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11.01.2002
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Wir essen, telefonieren, streiten gerade, wenn die Welt untergeht. Wir schalten den Fernseher an und sehen Bilder des Grauens, blutiges Leben. Wir sehen Menschen, die wahrlos, kopflos, hilflos umher laufen. Wir sehen Feuer, Feuer direkt bei uns im Wohnzimmer. Wir schreien, klagen und sind uns einig; einmal im Leben. Denn es verbindet uns, über andere herfallen, urteilen zu können, einmal mehr die Klugen und Gerechten zu sein, die Retter des Anstands.
Wir zitieren Phrasen der Gelehrten. Wir erneuern alte Glaubenssätze. Wir lauschen den Worten der Mächtigen und jubeln, wenn uns die Menge dazu auffordert. Wir lästern, verschreien diejenigen, die nicht so klug sind sich, wie wir, dem Heer der Gewinner anzuschließen. Wir hissen die Flagge zum Krieg, erlöschen Vernunft mit unserem eigenen Stolz und unser gehobenen Brust. Wir bleiben stehen und lassen andere ziehen, hinaus, in den sicheren Tod. Doch mit dem Taschentuch winken wir zum Abschied, wenn sich die Fluzeuge erheben. Winken uns selbst zu, die wir diesen tapferen Entschluss gefasst haben. Wir schauen in den Spiegel und sehen den Helden der Nation, der weiß, was gerecht und ungerecht ist. Wir kämpfen gut gegen böse, schwarz gegen weiß, der Ritter in seiner goldenen Rüstung gegen den untersten Abschaum. Wir sehen mehr Tote, unsere gestorbenen Helden. Wir trinken auf ihr Wohl und lachen, wenn wir an das Leid unserer Gegner denken. Wie lassen sterben wie es uns beliebt und warten bis unsere Feinde winselnd vor uns niederkriechen. Wir, die wir das Recht gepachtet haben.

[Beitrag editiert von: Gina am 14.01.2002 um 22:45]

 

So, der zweite Text von Dir, den ich lese. Und was sticht sofort ins Auge?
Die vielen Gedanken, die aneinandergereiht werden.
Du hast also etwas zu sagen. Das finde ich sehr positiv. Du hast aber noch nicht herausgefunden, wie Du es sagen möchtest. Denn zumindest "Wir" kann man doch eigentlich nicht als "Geschichte" bezeichnen. Wie wäre es, wenn Du Deine Aussagen zu Geschichten formen würdest?
Ich kenne das Problem selbst. Auch ich würde manchmal am liebsten bloß Gedanken niederschreiben. Ist sicherlich auch der Grund, warum der Ich-Erzähler so beliebt ist. Doch kann man dann eben nicht mehr von Kurzgeschichten sprechen. Es ist auch klar, dass eine Aussage viel eher im Kopf bleibt, wenn eine Assoziation besteht. Packst Du also Deine Gedanken in eine Hülle, d.h. schmückst Du sie mit Handlung aus, so lesen sie sich mit mehr Interesse und mit mehr Verständnis. Und so gibst Du Deinen Texten das besondere, dass sie unvergesslich werden lässt.

Um es jetzt anders zu sagen: Wie soll ich "Wir" kritisieren? Nach welchen Kriterien? Ich könnte jetzt nur etwas zu den Gedanken sagen. Das würde aber bedeuten, dass Du nicht um Hilfe bei Deinem Schreiben bittest, sondern um ein Gespräch, eine Diskussion, einen Dialog.

Ist es so?

[Beitrag editiert von: Zaza am 17.01.2002 um 20:44]

 

Hmm, ich gebe dir Recht, dass die Geschichte (besonders mit der Gedankenaneinanderreihung) keiner mir bekannten Kurzgeschichten gleicht. Darüber hatte ich mir auch Gedanken gemacht. Aber findest du es schlecht die Gedanken, die einem in den Kopf schießen, einfach hinzuschreiben? Mir persönlich hat es Spaß gemacht, diese Gefühle niederzuschreiben.

Jedoch war dies nur ein einmaliger Ausflug zu einem anderen Schreibstil. Ich nehme an, das wirst du, wenn du andere Geschichten von mir gelesen hast, leicht erkennen.

Gin

[Beitrag editiert von: Gina am 18.01.2002 um 14:10]

 

Hi Gina,

die Geschichte steht unter der Rubrik Philosophisches, also soll sie zum Nachdenken animieren.
Irgendwie fehlt dieser Geschichte jedoch jeglicher Bezug zu "irgendetwas". Vielleicht hätte der Titel eher "Gedanken" lauten sollen, dann könnte man sie eher als "Geschichte" interpretieren.
So schließe ich mich meiner Vorgängerin an und sage: Alles aneinander gereihte Sätze, die die Wirklichkeit gut treffen.

Gruss Franco

 

Wollte nur schnell anmerken, dass der Text früher in der Rubrik Philosophisches stand, und auf Wunsch der Autorin nach Gesellschaft verschoben wurde.

 

Hi!
Also, ob nun KG laut Definition oder nicht:
Mir gefällt es, dass du deine Gedanken einfach aufgeschrieben hast, aber mal ehrlich: Es hat dir Spaß gemacht, das aufzuschreiben?
Besonders dein Ende gefällt mir. Am Anfang dachte ich, es wäre dieser platzende Amerikanismus aber dann, vielen Dank, siegte doch der Sarkasmus, das mag ich besonders an deiner... an diesem Werk. Auch deine Formuliereungen sind gut getroffen, also, nicht schlecht.
Mach weiter!

 

Von großen Philosophen/Gesellschaftskritikern/DENKERN finden wir heute auch bücherweise Sprüche, Aphorismen, Texte, da sollten wir doch hier nicht so kleinlich sein... (Jaaaa, auch wenn es kg.de heißt).

Ich jedenfalls habe erst wenige Mal einen Text gelesen, in dem so viel Wahres stand.

kc

 

Hallo!!

Von Philosophen/gesellschaftskritikern/DENKERN eben finden wir heute doch auch bücherweise Texte, Schriften, Aphorismen, warum sollten wir hier dann so kleinlich sein?? (Jaaa, ich weiß, es heißt kg.de)

Ich jedenfalls habe erst wenige Male so viel Wahres in einem so kurzen TExt gelesen...

Und mit philosophischen Wehmut in der Stimme frage ich: Ist das Leben nicht auch nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Phrasen und Geschehnissen??

kc

 

Danke für die positiven Kritiken. ich möchte hier noch etwas zu dem Text sagen:

Ich hatte nicht das konkrete Ziel, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Ich wollte viel mehr den Umstand beschreiben, in dem wir uns wohl oder übel befinden.
Nun, vielleicht nicht alle, aber jetzt mal ehrlich....wo sind die Lichterketten für die Toten in Amerika geblieben. Wer geht noch Spenden für die Hinterbliebenen der Opfer. Und weiter: Wo waren die Lichterketten für all die Toten, die in Afrika wegen Unterernährung sterben mussten und immer noch sterben?
Hier und da wird dann noch geredet über das Schlimme in der Welt, aber der Alltag verdrängt all das, weil wir zu viel Leid auf die Ohren gedröhnt kriegen. Traurig aber wahr.

Ich hoffe, dass man meinen Gedankengang beim schreiben dieses
Textes nun etwas besser nachvollziehen kann.

[Beitrag editiert von: Gina am 22.01.2002 um 17:42]

 

Gina,
stimme dir einhundertprozentig zu. Wirklich, du hast den Gedankengang, den ich schon eine Weile mit mir herumtrage in Worte gefasst, was mir bisher nicht möglich war.
lyrik
@credosupernova: Es gefällt mir, zu lesen, dass die Phlosophie ein immer vertrauteres Mittel wird, bei dir und mir.

 

nein, is wohl wirklich keine kg. aber das ist ja zur genüge ausdiskutiert worden. was mir gut an dem text ( ;) )gefällt, ist dein sarkasmus.
die gedanken sind keinesweges neu, aber du hast sie schön auf die spitze getrieben, gut formuliert und in bilder gepackt.

So, und jetzt nehm ich mir deine anderen geschichten vor... ;)

 

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