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Wo ich meine heimlich geweinte Träne von der Wange wische

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11.01.2003
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Wo ich meine heimlich geweinte Träne von der Wange wische

wo ich meine heimlich geweinte Träne von der Wange wische

Gedankenverloren sitze ich im Pausenraum, halte mich an meiner heißen
Tasse Kaffee fest und beobachte, wie immer, die drei hoch gewachsenen
Bäume und den Windsack der sich wild flatternd gegen sein "am Masten
festgebunden", zu wehren scheint. Ich hab keine Ahnung ob ich denke,
träume, in meinem Kopf oder meiner Seele verschwunden bin, doch holt mich
das trappeln schneller, vieler kleiner Kinderfüße in die Realität und
ins Bewusstsein sich am Arbeitsplatz zu befinden, zurück. Schnellen
Schrittes eile ich zur Station zurück, wo sich mittlerweile eine Horde
Volkschulkinder versammelt haben und einige von ihnen schüchtern von
einem Bein auf's andere treten. Ich beobachte sie, diese kleinen süßen
Zwerge, und stelle fest dass sie alle so verschieden wie auch einzigartig
sind. Zu dritt tragen sie jeweils Gedichte vor, mit monotoner
Kinderstimme. Als ob sie es langsam ablesen würden und der Finger die
noch zu sprechenden Buchstaben entlang rutschen würde. Die Lehrerin, in
sicherer Nähe vor ihnen aufgestellt, mit stummen, vorsagendem und
übergroß bewegendem Mund, damit auch keines der Kinder den Text
vergisst, oder stecken bleibt. Zwischen den Gedichten, spielen drei
langhaarige Mädchen auf ihrer Flöte, wo die kleinen, zarten Finger
Mühe haben, alle Löcher gleichzeitig zuzuhalten, wenn das Stück es
erfordert.

Mein Blick wandert auf jeden einzelnen unserer alten Herrschaften, zu
deren Ehren die Kleinen heute gekommen sind. Und mir wird schwer ums
Herz. Einige Verwirrte rufen "Bravo", klatschen, auch wo es nichts zu
klatschen gibt, lächeln und fassen mit gestreckten Armen nach den Kindern
oder aber brechen in Tränen aus. Das Flötenspiel und die monoton
vorgetragenen Gedichte nehme ich nur mehr von weiter Ferne wahr, und
beginne wieder in mein Inneres zu fallen, während ich auf die mit Falten
übersäten, alten Gesichter starre. "Was sie wohl denken?" Denken sie
daran, wie es war, als sie selbst noch Lieder unter dem Weihnachtsbaum
gesungen haben? Zusammen mit ihrem Kindern? Enkeln? Wie sie den Heiligen
Abend begonnen haben, die Frauen das Festmahl vorbereitet und die
Männer den Christbaum ins Haus geschleppt haben?
Denken sie daran, dass sie einsam sind, sich
alleine fühlen und diese Jahr wieder niemand kommen wird um mit ihnen
Weihnachten zu feiern? Oder genießen sie einfach nur die junge
Gesellschaft, und weinen vor Freude? Ich kann es nicht beurteilen, und
ich kann sie auch nicht fragen, weil sie mir keine Antwort die mich
zufrieden stellen würde, geben könnten. Aber ich spüre sie, die Einsamkeit
und die Verzweiflung der Alten. Wie eine düstere, bedrückende Wolke kurz
vor einem Gewitter hängt sie im ganzen Haus. Sie greift nach mir und
lässt mich im Dienstzimmer verschwinden, wo ich meine heimlich geweinte
Träne von der Wange wische.

 

Hallo Existence ..

Danke für Deine Antwort. Hat mich sehr gefreut. :) Dass das alles noch holprig klingt, kann ich mir gut vorstellen, ich habe bisher noch nicht so viel geschrieben. Nur kurz zum Aufbau: Es war genauso, wie ich oben geschrieben habe, aber vielleicht kommt das nicht so gut rüber, wiel ich ja weiss wovon ich rede.. keine Ahnung :) Es gab keine Feier.. eben nur Kinder, die 10 Minuten zum Vorsingen kamen, auf unserer Station, im Pflegeheim.. und ich empfand es als unwahrscheinlich schrecklich, obwohl es doch lieb gemeint war.

Danke jedenfalls für Deine Antwort

 

Hallo Leonie!

Für mich kommt es sehr gut raus, die Situation im Alten/Pflegeheim... eine Momentaufnahme, kaum Handlung, aber ein recht tiefer Text, finde ich. Ich denke, es kommt gut rüber... auch ich habe schon auf Stationen und in Heimen einiges erlebt, ich kann mir recht genau vorstellen, wie es einem dabei geht, Du hast das toll geschildert, meiner Ansicht nach.

Existence hat recht, vor allem an Anfang sind einige Holperstellen drin.

„beobachte, wie immer, die drei hoch gewachsenen
Bäume und den Windsack der sich wild flatternd gegen sein "am Masten
festgebunden", zu wehren scheint“

- ich versteh, was Du meinst, das Bild ist gut, aber dennoch ist es umständlich, meiner Ansicht nach.

„eine Horde
Volkschulkinder versammelt haben und einige von ihnen schüchtern von
einem Bein auf's andere treten.“

- die Stelle hat mir besonders gut gefallen, das kann ich mir sehr gut vorstellen, die Kinder!

„Die Lehrerin, in
sicherer Nähe vor ihnen aufgestellt, mit stummen, vorsagendem und
übergroß bewegendem Mund, damit auch keines der Kinder den Text
vergisst, oder stecken bleibt.“

- ist meiner Ansicht nach wieder recht umständlich ausgedrückt. (die Zeilenumbrüche könntest Du auch noch entfernen...)

„Denken sie daran, dass sie einsam sind, sich
alleine fühlen und diese Jahr wieder niemand kommen wird um mit ihnen
Weihnachten zu feiern“

- ein sehr trauriger Gedanke, der allerdings leider sehr oft Wirklichkeit wird... und eine wunderschöne Formulierung.

„Sie greift nach mir und
lässt mich im Dienstzimmer verschwinden, wo ich meine heimlich geweinte
Träne von der Wange wische.“

- auch diese Bild ist sehr schön ausgedrückt.

Insgesamt gefällt mir die Geschichte sehr, sehr gut. Traurig, warmherzig, ein Moment. Schön.

liebe Grüße... Anne

 

Danke! Jetzt weiss ich auch genau was mit holprig gemeint war :) Ich konnte mir nicht wirklich soo viel drunter vorstellen, [ich schreib nur so aus Spass und vorher nie mit Kritik] ausser dass es halt nicht so gut ist. Ja, Handlung hat es sicherlich keine.. und ich hab mich auch nicht wirklich getraut es zu posten, da es ja keine Geschichte ist, umso mehr freut mich die Kritik und das Lob :) Danke.

 

Servus Leonie!

Du kannst dich wohl trauen, zu schreiben, denn du schreibst mit viel Gefühl und mit gut nachvollziehbaren Bildern. Das Leben mit alten Menschen ist, wie du es selbst darstellst, vor allem auch sehr aufwühlend, weil man oft nicht mehr in sie vordringen kann. Man sieht den Schmerz, die Freude, die Ratlosigkeit in ihren Gesichtern, weiß aber nicht woher sie rühren, wo ihre Gedanken gerade verweilen. Vielleicht weitab von der Realität und Momente wie dieses Weihnachtsfest lösen eben Emotionen. Wohin diese die Menschen in dem Moment führen, in welche Erinnerungen, weiß man nicht. Und da beginnt auch das Fühlen um einen selbst. Wird man, als sehr alter Mensch verwirrt sein, noch klar und ausdrucksstark?

Lieben Gruß schnee.eule

 

Besser hätte ich es nicht sagen können! :) Du hast es auf den Punkt gebracht.

*verneig* für Dein Lob

 

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