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Wo bleibt denn der D-Wogn heit (Wiener Slang)
Wo bleibt denn der D-Wogn heit
„Hoffantli kummt die Stroßnbauhn boild. Mir gfriern jo scho meine Zechn oh. Da D-Wogn und da Anser san jo a soiche Pimperlbauhnan. De glaubn weus bei der Uni vurbeifoahn kennans sa si a Akademikerviertlstund aussanehma.“
Die Frau tritt von einem Fuß auf den anderen und leidet sichtlich und hörbar unter der Kälte des Wintermorgens. Ich nicht minder, die Straßenbahn lässt wirklich schon lange auf sich warten. Der Wind bläst und das kleine Wartehäuschen am Ring bietet nicht viel Schutz. Ich ziehe mir den Schal bis zur schon halb abgefrorenen Nase hoch.
„Wissns, frira, jo do wor des no aunders. Do haum ma im Winta imma vül schnee ghobt. Do wor ollas weiß und duftig, wia so a steppdeckn. I waas net, es wor anfoch wärma, waun der Schnee die Wölt zuadeckt hod.“
Ich nicke verständnisvoll und erinnere mich gleichzeitg an ähnliche Empfindungen, wenn alles tief verschneit vor mir lag. Das gibt mir immer das Gefühl die Welt ist zugedeckt, geschützt und gewärmt.
„Oba wos ist heit scho no wias amoi woa, nix. Nix ist mehr so. Schaun´s ihna au, wos die auffirn de Narrischn do in de Lända im Nahen Osten. Oder der Ami, waas ma wos der no fia Katastrophn aufabeschwärt, na na. De Wölt woar amal gaunz aunders. Prächtiger, edler, wauns mi verstengan. Net beim Kaiser, den hob i a nimmer gsegn. Auba nocha do woar Zucht und Ordnung, da hot ma gwusst wia ma drau is. Geh heast, wo bleibt denn der D-Wogn heit?“
Ja, Hitler, der Krieg, die Zeit der Zerstörung, da war ja alles besser, verrückte Alte. Soll ich mich herstellen mit ihr, wozu? Lass ihr die Illusion, wenn es ihr gefällt darin zu leben, was kratzt es mich.
„Oba die Jungen, de wissen jo nix. Mir haum jo ollerhaund erlebt daham. Haum olle unsere Watschn kriagt, oba, mir haum a glernt wia ma a ehrliches und aunständiges Leben fiahrt. Schauns ihnas au de Gfraster de heit unterwegs san. Orbeiten woillns net, auba große Schlittn foahrn, des scho. Und wer zoiht des, mia de klan Pensionisten. Mia san sowieso de Augmeierlten, imma wieda.
Wer hot denn des Laund aufbaut, nocha wia da klane Grafiker ollas hi gmocht hot? Nau, wer, mia de Oilden worns.
Antiautoritäre Erziehung! A so a Schaß. A jeda mocht wos a wüll, ka Hülfsbereitschoft, ka Mitanaund gibt’s mehr. Ka Verständnis zwischen de Ganarationen. A jeder nur i und no amoi i.“
Ein Schulbub, von vielleicht 8 Jahren, gesellt sich zu uns und drückt sich in die windgeschützte Ecke des Wartehäuschens.
„Nau Klaner, ist da koid gö? Nau es sads jo hoilt a olle nix mehr gwehnt. Lauta vazogene Baungadn. Wos hättn mir sogn soilln, im Kriag, waast gor net wos des is gö? Do hots nix zum fressen gebn, nur wurmlate Erbsn. Do haum ma glernt wia des is wauma gfriat. Metahoch ist da schnee glegn und net amoi de bombn haum er schmözn kenna, so tief gfruan woar der. Hobts jo ka auhnung.
Heit gibt’s jo kann richtig´n Winter mehr, is jo dauernd vü zwoarm. Waast jo gor net wia des is, waunn der Schnee ollas vül költer ausschaun losst. Ach ihr Kinderln hobts jo ka auhnung wos des fia a Zeit woa frira. Des Ölend und die Tetschn de ma kriagt haum zwegn nix.“
Ein Quietschen auf den Schienen erlöst den kleinen Buben und mich. Beide streben wir dem zweiten Waggon zu, nachdem die alte Frau zielstrebig den Eingang zum vorderen Waggon in Anspruch nimmt, innerlich noch zerrissen ob sie gegen oder für die alte Zeit ist, und den Schnee mag, der wärmend sein kann, oder eben auch auch nicht.
„Wos wüllst mochn, de kennt se jo net aus de Oide, hot jo ka Auhnung von irgendwos. Kennan eh olle nur bled keifn“ zuckt der Kleine mit den Schultern und steigt ein. Dann nimmt er seinen Gameboy aus der Tasche, beginnt sein Spiel angespannt auf dem Einzelsitz ganz vorne sitzend und schweigt, so wie ich.