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Wo Bush und Hitler Skat kloppen

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30.09.2002
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Wo Bush und Hitler Skat kloppen

Vor drei Wochen traf ich meinen Freund Bert vor dem Kleiderschrank seines Vaters. „Aha“, dachte ich, „die umfangreiche Sammlung amerikanischer Pornomagazine von Papi, onanieren gegen die traurige Wirklichkeit und so.“
Doch die Sache lag anders. Mit der Ernsthaftigkeit eines Steuerberaters eröffnete er mir: „Ich werde jetzt ein Indie.“
Warum er dafür im Kleiderschrank wühle, fragte ich ihn.
„Ja denkst du etwa mit Jeans und Hemd von C&A bin ich Indie? Mein Vater hat gesagt, er habe da noch irgendwo alte Sachen liegen.“
Ich dachte: „Ach ja, das Wetter, Hitze, tote Omas in verrotteten Hochhauswohnungen“ und ging.

Als ich am nächsten Tag mit der neuen Xaivier Naidoo – CD vorbeischaute, musste ich einsehen, dass Bert es ernst meinte. Er trug jetzt zerlöcherte, blaue Jeans, rote Chucks, ein grelles Polo-Shirt, darüber einen olivgrünen Parker, obwohl es draußen mindestens 30 Grad im Schatten hatte.
„Schön“, dachte ich bei mir, „kriegt das Rte Kreuz eben nix ab.“
Als ich ihm meine CD entgegenstreckte, wich er angeekelt zurück. Er habe endlich begriffen, dass die No Angels nur geistiges Abführmittel seien und Xaivier Naidoo habe er sowieso nie leiden können.
„Diese aufpolierte Scheiße“, sprach er verächtlich. Er wolle jetzt ehrliche Musik hören. Daraufhin wies Bert auf einen Stapel CD’s, den er heute besorgt hatte. Die Bands hatten Namen, die so attraktiv und fantasievoll klangen wie „Eckbank“, „Leberzirrhose“ und „Chemie-Klo“. In ihren Songs sangen sie über ihre Hunde, den Mann gegenüber und davon, dass sie Teil einer Jugendbewegung sein wollten.
„Darauf ein Hansa – Bier“, meinte Bert und trank.
Eigentlich mochte er kein Bier. Das führte immer nur zu Problemen mit dem Magen.
„Oh Gott“, dachte ich plötzlich, ob seine Krankheit über die Atemwege übertragbar war? Ich wollte meine guten Jeans nicht mit einer Schere bearbeiten.

Es wurde nicht besser. Bert, langjähriges Vorstandsmitglied der Jungen Union, wurde Sozialist, als er anfing zu kiffen, trat aus der Kirche aus („Ich brauch keinen Gott“) und wetterte gegen die Konservativen: „Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit Konservativen und am Ende wartet George Bush, der mit Hitler Skat kloppt.“
Mit seinen Eltern hatte er sich längst verworfen, aber das erfüllte ihn mit Stolz. Als ihn die Polizei wegen illegaler Flugblätter, die zum Umsturz des Staates aufriefen, verfolgte, beschloss er nach Kuba auszuwandern. Vorher teilte er mir mit, dass er sich geistig weiterentwickeln müsse. Mit uns Spießern sei das nicht möglich. Unsere kognitiven Kompetenzen – er sprach seit Tagen nur noch in Fremdwörtern – seien doch auf dem Niveau einer Fruchtfliege. In Kuba hingegen sei die Freiheit noch das am höchsten geschätzte Gut und der Beweis, dass der Kommunismus durchaus funktionierte.
Ich dachte: „Ich mag Fruchtfliegen.“

Zwei Tage vor seiner Abreise verliebte sich Bert in ein Mädchen, das die Bravo las und auf ihren Rucksack geschrieben hatte: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume.“
Bert gab das Flugticket zurück, ließ sich die Haare schneiden, kaufte sich einen Anzug und behauptete ihr gegenüber, er verehre Eros Ramazotti. Das zog bei ihr.
Seitdem sie zusammen sind, besucht er regelmäßig die Messe und klebt mit ihr Starschnitte zusammen. Gestern hat er sein letztes Gras an die Enten im Park verfüttert.

 

und ich dachte schon die 37ste bush-satire zu lesen..:D

hallo sebastian,

die botschaft - so wie sie bei mir angekommen ist - gefiel mir am besten an deiner satire.. gerade in solche extreme zu verfallen, hat heutzutage gewichtig was mit langeweile und dem einfach nicht aufzufindenen sinn des lebens zu tun - sich zu verlieben, kann dem ganz schön abhelfen..:) - für wie lange das auch immer anhält.. insofern hat mir vor allem der schluß gefallen..

die satirisch/bissigen elemente im hauptteil waren nicht immer mein ding - aber in der kürze kam das gut rüber..und mit dem gemeinsamen starschnitt kleben hast du dann einen sehr guten gelandet..:D

am stil gibts nichts auszusetzen - in der gebotenen trockenheit erzählt..

viele grüße, streicher

 

die geschichte gefällt mir...vor allem die kompentenz des autors, zwischen vertretern der populären gattung der alternativen zu unterscheiden, lässt mich staunen! allerdings sollte er aufpassen...pseudo-alternative kleidung, möglicherweise unbekannte musik und ein gehobener sprachstil sind kein garant für oberflächlichkeit...

 

Lass mich raten...
du hast das nicht geschrieben, um provokante Titel oder Rechtschreibfehler in die Welt zu setzen, oder?
Nun gut. Bleibt ja nur noch eins. Gesellschaftskritik. How pretty awesome. Na gut, uebe die mal.
Aber solange sich deine Protagonisten so seltsam verhalten, einander vorm Kleiderschrank treffen und sofort wieder gehen, ploetzlich grundlos Indies werden, Pennerbier trinken und Bands hoeren, die hoechstwahrscheinlich nur in deiner auswuchernden Phantasie existieren, Livestyle wie SARS uebertragen werden koennte, ploetzlich ( sagte ich schon "grundlos"?) Sozialisten werden, Bush mit Hitler vergleichen (was fuer Drogen muss man dafuer nehmen?), nach Kuba auswandern wollen ( nun sei mal ehrlich: niemand wandert aus nach Kuba, schon gar nicht wegen Freiheit... egal wie bekifft man ist... ), sich spontan von ihrem Trip erholen, indem sie minderjaehrige Maedchen wasauchimmern, Fruchtfliege ein Fremdwort ist, ist diese... Satire?... nur ein netter Versuch, dem es
a) an Glaubwuerdigkeit und
b) an Klasse bzw. Ueberzeugungskraft fehlt.
Gruesse,
...para

 

@Para: Ich danke dir für deine überzeugende Darstellung. Nichtsdestotrotz möchte ich den Versuch einer Verteidigung wagen.

Warum dürfen sich Menschen nicht vorm Kleiderschrank treffen? Muss es denn immer ein Café, das Klassenzimmer oder die Disco sein?

Es gibt durchaus Menschen, die grundlos zum Indie werden. Das heißt, der Grund lautet Pubertät. Aber in meiner Satire geht es ja auch weniger um die Gründe, als um die Folgen.

Ich habe nie behauptet, dass ich nach Kuba auswandern möchte. Das sagt nur der Indie-Freund. Falls du es nicht gemerkt hast, es handelt sich um eine Satire.

Die Bands existieren. Falls du dich in der Szene auskennen würdest, weißt du, dass ich von Tomte, Kettcar und Tocotronic spreche.

Vielleicht sollte ich einfach davon ausgehen, dass dich die Langeweile zu dieser Kritik getrieben hat. Na ja, jedem seine Meinung.

Nix für ungut
Sebastian

 

...ploetzlich ( sagte ich schon "grundlos"?) Sozialisten werden...

genau dieses "grundlos" ist das thema des textes. gewisse menschen in unserem sozialen umfeld sind wie das sprichwörtliche "fähnchen im wind"...scheinbar ohne grund verändern sie ihre einstellung, nur um menschen zu gefallen, die es nicht interessiert. was mich an dem werk stört, ist die art der pauschalisierung die angewendet wurde...ich denke, der autor ist nicht in der lage die einstellung eines menschen zu erfassen, wenn er lediglich ihr äußeres betrachtet...nicht jeder polohemdträger ist ein öberflächlicher mitläufer..und nicht jeder der lila krawatten mit blumenmuster trägt ist ein großer denker...oder garkein denker...man sollte einfach ein wenig geistreicher an die sache herangehen...sonst gefällt mir der text, wie gesagt ganz gut!

 

der umkehrschluss ist jedoch ebenso verkehrt...nur weil man selbst ein image pflegt, welches dominiert wird von offensichtlicher durchschnittlichkeit, heißt es nicht, dass man auch nur "das bißchen besser" ist, als die fähnchen...
veränderungen sind nicht gleichbedeutend mit oberflächlichkeit!

 

Könntest du vielleicht aufhören, auf diese Art und Weise Kritik zu kommentieren? Nimm Stellung dazu oder schreib besser gar nichts.

 

prinzipiell finde ich aber die verteidigungsargumente richtig.. wenn ich mal mich selbst zitieren darf..

hat heutzutage gewichtig was mit langeweile und dem einfach nicht aufzufindenen sinn des lebens zu tun

ich habe eher das gefühl, dass para eigentlich den text ungewollt nur bestätigt: sinnlos, unfundiert und somit grundlos(!) ein "extremer" zu werden.. wurde in dieser satire gut dargestellt..das sind doch zeichen der zeit.. heute gibt man an mit:

haus
auto
schiff

aber ebenso mit

ich bin vegetarier
ich fand bush schon immer scheiße
ich schaue kein fernsehen mehr
(und natürlich mag ich haus-, auto-, schiff-menschen nicht)

nicht, dass es nicht menschen gibt, die gewichtige beweggründe für solche (lebens-)einstellungen haben - aber es gibt halt auch reichlich leute, die sich nur damit schmücken..grundlos halt..

grüße, streicher

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

es wäre alles halb so wild, wenn es sich klar um zwei pupertiere Jungs drehte. (Die Sache mit dem Vorstandsmitglied der Jungen Union schließt das aber leider aus) Dann würde man die extremen Sprünge, geistigen Verwirrungen und brachialen Einfälle der Person "Bert" viel besser schlucken, ansonsten find ich den Text nämlich gut. Schön schräg. Und die Sache mit dem Mädchen würde angesichts eines pickeligen Jungen, der mit ihr Bravo liest, auch an unangehmem Beigeschmack verlieren.

Grüße
WinniPuuh

 
Zuletzt bearbeitet:

nicht jeder der alles klein schreibt, möchte in deinen augen ein freigeist sein! glaubst du wirklich, alle von dir als "alternativ" bezeichneten möchten, dass du sie so einschätzt?
ich denke, ein großer teil dieser gruppe ist die meinung ihrer mitmenschen gleichgültig. in deiner geschichte verurteilst du jedoch jeden, dessen geschmack in punkto kleidung, musik usw. zufällig von dem der anderen abweicht. das stört mich eben, denn damit beweist du, dass du keinen deut besser bist als die fähnchen. mit einer ebenso oberflächlichen einstellung verurteilst du den individualismus, der deiner story nach ja im "alternativbereich" nicht zu existieren scheint.
geschichten solcher art zeugen oft von einer mangelnden menschenkenntnis...die ja auch weit verbreitet ist...(da wäre dann ja jemand ebenso wie alle anderen...)
deiner meinung nach soll der mensch doch bitte eine eigene meinung haben und selbige muss doch dann auch wenigstens einem eigenen denken entpringen. aber sobald der mensch beginnt, sein äußeres zu verändern WEIL ES IHM SO GEFÄLLT gilt er als pseudo-alternativ!
wo ist da die logik??? muss man also seine individualität in punkto kleidung und äußeres verleugnen, nur um in den augen des autors auch wirklich ein geistreicher mensch zu sein? ich denke diese frage beantwortet sich von selbst!
man sollte vielleicht weniger augenmerk auf die fassaden der menschen legen, als mehr auf ihre gedanken. anscheinend sieht der autor das anders...

 

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