte und trägst das schwere Reisigbündel den Berg hinunter.“
Der Opa lächelte und schränkte ein: „Weißt du, so manches Mal bin ich schon recht müde.“
Dschana griff nach seiner Hand und streichelte sie.

„Opa, sterben Wolkenkinder auch?“, wollte Dschana wissen.
„Der Fluss ergießt sich ins Meer, und so endet die Reise der Wolkenkinder dort, wo sie begonnen hat“, sagte Opa. "Irgendwo da draußen sind sie alle vereint und beobachten die, die nach ihnen kommen werden.
Und wenn ich einmal nicht mehr auf diese Welt bin, dann schwebe ich irgendwo da oben im Meer der Sterne und passe auf, dass meinem kleinen Mädchen hier unten nichts Böses geschieht."

 
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Hallo Jadro

eine sehr feinfühlige, schön beschriebene Geschichte ist dir da wieder gelungen. Ich konnte Dschana und ihren Opa direkt auf der Mauer sitzen sehen. Wunderbar wie du auch die Landschaft beschreibst.
Da sich manche Kinder schon sehr früh mit dem Thema "Tot" auseinandersetzen, finde ich manchmal nicht die passende Worte dazu. Bei uns stellt sich das Problem des Glaubens, da die Freundin von Luis Türkin ist, somit auch Moslem.
Oft belausche ich diverse Unterhaltungen der Beiden über dieses Thema, wobei ich auch meine Meinung dazu abgeben soll. Bisher erschien mir nichts sinnvoll genug, doch jetzt werde ich heute Abend deine Geschichte vorlesen, Kybra schläft auch wieder bei Luis, also hören sie beide zu. Mein Arbeitsbereich liegt direkt neben dem Kinderzimmer, ich bin gespannt was ich heute Abend bevor sie Schlafen, zu hören bekomme.

Ich werde es dir Morgen berichten.

Gute Nacht

Morpheus

Ich vergaß, einen kleinen Fehler hab ich gefunden:

Sie sorgen dafür, dass Mandarinen-, Apfel- und ...
Apfel mit (f)

 

Hallo Morpheus,
heute Abend, bevor ich einschlafe, werde ich mit Sicherheit an Luis und Kybra denken und mir vorstellen, wie sie im Traum die unendliche Reise der Wolkenkinder nachvollziehen, unbelastet von allen irdischen Problemen. Freue mich schon auf deinen Bericht.
Du hast einen Fehler gefunden, sagst du zumindest - nur was für einen, hast du mir vorenthalten.

Auch ich wünsche eine gute Nacht

Jadro

 

Hallo Jadro

hier nun die Wirkung deiner Geschichte:
Sie lagen sich gegenüber, mit Blickrichtung zum Dachfenster raus.
Kybra auf einer Matraze auf dem Boden und Luis in seinem Bett. An der Zimmerdecke brannten etwa sechzig kleine, verschiedenfarbige Glühbirnchen, die ich zu Weihnachten dort anbrachte. Dadurch erleuchtete das Zimmer so viel, dass sie sich gerade noch sahen. Normalerweise läuft zum Einschlafen noch der Kasettenrekorder mit sanfter Musik, doch diesmal verzichteten sie freiwillig darauf. Deine Geschichte, hob ich mir bis zum Schluß der Gutenachtszeremonie auf, vorzulesen. Ganz gebannt folgten Sie mir.
Daraufhin setzte ich mich an meinem Computer, wie jeden Abend, also fühlten sie sich nicht bespitzelt. Kybras erste Frage an Luis war: "glaubst du ihm, dass sie alle im Meer schwimmen?" darauf Luis "klar, rate mal warum wir alle schwimmen lernen müssen"
ich kämpfte mit einem Lachanfall.
Es ging eine Weile hin und her, bis Kybra anfing Luis zu erzählen, was der Prediger in ihrer Moschee behauptet. Luis, der sehr eigenwillig und stur sein kann, ließ sie nicht mal aussprechen. Sein "du hast doch gehört was Papa vorgelesen hat, oder hast du wieder mal nicht hingehört?" kam sehr laut aus dem Kinderzimmer. Kybra versuchte es noch ein zweites Mal bei Luis gehör zu bekommen, Versuch gescheitert. Wie schon erwähnt, er kann schon sehr stur sein. Vielleicht lag es daran, dass sie schon sehr müde waren, aber die Unterhaltung ging leider nicht mehr lange weiter. Nur noch ein paarmal "Du weißt ja immer alles besser, Kybra."
Kybra gab nach, erwähnte noch, dass sie nächste Woche, wenn sie wieder in der Moschee sei, genau nachfragen werde, wie das nach dem Tot sei. Sie klärt Luis dann sicher auf. Bin mal gespannt wie das noch weitergeht.

Es war auf jedenfall sehr belustigend, wie sich die Zwei mit diesem Problem auseinandersetzten.

Bis bald Morpheus

 

Hallo Jadro!

Mir hat Deine Geschichte ebenfalls sehr gut gefallen. Du bringst die Beschreibungen der Gegend, die Stimmung so schön rüber, ich war direkt dabei.
Für welches Alter etwa hättest Du denn die Geschichte etwa gedacht?
Flüssig geschrieben, gerne gelesen. Und ein schöner Schluss.:)

Ein paar Sachen ncoh:

„Opa, ich möchte nicht, dass du stirbst“, sagte sie für den alten Mann unerwartet, und Tränen standen in ihren Augen. - irgendwie gefällt mri dieser Satz nciht so recht. Auch für den Leser kommt er unerwartet, unvermittelt. Die Erklärung, eben das Gespräch über die Krnakheit des Opas kommt ja erst später. Vielleicht könntest Du da aber auch noch etwas mehr einbaun, zum Beispiel, dass sie das Gespräch erst gestern Abend gehört hat, udn die Nacht nicht schlafen konnte, oder ähnliches.

He, mein kleines Mädchen, was soll das denn, ich denke noch nicht ans Sterben“, antwortete Opa ohne Zögern, legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie liebevoll an sich. - Anführungszeichen am Anfang fehlt

Das macht Wölkchen dann so traurig, dass sie zu weinen beginnt und ihre Tränen als Regen zur Erde fallen.
„Ja, aber, nach dem Regen ist der Himmel wieder blau - Anführungszeichen nach fallen fehlt

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus,
Zeichensetzungsfehler korrigiert, danke für die Hinweise.

Deine Frage nach dem Alter der ‚Zielgruppe’ dieser Geschichte, hätte mich in einem direkten Gespräch verlegen gemacht. Während die Themen meiner bisherigen Geschichten durchweg die ‚großen’ Fragen der Kleinen behandeln, geht das hier wohl etwas tiefer. Das hat mich auch zögern lassen, diese Story unter der Rubrik ‚Kinder’ einzustellen. Ich glaube jedoch, dass die Wortwahl und der Vergleich selbst die Rubrik rechtfertigen und auch kindergerecht sind. Zudem bestätigt jetzt die Reaktion meines größten (und einzigen Fans Luis), dass auch manches, kleinere Kinde empfänglich für ein solches Thema ist (wenn die Erkenntnis auch ‚nur’ darin besteht, dass man schwimmen lernen muss, um später im Meer der Sterne nicht unter zu gehen). Auf eine bestimmte Altersgruppe möchte ich mich nicht festlegen.

Die unerwartete Konfrontation mit dem Thema ‚Tod’ ist so gewollt – auch als (marktschreierischer) Anreiz weiter zu lesen. Andererseits hast du recht, dieser Teil ist im Gegensatz zum übrigen Text trocken kurz, und bringt die Verzweiflung des Mädchens nicht rüber – das werde ich ändern.

Danke, deine Kommentare bringen mir etwas (schleim , schleim – würde meine Tochter jetzt sagen)! :D

Einen lieben Gruß aus Hamburg
Jochen

 

Hallo Jochen,
auch mir hat Deine Wolkengeschichte gut gefallen.
Neben den schönen Landschaftsbeschreibungen lernen die kleinen Leser und (bestimmt auch manche grosse :)noch etwas dazu. Finde auch gut, dass deine kleine Prot keine Deutsche ist und sich das ganze in einem anderen Land abspielt.
Gerne gelesen!

LG
Blanca

 

hey Jochen nochmal!

Deine Frage nach dem Alter der ‚Zielgruppe’ dieser Geschichte, hätte mich in einem direkten Gespräch verlegen gemacht
- das war kein Vorwurf oder sonstwas.;) hätte mich nur interssiert, eben weil sie ja für Luis begeisternd war, aber weil eben auch ich als Erwachsene sie sehr schön finde. Und wenn Dir mein Kommentar weiterhilft, freut mich das. :D *zurückschleim*

schöne Grüße
Anne

 

Hi Anne (auch noch mal),
ich hab es auch nicht als Vorwurf aufgefasst – wollte nur rüberbringen, dass nach einigem Nachdenken, diese Geschichte eigentlich und irgendwie rubrik- und altersfrei ist – wie du auch mit deinem Kommentar bestätigt hast.

Liebe Grüße aus Hamburg
Jochen

 

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