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Wo ist Miller?

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04.04.2008
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Wo ist Miller?

Wo ist Miller?

Die letzten Häuser der Stadt habe ich längst hinter mir gelassen und die zunehmende Dunkelheit macht mir Sorge. Wie weit mag es noch sein? Meine Weisung lautet, mich genau an den Straßenverlauf zu halten.
Der Weg wird allmählich holperig und die Asphaltdecke weist riesige Löcher auf, aus denen sich Schotter und Steine an die Oberfläche drücken. Es gibt keine Laternen hier, schon längst keine Bürgersteige mehr, und rechts und links von der Strasse ducken sich verwilderte Industriebrachen, verfallene Gemäuer, in deren Ruinen Disteln und Brennnesseln wachsen. Die Straße wird enger, der Belag verschwindet endgültig und ich gehe weiter auf einem steinigen Erdweg. Was soll ich tun, wenn auch der plötzlich endet?
Fragen habe ich nicht zu stellen. Meine Aufgabe ist, Miller zu treffen und das Kästchen entgegenzunehmen. Was darin ist, weiß ich nicht, geht mich auch nichts an. Ich muss es einfach nur zurückbringen, möglichst unauffällig, geräuschlos und unsichtbar, deshalb auch keine Taschenlampe. Wahrscheinlich wird Miller mich zuerst entdecken. Ich hoffe, dass er auf mich wartet, wo immer das auch sein mag. Vor mir macht der Weg eine scharfe Rechtskurve und danach taucht wie aus dem Nichts eine Mauer auf. Verdammt! Was soll ich tun? Ich spüre, wie mir der Schweiß aus den Poren dringt. Eine endlos gerade Mauer, die den Weg einfach abschneidet. Es ist schon fast dunkel und ich kann weder ein Ende, noch eine Öffnung erkennen. Ob das eine Falle ist? Verflucht, was habe ich übersehen? Von einer Mauer war nie die Rede, nur von der Strasse. Bleib immer auf der Strasse, lautete die Anweisung. In meine Angst mischt sich die Gier nach der Belohnung. Wenn ich das Päckchen zurückbringe, werde ich fürstlich entlohnt. Wenn ich es nicht schaffe, werden sie sich einen anderen suchen, daran besteht kein Zweifel. Miller scheint ein regelmäßiger Lieferant zu sein. Hier ist richtig was zu holen und ich habe ein Erfolgserlebnis bitter nötig!
In letzter Zeit ist mir so ziemlich alles daneben gegangen. Mir ist auch völlig egal, was in dem Päckchen ist, ich bin ja nur der Überbringer, der Abholer und Zurückbringer. Und ich will das unbedingt schaffen!
Bellen, ich höre Hundegebell. Es kommt näher und es sind mehrere. Wütendes Kläffen, dazwischen tiefes Knurren. Lieber Gott, hilf mir! Sie kommen da hinten an der Mauer entlang gerannt, halten genau auf mich zu. Ich schätze, es sind höchstens noch hundert Meter. Selbst wenn ich zurück renne, habe ich keine Chance. Ich erkenne drei massige Tiere, kurze, gedrungene Leiber und gekrümmte, stämmige Beine. Ich gehe drei Schritte zurück und stürze mich auf die Mauer. Irgendwie habe ich es nach oben geschafft, in allerletzter Sekunde. Schon sind sie unter mir, springen voller Wut an den bröckeligen Steinen hoch und der Sabber tropft von ihren Lefzen. Sie schaffen es nicht, ich bin erst einmal in Sicherheit. Vorsichtig lasse ich mich auf der Rückseite hinab und springe auf ein Stück Beton, dass wohl einmal zu einem Fundament gehört hat. Vor mir ragt etwas ungeheuer Großes, Schwarzes in den Nachthimmel auf, daneben verfallene, langgestreckte Ruinen. Mein Herz schlägt wie verrückt, ich drücke mich gegen die Mauer und überlege. Das Kläffen der Hunde ist verstummt, Gott sei Dank. Bin ich hier richtig? Ich habe die Strasse verlassen und befinde mich offenbar in einem alten Hüttenwerk. Der schwarze Riese könnte ein Hochofen sein. Niemand hatte mich vor den Hunden gewarnt, ich hätte nicht anders handeln können, sie hätten mich zerfleischt. Doch was ist, wenn Miller ganz woanders auf mich wartet? Ich suche das Gelände mit den Augen ab, mittlerweile verschwimmt alles zu einem schwarzbraunen Brei, ein sicheres Zeichen dafür, dass meine Zeit abläuft.
Angenommen, Miller ist hier, würde er mich nicht schon längst bemerkt haben? Er konnte unmöglich die geifernden Hunde überhören. Wo ist Miller? Ich will gerade ein paar Schritte ins Gelände wagen, als ein ohrenbetäubender Knall mich erstarren lässt…

Die Tür fliegt auf und kracht gegen die Wand. Jasper kommt schwanzwedelnd ins Zimmer gestürmt, springt begeistert an mir hoch, während mein kleiner Bruder hinter ihm herhechelt und atemlos sagt: „Max, mach den Computer aus und komm endlich essen.“

 

Hallo Jutta,

ha ha ha. :)

Nunja, was soll man dazu sagen. Solide geschrieben, obwohl ich nicht das Gefühl hatte, wirklich dabei zu sein. Da scheint wohl die Einschränkung eines Computerspiels zuzuschlagen, dass man nur sehen und hören kann.

Den ersten Teil fand ich damit langweilig, so etwas habe ich schon tausendmal gelesen. Da war nichts Neues, nichts Bewegendes, nur eine Szene.

Und zum Ende muss ich wohl nichts sagen, oder? Hoppala, alles nur ein Spiel. Wenn vorher Hinweise dringewesen wären, dann wäre es besser gewesen. Er konnte nichts riechen, z.B. oder er fiel und es tat nicht weh.

So kommts nicht sehr überzeugend rüber.

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo yours,
danke fürs Lesen und Kommentieren. Klar, alles schon bekannt, das sehe ich auch so, dennoch hatte ich Spaß beim Schreiben und hoffe einfach auf den kleinen Überraschungsmoment am Schluß; deshalb auch keine Hinweise. Es wird hoffentlich deutlich, dass Max keine sinnlichen Erfahrungen macht.
LG,
Jutta

 

Hallo,
ich finde deine Geschichte ganz nett. Sie hat einen schönen Spannungsbogen und ich konnte mich als Leser sehr gut reinversetzen.

Der Schluss ist natürlich irgendwie lustig und originell, aber mir gefiel er nicht. Für meinen Geschmack machst du damit die schöne, eigentlich gut gelungene Geschichte kaputt. Aber das sieht natürlich jeder anders.

lG Eine wie Alaska

 

Hallo Jutta,
deine Geschichte gefällt mir im Großen und Ganzen. Der Anfang hat mich dazu gebracht weiterzulesen, auch wenn mir die Stelle mit den Hunden nicht so gefiel, es wirkte auf mich ein bisschen so, als würdest du unbedingt Action reinbringen wollen.
Trotzdem wollte ich wissen wie es weitergeht, deswegen hat mich der Schluss auch etwas enttäuscht.

"In letzter Zeit ist mir so ziemlich alles daneben gegangen." -> was denn?

Lg,
Miriam

 

Hallo Jutta!

Sorry, aber jetzt bin ich echt sauer. Von einer einigermaßen erfahrenen Schreiberin erwarte ich wirklich mehr als diese ultraschwache Anfänger-Pointe: "Es war alles nur ein Traum", "nur ein Computerspiel", "Dreharbeiten für einen Film!" Ich frage mich echt, was für einen Zweck eine derartige Leserverarsche haben soll? Millionenfach geschrieben und millionenfach nervig! (Ach, der Autor hatte Spaß! Wer einen Text der Öffentlichkeit vorstellt, sollte aber in erster Linie an den Leser denken!)
Sorry.

Grüße
Chris

 

Euch Allen herzlichen Dank für Eure Kommentare und die vielfältigen, aber doch eher schwachen Beifallsbekundungen! Zurecht natürlich, obwohl ich der Meinung bin, dass auch eine "einigermaßen erfahrene Schreiberin" (DANKE!), mal daneben greifen darf und muß, denn nur so funktioniert Meinungsbildung, Perspektivenerweiterung und Entwicklung. Ich hatte schon die Hoffnung, dass die Geschichte jüngeren Lesern gefällt, und Spaß beim Scheiben hatte ich auch, das schließt sich ja nicht aus. Fakt ist aber, dass ich in einem Teich gefischt habe, der offensichtlich nicht meiner ist. Sauer muß aber deshalb doch keiner sein, oder? Schließlich ist es eine Lernerfahrung für mich. Gegen den Vorwurf der Leserverarsche verwahre ich mich allerdings, das liegt mir fern und ich möchte es mir auch nicht unterstellen lassen. Von daher, echauffier dich nicht, Chris und genieße den Herbst. Über die, denen es ein wenig gefallen hat, freue ich mich natürlich trotzdem!
LG,
Jutta

 

Hallo Jutta!

Nichts für ungut, aber ich fühle mich nunmal verarscht, wenn ich einen Text lesen muss, der vom Autor absichtlich nicht zu Ende geschrieben wurde, sondern mit eine "Pointe" bedacht wird, die den selben Effekt hat, als hätte man den Text mit einer Schere vom Ende befreit. Das ist nicht als Beleidigung gedacht, einfach meine Gefühlswelt. Ich wollte dir nicht unterstellen, dass du Leser mit Absicht "verarschen" wolltest. Aber derartige Text gehen mir nunmal auf den Senkel, weil sie andauernd auftauchen. Den letzten bei kg.de (vor deinem) habe ich wohl vor drei Wochen gelesen und das war ganz bestimmt nicht der erste, auch nicht der zehnte. Diese "Pointe" ist wie ein Virus, der sich nicht bekämpfen lässt.
Naja, nichts für ungut.

Grüße
Chris

 

Hallo,

Der Weg wird allmählich holperig
Ich weiss hier nicht so richtig, aber holperiger Weg erinnert mich an ein Autofahrt und kein Spaziergang. Ich war deswegen ein wenig verwirrt an dieser Stelle.

Aaaach, ein Computerspiel. Düster, gehetzt, süchtig ... und sinnlos. Das sind die Beschreibungen, die mir zu dem Computerspiel einfallen. Die kurzen Sätze betonen die Gehetztheit des Spielfigurs und des Spielers. Die düstere Athmosphäre ist sehr schön mit den worten gemahlt und ich kann mir es leibhaftig vorstellen und hineinfühlen. Die Auslassung der Details und rasches Szenenwechsel passt zu einem Spielverhalten, doch bis zum letzten Satz lässt du den Leser im Ungewissen, um dann die Wahrheit mit dem Knall des Türs reinrauschen zu lassen. Das alles hat mir an deiner Geschichte gefallen und ich spreche hiermit meinen großen Lob für die gelungene Geschichte.

Ich glaube, in der Geschichte steckt auch Kritik an der heutigen Jugend und ihrer Sucht an Computerspielen. Dass sie sich so in das Spiel steigern, dass alles andere - die Wirklichkeit - aus ihrer Wahrnehmung verschwindet, weshalb auch eine quasi Überraschnug, als der Bruder hereinkommt und zum Abendessen ruft. Ich mag Geschichten mit einem Hintergedanken.

Die Lebenssonde

 

Hey Jutta!

Ich kann mich Chris eigentlich anschließen, das ist eine billige Pointe, der Text hat es nicht verdient. Für einen klitzekleinen Moment hat mich die Atmosphäre und die Stimme an "Warten auf Godot" erinnert, ein super tolles Stück. Diese ganze Suche um Miller, das ist so ein aktives "Warten auf Godot", deshalb würde ich da die "Pointe" weglassen und die Geschichte wirklich bearbeiten. Hmm, ich weiß aber nicht, ob du weißt, was ich meine. Also, wenn du nix dagegen hast und wenn ich die Zeit finde, würde ich die Geschichte gerne copywriten. Oder ich drehe es so um, dass es meine eigene Idee wird, also vergiss alles, was ich jetzt gesagt habe, mach dein Ding! Ich bin dann mal weg ... :D

JoBlack

 

Hallo Sonde,
herzlichen Dank für Dein Lob über die Atmosphäre des Computerspiels. Das hat mich besonders gerfreut, weil mir dieser Teil beim Schreiben viel Spaß gemacht hat. Plötzlich konnte ich mich in den Sog hineinversetzen, den solche Spiele wohl haben, obwohl ich es nie selbst versucht habe. Freut mich, dass s Dir gefallen hat.
LG,
Jutta

Hallo Jo,
meine Güte, ist es nicht spannend, was so eine kleine Geschichte an Assoziationen freisetzt? Klar kenne ich 'Warten auf Godot' und wenn ich darüber nachdenke, verstehe ich die Parallelität, wäre aber nie darauf gekommen. Wladimir und Estragon warten auf Godot, der nie kommen wird, vertreiben sich die Zeit, machen das Warten zum Inhalt, abhängig von jemand, den sie nicht kennen. So gesehen, ist der Vergleich ja geradezu eine Ehre; doch lass es mich entzaubern: Ich hatte wirklich nix anderes vor, als so eine Geschichte auszuprobieren mit genau dieser 'billigen' Pointe!! Sonst hätte ich wohl eine gaaaanz andere gechrieben. Also, Jo, mach mal was du willst; das habe ich eh nicht so richtig verstanden. ( P.S. Wusstest Du, dass beckett den 'GODOT' geschrieben hat, als er mit seiner ganzen Prosa nicht mehr zufrieden war und sich sozusagen in einer Sinnkrise befand? Hi, hi, hi!)
LG,
Jutta

Hallo Chris,
wenn es keine schlimmeren Viren gibt, dann geht`s doch, gelle? Alles ist gut!
LG,
Jutta

 

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