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Wo Bush und Hitler Skat kloppen
Vor drei Wochen traf ich meinen Freund Bert vor dem Kleiderschrank seines Vaters. „Aha“, dachte ich, „die umfangreiche Sammlung amerikanischer Pornomagazine von Papi, onanieren gegen die traurige Wirklichkeit und so.“
Doch die Sache lag anders. Mit der Ernsthaftigkeit eines Steuerberaters eröffnete er mir: „Ich werde jetzt ein Indie.“
Warum er dafür im Kleiderschrank wühle, fragte ich ihn.
„Ja denkst du etwa mit Jeans und Hemd von C&A bin ich Indie? Mein Vater hat gesagt, er habe da noch irgendwo alte Sachen liegen.“
Ich dachte: „Ach ja, das Wetter, Hitze, tote Omas in verrotteten Hochhauswohnungen“ und ging.
Als ich am nächsten Tag mit der neuen Xaivier Naidoo – CD vorbeischaute, musste ich einsehen, dass Bert es ernst meinte. Er trug jetzt zerlöcherte, blaue Jeans, rote Chucks, ein grelles Polo-Shirt, darüber einen olivgrünen Parker, obwohl es draußen mindestens 30 Grad im Schatten hatte.
„Schön“, dachte ich bei mir, „kriegt das Rte Kreuz eben nix ab.“
Als ich ihm meine CD entgegenstreckte, wich er angeekelt zurück. Er habe endlich begriffen, dass die No Angels nur geistiges Abführmittel seien und Xaivier Naidoo habe er sowieso nie leiden können.
„Diese aufpolierte Scheiße“, sprach er verächtlich. Er wolle jetzt ehrliche Musik hören. Daraufhin wies Bert auf einen Stapel CD’s, den er heute besorgt hatte. Die Bands hatten Namen, die so attraktiv und fantasievoll klangen wie „Eckbank“, „Leberzirrhose“ und „Chemie-Klo“. In ihren Songs sangen sie über ihre Hunde, den Mann gegenüber und davon, dass sie Teil einer Jugendbewegung sein wollten.
„Darauf ein Hansa – Bier“, meinte Bert und trank.
Eigentlich mochte er kein Bier. Das führte immer nur zu Problemen mit dem Magen.
„Oh Gott“, dachte ich plötzlich, ob seine Krankheit über die Atemwege übertragbar war? Ich wollte meine guten Jeans nicht mit einer Schere bearbeiten.
Es wurde nicht besser. Bert, langjähriges Vorstandsmitglied der Jungen Union, wurde Sozialist, als er anfing zu kiffen, trat aus der Kirche aus („Ich brauch keinen Gott“) und wetterte gegen die Konservativen: „Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit Konservativen und am Ende wartet George Bush, der mit Hitler Skat kloppt.“
Mit seinen Eltern hatte er sich längst verworfen, aber das erfüllte ihn mit Stolz. Als ihn die Polizei wegen illegaler Flugblätter, die zum Umsturz des Staates aufriefen, verfolgte, beschloss er nach Kuba auszuwandern. Vorher teilte er mir mit, dass er sich geistig weiterentwickeln müsse. Mit uns Spießern sei das nicht möglich. Unsere kognitiven Kompetenzen – er sprach seit Tagen nur noch in Fremdwörtern – seien doch auf dem Niveau einer Fruchtfliege. In Kuba hingegen sei die Freiheit noch das am höchsten geschätzte Gut und der Beweis, dass der Kommunismus durchaus funktionierte.
Ich dachte: „Ich mag Fruchtfliegen.“
Zwei Tage vor seiner Abreise verliebte sich Bert in ein Mädchen, das die Bravo las und auf ihren Rucksack geschrieben hatte: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume.“
Bert gab das Flugticket zurück, ließ sich die Haare schneiden, kaufte sich einen Anzug und behauptete ihr gegenüber, er verehre Eros Ramazotti. Das zog bei ihr.
Seitdem sie zusammen sind, besucht er regelmäßig die Messe und klebt mit ihr Starschnitte zusammen. Gestern hat er sein letztes Gras an die Enten im Park verfüttert.