Wir
Wir essen, telefonieren, streiten gerade, wenn die Welt untergeht. Wir schalten den Fernseher an und sehen Bilder des Grauens, blutiges Leben. Wir sehen Menschen, die wahrlos, kopflos, hilflos umher laufen. Wir sehen Feuer, Feuer direkt bei uns im Wohnzimmer. Wir schreien, klagen und sind uns einig; einmal im Leben. Denn es verbindet uns, über andere herfallen, urteilen zu können, einmal mehr die Klugen und Gerechten zu sein, die Retter des Anstands.
Wir zitieren Phrasen der Gelehrten. Wir erneuern alte Glaubenssätze. Wir lauschen den Worten der Mächtigen und jubeln, wenn uns die Menge dazu auffordert. Wir lästern, verschreien diejenigen, die nicht so klug sind sich, wie wir, dem Heer der Gewinner anzuschließen. Wir hissen die Flagge zum Krieg, erlöschen Vernunft mit unserem eigenen Stolz und unser gehobenen Brust. Wir bleiben stehen und lassen andere ziehen, hinaus, in den sicheren Tod. Doch mit dem Taschentuch winken wir zum Abschied, wenn sich die Fluzeuge erheben. Winken uns selbst zu, die wir diesen tapferen Entschluss gefasst haben. Wir schauen in den Spiegel und sehen den Helden der Nation, der weiß, was gerecht und ungerecht ist. Wir kämpfen gut gegen böse, schwarz gegen weiß, der Ritter in seiner goldenen Rüstung gegen den untersten Abschaum. Wir sehen mehr Tote, unsere gestorbenen Helden. Wir trinken auf ihr Wohl und lachen, wenn wir an das Leid unserer Gegner denken. Wie lassen sterben wie es uns beliebt und warten bis unsere Feinde winselnd vor uns niederkriechen. Wir, die wir das Recht gepachtet haben.
[Beitrag editiert von: Gina am 14.01.2002 um 22:45]