Wo bin ich da bloß hingeraten?
Wo bin ich da bloß hingeraten?
Ich stand vor einem Berg, vor mir in der Wand befand sich eine große Öffnung, die mit einem schwarzen Holztor verschlossen war. Ich versuchte, einen Flügel des Tores zu öffnen – was mir ohne Probleme gelang. Das Tor war nicht verschlossen, und so betrat ich einen dunklen Gang, voller Interesse, wohin er mich führen würde.
Seit einer halben Stunde schon ging ich mehr gebückt als aufrecht durch einen langen schwarzen Tunnel. Die Wände waren glatt und glänzten schwarz wie Steinkohle. Ein geheimnisvolles Schimmern verbreitete überall wenigstens so viel Helligkeit, dass man zumindest den Weg sehen konnte.
Es war schwül und wurde immer heißer. Da habe ich mich ja auf ein schönes Abenteuer eingelassen, dachte ich mir. Doch die Neugierde hatte mich gepackt – jetzt wollte ich es wissen, wo der Weg enden würde.
Zwischenzeitlich war es wieder heißer geworden und mir lief der Schweiß in Strömen von der Stirn und verklebte mir die Augen. Es ging jetzt ständig bergab und das Licht wurde langsam immer heller. Als der Pfad eine leichte Kurve beschrieb, sah ich am Ende eine helle Öffnung. Ich ging darauf zu.
Vor mir tat sich ein weiteres Tor auf – dahinter strahlendes Licht und überall brannte Feuer, das eine Gluthitze verbreitete. Irgendwelche zerlumpten Gestalten ohne Gesichter, die ich zudem nicht genau erkennen konnte, schaufelten ständig Kohlen in das Feuer.
Plötzlich stand ein eleganter Herr mittleren Alters im schwarzen Seidensmoking vor mir und grinste mich an.
"Wo bin ich denn da bloß hingeraten?" fragte ich den eleganten Herrn.
"Sie sind in der Hölle gelandet." Der Mann hatte einen schnarrenden Ton in der Stimme.
"Klar – und Sie sind wahrscheinlich der Teufel persönlich... Sie wollen mich wohl verar...."
"Keineswegs", erwiderte der Typ im Smoking. "Und Sie haben zudem vollkommen recht: Man nennt mich Teufel, Belzebub, Satan. Luzifer und was weiß ich nicht noch alles."
"Aber", hörte ich mich sagen, "ich bin doch noch gar nicht gestorben – außerdem habe ich mich immer für einen guten Menschen gehalten – ehrlich gesagt, Herr ..."
"Nennen Sie mich Luzi", half mir der Mann auf die Sprünge. "Meine Freunde nennen mich Luzi".
"Ja, also Herr Luzi, verstehen Sie mich richtig: Ich glaube, ich bin hier falsch – ich habe immer angenommen, ich komme in den Himmel..."
"Sie sind ja auch außertourlich hier. Wie Sie bereits selbst richtig bemerkt haben: Sie sind noch nicht gestorben und können ja danach auch wieder gehen – oder bleiben, wie Sie möchten."
"Wie danach?" fragte ich interessiert.
"Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten – Sie könnten mir helfen."
"Den Teufel werde ich tun". Ich war sauer.
"Na, na, mich lassen Sie besser aus dem Spiel", sagte der Schwarze. "Ich appelliere lediglich an Ihre Hilfsbereitschaft und bitte Sie höflich, einem armen Teufel zu helfen."
"Mir kommen gleich die Tränen."
"Weinen bringt hier in der Hölle nicht viel – die Tränen würden bei der Hitze sofort verdampfen", klärte mich Luzi auf. "In der Hölle wird nicht geweint, sondern nur wehgeklagt, geheult und mit den Zähnen geklappert."
"Aha ja – irgendwie so steht´s auch in der Bibel". Ich war richtig stolz auf mein Wissen.
Plötzlich blendete mich ein greller Blitz, der zischend und fauchend vor mir in den Boden einschlug. Unmittelbar darauf folgte ein gewaltiger Donner und Luzi sprach mit erhabener Stimme: "Erwähnen Sie nie mehr dieses Buch! Es bringt die Menschen nur auf Abwege!"
"Tschuldigung" stammelte ich "kommt nie wieder vor."
Schnell hatte ich meine Fassung wieder gewonnen und fragte jovial: "Also Luzi, wo gibt’s ein Problem?"
Versöhnlich antwortete Luzi: "Also, das ist so: Wie Sie wissen, haben wir seit Jahrtausenden jeden Tag eine Menge Neuzugänge. Das werden immer mehr, wissen Sie."
"Ja, das kann ich nachvollziehen", meinte ich. "Wir haben oben so ein ähnliches Problem mit den Autofahrern."
Unbeirrt fuhr er fort: "Es wurde deshalb notwendig, auch in der Hölle Computer einzuführen. Denn irgendwie muss man die Leute ja erfassen – deren persönliche Daten, Sünden, schlechte Angewohnheiten und so weiter und so fort. Das kann sich doch kein Teufel merken. Sie verstehen?"
"Bis jetzt kann ich noch folgen."
"Und damit komme ich zum eigentlichen Problem: Niemand hier unten kennt sich mit Computern aus. Meine Unterteufel sind nicht geschult, zum Teil aber auch zu dämlich, und was mich betrifft: Ich habe anderes zu tun, als mich ausgerechnet auch noch in diese Materie einzuarbeiten. Und deshalb ist es um unsere höllische Buchführung hier nicht besonders gut bestellt."
"Aber was ich kann ich da tun?" fragte ich.
"Nun – ich weiß, Sie waren einmal Computerfachmann. Auch wenn Sie jetzt Journalist sind, Zeitungen machen und Bücher schreiben: Ihr Wissen ist immer noch vorhanden und Sie sind ein Pragmatiker. Zudem haben Sie ja auch mal Computer programmiert."
Mir schwoll die Brust fast bis zum Bersten. Noch kein Teufel zuvor hatte mich jemals so gelobt.
Luzi sprach weiter: "Ihre Aufgabe wäre es, meine Unterteufel zu schulen – überwiegend in Microsoft Excel Word und Windows." Und mit vorgehaltener Hand, fast flüsternd, meinte er: "Wir arbeiten hier hauptsächlich mit Microsoft-Produkten."
"Warum das denn?" Microsoft in der Hölle – ich war total überrascht.
"Wissen Sie, wir sind hier in der Hölle und nicht in einem Vergnügungspark. Deshalb können wir keine Software brauchen, die problemlos arbeitet und vielleicht sogar noch Freude bereitet – nein, die Software muss den Anwender ärgern, seine Seele zerfressen, ihn fertigmachen, ihn nervlich zerfetzen, ihm das Gehirn zermartern mit unbekannten Fehlermeldungen – jede Stunde mindestens zweimal abstürzen – deshalb Microsoft." Luzifers Augen glänzten.
Ich nickte zustimmend. "Verstehe."
"Gut – aber wir haben da noch ein anderes Problem: Seit ungefähr drei Jahren haben wir hier eine computergesteuerte Quälmaschine installiert. Der Steuercomputer müsste programmiert werden."
"Inwiefern?" fragte ich.
"Nun – wir haben für diesen Steuercomputer nur ein Programm, das allerdings in zwölf Abstufungen. Doch ehrlich gesagt, die Leute, die an die Quälmaschine angeschlossen werden, langweilen sich inzwischen. Immer die gleichen Qualen – das finden die fad. Sie haben sich beklagt und wünschen mal eine Abwechslung."
"Verständlich", meinte ich.
"Ja – und deshalb sollte man das Quälprogramm erweitern. Das bin ich meinen Leuten und der Welt fast schuldig." Luzi strich sich seinen Kinnbart.
"Und welche Qualen soll ich dazuprogrammieren?" fragte ich.
"Tja – Haarausreißen wäre nicht schlecht. Manche Sünder mögen es auch ganz gern, wenn man ihnen die Haut in Streifen herunterreißt – ja, ein Hautabziehprogramm wäre schon was. Die bayerischen Sünder, der Franz Josef beispielsweise, die stehen auf "Watschn". Die sind fast süchtig danach. Der Franz Josef braucht zwischenzeitlich jeden Tag fast 155 Stück, Tendenz steigend. Also brauchen wir auch ein Watschn-Programm. Bisher mussten wir das alles immer manuell machen."
"Eine Sauarbeit", entgegnete ich.
"Da haben Sie recht." Luzifer grinste teuflisch. "Vielleicht kommt Ihnen ja beim Programmieren noch so manche Idee..."
"Tja – da könnte man doch gut auf das Mittelalter zurückgreifen." Ich bekam meinen kreativen Anfall. "Wie wäre es mit Fingernägelabziehen oder mit einem vollautomatischen Hammer, der immer wieder auf den Daumen haut? Einstellbar von zehn bis 60 Schlägen pro Minute? Ihre Klienten würden das sicherlich genießen."
"Hervorragend, hervorragend", rief Luzi und klatschte erfreut in die Hände. "Ich sehe schon, Sie sind genau der richtige Mann an der richtigen Stelle!"
"Man könnte aber auch ein paar Überraschungen einbauen", bemerkte ich. "Wissen Sie was? Wir programmieren das Bad um. Dann haben Ihre Klienten bereits am Morgen ihren Spaß."
Luzifer sah mich gespannt an. "Haben Sie eine Idee?"
"Wie findet hier die allgemeine Körperreinigung am Morgen statt?", fragte ich.
"Die Leute duschen normalerweise mit kochendem Wasser, danach werden Sie mit dem Sandstrahlgebläse getrocknet."
"Das ändern wir", sagte ich. "Zukünftig programmieren wir die Duschen auf rauchende Salzsäure um, danach erfolgt eine Massage mit der Drahtbürste. Und die Leute sollen sich künftig mit Schleifpapier abtrocknen – das ist wesentlich hautschonender als ein Sandstrahlgebläse - aber die Qualen werden dabei umd 42,35 Prozent erhöht."
"Mann – Sie sind ja teuflisch gut". Luzifer war von mir und meinen Ideen begeistert. "Sagen Sie, könnten Sie sich hier eine feste Anstellung vorstellen?"
"Schon, ja – aber ich habe oben noch eine Menge zu erledigen."
Und während ich begann, auf der Computertastatur herumzuhacken, fühlte ich etwas Feuchtes im Gesicht. Ich wachte auf, mein teuflisch schwarzer Hund stand neben mir am Bett und leckte mir die Wange. Ich sah auf meine Armbanduhr und bekam einen Schreck: Ich hatte fast zwei Stunden verschlafen...