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Wo lebt der Süßifant?
Zugegebenermaßen keine besonders tiefgründige und weltverbessernde Frage und die nahe liegende und wahrscheinlich ehrlichste Antwort darauf lautet: "Keine Ahnung." Zulässig sind jedoch Alternativantworten wie "in Takatukaland", "in einem Geheimlabor von Haribo" oder "Stille". Stille als Ausdruck intellektueller Überlegenheit und dem absichtlichen Ignorieren einer solch lächerlichen Frage.
Wenn man den Lebensraum des Süßifanten erforschen will, muss man zuerst wissen was er überhaupt ist. Ein Gliederfüßer? Eine übergroße Zuckerware aus dem Guinness Buch der Rekorde? Wurden früher Opa, Vater oder Lehrer befragt, so ist heute Google der Besserwisser für den modernen Menschen. Sie können gern mal dort nachschauen. Dann wird ihnen offenbart, dass sie Süßifanten günstig, nein so gar am günstigsten bei Amazon kaufen und bei Facebook mit ihnen in Kontakt treten können.
Da er auch nicht in dem fast schon in Vergessenheit geratenen Brehms Tierleben enthalten ist, ebenso wie der Taubenhaucher, möchte ich Ihnen nun die Auflösung dieses naturwissenschaftlichen Rätsels präsentieren.
Das vorpubertäre Mädchen spricht über die vielen wahnsinnig bewegenden Ereignisse seines Tages. Wie unfair es wieder in der Schule zugegangen ist, wer unerlaubterweise im Unterricht das Handy benutzt hat, über Social Media Kommentare, Youtubevideos und andere mehr oder weniger interessante Dinge. Dabei wird nun laut aus einem Buch vorgelesen, als Übung für die anstehende Rezitationsaufgabe in Deutsch. Der Erwachsene nun, der dies alles schon kennt, da selbst bereits durchlebt und mehrfach in den letzten Tagen gehört, versucht sich geistig abzuschotten und seine Konzentration nicht vom Zeitungsartikel über die Entdeckung einer neuer Unterart des Nacktmull zu lösen. Ein unsichtbarer Schutzschild aus Altersschläue verhindert das Durchsickern von „It-Girl“-Namen und den „kindlichen Hormonen geschuldeten“ Anschuldigungen gegen Gott und die Welt. Das natürlich, um pädagogisch nicht vollkommen versagt zu haben, mit einem interessierten Gesichtsausdruck. In dem schier unendlich scheinenden Fluss aus Worten, die er nun doch nicht zu verstehen vermag, da ihm als Basis zur Übersetzung die aktuellen Slangworte der Schulhofsprache fehlen, blitzt aber kurz etwas auf. Die, durch das Alter und mangelnde Nutzung, morschen Räder des Vaterhirns fangen an sich wieder zu drehen und der munterwerdende Geist schnappt nach dem soeben gehörten:
Stopp, stopp, stopp. Was hast du eben gesagt?
Tochter blickt fragend: "Äh?"
Na was hast du gerade vorgelesen?
Tochter leicht genervt: "Was meinst du?"
„Na das Süße da.“
Tochter immer noch genervt: "Süßifant oder was?"
"Genau."
Tochter: "Na und?"
„Was soll das sein?“
Tochter jetzt interessiert, könnte ja eventuell mal etwas besser wissen als der Vater: "Süßifant. Du müsstest das doch wissen."
"Ja, weiß ich auch, aber weißt du es denn?" lüge ich ohne rot zu werden.
Tochter „nun doch wieder genervt“ da sie sich belehrt fühlt: "Na süßifant eben. Wenn einer so komisch lächelt, steht hier."
Ach da ist er wieder, einer der schönsten Momente im Leben eines Erziehungsberechtigen. Wenn all die Mühe und Qual für eine Sekunde vergessen ist und man sich nur über dieses junge Leben freut, das da noch heranreift und Führung braucht. Durch so eine welterfahrene kompetente Person wie man nun mal selber ist. Du, meine kleine honigsüße Butterblume, der Papa ist ja für dich da. Nein man muss noch keine Angst haben, dass das Kind flügge wird und allzu früh das Nest verlässt, vielleicht sogar als Au-pair ans andere Ende der Welt, in ein Land das vielleicht schon morgen zur Diktatur wird. Ich muss an rosa Einhörner denken. Schon wird aus der neumalklugen Rotzgöre wieder ein zartes Wesen, dass man zu gern kuscheln und knutschen würde, was aber nicht mit der väterlichen Würde vereinbar ist.
"Das heißt süfisant. Du musst schon richtig lesen, sonst versteht dich kein Mensch." Und gut väterlich noch hinterher: "Du bist süß."
Damit hat man wieder einmal Wissen vermittelt und die Überlegenheit des eigenen Intellekts bewiesen. Und so lebt er denn weiter, in den Gedanken der Menschen die sich glücklich schätzen können von ihm gehört zu haben. Der Süßifant, eines der vielen Wortgeschöpfe aus der Sprachevolution unseres Alltags, die nie im Duden stehen werden, ihn aber sicher zu einer sehr viel unterhaltsameren Lektüre machen würden.
AB