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"Wo sind wir?"

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07.04.2012
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"Wo sind wir?"

„Keine Ahnung, was siehst du?“
„Nichts“
„Wie, nichts, alles schwarz oder was?“
„Nein, nichts eben. Weder schwarz noch irgendetwas.“
„Aber immerhin können wir uns unterhalten, also auch denken.“
„Ich denke, also bin ich ...“
„Das macht mir Angst, ich sollte nicht mehr sein, das fühle ich.“
„Aber du bist. Eindeutig. Was ist deine früheste Erinnerung?“
„Du fragtest mich, wo wir sind.“
„ … scheisse! DU fragtest MICH, wo wir sind! Wir haben uns verwechselt.“

„Lass mich nachdenken, entweder sind wir eins, dann wäre es okay, dass unsere Erinnerungen identisch sind; oder aber wir sind zwei, und die Frage,wo wir sind, stellte ein dritter.“
„Aber wenn wir eins sind, dann bräuchte ich dich nichts fragen, oder?“
„Ja, doch, stell dir vor, im Traum begleitest du jemanden in ein Wirtshaus.“
„ … und dann?“
„Plötzlich stellst du fest, du bist alleine, schaust dich um und siehst den Wirt hinter einer Theke, der gelangweilt ein Glas putzt.“
„Ja, und? Weiter!“
„Ich frage ihn, wo meine Begleitung hingegangen ist, er deutet auf die Treppe.“
„Du gehst hoch! Erzähl!“
„... dort ist eine Tür. Was erwartet mich dahinter?“

„Sieh' bitte sofort nach!“

„Es muss jemand Regie führen.“
„Verstehe ich nicht.“
„Ein Teil meines Hirns steht im Traum unwissend vor der Tür. Das bin ich. Der andere Teil hat den Raum dahinter schon fertig eingerichtet, das ist mein Unterbewusstsein. Also auch ich … hm."
„Und was ist mit mir? Am Ende gibt’s mich gar nicht. Mach jetzt endlich die Tür auf und sieh' nach ob ich da irgendwo bin.“

„Reiss dich zusammen. Sagen wir mal, es ist ein einfaches Zimmer mit altem Holztisch, Stuhl und Fenster auf den Hof. Nehmen wir weiterhin an, auf dem Tisch steht eine Vase mit Blumen. Wer hat sie dort hingestellt?“
„Also, das ist mir doch ganz egal. Ich sitze auf dem Stuhl, richtig?“
„Nein!“
„Ooouuhh!“
„Du stehst am Fenster und siehst hinunter auf einen alten, verwahrlosten Friedhof.“
„ … das gefällt mir jetzt aber auch nicht. Na, ja, ich bin. Wie sehe ich denn aus?“
„Also, bitte … geh' mal ein Stück zur Seite, ich möchte auch was sehen. Ah, da kommt so eine altertümliche Pferdekutsche. Auf dem Bock sitzt ein dürrer Mann im schwarzen Anzug.“
„Oh, nein! Ein Totengräber! Die Sache ist mir unheimlich. Auf der Ladefläche ist ein Sarg. Und da hinten!! Eine offene Grabstelle!“
„Sehr richtig, EINE.“
„Du kannst es ruhig zugeben, dir ist auch nicht wohl dabei.“
„Der Wirt kommt raus und geht auf den schwarzen Mann zu … sie unterhalten sich … der Wirt zeigt in unsere Richtung ... jetzt schauen sie beide hoch. Ihre Mienen sind wahrhaft finster.“
„Hast du das gesehen? Der Dürre winkt uns, zu kommen! Ha! Da hat er sich aber geschnitten. Ich werde nicht freiwillig ins kühle Grab springen.“
„Jetzt stemmt der Wirt die Fäuste in die Hüften und stapft zurück ins Haus, der wird doch nicht etwa hochkommen? Du, ich glaube der holt uns. Das ist ein kräftiges Kerlchen.“
„Hast du das Knarren gehört? Das war die Treppe.“
„Wir müssen sofort weg hier!“
„Zu spät, er ist schon hinter der Tür.“

„Aus dem Fenster! Guck mal, hier ist ein Vordach, SPRING!“
„AUA! Mein Knöchel …“
„Zur Seite, ich komme!“
„Der Totengräber winkt uns immer noch, was grinst der jetzt so blöde?“
„Wir können nur über den Friedhof entkommen. Am schnellsten ist es wohl, wir rennen einfach quer rüber. An dem ausgehobenen Grab vorbei und weg sind wir.“
„Da oben, am Fenster steht der Wirt und schwingt die Fäuste.“
„Was wollen die von uns?“
„Bestimmt nichts Gutes. Los, weg hier!“
„Die Erde ist so komisch weich über den Gräbern. HILFE!! Ich bin eingesunken! SIE HOLEN MICH!! HILFE!!“
„Quatsch nicht, hier nimm meine Hand, ich zieh' dich raus.“
„Ooh, das war knapp. Ich habe total müde Beine, ich kann nicht mehr. Sieh dir nur mal an, wie tief die unser Grab ausgehoben haben.“
„DEIN Grab.“
„He, was ... aaaahh! Warum hast du mich hinuntergestoßen?“
„Es musste sein."
„Um Himmels Willen, was ist das für ein Geräusch?"
„Ein Bulldozer, oder denkst du ich schaufel mir hier Blasen?“
„Bitte nicht, warum machst du das? Hol' mich wieder raus!“
„Füge dich in dein Schicksal, aber beeile dich ... “

„Armin?“ Die Frauenstimme scheint vom Himmel zu kommen.
„Ich heiße Armin“, flüstert er.
„Und das seit neununddreißig Jahren.“
„Wie geht es Ihnen, Herr Schlüter?“ Der Chirurg sieht freundlich aus und nickt aufmunternd.
„Durst.“ Die Pupillen des Mannes fliegen unkontrolliert hin und her, bis sie bei einem Rollstuhl am Fenster zur Ruhe kommen.
„Das hast du ganz tapfer überstanden, deine erste OP, ich bin stolz auf dich.“ Die Frau küsst ihn auf die Stirn.
„Ich will zurück ...“
„Warum denn das?“
„Ich war in einer schrecklichen Welt, in der ich Beine hatte.“

 

Servus Elfenweg,

„Es muss jemand Regie führen.“

Mir wär‘s lieber, du der Autor tätest das und überließest es nicht mir, dem Leser, wenn du weißt, was ich meine.

Möglicherweise liegt es an meiner feiertäglichen Denkfaulheit, dass sowohl gestern in der Nacht beim ersten, als auch jetzt beim abermaligen Lesen, mich dein Text vorwiegend nervt.
Zum einen muss ich höllisch aufpassen, im Laufe des Dialogs die „Sprecher“ (ein spaltungsirrsinniges Hirn? Gleich nach der Geburt getrennte Zwillinge? Ein verschränktes Photonenpaar?) nicht durcheinanderzubringen, andererseits ist es mir dann letztlich eh wurscht, wer jetzt grad was sagt, weil es der Geschichte einfach nicht gelingt, mein Interesse an ihr zu wecken.
Für mich ist das einer dieser Texte, wo ich mir vorstelle, dass der Autor beim Schreiben ein womöglich hochinteressantes Gedankenkonstrukt im Kopf hat, und ich als Leser sollte halt verdammt noch mal flexibel und pfiffig genug sein, draufzukommen, um was es da eigentlich geht.
Und ja, natürlich kann ich in jeden Text alles hineininterpretieren, dazu muss mir der Text allerdings erst mal richtig Lust darauf machen, mich wirklich packen sozusagen, bei dem hier stellt sich diese Lust auch nach zweimaligem Lesen leider nicht ein, ich empfinde ihn als einen Blablabla-Text, tschuldige, Elfenweg.

„Sag' mal, wer von uns ist denn der Blöde?“

Feiertäglich milde gestimmt übernehme ich gerne die Rolle des ignoranten Dummen.

offshore

 

n'abend Ernst,

sorry, wollte echt nicht rumnerven, aber wo, wenn nicht in dieser Rubrik, kann man mal so ohne Korsett aus dem Bauch heraus dichten? Naja, hab's vllt übertrieben.

Die oder der Prot(s) haben keine Vorgeschichte, wer redet mit wem? Im Nichts aufgewacht, über einen Traum gesprochen, plötzlich mittendrin und das mit allen Konsequenzen (Brunnensturz und Tod).
Habe absichtlich verwirrt, sodass Abzählen auch nicht weiterhilft, um herauszufinden, wer spricht.

Am Ende habe ich mir so etwas wie einen Raum vorgestellt, in dem Sterbende "zwischengeparkt" werden. Ihr Leben ist irgendwie schon vorbei, aber sie sind noch nicht im Jenseits angekommen.

Da habe ich wohl zuviel extrahiert und nun kommt man nicht rein in den Text. Wenn er einen nicht packt, wie du sagst, isses ja schon nix.
OK, das war für mich ein Experiment zum Lernen.

Ich wünsch dir noch schöne Restpfingsten

elfenweg

 

Hallo elfenweg,

ich habe auch gerätselt über den Text. Ehrlich gesagt hat mich dein Kommentar viel mehr angesprochen als die Geschichte. Was du da geschrieben hast, hat sofort in mir Bilder produziert.

Am Ende habe ich mir so etwas wie einen Raum vorgestellt, in dem Sterbende "zwischengeparkt" werden. Ihr Leben ist irgendwie schon vorbei, aber sie sind noch nicht im Jenseits angekommen.
Vllt hast du ja Lust, da noch mal was Neues zu zu machen. ;) Das klingt spannend.

Gruß, Elisha

 

Hi Elisha,

ja, das ist wirklich ein spannendes Thema. Vor ganz vielen Jahren fiel mir zufällig das Deutsche Äzteblatt in die Hände, zufällig, weil ich kein Arzt bin. Beim Blättern stieß ich auf einen Beitrag der vom 'Außerkörperlichen Erlebnis' handelte (OBE out of Body expierience).
Es ging dabei um die Stationen, die ein vermeintlich Sterbender 'erlebt', obwohl sein Gehirn eigentlich gar nicht arbeitet. OP, Unfall. Das beginnt mit dem Herausfahren aus dem Körper, Gedankenlesen der Umstehenen, Gefühl von unglaublicher Heiterkeit, Treffen von Verwandten, Wandeln in einer surrealen Welt (schöne Landschaft, Fliegen), Erleben kleiner Begebenheiten, die bei allen irgendwie etwas mit deren Leben zu tun hatten und noch vieles mehr. Das Verschmelzen mit dem Licht erlebten nur ganz wenige und auch die nur im Ansatz. Es kam immer als Letztes.
Der Beitrag war seinerzeit auf dem zweiten Platz der besten Doktorarbeiten gelandet. Der Text des ersten Platzes wurde komischerweise nicht abgedruckt.
Mit einem Mal kamen alle aus der Deckung, da gab es einen Pfarrer, der solche Geschichten am Totenbett sammelte und ein Buch darüber schrieb, und im TV ging es los mit Berichten Betroffener. Aus allen Ecken hörte man diese Geschichten. Damals war das was ganz neues (jedenfalls für mich). Heute ist das ja Wald-und Wiesenwissen.
Es gibt da so ein Buch, das heißt, glaube ich: Die grüne Tür. Autor vergessen, war ein Engländer. Da hat ein kleiner Schuljunge so ein Erlebnis, ohne es zu wissen. Es spielte sich hinter einer grünen Gartentür ab, die er sein ganzes Leben lang vergeblich wiederzufinden versuchte.
Oha, ich bin heute aber wieder schwafelig.
... also Danke für deinen Beitrag, mal sehen, das Thema packe ich bestimmt nochmal an, irgendwann.

schöne Grüße

elfenweg

 

Hallo Elfenweg,

deine Geschichte erinnerte mich ans Theater des Absurden. Da gibt es ja auch diese losgelösten Figuren, die beliebige Welt und Kulisse, diese Reduktion. Was da immer mit mitschwingt und mir bei dir etwas fehlt, sind so Fatalismus, Bedrohung, Verzweiflung, Einsamkeit. Bei dir reden die Figuren zwar und versuchen, zu verstehen, wer sie sind und was los ist, und letztlich geht es auch um ihren Tod - aber das wirkt irgendwie alles so spielerisch. Als wären die da gar nicht richtig beteiligt. Alles traumhaft eben, alles nicht ganz ernst, weil man am Ende ja aufwacht. Für mich verliert das aber etwas deswegen.
Für mich bräuchte es da etwas mehr Erdung - nicht, dass du mehr erklären müsstest, mehr, dass es da etwas gibt, was für die Stimmung Bedeutung hat, was für die wirklich wichtig ist, vielleicht auch, was sie bedroht - es geht ja ums Sterben. So wirkt das auf mich etwas beliebig, was eigentlich schade ist.

Hab jetzt nochmal deine Erklärung gelesen, und jetzt weiß, ich weshalb diese Heiterkeit. Trotzdem, ich habe das Gefühl, in deiner Geschichte laufen die Dinge etwas zu glatt.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.

Gruß,
Kew

 

Hallo Kew,

Was da immer mit mitschwingt und mir bei dir etwas fehlt, sind so Fatalismus, Bedrohung, Verzweiflung, Einsamkeit. Bei dir reden die Figuren zwar und versuchen, zu verstehen, wer sie sind und was los ist, und letztlich geht es auch um ihren Tod

dankefür deine Anregungen. Die Idee mit der Bedrohung finde ich ziemlich reizvoll. Aber das wird schwierig einzubauen sein. Ich denke da evtl. an einen Leichenbestatter in schwarz, der nach ihnen fragt und sie zwingt, ihren abstrakten Raum zu vrlassen.

Sehr wahrscheinlich wird das die Geschichte umkrempeln, aber ich habe den Text intuitiv geschrieben und krieg' jetztdie Quittung dafür. Ich gehe nochmal ran, ein paar Tage wird's dauern.

deine Geschichte erinnerte mich ans Theater des Absurden. Da gibt es ja auch diese losgelösten Figuren, die beliebige Welt und Kulisse, diese Reduktion.

Dieser Vergleich gefällt mir, werde versuchen das im Kern zu erhalten.

schön, dass du mir geschrieben hast

elfenweg

 

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