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Wirklich nur ein Urlaubsflirt?
„Jeanny, bist du soweit? Der Flug geht um 11:25!“ Rebecca, meine Mum, steht bereits samt Koffern an der Haustür und wartet darauf, dass ich komme.
„Ich komme sofort. Ich kann mein Glätteisen nicht finden!“
„Es ist 10:20, Jeanny. Wir fahren eine halbe Stunde und wir müssen bis 11 Uhr eingecheckt haben!“
„Ha, ich hab’s gefunden. Bin sofort da!“
Ich lasse das Glätteisen in meiner Handtasche verschwinden und überprüfe noch einmal mein Aussehen im Spiegel, bevor ich samt Koffer und Tasche die Treppe hinunter gepoltert komme.
„Na endlich, dass das bei dir immer so lange dauern muss…“ vorwurfsvoll schaut sie mich an, während wir alles im Kofferraum unseres roten Minis verstauen. Rebecca, die übrigens keine besonders gute Autofahrerin abgibt, startet den Motor und überprüft, ob wir nichts vergessen haben.
„Hast du alles dabei? Ausweis, Reisepass, Tickets?“
„Rebecca, die Tickets hast du doch!“
Sie greift mit einer Hand auf den Rücksitz, um den Tascheninhalt zu überprüfen. Dabei macht das Auto einen Schwenker und gelangt auf die Gegenfahrbahn. Reflexartig greife ich hinüber zur Fahrerseite um das lenken zu übernehmen. Reb sieht mich dankend an und bettet ihre Handtasche auf dem Schoß. Hastig wühlt sie sich durch das Chaos, das darin herrscht. Triumphierend hält sie die Tickets in die Höhe und stößt einen Jubelschrei aus.
„Dacht‘ ich’s mir doch. Hier sind sie!“
„Na hör mal, gerade eben dachtest du noch, dass ich sie eingesteckt hätte!" Mit gespielter Empörung gehe ich auf ihre Äußerung ein.
Seitdem meine Mum sich von meinem Vater getrennt hat, ist die Mutter-Tochter Beziehung viel lockerer geworden, was uns beiden, wie ich sagen muss, ziemlich gut tut.
Um 10:54 erreichen wir den Flugplatz. Mit quietschenden Reifen, und ohne zu bremsen, sichert Rebecca sich die letzte freie Parklücke. Der rote Mini kommt zum stehen und wir hasten zum Terminal. Wir ziehen sämtliche Blicke auf uns. Es muss aber auch zu komisch aussehen, wie ich versuche, mit Rebeccas Tempo Schritt zu halten. Völlig aus der Puste geben wir unsere Gepäckstücke auf und gehen durch die Passkontrolle. Wir nehmen im Warteraum von Gate 62 Platz, wo ich dringend noch etwas erledigen muss.
„Reb, ich bin noch kurz…“ Mit dem Arm deute ich auf das WC-Schild hinter mir.
„Beeil dich! Das Flugzeug müsste gleich ankommen.“
„Klar doch.“ Und damit verschwinde ich aus ihrem Blickfeld. Der miefige Geruch, der mir in die Nase steigt, ist typisch für öffentliche Toiletten. Dennoch löst er jedesmal einen Brechreiz in mir aus.
Ich lege mein Schminktäschchen auf den Waschtisch und ziehe meine Lippen mit rotem Lippenstift nach. Dabei merke ich, dass mein Mascara verschmiert ist und suche nach Abschminktüchern, um ihn wegzuwischen und zu erneuern. Gerade, nachdem ich mein linkes Auge abgeschminkt habe, dröhnt eine Durchsage durch die Lautsprecherboxen: „Alle Passagiere des Fluges Paderborn-Antalya werden nun aufgefordert, ihre Sitzplätze einzunehmen. Wir bitten sie, die 15-25 Reihe zuerst ihre Sitze einnehmen zu lassen. Vielen Dank für ihr Verständnis.“
Mein linkes Auge schon abgeschminkt, merke ich, dass mit der Durchsage eben auch mein Flug gemeint war. So werfe ich alles in mein Schminktäschchen zurück und haste hinaus zu Rebecca, die vor der Kontrolle auf mich wartet.
„Schatz, was ist mit deinem Make-Up passiert?“
„Frag nicht. Ich mach‘s gleich im Flugzeug.“
Ein letztes Mal zeigen wir unsere Ausweise und die Tickets vor und betreten den Verbindungsgang. Wenig später werden wir von zwei Stewardessen begrüßt, die allen Passagieren einen guten Flug wünschen. Da wir erst auf die letzte Minute eingecheckt haben, waren keine Plätze mehr nebeneinander frei. Was meiner Meinung nach nicht besonders schlimm ist. Reb sieht das jedoch anders, da sie dann keinen hat, mit dem sie über Gott und die Welt reden kann. Und glaubt mir, ich übertreibe nicht.
Ich lasse mich in der 18. Reihe am Fensterplatz nieder. Nach und nach wird das Flugzeug immer voller und bald hat jeder seinen Platz eingenommen. Sowie der smarte, leichtgebräunte Typ, den ich auf Anfang 20 schätze. Laut Ticket scheint sein Platz neben mir zu sein, da er sein Handgepäck in der Ablage oberhalb unserer Sitze verstaut und sich in den Stuhl sinken lässt. Belustigt schaut er mich an.
„Hi, ich bin Connor.“
„Jeanny.“
Mit dem Zeigefinger zeigt er auf sein rechtes Auge.
„Du hast da was… vergessen.“
Oh nein. Ich hatte das Make-Up Problem längst verdrängt. Jetzt jedoch, nachdem er mich daran erinnert hat, fangen meine Wangen an zu glühen und ich drehe mich zur Seite.
Er wartet auf eine Antwort, doch als er keine von mir bekommt, entschließt er sich, selbst mit dem Gespräch fortzufahren.
„Muss dir nicht peinlich sein. Peinlich ist, nur in Boxershorts in die Schule zu gehen, so wie ich es früher einmal getan habe. Noch nach einer Woche war ich bei allen Schülern sowie bei den Lehrern Gesprächthema Nummer 1, das kannst du mir glauben!"
Sein Lächeln wird immer breiter.
Ich suche nach einem Spiegel, um mich fertig zu schminken, da merke ich, dass ich ihn zu Hause auf meinem Schreibtisch liegen gelassen habe.
„Hast du zufällig einen Spiegel dabei?“
„Zufällig nicht?“
Während der Sicherheitsanweisungen herrscht Schweigen zwischen uns. Das Flugzeug startet und ein Druck breitet sich in meinen Ohren aus. Noch ca. 3 ½ Stunden. Zu meinem Pech wird mir bei jedem Flug schlecht. Daher versuche ich, ein wenig abzuschalten und schlafe ein.
Nach einer Zeit versucht mich jemand aufzuwecken. Ich bin hellwach und merke, dass es Connor war, in dessen Armen ich lag, mein Kopf auf seine Brust gelegt. Er sieht meinen verwirrten Gesichtsausdruck und setzt sogleich eine amüsierte Miene auf.
„Kein Problem. Ich finde auch, dass die Sitze hier durchaus bequemer sein könnten. Ich kann verstehen, dass dir meine Brust als Kopfstütze angenehmer war…“
„T‘schuldige.“
„Wie schon gesagt, macht mir nichts aus. Aber wenn du deinen Kopf von meiner Brust nehmen würdest, könnten wir auch aussteigen. Wir sind die Letzten.“
„Klar…“ Beschämt setze ich mich aufrecht hin und sehe, dass sich, außer der Crew, keiner mehr im Flugzeug befindet.
Rebecca hatte ihren Platz in der 2. Reihe. Sie muss das Flugzeug wahrscheinlich mit als Erste verlassen haben und wartet bestimmt schon an der Kofferausgabe auf mich.
Dort angelangt, gehe ich schnurstracks auf sie zu und helfe ihr, ihren Koffer vom Gepäckband zu nehmen. Von meinem Koffer keine Spur. Also suche ich in der Menschenmenge nach Connor und sehe, wie er samt großer Reisetasche auf mich zu kommt. Er bleibt kurz bei mir stehen und flüstert mir ein kleines „Hat mich gefreut“ zu und verschwindet in Richtung Ausgang. Als er mir über die Schulter einen letzen Blick zuwirft, bringe ich ein „Mich auch“ hervor, was allerdings kaum hörbar war.
„Jeanny! Schau mal, ist das dein Koffer hier?“
Ich werfe einen Blick auf das Gepäckband und erkenne meinen pinkfarbenen Hartschalenkoffer.
„Ja, das ist er!“
Rebecca kann ihn in letzter Sekunde von Band ziehen und steuert auf mich zu.
Vor dem Airport schlägt uns eine Hitzewelle entgegen. Schnell bereue ich es, heute Morgen eine lange Röhrenjeans statt etwas Kürzerem angezogen zu haben.
Rebecca entledigt sich ihrer Sweatshirtjacke und freut sich auf den bevorstehenden 5-tägigen Urlaub.
„Und jetzt geht’s ab zum Hotel. Lass uns auf dein bestandenes Abi anstoßen!“
Wir stehen vor dem Eingang des weißen Hotelbauklotzes. Von außen sieht es sehr modern aus.
„Jeanny, ist das nicht schön hier?“ entzückt steuern wir den Hoteleingang an.
Die Gäste, die mit dem ersten Reisebus hierher gefahren sind, haben ihre Zimmer schon bezogen. Reb und ich werfen einen Blick durch die große Glasfront auf den Pool. Ein Traum. Eine riesige Wasserlandschaft bäumt sich vor uns auf.
„Lassen wir uns unsere Zimmerschlüssel geben.“
Wir haben zwei Zimmer gebucht, da sie meint, man wüsste nie was kommt. Typisch Rebecca. Und leider hatte sie wieder einmal Recht...
„Entschuldigen Sie? Könnten wir unsere Zimmerschlüssel bekommen?“
Die Empfangsdame mustert Rebecca einen kurzen Augenblick.
„Auf welche Namen haben sie die Zimmer gebucht?“
„Benson.“
„Jeanny, Schatz. Ich werde dann jetzt mein Zimmer beziehen. Ich schaue nachher mal bei dir vorbei.“
„Mach das. Aber ich bin müde. Muss wohl am Wetter liegen. Ich leg mich gleich ‘ne Runde schlafen.“
Nachdem ich Rebecca bis zu ihrem Zimmer in der 12. Etage begleitet habe, nehme ich den Fahrstuhl und fahre eine Etage weiter zu meinem Zimmer.
Mit einem Klicken öffnet sich die Tür. Ich trete ein und schaue mich um. Ein geräumiges Zimmer, das einen guten Ausblick aufs Meer bietet. Allerdings sieht es nicht unbewohnt aus.
Auf dem Bett liegen Männershorts und ein Paar Socken. Im Moment bin ich mir nicht ganz sicher, ob es sich nicht um eine Verwechslung handelt.
Getrieben von Neugierde öffne ich die Badezimmertür. Ein Fehler. Und schon wieder ins Fettnäpfchen getreten. Wenn ich mich nicht täusche, ist es Connor, der vor mir in der Dusche steht und sich mit einem kleinen Handtuch seine Haare trockenrubbelt.
„T’schuldige. Muss sich um ein Missverständnis handeln."
„Wir kennen und doch. ‚Entschuldige‘ scheint wohl dein Lieblingswort zu sein?“
Seine Art, alles leicht und mit Charme hinzunehmen, fängt an, mich aufzuregen.
„Ich warte dann draußen, bist du dir was angezogen hast. Sieht ganz danach aus als hätten wir beide das gleiche Zimmer bekommen?“
Ich ergreife schnell die Flucht und lasse mich auf den, mit weißem Stoff überzogenen Korbstuhl plumpsen, der direkt vor dem Fenster steht.
Ich stütze meinen Kopf in beide Hände. Na super, der Urlaub fängt ja klasse an!
Mit zerzausten Haaren und in Badeshorts kommt Connor auf mich zu. Der Anblick seines nackten Oberkörpers fasziniert mich. Ich ermahne mich, nicht zu auffällig hinzusehen, doch es fällt mir sichtlich schwer.
„Willst du deine Sachen nicht auspacken?“
Ich glaube, mich verhört zu haben. Das kann nicht sein Ernst sein. Verblüfft schaue ich ihn an. Das wird schon zur Gewohnheit.
„Das war kein Witz. Es sieht so aus, als hätten wir das gleiche Zimmer bekommen. Wieso nehmen wir es nicht so hin und ziehen beide hier ein? Denn wenn ich mich recht erinnere, habe ich gehört, dass die Zimmer alle ausgebucht sind.“
„Ich glaube kaum, dass das eine gute Idee ist. Ich werde Rebecca fragen, ob ich mit in ihr Zimmer einziehen kann.“
„Rebecca?“
„Meine Mum.“
Ich ziehe mein Handy hervor und wähle ihre Nummer.
„Hey, mein Schatz! Du musst unbedingt Ralf kennenlernen. Wir haben zufällig das gleiche Zimmer bekommen. Er sieht einfach umwerfend aus.“
Ich fass es nicht. Ist das hier eine Partnerbörse, oder was?
„Klar doch, Rebecca. Ich habe hier noch was zu erledigen. Ich wünsche dir viel Spaß.“
„Komm doch auch zur Poollandschaft. Wir sind ganz hinten, in der Nähe der Bar.“
„Mal schauen.“
Damit beende ich das Telefonat. Meine letzte Hoffnung. Dahin. So ist Rebecca. Kein Mann kann ihr wiederstehen. Für mitte 40 sieht sie sehr jung aus. Eine schöne Figur, nicht zu kantig, nicht zu rund. Hellblonde, lange Haare. Ihr ganzer Stolz. Bei vielen in ihrem Alter machen sich Anzeichen von grauen Haaren bemerkbar, anders als bei ihr. Allerdings scheitern ihre Beziehungen meist daran, dass sie Angst hat, eine enge Bindung einzugehen. Armer Ralf.
„Und?“ Connor schaut mich fragend an.
„Nichts zu machen. Ihr wurde auch ein Zimmer zugewiesen, in dem ein anderer wohnt.“
„Und, wie geht sie mit der Situation um?“
„Sie verstehen sich prächtig. So wie ich es verstanden habe, sind die beiden äußerst bereit, sich ein Zimmer zu teilen.“
Sehe ich da einen Hoffnungsschimmer in seinen Augen? Er denkt doch nicht wirklich, dass ich bei ihm einziehen werde?
„Oh nein!“
„Oh doch!“
Ich werfe einen Blick auf die Couch und vergleiche sie mit dem Bett, das die dreifache Größe hat. Meinetwegen, wenn er es so haben will.
„Ok, aber du schläfst auf der Couch.“
Ich bin mir sicher, dass er nein sagen wird.
„Muss das denn sein? Das Bett ist doch großgenug für uns zwei.“ Er setzt einen Hundeblick auf.
„Nö!“ Belustigt strecke ich ihm die Zunge heraus.
Schnell sprinte ich zum Bett und lasse mich darauf fallen. Bevor er es sich anders überlegt. Ich bin nicht bereit mein Bett mit ihm zu teilen. Noch nicht.
„Tja, dann mach‘s dir mal auf dem Sofa bequem.“ Ich kann mir einen neckischen Unterton nicht verkneifen.
Ich öffne meinen Koffer und hole meinen violetten, trägerlosen Bikini heraus und verschwinde damit im Badezimmer. Er sieht mir hinterher und fragt mich:
„Und, was hast du jetzt noch vor?“
„Ich gehe schwimmen. Was dagegen?“
„Nicht das Geringste. Hatte ich auch vor.“ Er zeigt auf seine Badehose.
Wird man den je wieder los?
Im Bikini und mit einem Handtuch und einer Flasche Sonnenmilch unterm Arm steuere ich auf die Tür zu. Doch Connor ist schneller und hält sie mir auf.
Genervt verdrehe ich die Augen. Nur nicht beeindruckt wirken, Jeanny.
Zusammen gehen wir den Gang hinunter und fahren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Unten angekommen, suche ich mir eine Liege. Wie ich sehen muss, sind nicht mehr viele frei. Um genau zu sein, ich sehe nur noch zwei freie Liegen. Nebeneinander!
Also lege ich mein Badehandtuch auf die Liege und will gerade ins Wasser springen, als Connor mich an der Schulter packt und zurückhält.
„Jeanny, warte.“
„Was ist denn jetzt noch?“
„Darf ich dir den Rücken eincremen?“
Aufdringlicher geht’s wohl nicht? Ob er das bei jeder macht?
Da kommt Rebecca auf mich zu. Meine Rettung. Sie hakt sich bei einem gut aussehenden, etwas älteren Mann unter. Das muss Ralf sein.
„Na, mein Schatz. Wolltest du gerade ins Wasser?“
„Eigentlich, Ja.“
„Ralf, wenn ich dir Jeanny, meine Tochter vorstellen darf? Jeanny, Ralf.“
Ralf ergreift das Wort.
„Freut mich dich kennenzulernen. Deine Mutter ist eine sehr entzückende Frau.“
„Freut mich auch. Reb, Ralf, sehen wir uns später? Ich brauche eine Abkühlung.“
Ich bin schon auf den Weg zum Wasser, als Connor ruft:
„Warte, Jeanny. Ich komme mit.“
Ich werfe ihm einen bösen Blick zu. Der hat anscheinend gesessen. Er macht eine entschuldigende Miene und geht zurück zu unseren Liegen.
Das kalte Wasser fühlt sich gut an. Genau das, was ich jetzt brauche. Ich mache ein paar Schwimmzüge und schlängele mich an spielenden Kindern vorbei.
Am Rande des Beckens halte ich kurz inne, um Luft zu schnappen. Auf einmal zieht mich jemand an meinem Bein zu sich hinunter.
Es ist – Connor!
„Okay, so schnell lasse ich mich nicht von dir abwimmeln.“
Ich weißt nicht, was ich tun soll. Ihn abweisen, oder mich auf ihn einlassen? Aber süß ist es schon von ihm. So viel Aufmerksamkeit habe ich lange nicht mehr von einem Mann bekommen.
Und genau in diesem Moment bräuchte ich meine beste Freundin Regina. Regina jedoch sitzt gerade im Flugzeug nach Australien, denn sie hat entschlossen, nach ihrem Abi ein Jahr in Australien bei Verwandten zu verbringen.
Meine Entscheidung ist gefallen. Ich werde versuchen, nicht so kratzbürstig ihm gegenüber zu sein.
„Was ist jetzt noch?“
„Darf ich dich auf einen Drink an der Bar einladen?“
„Meinetwegen.“ Nur nicht zu nett wirken, sonst denkt er, er hätte mich an der Angel. Aber hat er das nicht längst schon?
Wir verlassen das Wasser, schnappen uns unsere Badetücher und nehmen an der Bar Platz.
Kommt es mir nur so vor, oder hat der Barmixer mir gerade zugezwinkert? Ich schaue mich um, doch hinter mir steht niemand.
„Na, Süße, was darf‘s für dich sein?“
Ich merke, wie Connor eine genervte Miene aufsetzt. Ich wüsste gerne, wie Connor reagiert, wenn ich mit dem Barmixer anfange zu flirten.
„Einen ‚Sex on the Beach, bitte‘. “ Gekonnt wickel ich eine Haarsträhne meiner platinblonden Mähne um den Finger. Kokett lächel ich ihn an.
„Kommt sofort.“ Er lächelt zu mir zurück und verschwindet in den hinteren Teil der Bar. Ich schaue unauffällig zu Connor hinüber und entdecke etwas in seinen Augen. Ist da etwa Eifersucht zu erkennen? Geschieht ihm ganz Recht.
Connor nutzt die Gelegenheit und spricht mich darauf an.
„Jeanny, was sollte das eben?“
„Was denn?“ Ich stelle mich ahnungslos.
„Ach komm, tu doch nicht so.“
Und schon tut es mir leid, ihn ausgetestet zu haben.
„War nur ein Test!“ lachend stoße ich mich vom Barhocker und springe geradewegs hinein ins kalte Wasser. Connor überlegt nicht lange und tut es mir nach.
„Hey, dein Cocktail!“ höre ich den Barmixer rufen, doch es interessiert mich nicht.
Wir stehen uns im Wasser gegenüber. Mein Herz fängt wie wild an zu pochen. Das, was ich eigentlich nicht wollte. Ich hatte mich verliebt. Verliebt in seine Leichtigkeit, in seinen Charme, in seine tiefe und weiche Stimme, in seinen wunderschönen Körper. Dabei wusste ich nicht einmal viel über ihn, doch es kommt mir so vor, als würden wir uns seit Jahren kennen.
„Du scheinst es zu mögen, mich zu provozieren, was?“ Das allzu bekannte Lächeln kehrt in sein Gesicht zurück.
„Jap, und du fällst drauf rein.“ Lachend schüttele ich meinen Kopf.
Mit seinen Armen umfasst er meine Taille. Gerade als er mich näher zu sich ziehen will, löse ich mich von ihm.
„Fang mich doch“, und schon bin ich im Wasser verschwunden.
Weit komme ich nicht, ehe er meinen Fuß festhält und mich wieder zu sich zieht.
„Hab ich dich.“ Jetzt löst sein Lächeln ein leichtes Schwindelgefühl in mir aus. Ich bin glücklich. Glücklicher als nie zuvor. Hier und Jetzt. Mit ihm.
Unsere Lippen nähern sich und ehe ich mich versehe, berühren sie sich zaghaft. Ein Energieschwall strömt durch mich hindurch.
Ich weiß nicht, wie lange wir so dort stehen bleiben, bis uns eine ältere Dame anspricht.
„Entschuldigen Sie, aber könnten Sie woanders…?“
Ich weiß echt nicht, welches Problem manche Leute haben. Nichts desto Trotz nehme ich seine Hand und wir verlassen die Poollandschaft, schnappen uns unsere Handtücher und kehren zu den Liegen zurück. Mit einem starken Kribbeln im Bauch, breite ich mein Handtuch aus und lege mich hin. Connor schnappt sich die Sonnenmilch und setzt sich zu mir auf die Liege.
„Was dagegen?“ Er hält die Sonnencreme hoch.
Ich sehe zu ihm hoch und willige ein.
Seine Hände fahren geschickt über meinen Rücken. Wenn er eines gut kann, dann massieren.
„Bist du Masseur?“
„Wie kommst du denn darauf?“ mit gespieltem Entsetzen schaut er mich an.
„Bist du’s, oder bist du’s nicht?“
„Nein, ich habe das früher mit ein paar Kumpels am Strand von Ibiza gemacht. So haben wir uns unser Urlaubsgeld verdient.“
„Ach ja? Da gab es bestimmt auch viele hübsche Mädchen, oder?“
„Keine war so hübsch wie du.“
Auch wenn ich ihm keinen Glauben schenke, drehe ich mich um und sehne mich nach einem Kuss, den ich dann auch von ihm bekomme.
Wie viel Uhr war es, als wir hier angekommen sind? Um die 16 Uhr vielleicht?
Einen Blick auf die Uhr an der Bar verrät mir, dass wir es schon 20 Uhr haben. Wann gab es nochmal Abendessen?
„Connor, bis wie lange hat das Büffet auf?“
„Ich glaube bis 21 Uhr.“
„Dann lass uns etwas Essen gehen.“ Entschlossen spinge ich auf. Mein Ziel: Der Speisesaal.
Es ist sehr voll. Pärchen, mit und ohne Kinder, Singles und Geschäftsleute stehen in der Warteschlange des Büffets. Mein Magen macht sich bemerkbar. Connor muss es gehört haben, oder ihm geht es genauso wie mir, denn er entschließt:
„Komm, Jeanny. Lass uns nach oben auf's Zimmer gehen. Gönnen wir uns doch einmal den Luxus und lassen wir uns das Essen bringen.“
Oben angekommen lassen wir uns auf das große Bett fallen. Die Couch ist Geschichte. Das kann ich ihm im Urlaub doch kaum zumuten, oder?
Er kitzelt mich so lange, bis ich keine Luft mehr bekomme.
„Stopp jetzt!“ Ich lache und werfe den Kopf zurück.
„Okay, ich bestelle uns etwas zu Essen. Was darf’s sein?“
„Hm… eine Pizza Margherita.“
„Kommt sofort.“ Er macht eine Verbeugung und schnappt sich das Telefon.
Ich bin müde, also blende ich das Telefongespräch aus und nicke ein.
Ich werde durch ein Klopfen geweckt.
„Zimmerservice.“
Connor, der neben mir liegt, seinen Kopf auf den Ellenbogen gestützt, springt auf.
„Ich gehe schon.“
Ich verfolge, wie er die Tür öffnet, das Essen entgegennimmt und dem Zimmerservice Geld zusteckt. Fünfzig Euro? Ist das nicht ein bisschen zu viel für 2 Pizzen? Als er die Tür schließt und auf mich zukommt, kann ich hinter seinem Rücken eine Champagnerflasche erkennen.
„Wie wär’s?“
„Gerne doch.“
Wir setzten uns an den Korbtisch, auf dessen Glasplatte Connor das Essen sowie den Champagner und zwei Gläser abstellt.
Während des Essens unterhalten wir uns hauptsächlich über so ein paar Dinge, wie Beziehungen, Job und Familie. Wie ich übrigends auf den ersten Blick erkannt habe, ist er um die 20 Jahre alt. Um genauer zu sein, nur drei Jahre älter als ich. 21.
Nach dem Essen ziehe ich mir ein langes T-Shirt an und verkrieche mich unter dem dünnen Bettlaken.
„Herrin, muss ich jetzt wirklich auf der Couch schlafen? Es könnte sichtlich unbequem werden.“
„Komm her du Spinner!“ lachend winke ich ihn zu mir. Er schlüpft unter das Laken und schmiegt sich an mich. Mit dem Kopf auf seiner Brust schlafen wir ein. Ich frage mich, wie er es geschafft hat, mein Herz in so kurzer Zeit zu erobern.
Am nächsten Morgen, als ich aufwache, liege ich alleine im Bett. Ich höre, wie im Bad das Wasser angestellt wird. Connor muss auch gerade erst aufgestanden sein.
Mein Handy vibriert. Ich hatte ganz vergessen, es gestern nach dem Flug wieder auf laut zu stellen.
„Jeanny hier?“
„Hey meine Süße. Gut angekommen?“
Es ist Regina. Wie viel Uhr ist es jetzt bei ihr? Hier haben wir es 13:30. Wow, schon so spät? Damit haben wir das Frühstück verschlafen. Bei Regina muss es jetzt halb drei nachts sein.
„Jap, und du? Noch nicht müde?“
„Nicht wirklich. Wegen der Zeitverschiebung und so. Aber daran werde ich mich bestimmt noch gewöhnen.“
„Meine Große, ich vermiss dich jetzt schon!“
Während sie mir von Australien und von ihren geplanten Unternehmungen erzählt, hat Connor sich geduscht und legt sich neben mich aufs Bett. Er fängt an, an meinem rechten Ohr zu knabbern.
„Lass das.“ Spielerisch boxe ich ihm auf die Brust.
„Wie war das?“ Regina versteht kein Wort.
„Das war nicht an dich, t’schuldige. Du, ich muss Schluss machen, ich hab hier so ein kleines Klammeräffchen, das nicht von meiner Seite weichen will.“
„Haha, verstehe. Jeanny, das ging aber ziemlich schnell, findest du nicht? Erst einen Tag im fremden Land und schon jemanden an der Angel?"
„Eher andersherum. Aber Süße, das ist alles ein wenig komplizierter. Ich erzähl’s dir später, okay?“
Damit lege ich auf, und Connor und ich rollen uns im Bett hin und her. Auf einmal liegen wir beiden auf dem Boden. Wir können uns nicht mehr halten vor Lachen.
Ich kann mein Glück kaum fassen. Jetzt habe ich alles, was ich immer wollte. Meinen Abschluss und jemanden, für den mein Herz schlägt.
Er streicht mir ein Haar aus der Stirn und flüstert:
„Du bist so schön, Jeanny Benson.“
Wir küssen uns wieder und immer wieder und finden uns später im Bett wieder.
„Rebecca, das ist Connor. Connor, das ist meine Mum Rebecca.“
Inzwischen sitzen wir unten im Speisesaal und essen zu Mittag. Mit Rebecca und Ralf.
„Ah, die, zu der du gestern Nachmittag noch flüchten wolltest?“
Ich rolle die Augen. Erwartet Connor eine Antwort?
„Sehr erfreut, Frau Benson.“
„Ganz meinerseits.“
Nachdem Ralf und Rebecca aufgegessen haben, stehen sie auf und wollen gehen.
„Warte mal, Reb.“ Ich ziehe sie zu mir heran und flüstere ihr etwas ins Ohr.
„Was denkst du, ist Ralf der Richtige?“
„Ich denke… Ja! Und du, denkst du dass Connor der Richtige ist?“
„Ich weiß es nicht.“
„Finde es heraus.“
Damit verlassen Rebecca und Ralf Arm in Arm den Saal und steuern die Außenanlage an, wahrscheinlich um eine Runde spazieren zu gehen.
„Du nennst deine Mum beim Vornamen?“ Connor schaut mich ungläubig an.
„Ja, wieso denn nicht?“
„Ist ungewöhnlich.“
„Finde ich nicht. Rebecca meint, sie fühlt sich so alt, wenn ich sie Mum nenne.“
„Achso.“ Damit war die Sache für ihn geklärt.
„Und, was hast du heute noch mit mir vor?“ lächelnd schaue ich ihn an.
„Wie wär’s mit Jetski fahren?“ Er hebt mich hoch und trägt mich bis zu einem weißen Nissan, der vor dem Hotel parkt.
„Und wo genau willst du mit mir hin?“
„Lass dich überraschen.“ Er setzt sich hinters Steuer und fährt los.
Ich schmiege mich an ihn und verlange einen Kuss nach dem anderen.
„Nicht so stürmisch. Das ist gefährlich. Ich muss mich auf den Straßenverkehr konzentrieren.“
Lachend versucht er mich abzuschütteln.
„Schau dich um. So etwas nennt man gefährlich!“ Ich zeige auf eine fünf-köpfige Familie, die neben uns auf einem Mofa fährt. Noch dazu ohne Helm.
Am ‚Lara Beach‘, so nennt sich der Strand, zu dem Connor uns gefahren hat, steigen wir aus uns gehen auf eine Kartbahn zu.
„Zuerst Kart oder Jetski fahren?“
"Lass und zuerst Jetski fahren, das wollte ich immer schon einmal machen.“
Er nimmt mich huckepack und trägt mich bis zu dem Häuschen, an dem zwei braungebrannte Einheimische Jetskis verleihen.
„Merhaba.“ Einer der Türken begrüßt uns freundlich, während der andere zwei Jetskis für uns ins Wasser schiebt.
„Merhaba.“ Er verwickelt Connor in ein Gespräch. Es hört sich äußerst vertraut an, obwohl ich kein Wort verstehe, denn sie sprechen türkisch. So bleibe ich neben ihnen stehen und beobachte ihre Gesichtsausdrücke, bis Connor sich mir zuwendet und dem Mann etwas zuruft, ehe wir auf unsere Jetskis steigen.
„Teşekkürler Mehmet!“
Auf den Jetskis geht’s ab aufs Meer. Erst fahre ich langsam, doch da ich mit Connor mithalten will, der jetzt voll in seinem Element ist, muss ich etwas beschleunigen. Von 60 km/h auf 100 km/h.
Das Wasser schäumt und ich bin froh, für den Fall der Fälle eine Schwimmweste anzuhaben. Ich hole langsam auf und fahre nun neben ihm. Gleichzeitig drehen wir uns um und sehen die Spur, die wir mit unseren Jetskis hinterlassen haben.
Und weiter geht’s. Die Entfernung zwischen dem Ufer und uns wird immer größer. Ich beschleunige noch etwas, was ich als Fahranfängerin lieber nicht hätte tun sollen. Und schon passiert’s. Ich kippe samt Jetski um. Der Jetski begräbt mich wort wörtlich unter sich.
Es dauert eine Weile, bis Connor merkt, das ich verschwunden bin. Ich ringe nach Luft, doch ich schaffe es nicht, an die Oberfläche zu gelangen. Mir wird schwarz vor Augen und ich verliere das Bewusstsein.
Als ich meinen Verstand wiedererringe, befinde ich mich in einer kleinen Hütte, mit Aussicht aufs Meer.
„Süße, es ist alles halb so schlimm wie es aussieht. Äußerlich hast du keine Schäden davongetragen. Wie geht es deinem Kopf?“
Er hat ins Schwarze getroffen. Mein Kopf brummt, als hätte ich zu viel getrunken. Ich hoffe nur, dass die Kopfschmerzen nicht von langer Dauer sind. Auf einmal kommt Wut in mir auf, dass er so rasen musste und sich daraufhin mein Jetski überschlug.
„Warum musstest du auch so schnell fahren? Das wäre alles gar nicht passiert, wenn du etwas mehr Rücksicht auf mich genommen hättest!“ Gegen meinen Willen fange ich an zu weinen, was meine Kopfschmerzen nicht gerade verringert.
„Du gibt’s mir jetzt die Schuld an deinem Sturz? Dein Kopf scheint wohl doch ziemlich viel abbekommen zu haben!“
Entrüstet richte ich mich auf. Sofort sendet mir mein Gehirn ein Signal, liegen zu bleiben, doch ich habe nicht vor, länger mit Connor in einem Raum zu verweilen.
„Lass mich doch einfach in Ruhe! Ich muss hier raus, sofort!“
Connor will es verhindern und packt mich an der Schulter.
„Fass mich nicht an!“ Damit verlasse ich die Holzhütte und sehe, dass es die war, in der Mehmet und der andere Türke die Jetskis verleihen.
Ich laufe so lange an der Promenade entlang, bis ich eine Straße finde. Hinter mir höre ich Connor rufen:
„Jeanny, das war nicht so gemeint. Komm zurück!“
Doch ich denke nicht im Geringsten daran. Ich will weg von hier. So schnell wie möglich. Die Busse hier sind sehr praktisch. Du stellst dich irgendwo an den Straßenrand und sobald einer vorbei kommt, hält er an. Genau das, was ich jetzt brauche.
Es dauert nicht lange, da steige ich auch schon in einen ein und kurz darauf schließen sich die Türen. Zu meinem Glück fährt er am Hotel vorbei. Ich bitte den Fahrer anzuhalten, und steige aus.
Erst vor meiner Zimmertür fällt mir ein, dass ich nicht vor allen Problemen weglaufen kann.
Denn das Größte steht noch bevor. Ich habe verdrängt, dass auch Connor in diesem Zimmer wohnt.
Die Sachen, die ich bei dem Sturz anhatte, sind inzwischen getrocknet.
Völlig fertig lasse ich mich auf das Bett fallen und Tränen strömen auf den Bezug.
Ich habe Connor gar nicht reinkommen hören. Er setzt sich zu mir und streicht mir mit einer Hand über den Kopf, so, wie Mütter es normalerweise bei ihren kleinen Kindern tun.
„Raus hier!“, grummele ich.
„Es ist auch mein Zimmer.“ Trotz den Vorwürfen, die ich ihm vorhin gemacht habe, ist er bereit, sich mit mir zu versöhnen.
„T’schuldige. Ich hätte dir nicht die Schuld geben dürfen. Das war so dumm von mir.“
Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und gibt mir einen langen Kuss.
Im Nu ist der Streit vergessen…
Die übrigen Tage vergehen wie im Flug und außer ein paar Streitigkeiten lief alles super.
Auch Ralf und Rebecca sind sich näher gekommen.
Am Tag der Abreise:
„Einen Kuss, bevor du einschläfst?" Wir sitzen bereits im Flieger. Connor sieht mich lächelnd und zugleich fordernd an.
Ich strecke meinen Hals und gebe ihm einen Kuss. Am liebsten würde ich ihn nie mehr loslassen. Aber brauche ich das überhaupt?
Ach ja. Rebecca, was deine Frage angeht: Ja, er ist es!