Wochenendausflug
Wochenendausflug
Wie konnte ich nur auf diese Wahnsinnsidee verfallen, zu Weihnachten ein Wochenende im Bayerischen Wald zu verbringen? fragte ich mich wutentbrannt, während ich mich tapfer durch den kniehohen Schnee kämpfte und mit klammen Fingern in meiner Anoraktasche nach einem einigermaßen trockenen Tempotaschentuch nestelte. Meine Hände waren trotz der pelzgefütterten Lederhandschuhe eiskalt und gefühllos. Endlich konnte ich mir die Nase putzen. Doch dazu musste ich stehen bleiben. Der harsche Schnee knirschte unter meinen Stiefelsohlen. „Wo war ich überhaupt?“ Ich schaute mich verärgert und vom Schnee geblendet um. Mir war kalt, ich hatte nichts mehr zu essen und zu trinken, die Nase lief und vielleicht bin ich immer nur im Kreis herum gelaufen, ging es mir durch den Kopf.
Als endlich der Blick klar wurde, nahm ich staunend diese wahrlich märchenhafte Landschaft aus Tannen, die dicke Schneemützen auf ihren Spitzen trugen, wahr. Einfach wunderschön. Aus meinen Kindertagen kannte ich solch einen herrlichen Winter. Zwischen den Bäumen lugten kleine graublaue Himmelfetzen hervor und die tief stehende Sonne schickte ihre letzten Strahlen über meine im Schnee hinterlassenen Stiefelabdrucke. Es glitzerte und strahlte nur so um mich herum.
Gibt es einen Schneestich? Ich glaubte auf den Wipfeln der Bäume klirrende Eiszapfen und Eiskristalle miteinander tanzen zu sehen. Oder war es nur eine Sinnestäuschung, ein Lichtreflex von der untergehenden Sonne? Die Kälte und der leichte Schneefall, der mittlerweile eingesetzt hatte, drangen durch jede Faser meiner Kleidung – auch durch die Mikrofaser, so dass jeder weitere Schritt schmerzte und große Willensanstrengung erforderte.
Aber nichts desto trotz musste ich sehen, weiter zu kommen, denn die Nacht wollte ich nicht in Kälte und Schnee verbringen. Ich war mir sicher, bald an der mir beschriebenen Hütte zu sein, denn mittlerweile waren mehr als die mir vorausgesagten drei Stunden Wegzeit vergangen. Ich atmete tief die kalte Luft durch meine Lungen und stapfte hoffnungsvoll weiter in der Erwartung hinter der nächsten Schneewehe eine Unterkunft, mag sie noch so klein sein, zu entdecken. Während ich mich so dahin schleppte, kamen und gingen die Gedanken…
… zu Hause regnete es, hatte ich heute Morgen im Hotel aus dem Radio erfahren und Schnee war in der hiesigen Region so bald nicht zu erwarten. Darauf hatte ich mich verlassen und deshalb hatte ich mich auch völlig arglos und frohen Mutes zu Fuß auf den Weg zur Waldhütte aufgemacht. Lediglich einen kleinen Rucksack mit meiner Geldbörse und einer Tüte Bonbons führte ich bei mir. Dieser Inhalt war mir in meiner jetzigen Situation nicht wirklich dienlich. Ich hatte Hunger und Durst.
Es wurde merklich kälter und sehr schnell dunkel als die Sonne nun endgültig hinter den Tannenwipfeln verschwand. Meine Hoffnung schwand zunehmend mit dem Licht von Schritt zu Schritt und die Füße waren wie Eisklumpen in meinen Stiefeln. Ewigkeiten später blickte ich müde von meinen über und über von Schnee bedeckten Stiefelspitzen auf und glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Hinter einem schneebedeckten Hügel duckte sich eine kleine Waldhütte. Sie sah so einladend aus mit dem Rauch, der sich aus dem Schornstein ringelte. Meine Lebensgeister waren sofort wieder da und ich stolperte voran, um mit letzter Kraft die quietschende Türe zum Haus aufzustoßen. Herrliche Wärme flutete mir entgegen, aber die Krönung war der Becher Glühwein, den ein liebenswerter freundlicher älterer Herr mit weißem Bart mir entgegenstreckte. Täuschte ich mich, oder trug er einen roten Mantel mit einer Kapuze verbrämt mit weißem Pelz?!