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Wolf und Hund

Joh

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28.07.2003
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Wolf und Hund

Wolf und Hund

Vor vielen, vielen Jahren fand ein Schäfer einen Wolfswelpen. „Bring ihn um“, rieten seine Nachbarn, „er wird Dir nichts als Ärger einbringen und Deine Schafe töten.“ Der Schäfer jedoch hatte ein gutes Herz, zog den jungen Wolf mit der Milch der Mutterschafe groß und nannte ihn „Hund“. Und als der Hund erwachsen war, half er dem Schäfer als Dank für seine Rettung und bewachte dessen Herde.

Die anderen Wölfe fürchteten ihren ehemaligen Artgenossen und machten einen großen Bogen um die Herde des Schäfers, so sehr sie auch der Hunger quälte. Nur der alte Leitwolf sprach: „Wolf bleibt Wolf und eines Tages wird auch er sein wahres Gesicht zeigen.“

Obwohl der junge Hund mit Schafsmilch aufgezogen wurde und der Schäfer ihn jeden Tag fütterte, verspürte dieser doch eines Tages ein großes Verlangen nach dem Fleisch der frisch geborenen Lämmer. Und als der Schäfer des Nachts schlief, fraß er drei von ihnen.

Am nächsten Morgen wurde der Schäfer durch das Geheul seines Hundes geweckt. Als er zur Herde eilte, sah er dort die toten Lämmer liegen. Sein Hund aber sprach: „Die bösen Wölfe waren es. Ich habe sie in der Nacht gesehen, doch es waren zu viele und ich konnte mich ihrer nicht erwehren.“ Der Schäfer sah das blutige Fell seines Hundes und glaubte ihm.
„Ich werde Dich zu ihrem Versteck bringen, damit Du sie für diese Tat bestrafen kannst“, versprach sein Hund und der Schäfer holte alle Einwohner des Dorfes, damit man sich an den Wölfen rächen könne.
Die Schafe jedoch schwiegen zu der Anschuldigung des Hundes, denn sie fürchteten ihn und dachten, der Schäfer würde ihnen kein Wort glauben.

In der nächsten Nacht fraß der Hund wieder drei Schafe und erzählte am nächsten Tag erneut, die Wölfe seien es gewesen. Und alle Männer zogen gemeinsam in den Wald, um die Wölfe zu jagen.

Die Schafe sahen das grimmige Gesicht des Hundes, der sie bewachte, und schwiegen. „Geben wir ihm freiwillig, was er verlangt,“ meinte der Leitbock schließlich, „alle von uns kann er nicht fressen. Der Schäfer hat den Hund über uns gestellt, wie sollte er unserer Wahrheit mehr vertrauen als den Lügen seines Gefährten.“

In der nächsten Nacht brachten sie dem Hund drei Lämmer, damit er sie fressen könne. Und wieder verleumdete dieser beim Schäfer die Wölfe. Doch diesmal sprachen die anderen Männer: „Zweimal sind wir bereits ausgezogen und haben alle Wölfe im Umkreis gejagt. Bevor wir erneut in den Wald gehen, schau in der nächsten Nacht, ob nicht der Hüter Deiner Herde die Schafe selber reißt.“

Der Schäfer glaubte zwar den anderen nicht, doch stellte er sich in der nächsten Nacht nur schlafend und beobachtete seinen Hund. Da sah er, wie die Schafe drei Lämmer zum Hund führten und er diese fraß.

„So dankst Du mir also, dass ich Dein Leben gerettet habe“, sprach der Schäfer aufgebracht, nahm einen großen Stein und erschlug seinen Hund.
Zu den Schafen aber sprach er: „Ihr wusstet die Wahrheit und habt zu seinen Verleumdungen geschwiegen. Mehr noch, ihr habt euch ihm ausgeliefert und die eigenen Lämmer verraten. Darum werde ich erneut einen Wolfswelpen groß ziehen und euch von ihm bewachen lassen. Und alle Schafe werden in Zukunft von seinen Enkeln bewacht und getrieben werden, denn eher mag ich dem Verräter trauen als dem Feigling, der sich nicht wehrt.“
Und so geschieht es bis heute.

 

Hallo Joh!

Zunächst mal, deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen. Der Schreibstil ist flüssig und die Idee dahinter finde ich auch gut. Allerdings ist mir die Moral am Schluss zu wenig durchdacht!

Geschrieben von Joh
... denn eher mag ich dem Verräter trauen als dem Feigling, der sich nicht wehrt.“

Die Floskel bildet zwar eine schöne Abrundung deiner Geschichte, ist meiner Meinung nach jedoch unlogisch. Der Schäfer lebt immerhin von seinen Schafen und ich glaube nicht, dass er es sich weiterhin leisten kann, das selbe Risiko mit den Wölfen noch einmal einzugehen. Ich finde, es wäre ein besserer Schluss gewesen, wenn der Schäfer aus seinem Fehler gelernt und das nächste mal auf die anderen Schäfer gehört hätte und wirklich einen Hund statt einen WOlf als Hüter genommen hätte.

Mfg, Dreamcatcher

 

Hallo Dreamcatcher,

vielen Dank für Deine Anmerkungen. Das von Dir vorgeschlagene Ende ist leider nicht möglich, da es sich sozusagen um den ersten Versuch überhaupt handelt, aus dem Wolf einen Hund zu schaffen. Vielleicht ist das in der Geschichte nicht so deutlich geworden.

Liebe Grüße

Joh

 

Hi Joh,

mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Auch den Schluß, denke ich, kannst Du so lassen. Auch wenn es ein bischen unlogisch erscheint, dass der Schäfer nach der Pleite, wieder einen Wolf einsetzt. Genauso unlogisch wäre es ja, dass der Schäfer mit seinen Tieren redet. Ich denke, dass gerade im Bereich Fantasy, Geschichten nicht immer logisch sein müssen, und es meistens sogar gar nicht sein können. Das es sich um den ersten Versuch handelt, aus einem Wolf einen Hund zu machen, könntest Du vieleicht dadurch verdeutlichen, dass Du schilderst, wie die anderen Schäfer ihre Tiere bewachen.

Gruß
Jörg

 

Hi Joh,

ich muss mich meinen Vorpostern da anschließen. Aber andere Kritikpunkte finde ich nicht, so leid es mir tut. Ich finde die Geschichte schön.

Vita

 

Hallo Joh,
Deine Geschichte über den Ursprung der Haustierwerdung des Hundes ist sicherlich fantasievoll von dir beschrieben.
Nur fand ich den Schluss auch ein wenig unlogisch

„Ihr wusstet die Wahrheit und habt zu seinen Verleumdungen geschwiegen. Mehr noch, ihr habt euch ihm ausgeliefert und die eigenen Lämmer verraten. Darum werde ich erneut einen Wolfswelpen groß ziehen und euch von ihm bewachen lassen. Und alle Schafe werden in Zukunft von seinen Enkeln bewacht und getrieben werden, denn eher mag ich dem Verräter trauen als dem Feigling, der sich nicht wehrt.“

Die Schafe haben sich bzw. ihre Nachkommen verraten, weil sie feige waren.
Der Wolf hat den Schäfer verraten, weil es seine Natur war, die er leugnete und mit Gewaltandrohung geheimhalten wollte.

Mein Menschenverstand sagt, wenn ich dem vertraue, der mein Vertrauen missbraucht hat, habe ich nichts
dazugelernt.
Dann auch noch die Opfer zu bestrafen und den Täter zu belohnen, ich finde der Schäfer ist ungerecht. ;)

Trotdem gerne gelesen
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

zur Moral: entweder ich vertraue dem Feigling oder dem Verräter. M.E. ist aber der Feigling wesentlich schwerer einzuschätzen, weil er natürlich auch zum Verräter werden kann - durch seine Feigheit.
Vom Verräter weiß ich, dass er mich verraten wird - also kann ich mich darauf einstellen und entsprechende Gegenmaßnahmen treffen. Der Feind, den ich erkenne, ist berechenbarer als der Freund, der feige ist.

Liebe Grüße

Joh

 

:D scheint irgendwie doch aktueller zu sein als ich dachte.

 

Tja, es ist aktuell immer und überall.
Daher lebe ich lieber mit dem Gedanken, dass die Menschen offen zueinander sind.

Auch wenn dieser Beitrag jetzt off topic ist, ich bin froh, dass dieses Forum noch existiert.

 

Hallo Joh,

ich finde, die Geschichte ähnelt sehr stark einem biblischen Gleichnis. Nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch. Aus diesem Grund haut sie mich ehrlich gesagt nicht so vom Hocker. Auch finde ich es schade, wenn man sich zu sehr auf althergebrachte Stereotypisierungen beschränkt: Schaf= feige, Wolf= verschlagen. Ich finde, deine Geschichte ist gewissermaßen "herablassend menschlich": Solange der Wolf dem Menschen dient und sich als "Hund" bezeichnen lässt, ist er genehm, sobald er aber das tut, was eigentlich seine Natur ist (nämlich Schafe zu reißen), wird er erschlagen.
Natürlich sehe ich ein, dass man deine Geschichte nicht wörtlich nehmen darf, sondern dass sie mehr eine Art Fabel ist, aber ich finde die Botschaft dieser Fabel wirkt nicht besonders inspiriert.

Viele Grüße,
Barana

 

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