- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Wo bleibt Jon?
Ich lag an meinem üblichen Platz. Es war ein guter Platz, sogar der Beste meines Heimes, seit die Tage so unüblich heiß geworden waren, wie ich es noch nie erlebt hatte. Es war schön kühl und ruhig an diesem Platz, doch eigentlich gab es noch einen viel bedeutungsvolleren Grund warum ich mir diesen Platz gewählt habe. Jedes Mal wenn Jon mich verlässt, quält mich die Sehnsucht nach ihm. Er ist ganz einfach mein Ein und Alles. Fast mein ganzes Leben habe ich mit ihm verbracht, ob wir nun gemeinsam kulinarischen Köstlichkeiten gefröhnt haben, zärtlich zueinander waren oder nur einen simplen Spaziergang unternommen haben, immer war er gut zu mir. Wenn er mich dann verlässt überfällt mich eine Schwermütigkeit und ich suche diesen Platz auf um seinen so wunderbar vertrauten Duft zu riechen. Ich kuschle mich in seinen Geruch und träume von ihm bis er endlich zu mir zurück kehrt.
Ich wollte mich gerade umbetten, denn die Oberfläche eines jeden Stoffes wurde bei diesen Temperaturen schnell unbequem heiß, sogar an meinem Lieblingsplatz. Gerade wollte ich mich, von einem wohligen Seufzer begleitet, auf den kühlen, aber weichen Stoff niederlassen, als ich es hörte. Ein Geräusch dieser Art hatte ich noch nie vernommen. In meiner Bewegung erstarrt lauschte ich angestrengt. Ich versuchte mit all meinen Sinnen zu erfassen was es gewesen sein konnte, doch es gab nichts zu sehen, zu riechen und auch das Geräusch selbst war bereits wieder verstummt. Beunruhigt ließ ich mich nieder und wünschte mir noch mehr als sonst, Jon wäre in diesem Moment an meiner Seite. Nach einiger Zeit entschloss ich mich dazu den Stress abzuschütteln und den Tag in gewohnten Bahnen verlaufen zu lassen.
Da war es wieder! Diesmal lauter und näher. Mein Blick fixierte die offenstehende Türe. Die Luft bließ scharf aus meinen Atemwegen, so nervös wurde ich. Ich zwang mich zur Ruhe und dachte nach. Etwas war in meinem zu Hause. Ein mir unbekanntes Ding war eingedrungen und machte dieses Geräusch. Doch was hatte es vor? War es gefährlich? In letzter Zeit war ich immer schneller und stärker geworden, sogar Jon konnte ich (natürlich nur im Spaß) niederringen, obwohl er viel größer und schwerer war als ich. Als ich mir mit diesem Gedanken Mut gemacht hatte, beschloss ich etwas zu unternehmen. Ich spannte meinen Körper noch in liegender Position an und startete danach blitzschnell zur Türe. Jons Sachen wirbelten um mich herum durch die Luft, so kraftvoll war mein Vorstoß. Als ich um die Ecke kam wären mir beinahe die Beine am glatten Boden weg gerutscht. Ich fing mich in letzter Sekunde und blieb zu allem bereit im Flur stehen. Hastig huschten meine Augen umher, doch ich konnte nichts entdecken. Die Anspannung in mir stieg mit jeder verstrichenen Sekunde, bis sich ein leises Knurren meiner Kehle entwand und mir die mögliche Bedrohung wieder bewusst machte. Mein Mut verflog und ich wandte mich rasch um, aus Angst es könnte hinter mir sein. Ich lief zur Eingangstüre und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Vielleicht kam Jon bald zurück. Er wüsste bestimmt was zu tun ist, wie immer. Selten habe ich ihn so sehr vermisst wie in diesem Moment. Dann drang dieser schreckliche Laut wieder in meine Ohren und ich zuckte zusammen. Es schien aus dem Zimmer zu kommen in dem Jon und ich jede Nacht aneinander gekuschelt schliefen.
Entsetzten befiel meinen ganzen Körper, sodass er starr vor Angst wurde. Es kam durch die Türe am anderen Ende des Ganges, begleitet von seinem verräterischen Geräusch. Sowas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Es bewegte sich durch die Luft wie ein Vogel, die immer aufstoben, wenn Jon und ich im Wald auf Entdeckungstour gingen. Doch der Unterschied war, dass es sich auf mich zu bewegte, anstatt zu flüchten. Es war bestimmt kleiner als ich und ich rechnete mir gute Chancen aus es im Kampf zu bezwingen. Doch Angst und Ekel vor dem Fremden hielten mich zurück. Die Geschwindigkeit mit der es die Luft zerschnitt war furchterregend. Ich presste mich an die Türe und hoffte es würde wieder verschwinden oder Jon würde hinter mir die Türe öffnen um mich vor diesem Ding zu retten. Mein Atem beschleunigte sich als es immer näher kam. Dann schoss das Wesen schräg auf mich herab und ich startete einen verzweifelten Angriff. Geschickt wich diese Kreatur, die von Nahem noch viel grässlicher aussah, meinen Attacken aus. Es beobachtete mich aus unzähligen Augen und zuckte aufgeregt mit seinem Rüssel während mich eine gewaltige Panikwelle erfasste und mit sich riss. Ich wich hastig zurück und als ich einige Meter zwischen uns gebracht hatte schrie ich:
"Verschwinde! Verschwinde! Hau ab!"
Unbeeindruckt zuckte es umher und setzte sich schließlich genau vor die Türe meines Lieblingsplatzes. Wie um mir zu sagen, dass es nicht gehen würde. Verängstigt suchte ich Schutz im Kleiderschrank, den Blick voller Grauen auf den dünnen Streifen Licht gerichtet, der durch den Spalt der Schranktüre fiel. So verbrachte ich eine mir unendlich lange erscheinende Zeit, betend Jon würde endlich zurück kehren. Wie immer um diese Zeit begann auch der Hunger bereits groß zu werden. Ich wimmerte verzweifelt vor mich hin als dieses verluchte Ding sich wieder näherte. Ohne Vorwarnung drang es durch den Spalt und flog gegen meinen Kopf. Schaudernd schlug ich danach, doch es war bereits an meinem Rücken. Es fügte mir keine Schmerzen zu, was mir lieber gewesen wäre, denn so wüsste ich wenigstens was es mir in jenem Augenblick antat. Schreiend fiel ich aus dem Schrank und sprintete durch den Flur, als sich mein größter Wunsch erfüllte.
Jon öffnete die Türe und war sichtlich überrascht von meiner heftigen Reaktion. Ich sprang ihn förmlich an und er umarmte mich und sagte:
"Hast du mich schon so vermisst? Jetzt bin ich ja hier."
Aufgeregt schrie ich:
"Hier! Schnell, komm mit!"
Ich wollte ihm das Ungetüm zeigen, das unser zu Hause befallen hatte. Ich rannte zurück zum Schrank und Jon folgte mir. Doch an der entspannten Weise, mit der er mir zuredete erkannte ich, dass er den Ernst der Lage noch nicht verstanden hatte. Dann kam es erneut geflogen und ich erschrak heftig als Jon es mit einem heftigen Schlag gegen den Kasten schmetterte. Es gab einen lauten Knall und die dünne Holztüre bebte bedrohlich. Ich war hinter Jon in Deckung gegangen und sah ängstlich zu ihm auf. Er streichelte mir beruhigend über den Kopf und sagte:
"Hat diese verdammte Fliege meinem kleinen Mäuschen Angst gemacht? Na mir fällt da etwas ein, was helfen könnte."
Dann ging er und kam mit einem dieser leckeren Streifen getrockneten Fleisches wieder. Schon hatte ich die heutigen Schrecken vergessen und schleckte Jon dankbar übers Gesicht. Meinem Jon.
"Hast du schon wieder in meiner Wäsche gewühlt?"