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Wirtshausszenen

Eol

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06.06.2017
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Wirtshausszenen

„Ihr habt ihn getötet! Ihr habt ihn erstochen, ihn hinterrücks gemeuchelt, und nicht die kleinste Ahnung von Reue kann ich bei Euch spüren.“
Langsam taumelte die junge Frau auf den Mörder ihres Angetrauten zu. Sie war schön und trug ein hochgeschlossenes Kleid, wie es der gegenwärtigen Mode entsprach.
„Ich sehe Euch in die Augen, und es ist, als wären dort die Augen eines Tieres, einer Bestie, kalt und spiegelnd, ohne Gefühle. Ihr seid ein Monster, werter Graf, hinter Eurem galanten Lächeln versteckt sich der Tod.“
Die Frau weinte, das Gesicht in Wut und Trauer verzerrt, doch das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Ebenso verhielt es sich mit dem großen, dunklen Muttermal, das auf ihrer Lippe prangte. Es war eher, als brächte es die rosigen Wangen und den wohlgeformten Hals nur noch mehr zur Geltung. Ganz zu schweigen von der üppigen Oberweite, über der sich der reich verzierte Brokatstoff spannte.
„Ich tat es, gnädige Frau, ich muss es zugeben.“, antwortete der ebenso edel gekleidete Mann. „Eure Trauer betrübt mich, doch Ihr habt Recht. Keinerlei Reue rührt mein Herz, und ich würde es jederzeit wieder tun.“
Ein Schluchzer kämpfte sich aus der Kehle der Frau, und die Trauer zwang sie auf die Knie. Doch ihr Wille schien ungebrochen. Mit vor Tränen blinden Augen tastete sie auf den Beistelltisch neben ihr, bis sie fand, was sie gesucht hatte. In ihrer Hand blitzte ein Messer, als sie sich mit einem Schrei auf den Mann stürzte. Ineinander verschlungen gingen die Beiden zu Boden, und die Frau rammte das Messer in die Brust des Mannes. Wieder und wieder stach sie auf ihn ein, bis sie schließlich völlig entkräftet auf dem toten Körper liegen blieb.

Applaus brandete in dem dunklen Gastraum auf. Der Mann und die Frau erhoben sich, lächelnd ob der Anerkennung für ihr Schauspiel. Derweil machte sich der Gehilfe des Wirts daran, die Gaslaternen wieder zu entzünden. Von der schallenden Begeisterung der Zuschauer getragen verbeugten sich die Schauspieler auf der kleinen Bühne, bis der Applaus nachließ. Sie winkten noch ein letztes Mal, dann stiegen sie herab in den Gastraum. Ein Fiedler betrat stattdessen die Bühne und stimmte einen fröhlichen Tanz an.
Es war eine gute Vorstellung gewesen. „Der Graf von Radan“ war ein beliebtes Stück bei fahrenden Schauspielern, und die beiden hatten es wirklich exzellent vorgetragen.
Dementsprechend war die Stimmung in dem Wirtshaus. Es war rappelvoll, und die Leute aßen und tranken, unterhielten sich, spielten Karten und machten Scherze unter Freunden. Hin und wieder auch mal über Freunde, die an diesem Abend nicht anwesend waren. Kurzum, es war ein Abend, wie man ihn sich nur wünschen konnte.
Doch in einer schummrigen Ecke des Saals saß ein missmutig gestimmter Mann. Wäre es ein anderer Abend gewesen, und ein anderes Wirtshaus, hätte er sich über das Theaterstück ebenso sehr gefreut wie alle anderen. Doch nicht an diesem Tag, denn es erinnerte ihn zu sehr an die missliche Lage, in der er sich gerade befand.
Er hatte seine Meisterin enttäuscht. Und seine Meisterin war keine Person, die man gerne enttäuschte.
Er kippte seinen Schnaps und stellte das leere Glas zu den anderen. Er hatte sich betrunken, doch das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr.
Da war sie auch schon. Die Tür öffnete sich, und der breitschultrige Mann meinte zu spüren, wie es auf einmal kälter wurde. Doch das war bestimmt bloß der Alkohol. Sie sah sich in dem vollen Gastraum um. Als sie den Mann in seiner schummrigen Ecke entdeckte, kam sie lächelnd auf ihn zu. „Noch lächelt sie.“, dachte der Mann, denn er wusste, dass ihr das Lächeln schon bald vergehen würde.
Sie setzte sich ihm gegenüber und stellte zwei Bierkrüge auf den Tisch. Sie bemerkte die vielen leeren Gläser und runzelte kaum merklich die Stirn.
„Ich dachte, du würdest gerne etwas trinken, aber offensichtlich hast du ja schon ohne mich angefangen.“
Ohne auf die Kritik zu achten nahm der Mann einen großen Schluck aus einem der Krüge. Es war offensichtlich, dass er seine Nervosität erst niederkämpfen musste, bevor er etwas sagen konnte: „Bitte Meisterin, hört mir zu. Ich habe nachgedacht.“
Die Frau ihm gegenüber hob eine Augenbraue, sagte aber nichts.
„Der Tod ist etwas Endgültiges. Wer einmal tot ist, für den gibt es keine Möglichkeit zur Wiederkehr. Und ich weiß, es gibt Menschen, die es verdient hätten zu sterben, aber es gibt noch weit mehr Menschen, die sterben mussten, ohne es verdient zu haben.“
Der Blick der Frau mag gerade eben noch neugierig gewesen sein, doch jetzt war er eindeutig verärgert. „Willst du damit sagen, dass du nicht getan hast worum ich dich gebeten habe?“ Sie sprach leise, doch der Mann verstand jedes Wort nur allzu deutlich.
Er schluckte hart. „Ich will nicht der Grund sein, dass immer noch jemand und noch jemand sterben muss. Ihr wisst doch, welche Spirale der Gewalt ein einziger Tod hinter sich herzieht. Ich kann niemandem, der zu Unrecht gestorben ist, das Leben zurückgeben. Wieso sollte ich es jemandem nehmen?“
„Es herrscht Krieg, mein Lieber, und im Krieg sterben nun einmal Menschen.“ Die Stimme der Frau war nun scharf wie ein Messer und schnitt durch den Lärm des Gasthauses. „Darum geht es dabei nun einmal.“ Sie seufzte. „Es ist nicht weiter schlimm, dass Emiel noch lebt. Doch dein Verrat enttäuscht mich. Wir kämpfen für eine gerechte Sache, ich dachte du wüsstest das.“
Unwillkürlich neigte der Mann den Kopf. „Nun ja, doch Meisterin, das weiß ich, aber… sollte es nicht möglich sein… ich meine ohne Blutvergießen unser Ziel zu erreichen? Ich glaube, es ist möglich, und zumindest ich werde niemanden mehr töten.“
Der Mann zuckte zusammen, als er den Zorn seiner Meisterin spürte. Ihre Wut brandete wie eine Sturmflut auf ihn zu, sie traf ihn mit voller Wucht und erfüllte jeden Winkel seines Geistes. Die Flammen im Kamin des Gasthauses loderten wild auf. Der Bierkrug auf dem Tisch zersprang. Irgendwo schrie jemand auf. Es war unmöglich zu sagen, ob all das wirklich passierte oder ob es nur Einbildung des Mannes war. Für ihn war das aber auch vollkommen gleichgültig.
„Es tut mir leid Meisterin.“ Er wunderte sich, woher er den Mut nahm, jetzt noch weiter zu sprechen. „Ich habe meine Wahl getroffen. Von nun an gehen wir getrennte Wege.“
Die Frau erhob sich würdevoll. Wenn der Ungehorsam des Mannes ihren Stolz verletzt hatte, so war ihr nicht anzumerken.
„Gut, dann sei es so. Ab heute gehen wir getrennte Wege. Doch bei einer Sache irrst du dich: Es gibt keine Wahl, die du hättest treffen können. Niemand hat eine Wahl.“
Sie wandte sich zum Gehen. „Nicht einmal ich.“

Der Mond war schon untergegangen in jenem fernen Land, in dem sich dieses Gespräch ereignet hatte, als der Mann schließlich zu Bett ging. Er war noch viele Stunden dort gesessen, in seiner dunklen Ecke, war jedoch zu keinem Gedanken fähig gewesen. Für ihn war gerade eine Welt zusammengebrochen. Alles, was ihm jemals etwas bedeutet hatte, war nun nichtig.
Als der Wirt die Sperrstunde ausrief, stand er wie in Trance auf und ging die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Ohne sich auszuziehen legte er sich in das Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Er erwachte, da er eine seltsame Enge in seiner Brust spürte. Also schlug er schlaftrunken die Augen auf und sah einen Dolchgriff aus seinem Körper ragen. Der Dolch war reich verziert, das Heft war aus poliertem Silber und in der Mitte mit einem Rubin verziert. Obwohl die Klinge direkt in seinem Herz stecken musste, fühlte der Mann keinen Schmerz. Er war auch nicht überrascht. Er bemerkte nur, dass sein Blut in der Dunkelheit beinahe zu leuchten schien. Es schimmerte dunkel und in einem tieferen Rot als jemals etwas zuvor, viel mehr noch als der Rubin im Griff des Dolchs.
Und auf einmal wusste der Mann, dass seine Meisterin Unrecht hatte. Es gibt eine Wahl. Jeder muss einmal sterben. Und er hatte die richtige Wahl getroffen.

 

Hallo Eol,

willkommen bei uns.

Obwohl deine Geschichten ein paar Schwächen hat, hat sie mir dennoch gut gefallen! Ich fand sie spannend und wollte unbedingt bis zum Ende lesen. Das ist schonmal sehr gut.

Kommen wir nun aber zu den Schwächen, denn dafür sind wir ja hier (Textwerkstatt).

1. Der Anfang ist verwirrend. Es geht mit "der Frau" los. Dann stellt sich heraus, dass sie nur Schauspielerin ist und - schlimmer - gar nicht die Hauptfigur der Kurzgeschichte. Das ist verwirrend. Ich würde den Anfang mit dem Theaterstück komplett rausnehmen und gleich mit dem "missmutigen Mann" beginnen.

2. Die Hauptfigur bleibt ein wenig blass. Wie heißt "der Mann" denn? Wenn du ihm einen Namen und Eigenschaften gibst, wird er lebendiger werden. Vor allem musst du dann nicht immer "der Mann" schreiben, was stilistisch ein wenig unschön ist.

3. Was mich zum dritten Punkt bringt: Dein Schreibstil könnte noch ein wenig aufpoliert werden. Aber das kommt mit der Übung. Ich habe dir trotzdem ein paar Stellen herausgesucht.

„Ich tat es, gnädige Frau, ich muss es zugeben.“, antwortete der ebenso edel gekleidete Mann.
Der Punkt am Ende der direkten Rede muss weg, wenn danach eine Inquit-Formel folgt (sagte, fragte, antwortete, etc.)


Hin und wieder auch mal über Freunde, die an diesem Abend nicht anwesend waren.
"mal" ist ein Füllwort. Du hast ja schon mit "hin und wieder" klar gemacht, dass es nicht ständig passert.

Außerdem: ist dieser Satz wichtig? Du solltest Unwichtiges weg lassen, weil der Leser sonst erwartet, dass noch etwas kommt (z.B. dass später einer dieser nicht Anwesenden, über den geredet wird, tatsächlich noch ins Wirtshaus kommt)


Kurzum, es war ein Abend, wie man ihn sich nur wünschen konnte.
Erklärendes Füllwort. Das ist unschöner Stil. Die ganze Erklärung ist unnötig. Dass es ein toller Abend war, sollte aus dem Verhalten der Gäste hervorgehen und nicht der Erzähler dem Leser auf die Nase binden. Hier gilt: show, don't tell.

Doch in einer schummrigen Ecke des Saals saß ein missmutig gestimmter Mann.
Wieder wäre show besser gewesen als tell. Woran sieht man, dass er missmutig ist? Er könnte z.B. den Kellner anschnauzen

Er kippte seinen Schnaps und stellte das leere Glas zu den anderen. Er hatte sich betrunken, doch das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr.
Da war sie auch schon.
Das klingt so flapsig und geht viel zu schnell. "Da war sie auch schon, tralalala ..." :-)

Sie setzte sich ihm gegenüber und stellte zwei Bierkrüge auf den Tisch.
Aha. Und die hat sie woher, wenn sie doch gerade durch die Tür getreten ist?

Er schluckte hart.
Kann man auch weich schlucken? Gibt es überhaupt irgendein Adverb, das man mit schlucken kombinieren kann?

„Es ist nicht weiter schlimm, dass Emiel noch lebt. Doch dein Verrat enttäuscht mich. Wir kämpfen für eine gerechte Sache, ich dachte du wüsstest das.“
Die Frau, der Mann - nur die unbedeutendste Person in der Geschichte erhält einen Namen: Emiel. Gib doch "dem Mann" und "der Frau" mal Namen.

„Nun ja, doch Meisterin, das weiß ich, aber[LEERZEICHEN]… sollte es nicht möglich sein[LEERZEICHEN]… ich meine ohne Blutvergießen unser Ziel zu erreichen?
Vor Auslassungszeichen stehen Leerzeichen. Es sei denn, du schneidest ein Wort ab, z.B. "Verdammt nochma..."

Es war unmöglich zu sagen, ob all das wirklich passierte oder ob es nur Einbildung des Mannes war.
Sagt wer? Der Erzähler? Entweder ist der allwissend (auktorial) und kann in den Kopf des Mannes schauen, oder es ist der Mann selbst (personaler Erzähler) und der sollte ja wissen, ob es wirklich passiert. Oder du sagst "Dem Mann war es unmöglich zu sagen, ob all das wirklich passierte oder ob es nur seine Einbildung war."
==> Beschäftige dich doch mal mit Erzählperspektiven (personaler Erzähler und auktorialer Erzähler)

Er erwachte, da er eine seltsame Enge in seiner Brust spürte. Also schlug er schlaftrunken die Augen auf und sah einen Dolchgriff aus seinem Körper ragen. Der Dolch war reich verziert, das Heft war aus poliertem Silber und in der Mitte mit einem Rubin verziert. Obwohl die Klinge direkt in seinem Herz stecken musste, fühlte der Mann keinen Schmerz. Er war auch nicht überrascht. Er bemerkte nur, dass sein Blut in der Dunkelheit beinahe zu leuchten schien. Es schimmerte dunkel und in einem tieferen Rot als jemals etwas zuvor, viel mehr noch als der Rubin im Griff des Dolchs.
Hier gibt es ja eine Ähnlichkeit zum Theaterstück am Anfang. Ist das beabsichtigt? Wenn ja, dann erschließt sich mir der logische Zusammenhang nicht.

 

Danke für den netten Empfang und für die Verbesserungsvorschläge.
Es ist schön, konstruktive Kritik von jemandem zu bekommen, der sich damit auskennt und ich werde versuchen, es in der nächsten Geschichte zu berücksichtigen.
Aber voll allem freue ich mich natürlich, dass es dir im Großen und Ganzen gefallen hat.

 

Hey Eol,
ich hab mich durch deine Geschichte gut unterhalten gefühlt.Die Theaterszene am Anfang hat mir gefallen, obwohl es auch etwas verwirrend war, dass es sich dabei eben nur um eine Theaterszene handelt, denn ich dachte dass ich nun mit der Protagonistin bekannt gemacht werde.Also das könntest du vielleicht noch verbessern.
Das der Mann seine Meisterin verraten hat , hat mich neugierig auf den weiteren Verlauf gemacht und die Charakterzeichnung der Meisterin ließ mich schon vermuten, dass sie den Mann nicht einfach so laufen lässt und sie ihn töten wird.
LG, Emilia

 

Hallo Eol
und willkommen bei den Wortkriegern.

Mich hat dein Debüt nicht gepackt. Dazu plätschert es alles zu sehr an mir vorbei. Für mich bleiben die Figuren nicht greifbar und sind beliebig. Da bräuchte ich mehr Tiefe, um mich einfinden zu können.
Formal sind noch ein paar Schnitzer drin. Ein paar Kommas zu wenig, guck mal noch mal rüber.
Ansonsten:

es zugeben.“, antwortete der ebenso edel gekleidete Mann
kein Punkt in der WR, wenn redebegleitsatz folgt (?! jedoch schon)
das weiß ich, aber… sollte
Auslassungszeichen vor den drei ..., es sei denn, du schneidest etwas mitten im Wort ab
Also schlug er schlaftrunken die Augen auf und sah einen Dolchgriff aus seinem Körper ragen.
streich das, dann wirkt der Satz gleich viel besser.

Dann noch etwas zur Etikette hier:
HSB hat dir einen sehr langen Kom geschrieben, das hat er nicht in 5 Minuten runtergetippt. Das dann mit so einer knappen Generalantwort abzutun ist am Rande der Unhöflichkeit. Zumindest in meinen Augen. Was aber entscheidender ist: andere sehen das und kommen zu dem Schluss, dass es es sich nicht lohnt, dir einen so ausführlichen Kommentar zu schreiben, weil du nicht darauf eingehst. Das Forum lebt ja vom Austausch.
Und zu guter Letzt: Wir verstehen uns als eine Schreibwerkstatt. Wenn du die Punkte von HSB einleuchtend findest, arbeite sie doch in diesen Text ein. Das zeigt, dass du es mit dem Schreiben ernst meinst. Und ich garantiere dir, beim Überarbeiten reift man als Autor am meisten.

So, das sind alles nur Empfehlungen, du musst nichts davon beherzigen. In jedem Fall wünsche ich dir noch viel Spaß hier auf der Seite :)

grüßlichst
weltenläufer

 

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