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Wo ist Null?
Am Dienstag beim Abwaschen hänselten Null und Acht ein wenig die Eins:
"Nun hüpf hier nicht immer so rum, gleich fällt dir noch ein Teller runter, wenn du so hektisch bist."
"Du solltest mehr essen, sonst bist du bald nur noch ein Strich in der Landschaft und niemand beachtet dich mehr."
Eins fühlte sich an diesem Tag schon ganz schlapp, weil sie an vielen Orten verlangt worden war und viel hin und her gerannt war. Deshalb erwiderte sie gar nichts, sondern warf das Küchentuch in eine Ecke, rannte aus der Küche, verkroch sich im Schlafzimmer und weinte dort in ihr Kissen.
Zwei und Drei hatten sie laufen sehen und schauten nach, ob etwas geschehen war. Als sie Eins weinen hörten, nahmen sie sie in den Arm und trösteten sie. Anschließend suchten sie Null und Acht, trafen aber nur Null, die auf der Wiese lag und ihr Mittagsschläfchen hielt.
„So ist das richtig. Erst die arme Eins runterputzen und dann in aller Seelenruhe hier schlafen.“, schimpfte Drei.
„Du bist mir vielleicht so eine Null. Die arme Eins hat schon so viel zu tun, dass sie bald noch dünner ist und du bringst sie noch zum Weinen.“, fuhr Zwei fort.
„Du solltest dich schämen, so auf die Kleinen loszugehen. Arbeite erst mal so viel wie Eins, du fette faule Null.“
Null war so verdattert, dass sie erst einmal kein Wort herausbrachte. Als sie sich dann eine Antwort überlegt hatte, waren die beiden Zahlen bereits verschwunden und niemand hörte ihr zu. Diese kleine Auseinandersetzung war Null so auf den Magen geschlagen, dass sie sich den ganzen Abend unwohl fühlte. Sie wollte sich bei Eins entschuldigen, aber Eins hörte ihr gar nicht zu, sondern ging beim Abendessen demonstrativ an einen anderen Platz, weit weg von Null.
Am nächsten Morgen hatten die Zahlen ihren Streit schon vergessen. Nach dem Frühstück wurde es Zeit, in die Schule zu gehen und so stellten sie sich wie jeden Morgen in einer Reihe auf. Erst da bemerkten sie, dass Null fehlte.
„Wo ist Null?“, fragten sie alle.
„Acht muss das doch wissen, ihr seid doch gute Freunde.“
Aber Acht zuckte nur die Schultern: „Ich habe Null heute morgen noch nicht gesehen.“
„Die hat bestimmt verschlafen.“, meinte Vier, die immer ein wenig spitz war.
Alle Zahlen liefen in das Schlafzimmer von Null, fanden aber niemanden. Sie suchten überall, aber Null blieb verschwunden.
„Ach was,“ meinte Sieben, die auch ganz schön scharf sein konnte, „Wir brauchen Null doch gar nicht.“
„Genau.“, murmelten die anderen Zahlen und Eins übernahm das Kommando: „Stellt euch wieder der Reihe nach auf und dann lasst uns abzählen.“
Die Zahlen stellten sich nebeneinander und Eins begann: „Eins.“
„Zwei“
„Drei“
Und während die anderen Zahlen weiterzählten, ging Eins an das Ende der Reihe und stellte sich neben Neun. Dort stand immer Null und Eins hakte sich dann bei Null unter.
„Acht“
„Neun“
Schweigen. „Was ist los,“, fragte Vier, „jetzt kommt Zehn.“
„Aber Null ist nicht da und ich kann mich doch nicht mit einer anderen Zahl zusammentun.“, entgegnete Eins, die bisher schweigend am Ende der Reihe gestanden hatte.
Jetzt merkten die anderen Zahlen, dass sie die Null eben doch brauchten. Nach Zehn gab es ja auch noch mehr Zahlen, für die Null unbedingt erforderlich war.
„Was machen wir denn nun?“ Ratlos sahen sich die Zahlen an. "Wo sollen wir Null bloß suchen?"
Und sie hätten Null vielleicht gar nicht wieder gefunden, wenn nicht inzwischen etwas Seltsames geschehen wäre.
Die Klasse Drei A schrieb ein Diktat zu Ostern und schon der erste Satz sah sehr eigenartig aus:
„Ich bin zu Besuch bei OOma und OOpa. Wir gehen in den Garten und suchen OOstereier.“
Die Kinder sahen sich verdutzt an. Hatte sich das große O verdoppelt, weil Ostern war? Aber die Lösung war viel einfacher:
Null hatte sich am frühen Morgen aus dem Zahlenhaus geschlichen und war traurig durch den Wald gewandert. Wenn die anderen meinten, sie sei zu dick, wollte sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Null hatte noch gar nicht überlegt, wohin sie gehen sollte, als sie zum Buchstabenhaus kam. Dort sah sie, wie das ganze ABC gerade zum Morgenlauf aus dem Haus kam. Vorneweg liefen l und i und dann kamen alle anderen Buchstaben bis schließlich am Ende D und O und o schnaufend versuchten, nicht zu sehr zurückzubleiben.
Null freute sich, gleich drei Buchstaben zu finden, die ihr ähnlich sahen und lief ihnen nach. Sie blies sich ein wenig auf und sah dann aus wie das O. Da sich die drei Buchstaben an ihrem neuen Begleiter nicht störten, sondern sich sogar darüber freuten, dass sie nun zu viert waren, blieb Null auch nach dem Morgenlauf bei ihnen.
Als die Buchstaben nun zum Diktat gingen, wusste Null gar nicht, was sie machen sollte. Also hängte sie sich einfach an O und machte ihm alles nach.
Das ging natürlich nicht und O bat Null, doch wieder zu den Zahlen zurückzukehren, aber Null wollte nicht zu den zahlen zurückkehren. Nachdem die Zahlen erfahren hatten, wo Null geblieben war, kamen sie alle und versicherten Null, dass sie dringend gebraucht würde und dass alle sie lieb hätten und sich ganz oft bei ihr unterhaken würden. Und Zwei entschuldigte sich und betonte, dass Null gar nicht zu fett sei, sondern eine richtig schöne runde Null. Da wurde Null wieder fröhlich und verabschiedete sich von O und o und D verabschiedet und kehrte zu den Zahlen zurück.