- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 14
Wissen Sie, was ich meine?
Wenn ich es so ohne weiteres erzähle, glaubt es mir ja doch niemand. Aber ich will von einem Tag erzählen. Einem Tag, der an seinem Ende schön wurde. Es war so. Ich hatte damit nicht gerechnet. Der Smog lag über den Dächern und die Tauben in den Dachrinnen versuchten erst gar nicht zu starten.
Ich meine diese Gesichter, wenn ich jetzt davon spreche. In den Autobussen. In den Straßenbahnen. Der Regen war es nicht, der mir meine Laune raubte. Ich dachte nicht über den Regen nach. Der Regen war schon gut. Er gehörte zu all dem.
Die Leute stauten sich als dunkle Masse in dichten Trauben an den Bahnsteigen. Es war alles nass, alles kalt. Alles wollte weg und musste eben genau aus diesem Grund in einen dieser Autobusse, einer dieser Metros, Schnellbahnen einsteigen. Niemand war glücklich damit. Jeder suchte sein Glück, indem er weiter wollte. Leuchtziffern zeigten den Weg. Es ging weiter. Aber die Masse rundum war krank.
Ich fühlte mich krank.
Ich stand mitten darin. Mitten in dieser Masse. Ich wartete auf meine Metro. Ich wartete darauf, dass es endlich vorbei war. Ruhe, dachte ich. Ruhe und ein kaltes Bier. Wenn ich es schaffen würde vor dem Wegschlafen, dann würde ich diesmal wieder versuchen, den Eisschrank zu finden. Dass ich nicht Angst haben musste, von jemandem zufällig berührt zu werden, ohne Absicht, das wusste ich. Von jemandem, der keine Träume sein Eigen nannte. Ich wusste es. Es gab zu wenige mit eigenen Träumen.
Das war es auch nicht.
Ich quälte mich zwischen den Autobussen zu meinem Job und abends wieder auf demselben Weg zurück in mein Leben. Das war es. Wieviel kann jemand ertragen? Ich ahnte den Kreisverkehr dahinter. Vielleicht bin ich auch nur ein klein wenig verrückt. Es täte mir gut, wenn ich es tatsächlich wäre. Es gibt welche, die mich dafür halten. Das alleine Sein hinterlässt so manches. Spuren, Narben. Aber irgendwie ging es bis jetzt. Es ging weiter in dem Sinne, wie sich ein Stern einen anderen sucht und daran zerbricht. Ich will nicht über Sterne plaudern. Ich weiß nichts über sie. Ich kenne den Mond. Und ich habe gehört, dass der über Spanien dasselbe Gesicht hat. Pockennarbig und aschfahl. Aber die Flachdächer der Haziendas sind warm. Manchmal sitzen Frauen darauf und starren in die Stratosphäre. So glaube ich. Ich habe allerdings keine Ansprüche auf irgendetwas. Schon gar nicht darauf, etwas glauben zu dürfen.
Ich stand eingekeilt zwischen den anderen Eingekeilten. Wir alle in dieser Metro wollten alles. Nur nicht das. Dann sah ich ihn. Sehen ist vielleicht übertrieben. Ich stand hinter ihm und beneidete ihn um den Sitzplatz. Er las in einer Zeitung. Die hatte er groß aufgeschlagen und ich stierte mit roten Augen dorthin. Alles in diesem Waggon war dicht und eng und jeder hatte wahrscheinlich das Bedürfnis abzuhauen, weit weg von all dem zu sein. Man denkt wahrscheinlich an die Malediven. An das azurblaue Wasser dort. Man denkt an eine Frau, verspricht sich Liebe von ihr, denkt noch nicht an kommende Enttäuschungen.
Dann wird die nächste Station ausgerufen und es ist wie eine Peitsche. Ich meine die Worte. Worte sind wie Waffen.
Die Luft war wie bei Mac’s, wenn die wieder was neues probierten. Es ging. Wie gesagt, es ging. Es war aber nicht leicht, das alles bis nach Hause. Der Typ las einen Artikel über Stressabbau. Ich war beeindruckt. Ich meine, alles um uns und in diesem Waggon war Stress.
Er las davon, wie es ginge, ohne dem auszukommen. Ich blickte über seine Schulter und las mit.
Alles wogte um ihn herum. Alles drängte. Er lachte und blätterte in seiner Zeitung. Wissen Sie , was ich damit meine? Diese ganze Geschichte hat sich daraus ergeben. Nein. So kann ich das nicht sagen. Es war in dieser Metro. Dort war es schon spürbar. Man hat nicht viel, an das man sich klammern kann. Die Tage kommen und gehen. Es war nie leicht. Nie so leicht, dass wir etwas nicht tun mussten, um es nicht schwerer werden zu lassen.
Er saß dort und hatte meinen Respekt. Ich kann nicht sagen, wie er aussah. Es ist egal. Verstehen sie das?
Es war nur so, dass ich danach wusste, es nicht sofort nach Hause schaffen zu wollen. Manche, die andere Sprachen ihr Eigen nennen, sagen Flash dazu. Für mich war es notwendig. Als ich aus der Metro stieg, wusste ich, dass ich Stress hasste. Ich wusste es schon lange. Aber dieser Mann und sein Artikel und die dichtgedrängte Masse von Leuten, die mich lecken konnten, das war es dann auch schon. Es geht schnell, wenn man weiß, wohin mit einem.
Ich hatte Glück. Eine Bar hatte offen. Es waren danach ein paar Biere. Ich glaube, dass ich den Wodka nicht bezahlen musste. Die hinter der Theke kannte mich. Es begann der Zirkus, der immer begann, wenn ich glücklich war. Sie sagte, dass irgendeine Rechnung offen wäre. Ich sagte, dass es nicht sein konnte. Ich holte Geld aus meiner Jacke, versuchte die Frau hinter dem Tresen zu küssen. Sie wehrte sich, knallte mir das letzte Glas Wodka vor die Nase.
,Kein Stress, Baby’ sagte ich. An ihrem Blick erkannte ich, dass sie wusste, was ich damit meinte.
Damit wurde dieser Tag mit all seinen müden Tauben doch noch schön.
Wissen Sie, was ich damit meine?
Es war ein Tag. Aber es war ein wichtiger. Von denen hatte ich nicht allzu viele, ja.