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Wireless
Langeweile. Quälende Langeweile. Ich sitze in Unterhose vor meinem Computer und starre auf den flimmernden Bildschirm. Das gesammelte Wissen der Menschheit, Musik, nackte Frauen, alles nur einen Mausklick entfernt. Und dennoch: Langweile. Ich ziehe die Vorhänge auf und schaue aus dem Fenster, betrachte die Autos, wie sie auf der Straße vor meinem Haus hin- und herfahren. Endlos, monoton.
Ich schaue einen alten Spiderman-Film („With great power comes great responsibility“) und chatte mit ein paar Kumpels von früher („Was läuft?“ „Nicht viel, fahre gleich zu meiner Freundin“). Aus all dem ziehe ich keine Befriedigung, ich töte nur Zeit. Ich klicke mich durch das Internet, sehe mir Bilder von Katzen an, kommentiere „lol“. Ohne eine Miene zu verziehen. Schaue mir eine Weile auf Youtube an, wie sich Leute gegenseitig aufs Maul hauen und like dann Gott auf Facebook. Denke aber nicht, dass der alte Mann das zu schätzen weiß.
Doch dann stutze ich. Auf einer Newssite finde ich einen kurzen Artikel: „Autounfall, drei Tote, Ursache unklar.“
Die Sonne erscheint mir auf einmal unglaublich störend und ich ziehe die Vorhänge wieder zu. Schnell starte ich einige Programme und schon bin ich zum Geist im virtuellen Raum geworden, hinterlasse keine Spuren mehr im World Wide Web. Ein bisschen wie ein Zauberspruch das Ganze. Proxy, Tor und Tunnel statt Abrakadabra. Ich schwitze. Völlig unverfolgbar sende ich Signale über die ganze Welt. Lasse das Programm gezielt nach etwas suchen. Aufgeregt starre ich auf die blinkenden Outputs auf meinem Bildschirm und warte. War es hier vorhin schon so heiß? Mit einstudiertem Griff schalte ich den Ventilator neben meinem Rechner ein, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. Die Suche läuft weiter, ich wische mir den Schweiß von der Stirn, blicke starr nach vorne.
Plötzlich: „Treffer“.
Mein Herz setzt einen Schlag aus und pocht dann wie wild. Die Suche ist beendet, das Programm hat gefunden, was es soll. Jetzt heißt es schnell sein, doch meine Hände zittern. Ich kämpfe damit, die richtigen Tasten zu treffen. Gänsehaut überkommt mich, meine Muskeln spannen sich an und ich atme schnell und schwer. Durch meinen Kopf schießt das Blut mit ohrenbetäubendem Rauschen. Warum ist mein Mund so trocken? Wo ist mein verdammtes Wasser?
Mit einem Male löst sich die ganze Spannung. Ich bin drin. Die Firewall ist überwunden, Kontrolle ist hergestellt. Eine fast asketische Ruhe überfällt mich, als ich die letzten zwei Befehle quer über den Globus an irgendeinen Bordcomputer sende:
„Disable brakes. Kill engine“
Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Vielleicht sollten die Leute lieber mich auf Facebook liken. Nicht, dass ich es zu schätzen wüsste.
Ich schalte den PC aus und sehe an mir herunter. Scheint als wäre eine kalte Dusche angebracht.
Gelangweilt gehe ich den Weg ins Badezimmer.