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Thema des Monats Wir hätten da was in Kiefer

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11.07.2008
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Wir hätten da was in Kiefer

„Welch ein Unglück, nein, welch ein Unglück“, schluchzte das zusammengekrümmte Häufchen Elend mit tränenerstickter Stimme und roten, verquollenen Augen.
„Mein armer, armer Friedrich. Ach Gott, welch ein Unglück!“
Obermeier musste krampfhaft ein Gähnen unterdrücken, während er nur mit halbem Ohr zuhörte. Der Schweinebraten mit Klößen lag ihm noch schwer im Magen und die zwei, drei Gläschen Cognac danach trugen auch nicht gerade zu seiner Aufmerksamkeit bei.
Er kratzte sich verstohlen im Schritt und warf dann einen unauffälligen Blick auf seine goldene Armbanduhr. Seit fast zehn Minuten heulte ihm dieses Mauerblümchen jetzt schon ihr Unglück vor.
Der Anblick seiner neuen Uhr munterte Obermeier jedoch ein bisschen auf. Reines, schweres Gold. Perlmutzifferblatt. Armband aus herrlichem Leder. Handarbeit von Mandelbaum& Söhne. Wundervolles Stück. Er hatte die Uhr von einem pickelgesichtigen amerikanischen Offizier gegen die Adressen von zwei sehr jungen, sehr unglücklichen und vor allem sehr hungrigen Witwen getauscht. Der Ami seinerseits hatte die Uhr einem deutschen Offizier abgenommen und ihm dafür zwar keine Adressen gefälliger Witwen gegeben, ihn jedoch immerhin am Leben gelassen. Und der deutsche Offizier wiederum hatte die Uhr aus einem eingeschlagenen Schaufenster von Julius Mandelbaums Juwelierladen mitgenommen. So hatte jeder der Vorbesitzer am Ende was für die Uhr bekommen. Außer Mandelbaum und seine Söhne natürlich, aber die waren ohnehin nur Juden und hatten zu dem Zeitpunkt mit Sicherheit andere Sorgen gehabt. Oder schon überhaupt keine Sorgen mehr, dachte Obermeier mit dem Anflug eines zynischen Grinsens.
Sei’s drum, die Zeiten waren hart und jeder musste sehen, wo er blieb. Von nichts kam schließlich kein Schweinebraten auf den Tisch – schon gar nicht in einer Zeit, wo man ein Schwein buchstäblich mit Gold aufwiegen konnte. Oder mit einer auf einen Zettel hingekritzelten Adresse. Er hatte in seiner Kartei eigens für junge hübsche Witwen ein Fach angelegt. Für Corned Beef, Zigaretten und Seidenstrümpfe konnte man sich da schon einen ganz vergnüglichen Abend machen.
Obermeier ließ seine Gedanken in die Ferne schweifen, um sich von der weinerlichen, brüchigen Stimme der Frau vor seinem Mahagonischreibtisch abzulenken. Irgendwann kam er zu seinem Lieblingsthema. Profit. Reichtum. Geld. Sein Geschäftssinn hatte ihm nicht nur die Uhr beschert. Er hatte ihn zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Partei eintreten lassen und dafür gesorgt, dass er genug einflussreich, aber dabei nicht zu bekannt wurde. Der gleiche Riecher ließ Obermeier die richtigen Ärsche küssen, die richtigen Leuten denunzieren und bewahrte ihn vor den eisigen Steppen der Ostfront, dem brennenden Himmel über England oder einem nassen Grab im Atlantik. Und während der kollektive Größenwahn im Gebrüll der Bomben ein Ende fand und vielen seiner Gönner und Partner nur noch Selbstmord oder ein alliierter Strick blühte, gab ihm sein untrüglicher Geschäftssinn die Weitsicht, rechtzeitig mit genug Wertsachen und neuen Papieren in einer neuen Stadt ein neues Leben anzufangen, ohne sich dafür gleich bis nach Südamerika absetzen zu müssen.
Er konnte zu jeder Zeit und an jedem Ort aus buchstäblich Allem einen Gewinn schlagen – aus Allem. Es brauchte dafür nur viel Phantasie und wenig Skrupel. Und Reinhard Obermeier hatte die richtige Mischung von beidem –überreichlich und gar nichts.
„….und als mein Friedrich dann aus der Gefangenschaft kam, da glaubten wir an ein Wunder. Seine beiden Brüder waren ja schon in Russland und Afrika geblieben. Und dann….so plötzlich…..sein Herz……er war doch erst 42. Ach Gott, welch ein Unglück.“
Herrgott, war die Frau immer noch nicht fertig?! Träge musterte Obermeier sie mit abschätzendem Blick. Nein, die war nichts für seine Sonderkartei! Es wurde Zeit, das ganze Theater abzukürzen. „Time is money“ – wie seine neuen englischen und amerikanischen Geschäftsfreunde immer zu sagen pflegten.
„Frau Adelmeier, ich bedauere sehr..“
„Adelmann.“ Obermeier stutzte und sah von seinen Papieren auf.
„Häh?“
„Adelmann. Ich heiße Adelmann, nicht Adelmeier“, sagte die Frau kleinlaut und fast entschuldigend, während sie sich die laufende Nase putzte.
„Na schön, dann von mir aus Adelmann“, murmelte Obermeier verächtlich, wobei es ihm herzlich egal war, dass sie ihn hören konnte. Ob nun Adelmann oder Adelmeier- so oder so war sie zu arm, um übermäßige Höflichkeiten zu verdienen.
„Ich fürchte, ihre Ersparnisse werden für Eiche nicht ausreichen, Frau Adelmann. Eine Ausführung in Eiche wird selbst in der schlichtesten Verarbeitung rund 500 Mark kosten. Und die Garnitur, Floristik und der Grabstein sind dabei noch nicht mal mit eingerechnet.“
Obermeier kannte das Geschäft gut genug um zu wissen, dass die Hinterbliebenen bei solchen Worten in den meisten Fällen entweder in Empörung oder Tränen ausbrachen. Auf beides hatte er jetzt keine Lust.
„Wir hätten da was in Kiefer. Sehr schön verarbeitet, ausgesprochen würdevoll und bei Weitem…dem traurigen Anlass entsprechend sehr angemessen.“ Obermeier vermied bewusst Begriffe wie „Teuer“, „Günstig“ und „Preiswert“. Jeder dachte in Zahlen, nur hören wollte es keiner. Und als er sah, wie die trauernde Witwe anfing zu überlegen, zog er noch einen kleinen Trumpf aus dem Ärmel seines maßgeschneiderten schwarzen Anzugs aus reiner englischer Schurwolle.
„Und da ihr Mann tapfer für unser Vaterland gekämpft hat und schließlich ja auch bis vor Kurzem in Kriegsgefangenschaft war, ist es das Mindeste, dass mein Unternehmen die Kosten für die Gravur des Grabsteins übernimmt.“ Mehr als der Nachnamen und das Geburts- und Todesjahr wird’s allerdings auch nicht werden, dachte Obermeier zufrieden. Mit der Gravurmasche kriegte er meistens dann auch die Unentschlossenen rum. Und die ganz und gar renitenten Fälle bekamen im Höchstfall noch einen Blumenkranz mit verwelkten Lilien aus Obermeier raus, aber bei der Adelmann war das zum Glück nicht nötig. Die war emotional zu sehr am Boden um zu feilschen, wie Obermeier mit Kennerblick feststellte.
Mit einem mitfühlenden Lächeln, das jedem Außenstehenden eher wie das Grinsen eines Haifischs vorgekommen wäre, schob er ihr ein paar Papiere und einen Füllfederhalter zu.

Rademacher rauchte seine Lucky Strike so weit herunter, dass er die Glut schon auf seinen Lippen fühlen konnte. Erst, als er fast schon den Geruch von seinem verbrannten Fleisch in der Nase hatte, warf er den winzigen Stummel in die Dunkelheit. Wie ein Glühwürmchen zog die Zigarette ihre Bahn und landete auf dem erdigen Lehmboden. Normalerweise hätte er die Zigarette in der Hocke geraucht und die Glut mit der Hand abgedeckt. Er hatte zu viele Idioten gekannt, die ihre Sucht und Unvorsichtigkeit mit einem Kopfschuss bezahlt hatten. Eine brennende Kippe sah man bei Nacht hundert Meter weit. Einfach die Glut ins Visier nehmen, einen knappen Zentimeter drüberhalten und die Kugel landet genau zwischen den Augen. Ende aus. Das hatte er genauso gemacht. Einmal, in Charkow, war das eine Sauerei gewesen, da hatte er den Ivan nicht richtig erwischt, Menschenskinder hatte der geschrieen, bis dann endlich……
Gewaltsam holte Rademacher sich in die Gegenwart zurück. Es reichte, wenn ihn seine Erinnerungen nicht in Ruhe schlafen ließen. Da wollte er nicht auch noch daran denken, wenn er wach war. Er zündete sich eine neue Zigarette an und spülte den Tabakrauch mit einem kräftigen Schluck öligen Kartoffelschnapses runter.
Wann kam der Kerl denn endlich?
Inzwischen war ein bleicher, gleichgültiger Mond aufgegangen, der wie ein riesiger Totenkopf auf Rademacher heruntergrinste. Fehlten nur noch die Ratten, die sich durch die blicklosen Augen in das Innere des Schädels fraßen, um an das Gehirn zu kommen. Was für Rademacher Sauerbraten mit Stampfkartoffeln war, das war für Ratten wohl Hirn von toten Soldaten. Oder Frauen, Kindern, Greisen und Krüppeln. Ratten waren da nicht besonders wählerisch, was ihre Lieblingsspeise betraf. Es schien sie auch nicht zu stören, wenn das Hirn schon hartgefroren war im russischen Winter. Oder noch nicht ganz tot. Wenn noch ein schwach zuckender und leise stöhnender Mensch an dem Hirn hing. Diese aggressiven, bösartig zischenden Biester, die man in den schlammigen, staubigen oder eisigen Gräben überall fand. Mit ihrem schwarzbraunen Fell sahen sie aus wie Miniaturausgaben der russischen Soldaten in ihren braunen Uniformen. Russenratten. Rattenrussen.
Rademacher klemmte sich mit einer fahrigen Bewegung die Lucky zwischen die Lippen, um mit zitternden spindeldürren Fingern eine neue Zigarette aus der Schachtel zu fummeln. Als er sie an die Lippen führen wollte bemerkte er, dass er schon eine brennende Kippe im Mund hatte.
Er schloss seine Augen und zählte langsam und konzentriert von Zehn runter auf Eins. Das hatte ihm immer geholfen, sich zu beruhigen. Wenn man eine Granate heranorgeln hörte und nach einer Ewigkeit bei Eins angekommen war, so hatte man dieses Mal Glück gehabt. Dann hatten die Splitter, der Druck und die Explosionswucht einen anderen in Fetzen gerissen. Und man konnte zumindest bis zur nächsten Granate sein Gehirn behalten. Mit dem nächsten hohen, kreischenden Pffffttttt fing das Spiel allerdings von neuem an.
Aus der Dunkelheit schälten sich zwei trübe gelbe Lichter. Gleichzeitig hörte Rademacher das asthmatische Röcheln eines altersschwachen Fahrzeugs, das sich den schmalen Weg bis zu der Baumreihe quälte, wo Rademacher wartete. Mit einem letzten Seufzen erstarb der Motor und eine quietschende Tür wurde aufgestoßen.
Rademacher stieß sich von dem Baum ab, an dem er gelehnt hatte und ging auf das Fahrzeug zu. Er konnte die nur allzu vertraute Silhouette eines Opel „Blitz“ Lastwagens erkennen. Wie viele tausend Kilometer war er auf den Rücken dieser Blitze durch Europa und Asien gefahren?
„Du kommst spät, Obermeier.“
Die gedrungene Gestalt stieß ein Grunzen aus und ging zur Ladefläche des Opels.
„Hatte noch was zu erledigen. Ich konnte ein paar Fässer Benzin organisieren.“ Obermeier drehte sich in der Dunkelheit zu Rademacher um und lachte leise und spöttisch.
„Schlimm? Verpasst Du meinetwegen jetzt vielleicht ein Konzert?“
„Ich hab jedenfalls Besseres zu tun als hier rum zustehen. Außerdem hab ich keinen Passierschein vom englischen Sektorkommandeur so wie Du. Keine Lust, nach der Ausgangssperre verhaftet zu werden.“
„Ja ja, mir kommen die Tränen. Dann hast Du ja einen Grund mehr, dass wir uns beeilen. Los jetzt.“ Obermeier wollte sich umdrehen, als Rademacher ihn recht unsanft am Ärmel festhielt.
„Hast Du nicht was vergessen? Na?“
Sichtlich genervt zog Obermeier ein Bündel Geldscheine aus der Tasche und reichte sie ihm herüber.
„Du hättest es schon gekriegt, keine Sorge. Kannst von mir aus gerne nachzählen. 120 amerikanische Dollar.“
„Moment mal, Obermeier. Wieso nur 120? Wir hatten 150 vereinbart.“
„Die Unkosten sind nun mal gestiegen. Und der Sprit wird auch nicht billiger. Können wir dann jetzt endlich anfangen? Ich habe nämlich auch nicht die ganze Nacht Zeit.“
Damit machte Obermeier sich nicht weniger grob los und kletterte auf die Ladefläche. Unter einer Zeltplane holte er zwei Schaufeln hervor.

„Vorsichtig, verdammt noch mal. Du gräbst hier kein Schützenloch!“ Obermeier spuckte wütend auf den Boden.
Rademacher antwortete ihm zwar nicht, schlug aber dennoch den nächsten Spatenstich etwas sanfter in das Erdreich. Beide standen mittlerweile etwa bis zu den Schultern in einer Grube. Links und rechts von ihnen türmte sich der dunkle Erdauswurf wie eine Mauer hoch. Es roch nach sattem, frischem Torf und Mutterboden. Die Erde auf ihren Schaufeln war im Mondlicht schwarz und amorph wie ein fest gewordenes Stück Schatten. Lediglich eine kleine Öllampe spendete etwas flackernde, irrlichternde Helligkeit. Gerade genug, um schwache Umrisse in unmittelbarer Nähe erkennen zu können.
Obermeier hatte trotz der klammen Kälte der Nacht seine grobe Kordjacke ausgezogen und die Ärmel seines Arbeitshemds hochgekrempelt. Sein Gesicht glänzte im schwachen Licht der Ölfunzel unter dem Dreck- und Schweißfilm und sein Atem ging ebenso röchelnd und stockend wie der alterschwache Motor seines Opels.
Rademacher hatte eine Lucky im Mundwinkel und buddelte mechanisch weiter. Er unterbrach seine Schippbewegungen nur, um sich an den Resten seiner alten Zigarette eine neue anzuzünden.
„Lass mich raten. Du wirst Dein ganzes Geld für Glimmstengel ausgeben, richtig?“ Obermeier rauchte gerne ab und an Zigarren, besonders in Gesellschaft eines guten Weinbrands oder Cognacs. Aus Zigaretten hatte er sich nie viel gemacht. Wenn man natürlich davon absah, dass er sie abgöttisch wegen des Geldes liebte, das er mit ihnen verdiente.
„Meine Sache, was ich mit meinem Zaster mache“, brummte Rademacher grimmig. Für ihn bedeutete das Geld endlich mal wieder ein bisschen Fleisch auf dem Teller und nicht nur Steckrüben. Und guten Schnaps, der ihm beim Einschlafen half. Und nach dem Aufwachen die Träume vertreiben konnte. Aber das alles brauchte das feiste geldgierige Schwein nicht zu kümmern.
Obermeier seinerseits war es ohnehin mehr als egal, was dieser komische Kauz mit den paar Kröten anstellte. Es war bedauerlich genug, dass er sich für diese Arbeit einen Helfer hatte suchen müssen. Aber die Möglichkeit hatte sich einfach als viel zu profitabel erwiesen, um sie nicht zu nutzen. Und alleine konnte er sie beim besten Willen nicht bewältigen. Und so hatte Obermeier sich schweren Herzens zur Investition in einen Mitarbeiter entschließen müssen. Es hatte ein bisschen Zeit und etliche wässerige Biere in zwielichtigen Spelunken und Kaschemmen gedauert, aber schließlich hatte er in Rademacher den perfekten Kandidaten gefunden. Er hatte zwei große Charaktervorzüge, die Obermeier interessierten. Rademacher war verschwiegen und ihm war es egal, was sie da taten, denn er hatte nicht gefragt. So, wie ihm ohnehin scheinbar alles egal war. Einmal hatte er Andeutungen gemacht, über den Krieg. Natürlich über den Krieg, worüber denn sonst? Wieder so ein verweichlichter Waschlappen, der beim kleinsten bisschen Remmidemmi den Schwanz einzog. Obermeier schniefte verächtlich. Er hatte bei den Kameradschaftsabenden und Gauleitertreffen damals in München nie verstanden, worüber sich die Jungens an der Front eigentlich immer so beklagt hatten. Natürlich waren da die Kämpfe, über die alle immer so rumjammerten. Aber so schlimm konnte es ja auch wieder nicht sein. Und die ganzen Geschichten über Hunger, Kälte, Winter, Krankheit und Tod waren ohnedies alle maßlos übertrieben. Mussten sie sein. Kein Mensch hatte den ganzen Miesmachern ihre Gruselmärchen von Stalingrad geglaubt. Das waren alles bloß Gerüchte, ersonnen von Feiglingen, die ihre eigene Angst kaschieren wollten. Genauso wie dieser Depp Rademacher. Wahrscheinlich hatte er den ganzen Krieg in einem Depot für Wollsocken in Oberammergau verbracht.
„Ich hab da was. Ich glaube, wir haben’s“, Rademachers Stimme schreckte Obermeier aus seinen Gedanken.
„Bist Du sicher? Könnte auch bloß ein Stein sein.“
„Nein, ich bin sicher!“
„Gut, dann sei aber vorsichtig. Verkratz mir gefälligst nichts. Ich müsste Dir Schäden ja eigentlich von Deinem Lohn abziehen.“, nörgelte Obermeier.
„Kannst Dir ja einen anderen Spießgesellen für Deinen kleinen Nachtausflug suchen, Du Hanswurst.“
Obermeier wollte schon zu einer heftigen Antwort ansetzen, verbiss sie sich dann aber wieder. Er brauchte Rademacher zumindest in diesem Moment. Der Idiot wäre glatt in der Lage gewesen, ihn hier mitten in der Nacht stehen zu lassen. Sein Geld hatte er ja leider schon bekommen. Über kurz oder lang konnte es aber nicht schaden, sich ruhig nach einem Ersatz umzutun. Für 120 Dollar würde er schon einen anderen verschwiegenen Helfer anheuern können. Und wer weiß, vielleicht sollte er den Lohn direkt auf 100 Dollar reduzieren. Oder besser 80 Dollar plus eine Stange Zigaretten. Verdammt, wenn er doch bloß eher bemerkt hätte, wie viel Rademacher verqualmt. Dann hätte er andere Preise ausgehandelt.
Obermeier leckte sich gierig die Lippen, während er Rademacher zusah, wie dieser vorsichtig die frische Erde wegschaufelte und dann mit den Händen über den Boden wühlte. Schließlich kam ein heller Holzdeckel zum Vorschein.
„Da hast Du’s. Hab ich doch gesagt.“, brummte Rademacher.
„Sehr schön, sehr schön“, murmelte Obermeier abwesend, während er die Öllampe langsam über dem Deckel hin- und herschwenkte und das Holz mit seiner anderen Hand abtastete. Schließlich richtete er sich grinsend auf.
„Gut. Sehr gut. Das ist gute Qualität. Manchmal bricht der Deckel unter dem Gewicht der Erde ein oder kriegt Risse, aber der hier ist immer noch tiptop in Schuss, wie’s scheint.“
„Wie es aussieht ist das Ding ja auch erst vor ein paar Stunden unter die Erde gekommen.“
„Der Boden ist zum Glück noch nicht zu feucht um diese Jahreszeit. Los, weiter“
Gemeinsam legten sie die Kiste frei. An den Rändern erschienen erdverkrustete Handgriffe, als sie die Seiten freischaufelten. Nach wenigen Minuten waren sie fertig.
Rademacher lehnte sich mit einem Schnauben an die Grubenwand, stellte lässig einen Fuß auf die Kiste und sah Obermeier ausdruckslos an, während er rauchte.
„Was ist das eigentlich hier für ne Sache? Schmuggelst Du?“
Obermeier sah ihn überrascht an. Rademacher schien an Plaudereien eigentlich nicht besonders interessiert gewesen zu sein.
„Wieso interessiert Dich das denn auf einmal?“, fragte er lauernd.
„Bin bloß neugierig.“
„Sei besser nicht zu neugierig. Aber um Deine Frage ausnahmsweise Mal zu beantworten: es liegt doch auf der Hand, nicht wahr?“ Obermeier deutete auf die Kiste.
„Weißt Du, wie viel so ein normaler Sarg wert ist? Das Holz, die Verarbeitung, die Lackierung. Man muss ihn dicht verfugen, das Innere mit Füllmaterial auskleiden. Die Garnitur ist maßgeschneidert, alle Seiten, der Deckel, die Kopf und Fußteile. Dann noch je nach Wunsch des Kunden Einlegearbeiten, Gravuren, gedrechselte Verzierungen, Metallgriffe aus Messing. Alles vom Feinsten.“ Obermeier pfiff leise durch die Zähne. Vor seinem inneren Auge sah er Kassenbücher, Einkaufslisten, Rechnungen, Quittungen.
„Und jeder einzelne ist ein kleines Kunstwerk. Selbst die ganz einfach gezimmerten Modelle – Du kannst die Leichen ja schließlich nicht in einer Bananenkiste beerdigen. Selbst wenn’s denen scheißegal ist.“ Obermeier würde keine Sekunde zögern, eine Leiche in einer Bananenkiste zu beerdigen, wenn es profitabel genug wäre. Er wusste das, und Rademacher konnte es sich denken.
„Da ist es doch eine wirklich furchtbare Verschwendung, so ein schönes Stück nur ein einziges Mal zu benutzen und dann anschließend in der Erde einfach verrotten zu lassen. Findest Du nicht? Deshalb halt ich auch nichts von Heirat. Geldverschwendung, einen Haufen Geld für ein sündhaft teures Brautkleid auszugeben, was die Frau dann nur ein Mal trägt, oder?“ Obermeier musste über den Vergleich grinsen. Ein Teil seines Gehirns speicherte gleichzeitig die Idee für einen Brautkleidverleih. Oder vielleicht könnte er gebrauchte Brautkleider aufkaufen und umnähen lassen. Witwen gab es im Land ja jetzt genug, also auch eine Menge potentieller Neukunden für Brautkleider. Man musste halt in allem seinen Vorteil sehen, auch in einem Krieg. Egal ob gewonnen oder verloren. Eigentlich war ein verlorener Krieg sogar noch besser – je größer die Not, desto mehr Geld war zu machen. Obermeiers Verstand lief zu Höchstformen auf.
„Weißt Du was, Rademacher, dass ist überhaupt die Idee!“ Das breite Grinsen wurde fast vom geldgierigen Glitzern in seinen Augen überstrahlt. Sogar im trüben Schein der Öllaterne konnte man seinen verschlagenen Gesichtsausdruck im Halbdunkel so gut sehen, als würde er von einem Suchscheinwerfer angestrahlt werden.
„Die Klamotten. Mensch, dass ich da nicht von Anfang an drauf gekommen bin. Zuerst wollte ich die Scheißleichen einfach nur aus den Särgen werfen. Aber manche haben von ihren Angehörigen richtig schöne Sachen angezogen gekriegt. Die werden in ihrem piekfeinsten Sonntagsstaat verbuddelt. Die kann man doch noch verhökern. Oder ich biete sie meinen Kunden als Paketangebot an. Sarg und feine Beerdigungskleidung inklusive zum Sonderpreis.“ Obermeier kicherte albern. Speicheltropfen spritzen aus seinem Mund und hinterließen kleine helle Punkte auf dem staubigen Sargdeckel. Er war jetzt so in Fahrt, dass er weder den angewiderten Zug um Rademachers Mund bemerkte noch den starren, kalten Blick, mit dem Rademacher ihn musterte.
„Bei dem hier lohnt das nicht. Das ist nur so ‘n armes Würstchen. Hatte nicht mal genug Geld für anständige Zivilklamotten. Seine Frau hat ihm aus seiner Uniform ne Art Anzug genäht. Total löchrig und abgerissen, das kann ich dir flüstern. Die kann ich natürlich nicht nehmen. Aber vielleicht hat er ja wenigstens seinen Ehering noch. Ich kenn da einen Goldschmied, der kauft jed……“
Das flache Blatt der Schaufel, die in Obermeiers Gesicht krachte, ihm das Nasen- und Jochbein brach und sämtlichen Vorderzähne zertrümmerte, beendete seinen Redefluss.

Eine warme, plätschernde Flüssigkeit tropfte auf Obermeiers angeschwollenes und blutverschmiertes Gesicht und weckte ihn auf. Es kostete ihn seine gesamte Willenskraft, die bleischweren Augenlider zu heben. Er lag mit dem Gesicht nach oben neben dem hellen Kiefernsarg. Es erschien ihm, als würde er aus der Tiefe eines unendlich langen Kohlenschachts in den Himmel hinaufsehen. Am Rande dieses Schachts konnte er eine undeutliche Gestalt schemenhaft erkennen.
Obermeier wollte etwas sagen, fragen, was passiert sei. Doch dann spürte er, dass etwas seinen Mund blockierte. Er konnte neben Blut und Speichel auch das muffige Aroma von Papier schmecken.
Das Plätschern hörte auf und Obermeier konnte einen Reißverschluss hören, der zugezogen wurde. Tropfen der warmen Flüssigkeit liefen ihm in die Augen, die Überreste seiner zerquetschten Nase und in seine Mundwinkel.
„Bist Du endlich wach, Du dreckiges Schwein? Ich warte schon fast eine viertel Stunde.“ Die Stimme kam Obermeier bekannt vor. Er brauchte ein paar Augenblicke, bis er sie zuordnen konnte. Sie gehörte einem gewissen Rademacher, erinnerte er sich benommen.
„Ich hab für Deine schmierigen 120 Dollar übrigens die passende Verwendung gefunden, Du Drecksau. Ich hab Dein widerliches Maul damit gestopft.“
Rademacher ging in die Hocke und sah zu Obermeier herunter. Dieser versuchte schwach, sich aufzurichten. Nach wenigen Zentimetern sackte er wieder zurück. Rademacher hatte ihm mit dessen Gürtel die Hände auf dem Rücken zusammengeknotet und mit seiner Jacke die Beine gefesselt.
„Weißt Du, ich hätte Dich eigentlich gleich erledigen können. Aber ich will Dir lieber zuerst noch was erzählen. Eigentlich will ich mir selbst etwas sagen. Von der Seele reden.“ Rademacher spuckte Obermeier ins Gesicht.
„Ich weiß, wie das ist, wenn man einen Toten aus seiner Kleidung schält. Ich kenne auch das Gefühl, noch warme Socken und Stiefel von jemandem anzuziehen, der keinen Kopf mehr hat. Und wenn wir die Möglichkeit hatte, unsere Toten einfach so in eine Grube zu werfen, ohne Sarg, ohne Schuhe und ohne Kleidung, dann war das sogar ein richtig großer Luxus. Denn meistens hatten wir keine Zeit, unsere Toten zu beerdigen. Aber wir haben das nie getan, weil wir damit….“, Rademacher zögerte einen Moment und verzog angeekelt das Gesicht, „…Geld machen wollten.“ Er spuckte das Wort „Geld“ regelrecht aus.
„Und ich kenne auch die Ratten. Die Viecher, die sich an den ganzen Leichen fett und rund gefressen haben. Du, Obermeier, Du bist viel schlimmer als jede Ratte, die ich jemals gesehen habe. Denn Du frisst Dich nicht nur an den Leichen fett und rund, sondern auch an ihren Familien. Ihren Frauen und Kindern. Ich habe vor jeder räudigen, dreckigen, verflohten und verlausten Ratte mehr Respekt und Achtung als vor Dir.“
Rademacher richtete sich auf und packte die Schaufel.
„Ich hab auf den Grabstein gesehen. Leider steht da nicht sein Vorname drauf. Es tut mit daher um den werten Herrn Adelmann aufrichtig leid, dass er sein Grab mit Dir teilen muss, aber er hat wenigstens einen Sarg. Und den wird er auch behalten. Dich werden die Maden zuerst fressen, Obermeier. Ich hoffe, sie verderben sich an Dir nicht den Magen!“
Die erste Schaufel Erde traf Obermeier direkt ins Gesicht.

 
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Moikka Eisenmann,

nur, weil ich grad hier bin:
Vor und nach den drei ... ein Leerzeichen. Falls sie einen Satz beenden, bekommt dieser keinen zusätzlichen Punkt mehr, denn sie äh ja, sollen den Satz ja nicht schliessen. ;)

Nettes Intro, wo ist die Geschichte?

Dass hatte ihm immer geholfen, sich zu beruhigen.
Hat da Deine Rechtschreibpruefung nicht gefiept?
„Welch ein Unglück, nein, welche ein Unglück“, schluchzte das fadenscheinige,
Wenn Dialekt, durchhalten: oh, welche eine Unglueck!
fadenscheinig geht nicht bei einer Person, auch nicht im uebertragenen Sinne. Es bezeichnet Gewebe, das auf den Schussfaden durchgescheuert ist. Oder: eine fadenscheinige Ausrede.
halbem –eigentlich mehr viertel- Ohr zuhörte.
Da ist was mit Deinen Spiegelstrichen passiert. Später nochmal. Da das halbe Ohr bereits - siehe oben - im uebertragenen Sinne gemeint ist, wird das viertel hier sinnlos, auch wenn es witzig gemeint war. Sowas hält ganz schrecklich auf, wir sind ja in Horror, und auch wenn der schleicht, sollte er dabei zumindest stalken, und nicht sich muehsam dahinschleppen.
Für Corned beef
Beides klein oder beides gross. Ich bin fuer gross, denn es ist ein eingedeutschter, feststehender Begriff.

Ratten waren da nicht besonders wählerisch, was ihre Lieblingsspeise betraf.
Nöö, das ist nonsense: Entweder haben die Ratten etwas gewählt, nämlich sich fuer eine Lieblingsspeise entschieden, oder sie sind nicht wählerisch und fressen alles.
Realistisch: sie fressen als erstes bei angekleideten Leichen das Gesicht. Wenn der Kopf intakt ist, versucht keine, den Schädel aufzubekommen, weil das zu viel Energie verbraucht und Hirn nix bringt. Am meisten Energie gibt fetthaltiges Muskelfleisch aus Armen, Beinen und Gesäss, da muss kein Knochen fuer durchnagt werden.
(Vgl. u.a.: The 900 Days - The Siege of Leningrad) Eigentlich hat man den Vergleich schon ueber Tierdokus: ich kann mich an keinen Kadaver erinnern, der den Schädel aufgebrochen hatte, selbst nicht, wenn Hyänen fressen. Mich wuerde ehrlich interessieren, ob es fuer die Szene eine Quelle gab.

wenn das Hirn schon hartgefroren war im russischen Winter. Oder noch nicht ganz tot. Wenn noch ein schwach zuckender und leise stöhnender Mensch an dem Hirn hing.
Also, Winter bei minus 25 bis minus 40 (auch in Wohnungen), ein Mensch lebt seit Monaten oder Wochen von einer lächerlichen Brotration, die kein oder kaum Korn enthält, und hat eine so schwere Kopfverletzung, dass er mit offener Schädeldecke ueberlebt? Öhm. Wo tausende schon alleine vom Hunger tot umfallen und sterben, ohne jegliche weitere Verletzung oder Krankheit? Fällt Dir hier vllt insgesamt etwas Realistischeres ein, denn Dein Text vermittelt den Eindruck, es sollte um Historie gehen. Hast Du das irgendwo so gelesen?

Lustig, aber ich finde die Realität so viel gruseliger. Zumindest in Leningrad gab es sehr schnell in der Stadt keine Ratten mehr (in den Häusern oder auf den Strassen wirklich nur ganz vereinzelt, vier, fuenf, keine 'Rudel'), weil es schlichtweg nix mehr fuer sie zu fressen gab. Selbst die Leichen, die unbegraben blieben und in den Wohnungen gelagert wurden, hatten nur ganz wenige Fress-Spuren. Die Ratten haben die Stadt verlassen und sind in die Schuetzengräben abgewandert, weil die Ration der Soldaten ein paar Gramm uber der fuer die Zivilen lag. Und dann auch mal Kruemel abfielen und liegenblieben. DAS ist Horror. Zumindest weiss ich, dass es in Stalingrad - wie eben im Leningrader Kessel - keine Vögel mehr gab. Weil die gefangen & aufgegessen waren.

Die Uniformen der Roten Armee waren ein Beige-Oliv bzw. Schlammgruen - wo kommt der Rattenfellvergleich her?

Die Vorgeschichte zwar wichtig (inhaltlich), aber viel zu lang ausgewalzt. Es gibt viele Redundanzen, Wiederholungen, verlangsamenden Adjektivoverkill. Entwicklungen, die man lange absehen kann, und eine Wendung, die bei dieser dick aufgetragenen Figurenbeschreibung (eher Klischees als Charaktere) meilenweit kommen sieht. Egal, wie aufgelöst und durch wen - dass der dickensche Scourge hier sein eigenes Begräbnis bekommt, ist sonnenklar von Zeile 10 an. Ein Vorschlag: mache ihn doch etwas ambivalenter, dann kann man ihn schlecht einschätzen, diesen Teil der Handlung nicht so schnell durchschauen. Dann gäbe es verschiedene Möglichkeiten fuer das Ende.

Mal ehrlich, es soll doch um - wie auch immer - das verfruehte Begräbnis gehen. Du erzählst aber alles, nur nicht das. Er lebt noch, er ist noch nichtmal ganz zugeschuettet, da stoppst Du den Text - das ist ja fast wie ein Intro ohne Hauptteil. (Zumindest, was diese Themensetzung angeht). Fuer mich hat es damit nur ganz am Rande zu tun. Horror kommt bei mir nicht auf, weil Du dem Leser jede Wertung vorgibst - der Mann ist geizig, gierig ... alles kaust Du uns vor. Als Wertung, nicht ueber eine Szene, ein Bild, ueber das wir das selbst erkennen können. Die Szene mit der Frau am Anfang, seine Schroffheit, das ist so derart ueberzogen, dass es wie eine Karikatur wirkt. Weniger wäre mehr, das kickt einem aus dem Text.

Ansonsten bin ich ganz dezent und rein persönlich der Meinung, dass Stalingrad/Leningrad eine wirklich gut gemachte, saubere, inhaltsschwere und philosophische Bearbeitung benötigt, und keinesfalls so als farbig-froher Horrorhintergrund herhalten kann. Nicht, weil ich es (nur) fuer unmoralisch halte, wahren Schrecken als skizziertes setting nur fuer Effekt zu nehmen, sondern weil es ein enormes Können verlangt, das reale Grauen ueberhaupt ansatzweise zu erfassen. Bevor man einen einzigen Satz der Beschreibung gefunden hat. Das geht nicht ueber eine kurze Ekelszene mit Ratten, Hirn, knabber knabber - wie man das in einem kleinen Gruseltext in einem Keller machen kann. Ob ein Hobbyautor dieses Können hat, kann ich schlecht sagen - aber in diesem Text wird es jedenfalls nicht versucht. Das wuerde ich raten, zu lassen, das setting besser zu ändern.

Hoffe, Du kannst damit was anfangen,
Herzlichst,
Katla

 

Moin Katla!

Erst mal vielen Dank für die Kritik und das Feedback.

Schade, dass ich mit meiner Geschichte wohl nicht überzeugen konnte.

Nöö, das ist nonsense: Entweder haben die Ratten etwas gewählt, nämlich sich fuer eine Lieblingsspeise entschieden, oder sie sind nicht wählerisch und fressen alles.
Das wählerische bezieht sich da nicht auf die Speise, sondern auf die Personen - ich wollte damit schreiben, dass es Ratten egal ist, woher sie ihr Gehirn beziehen - Mann, klingt das Splatter-ig;)

Realistisch: sie fressen als erstes bei angekleideten Leichen das Gesicht. Wenn der Kopf intakt ist, versucht keine, den Schädel aufzubekommen, weil das zu viel Energie verbraucht und Hirn nix bringt.
Tatsächlich geht eine Ratte weniger nach dem tatsächlichen Nährwert des Fleisches, sondern danach, was relativ einfach zu erreichen ist, da hast du schon recht. Jedoch ist -ebenfalls realistisch- der Knochenaufbau hinter dem Auge und die Orbita äußerst dünn. Es macht wesentlich mehr "Arbeit", sich durch eine Jacke durchzunagen als durch diese dünne Knochenplatte. Aber das nur am Rande und nicht zur Story.

hat eine so schwere Kopfverletzung, dass er mit offener Schädeldecke ueberlebt? Öhm. Wo tausende schon alleine vom Hunger tot umfallen und sterben, ohne jegliche weitere Verletzung oder Krankheit? Fällt Dir hier vllt insgesamt etwas Realistischeres ein, denn Dein Text vermittelt den Eindruck, es sollte um Historie gehen. Hast Du das irgendwo so gelesen?
Das war dann wohl sehr missverständlich von mir geschrieben. Ich wollte eigentlich nur schreiben, dass Ratten durchaus auch schon lebende Personen angefallen haben.

Lustig, aber ich finde die Realität so viel gruseliger. Zumindest in Leningrad gab es sehr schnell in der Stadt keine Ratten mehr (in den Häusern oder auf den Strassen wirklich nur ganz vereinzelt, vier, fuenf, keine 'Rudel'), weil es schlichtweg nix mehr fuer sie zu fressen gab. Selbst die Leichen, die unbegraben blieben und in den Wohnungen gelagert wurden, hatten nur ganz wenige Fress-Spuren. Die Ratten haben die Stadt verlassen und sind in die Schuetzengräben abgewandert, weil die Ration der Soldaten ein paar Gramm uber der fuer die Zivilen lag. DAS ist Horror. Zumindest weiss ich, dass es in Stalingrad - wie eben im Leningrader Kessel - keine Vögel mehr gab. Weil die gefangen & aufgegessen waren.
Ich bezog mich da auf ein Parallel-Beispiel. Ich glaube, ich habe das aus dem Buch "die unsichtbare Flagge" von Peter Bamm, bin mir aber nicht sicher. In diesem Fall ging es um Mäuse, die sich explosionsartig vermehrt hatten. Die Mäuseplage ging so weit, dass die Mäuse sogar während laufender Operationen im Feldlazarett auf die OP-Tische gesprungen sind. Peter Bamm war Feldchirurg in Russland.

Es gibt viele Redundanzen, Wiederholungen, verlangsamenden Adjektivoverkill. Entwicklungen, die man lange absehen kann, und eine Wendung, die bei dieser dick aufgetragenen Figurenbeschreibung (eher Klischees als Charaktere) meilenweit kommen sieht. Egal, wie aufgelöst und durch wen - dass der dickensche Scourge hier sein eigenes Begräbnis bekommt, ist sonnenklar von Zeile 10 an.
Hm, also mir war das eigentlich bis zum Ende der Geschichte selbst noch nicht ganz klar, in welche Richtung sie gehen sollte.;) Ich hatte mir eigentlich eher einen Zombie-Ausgang der Geschichte überlegt, wo der Adelmann plötzlich aus dem Sarg springt oder so was in der Art!:D

Die Szene mit der Frau am Anfang, seine Schroffheit, das ist so derart ueberzogen, dass es wie eine Karikatur wirkt. Weniger wäre mehr, das kickt einem aus dem Text.
Ich fürchte, da hab ich mich dann wohl zu sehr von der comichaften Skizzierung des Fieslings hinreißen lassen.

Nicht, weil ich es (nur) fuer unmoralisch halte, wahren Schrecken als skizziertes setting nur fuer Effekt zu nehmen, sondern weil es ein enormes Können verlangt, das reale Grauen ueberhaupt ansatzweise zu erfassen. Bevor man einen einzigen Satz der Beschreibung gefunden hat. Das geht nicht ueber eine kurze Ekelszene mit Ratten, Hirn, knabber knabber - wie man das in einem kleinen Gruseltext in einem Keller machen kann. Ob ein Hobbyautor dieses Können hat, kann ich schlecht sagen - aber in diesem Text wird es jedenfalls nicht versucht. Das wuerde ich raten, zu lassen, das setting besser zu ändern.
Hierbei sollte es eigentlich auch "nur" um den Aufhänger dafür gehen, Rademacher eine nachvollziehbare Motivation für seinen Mord an Obermeier zu geben. Es ging mir tatsächlich eigentlich überhaupt nicht darum, die Schrecken des Russlandfeldzuges quasi voyeuristisch darzustellen. Ich wollte vielmehr in Obermeier einen rücksichtslosen Kriegsgewinnler und Opportunisten darstellen, der ein verdientes Ende findet. Die Hirn-Knabberei sollte zu diesem Zweck eine Episode darstellen, die zu diesen PTBS-artigen Handlungen von Rademacher geführt hat.

Ganz im Allgemeinen finde ich es schade, dass das Hauptgewicht der Geschichte sich dann wohl scheinbar viel zu sehr in die Kriegsbeschreibung verlagert und nicht in die Nachkriegslage. Auch das war so nicht geplant.

In diesem Zusammenhang kann ich viel mit deinem Feedback anfangen!:)
Grüße zurück vom EISENMANN

 
Zuletzt bearbeitet:

Nur kurz: ich hab einen kleinen Tick mit diesem Krieg und der Belagerung, es mag sein, dass andere Leser Deinen Text anders gewichtet lesen.

Hierbei sollte es eigentlich auch "nur" um den Aufhänger dafür gehen,
Ja, eben, das meine ich ja.

Was ist aber nun mit dem Thema des TdS? Hast Du den Text dafuer geschrieben, oder gab es den schon? Inwieweit hast Du ans Thema beim Schreiben gedacht, oder ... hm. Magst Du noch was verlagern?

Ist ja nicht, dass gar kein Begräbnis vorkommt, aber das ist so wie ein Text der heisst: "Aliens erobern die Welt!" und dann kommen ca. 8 Seiten Menschenalltag und in einem winzigen Abschnitt am Ende ... dann sahen wir Raumschiffe, die Aliens stiegen aus und machten alles dem Erdboden gleich. Das Verhältnis Intro zu Hauptteil ist verdreht. Camerons Titanic heisst auch nicht Untergang der Titanic - aus gutem Grund meine ich - ca. zwei Stunden kommt alles, aber kein Schiffsunglueck.

Mir ist noch was eingefallen, warum das auf mich gar nicht wie Horror wirkt: es gibt sehr viele Genredefinitionen, aber den kleinesten gemeinsamen Nenner hat wohl die Horror Writers' Association gefunden: "Ein fiktionaler Text, der beim Leser Grusel und Schrecken (Horror) auslöst."
Und Dein Text löst das nicht ein, weil er eine Märchenstruktur hat, bzw. die einer moralischen oder christlichen Parabel. Kaum jemand wird in Rotkäppchen schockiert sein, wenn der Wolf im Brunnen ertränkt wird, zumindest nicht, wenn man die Grimm-Version analog zur Intention liest, klassisch. Weil am Wolf einfach nix Positives ist. Er frisst die arme Oma, treibt mit dem Mädel fiese Psychospiele und ueberhaupt. Genauso wie die Moralgeschichten von Dickens. Rotkäppchen funktioniert - anders als Dein Text - dadurch, dass sie sympatisch ist, und wir mit ihr fiebern sollen, Angst um sie haben, fuerchten, was sie fuerchtet. Das geht nciht bei einem Prot, der keinerlei positive Ansätze hat. Er wird beschrieben, wir finden ihn fies und freuen uns, dass er bestraft wird - das ist aber so kein Horrorplot. Das ist Pearl S. Buck.

Es gibt unzählige Varianten, dem Leser ein Gefuehl des Schreckens zu vermitteln, ich sag nur mal in Hinblick auf Deinen Text:
- ein Unschuldiger wird verhaftet/gefoltert/hingerichtet
- ein Prot, der uns schuldig erschien, bei dem wir uns ueber die Strafe freuen, stellt sich als unschuldig raus, im Moment seines unabwendbaren Todes
- ein grausamer, rein negativer Prot tut plötzlich - vllt sogar zufällig - etwas Gutes. Er wird dennoch sterben. Dann weiss der Leser nicht, wohin mit seinen pro/contra-Gefuehlen, wenn er aus dem Text entlassen wird
- ein Schuldiger wird gerade seiner Strafe 'zugefuehrt', als er durch eine gemeine Tat / einen miesen Zufall im letzten Moment entkommen kann oder er kann erreichen, dass ein Unschuldiger an seiner Stelle stirbt
etc.

Oder nimm einen Text, der gar nicht als Horror geschrieben wurde, dennoch aber als solcher funktionieren kann: Camus "Die Mauer". Ein Mann wird von Faschisten (meine ich, das ist ne Weile her) verfolgt, befragt, wo sein mitfluechtiger Freund ist, gefoltert. Der Prot schafft es nicht, dem standzuhalten, nimmt aber einen Ausweg, der ihm sicher erscheint - er gibt ein Versteck an, von dem er meint zu wissen, dass der Freund dort nicht sein kann. Dort wird gesucht - und durch einen abstrusen Zufall befindet sich der Freund tatsächlich dort und wird ebenfalls verhaftet (oder sofort erschossen). Die Aussage ist klar, und der Text bekommt durch diese Wendung eine starke Wirkung. Auch hier gibt es eine extreme, sogar letztlich christliche, Moral, aber sie ist etwas eleganter verpackt.


Lieben Dank fuer eine Rueckmeldung zum TdS. :)
edit: Ja, ist fein, kann ich nachvollziehen, bleibt im Challenge. :-) Bearbeitung wäre dennoch gut.

 

Moin Katla!

Das Verhältnis Intro zu Hauptteil ist verdreht.

Oh F****K, dann hab ich unfreiwillig genau das geschafft, was mich z.B. bei Filmen wie "Cloverfield" so tierisch genervt hat (abgesehen von der grauenhaften psydo"realistischen" Handy-Cam-Kameraführung!!) - nämlich eine Menge Zeug abzusondern, dass überhaupt keinen Nährwert für die Handlung hat und schlicht und ergreifend ÜBERFLÜSSIG ist!!:D

Dafür muss ich mir dann erstmal selbst auf die Schulter klopfen!!:lol:

Hier mal der Beipackzettel zu meiner Geschichte:
Ich wollte unter dem TdM "Lebendig begraben" etwas schreiben, was das Thema eigentlich nicht direkt bzw. ausschließlich mit dem Begrabensein ausfüllt, sondern nur die Pointe bzw. den Schlusspunkt bildet. Das hab ich deshalb so gewählt, weil ich gehofft habe, einen anderen Ansatz damit zu erreichen, sprich: nicht die klassische Umsetzung des Themas zu machen. Wenn das Thema "Lebendig begraben" heisst, wird halt jemand lebendig begraben - genau das sollte es bei meiner Geschichte eben nicht werden!
Die Folgen bzw. den Horror, die Enge, Klaustrophobie, Dunkelheit, Sauerstoffmangel, Hitze oder Kälte, den Druck der schweren Erde weinige Zentimeter über einem - das habe ich fast automatisch mit dem Thema assoziiert. Und ich dachte mir, das tut wahrscheinlich (fast) jeder so.
Deshalb wollte ich da mal was "Anderes" draus machen.

Er wird beschrieben, wir finden ihn fies und freuen uns, dass er bestraft wird - das ist aber so kein Horrorplot. Das ist Pearl S. Buck.
Es würde mich ehrlich gesagt ehren, an das Niveau von Buck heranzukommen!:)
Aber unabhängig davon muss ich dir in diesem Punkt widersprechen: der Fiesling, der am Ende so richtig schön fertig gemacht wird, ist die Vorlage für unzählige Horrorplots! Oder willst du Dracula mit der "guten Erde" auf eine Stufe stellen?;)
Das meine Story jetzt keinen Horror auslöst steht auf einem anderen Blatt!

Dies war jedenfalls das, was meine Geschichte hätte werden sollen - die Ambition war da wohl höher als das Resultat!

Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Eisenmann

Vom Stil her gibt es an der Geschichte von meiner Seite nichts zu bemängeln, sie wirkt sauber überarbeitet und liest sich angenehm - nicht zu anspruchsvoll, aber auch nicht trivial.

Ähnlich wie Katla ist mir aufgefallen, dass der Horror sehr kurz kommt, was sich bei dieser Geschichte nachteilig auswirkt. Dies nicht allein aus dem Grund, dass er praktisch erst im letzten Abschnitt (mit dem Ende der Geschichte) beginnt. So etwas kann man schon machen und trotzdem eine gute Horrorgeschichte schreiben. Ich erinnere mich an so manche Folge aus Tales from the Crypt, wo das ähnlich gehandhabt wurde. Erst kam ein etwa 22 minütiges Intro, dann drei Minuten Horror (zugegebenermassen, das hat auch nicht immer funktioniert). Deine Geschichte hat einen ähnlichen Aufbau, im Gegensatz zu den Geschichten des Cryptkeeper aber einen entscheidenden Nachteil: Bei dir gewinnt das Gute, und das ist aus meiner Sicht der größere Nachteil als der, den Horror erst am Ende beginnen zu lassen. Ich finde, wenn man schon einen solchen Aufbau wählt, dann sollte man auch das Böse gewinnen oder das Gute scheitern lassen (je nachdem). Deshalb haben auch auch die Geschichten aus der Gruft funktioniert.

Das Zweite ist: Wenn du schon so lange zögerst, dann muss das Ende ein Paukenschlag sein, mit dem im Verlauf der Geschichte nicht zu rechnen war. Hier kann man sich allein schon aus dem Zusatz TdS ausdenken, auf was es hinausläuft. Gut, da kannst du jetzt nichts dafür, aber überlege doch mal, ob es nicht auch Rademacher sein kann, der begraben wird (da brauchst du dann eben einen guten Grund dafür).

Generell kann ich mit der Rademacher-Figur sehr wenig anfangen. Vor allem seine Absichten am Ende erschliessen sich mir nicht. Warum hat er einen solchen Hass auf Obermeier, dass er ihn lebendig begräbt? Er selbst wird ja nicht betrogen, und mal im Ernst, es gibt jetzt wirklich schlimmere Verbrechen (gerade zu dieser Zeit) als einem Toten den Sarg zu stehlen und weiterzuverkaufen. Ist nicht nett, nein, aber gleich ein Grund, um denjenigen zu ermorden? Vor allem, wenn man nicht einmal selbst betroffen ist? Und ihm dann auch noch 120 Dollar in den Mund zu stopfen, die man viel besser selbst gebrauchen kann, für Schweinefleisch und Zigaretten? Nee, also diese Wendung nehme ich der Figur nicht ab, das ist zu simpel und zu konstruiert. Und gerade hier krankt es: Das Ende muss sitzen in einer solchen Geschichte, und das tut es hier leider nicht.

Was ich anfangs angenehm fand, waren die Beschreibungen, die sich nicht direkt auf die Protagonisten bezogen haben. Bspw. die Sache mit der Uhr zu Beginn, das fand ich gut. Später hast du es allerdings übertrieben. Du schiebst immer wieder längere Abschnitte in die Geschichte, die die eigentliche Handlung nicht voran bringen, sondern allein der Beschreibung von vergangenen Ereignissen dienen. Das bremst beim Lesen ungemein aus. Am deutlichsten tritt das zutage, als die beiden Männer schon beim Buddeln sind und du auf einmal das ganze Tempo aus der Szene nimmst und beschreibst, wie Obermeier auf Rademacher kam, warum er ihn braucht (ja, warum eigentlich? Kann er nicht alleine buddeln?), über angeblich verweichlichte Soldaten, die nur am Jammern sind etc. Gerade am Ende ist es wichtig, die Spannung und das Tempo aufrecht zu erhalten, da ist ein solcher Einschub störend.

Und eine Frage noch: Warum denkt Rademacher eigentlich, dass es um Schmuggel geht, wenn sie auf einem Friedhof buddeln und auf eine Kiste stoßen?

Das klingt jetzt alles vielleicht ein bisschen negativer, als ich es während der Geschichte empfunden habe. Wie gesagt, mir gefällt dein Stil, ich fand das Lesen angenehm und hab mir schon gedacht, dass die eigentliche Pointe zum Schluss kommt. Und wenn die gesessen hätte, wärs echt ne tolle Geschichte, aber mit dieser steht und fällt leider ein solches Projekt, und hier hats mir nicht gefallen. Da kann das Intro noch so gut sein.

Ein klein wenig Textarbeit noch:

Und während der kollektive Größenwahn im Gebrüll der Bomben ein Ende fand und vielen seiner Gönner und Partner nur noch Selbstmord oder ein alliierte Strick blühte,

alliierter

ohne sich dafür gleich bis nach Südamerika absetzten zu müssen.

absetzen

Ich konnte ein paar Fässer Benzin organisiert.

organisieren

Viele Grüsse.

 

Hi Schwups!

Vielen Dank für dein ausführliches Feedback und die Kritik. Besonders hilfreich fand ich deine nähere Analyse bzgl. der Glaubwürdigkeit der Figuren, ihre Motive (vor allem natürlich Rademachers Mordmotiv) und die Geschwindigkeit gegen Ende der Geschichte.

Ich fand die Tales from the Crypt auch immer sehr schön, wenn sie ein fieses und unerwartetes Ende präsentiert haben!;) Das wäre natürlich das Optimum gewesen, wenn mir das gelungen wäre.

Insgesamt hast du völlig recht, was die Glaubwürdigkeit bzw. das Tempo angeht - da muss wohl nochmal das Feintuning her!

Kann er nicht alleine buddeln?
Buddeln - ja! Sarg (selbst nen leeren) allein tragen - nein! Daher der Komplize

Und eine Frage noch: Warum denkt Rademacher eigentlich, dass es um Schmuggel geht, wenn sie auf einem Friedhof buddeln und auf eine Kiste stoßen?
Ich wollte nicht die Sache mit dem Sargklau schon zu früh reinbringen - eben weil es meine Absicht war, Rademacher so wütend aufgrund seiner Kriegserlebnis auf Obermeier zu machen. Hätte er das von Anfang an gewusst, hätte er von vorn herien dann wohl nicht mitgemacht.
Das sollte auch der grund dafür sein, dass er kein geld von Obermeier angenommen hat - der Kerl war ihm so dermaßen zuwider, dass er nichts von ihm haben wollte.
Aber allein schon anhand der Tatsache, dass dies nicht deutlich aus der geschichte selbst heraus wird, tauchen da ihre Mängel auf, stimmts?:)

Und Danke für die Rechtsschreibfehler. Auf jeden Fall freut es mich aber, dass der Stil wenigstens ok ist!

Viele Grüße zurück vom EISENMANN

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Eisenmann,

Perlmutzifferblatt
Perlmuttziffernblatt

Mandelbaum& Söhne
Mandelbaum &

und an jedem Ort aus buchstäblich Allem einen Gewinn schlagen – aus Allem.
allem

beidem –überreichlich und gar nichts.
- überreichlich

und dann….so plötzlich…..sein Herz……er war doch erst
Stellvertretend für alle anderen Stellen im Text, in denen mehr als ein Punkt vorkommt und die alle falsch sind: drei Punkte, entweder direkt angehängt oder mit Lücke davor, Lücke danach auf jeden Fall.

Menschenskinder hatte der geschrieen
Menschenskinder, hatte der geschrien

Wenn man eine Granate heranorgeln hörte
Finde ich unpassend

und eine quietschende Tür wurde aufgestoßen.
Das hieße, die Tür quietscht die ganze Zeit. Du meinst: Tür wurde quietschend aufgestoßen

Besseres zu tun als hier rum zustehen.
tun, als hier rumzustehen

seine grobe Kordjacke ausgezogen
Cord mit K? Hm, kann sein, dass das geht, ich würd's immer mit C schreiben

Schäden ja eigentlich von Deinem Lohn abziehen.“, nörgelte Obermeier.
Punkt weg

„Weißt Du, wie viel so ein normaler Sarg wert ist?
wieviel

„Weißt Du was, Rademacher, dass ist überhaupt die Idee!“
das

Ich warte schon fast eine viertel Stunde.“
Viertelstunde

und wenn wir die Möglichkeit hatte, unsere Toten
hatten

So. Ich muss sagen, ich hab die Kritiken nicht gelesen, nur teilweise überflogen, daher sorry, falls was doppelt kommt.
Ich fand die Geschichte nicht schlecht, sie ist auch recht solide geschrieben, aber ein paar Kritikpunkte hab ich doch.
1. Weitschweifigkeit. Ich habe mich zwar nicht gelangweilt, aber manche Sachen sind einfach überflüssig, z.B. am Anfang das mit der Uhr und was die schon mitgemacht hat. Oder die Schilderung, wie Rademacher raucht (wo er eingeführt wird).
2. Im letzten Viertel wird die Geschichte ziemlich künstlich, finde ich. Obermeier wird als harter, gerissener Hund geschildert, und dann fängt er auf einmal an, trottelig völlig frei und ungezwungen Rademachers Frage zu beantworten und über seine Überlegungen zu reden? Ab da war klar, wo das Ganze hinlaufen würde, das ist hingebogen.
3. Auch künstlich: dass Rademacher ihm das Geld in den Mund stopft. Das ist natürlich eine großartige Geste und so, aber Rademacher ist selbst kein Softie und man hat Einblick bekommen, dass er kein Fleisch zum Essen und keinen Alkohol hat usw. und dann soll er Geld für so eine Geste wegwerfen? Will ich stark bezweifeln.
4. Wurde schon kritisiert: Wo ist der Horror? Im Begrabenwerden, und genau da brichst du ab ...
Aber wie gesagt, nicht schlecht geschrieben und hat mich gut unterhalten.

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hallo Eisenmann

Ansprechend war mir der Titel, er führte mir dezent eine begräbnisorientierte Assoziation zu. Der Einstieg in der gewählten Wortwahl, dann aber eher ungehobelt. Häufchen Elend sowie Mauerblümchen sind Ausdrücke, die durchaus Berechtigung haben können, wenn man die dazu passende Person kennt. Isoliert so an den Anfang gestellt, vermögen sie mir als Leser aber kein vernünftiges Bild zu vermitteln und erzielen dadurch auch keine Spannung.

Er kratzte sich verstohlen im Schritt und warf dann einen unauffälligen Blick auf seine goldene Armbanduhr.

Redundante Worte, dann und goldene. Die Uhr wird nachfolgend ja ausführlicher umschrieben.

Handarbeit von Mandelbaum& Söhne.

Hier wirkte mir nach Mandelbaum ein Leerschlag plausibler, immerhin der Name eines Juweliergeschäfts. Letztere Firmenbezeichnung klingt übrigens gewählter als Juwelierladen.

gegen die Adressen von zwei sehr jungen, sehr unglücklichen und vor allem sehr hungrigen Witwen getauscht.

Mich dünkt es ein zu viel an sehr, ohne die beiden Ersten würde der Satz nicht massiv übertrieben klingen, da du dieses Stilmittel ohnehin schon stark ausschöpfst.

von beidem –überreichlich und gar nichts.

Leerschlag nach Gedankenstrich, sonst liest es sich als unsinnigen Bindestrich.

Und die Garnitur, Floristik und der Grabstein sind dabei noch nicht mal mit eingerechnet.“

Das mal erscheint mir unnötig, da Obermeier vorgehend nur vom Sarg spricht. Auch schiene mir Innenausfütterung statt Garnitur und Grabschmuck anstelle Floristik angezeigter.

und bei Weitemdem

Hier ist je ein Leerschlag vor und nach den Auslassungszeichen korrekt!

bis dann endlich……

Dito Leerschlag und generell immer nur drei Punkte.

Normalerweise hätte er die Zigarette in der Hocke geraucht und die Glut mit der Hand abgedeckt.

Hier schiene mir hatte angezeigt, er befindet sich ja nicht mehr im Krieg, gibt insofern keine Zielscheibe ab.

Er zündete sich eine neue Zigarette an und spülte den Tabakrauch mit einem kräftigen Schluck öligen Kartoffelschnapses runter.

Die zumindest damals filterlosen Lucky Strike schmeckten übrigens süsslich, entgegen andern Zigaretten, wie ich mich erinnere. ;)

um mit zitternden spindeldürren Fingern eine neue Zigarette aus der Schachtel zu fummeln.

Damals waren die Lucky Strike noch nicht in Schachteln, sondern ganz konventionell papieren umwickelt, also treffender: Packung.

vertraute Silhouette eines Opel „Blitz“ Lastwagens

Hier würde ich Opel Blitz als Markennamen einfach kursiv setzen, als solches war er ja sehr bekannt.

Er hatte zwei große Charaktervorzüge

Große Charaktervorzüge klingt für meinen Geschmack etwas eigenartig. Besser schiene mir einfach Charakterzüge oder Charaktereigenschaften. Deren Vorteil für Obermeier wird anschliessend ja sofort verständlich.

Und wenn wir die Möglichkeit hatte, unsere Toten einfach so in eine Grube zu werfen, ohne

hatten

Ich habe die Geschichte nicht ungern gelesen, auch wenn manches etwas zu Superlativ daherkommt und mir eher hemmend war. Ob ein Typ wie Rademacher, das Geld zum Mundstopfen verwenden würde, erweckte mir etwas Zweifel. Obwohl sein Motiv für die Tat, den Obermeier lebendig zu begraben, vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen im Krieg durchaus nicht ohne Plausibilität ist.

Ich sehe eben, dass Maeuser einzelne Korrekturhinweise auch aufgegriffen hat. Aus Zeitgründen kann ich sie aber nicht mehr vergleichen und bei mir löschen. Also störe dich nicht daran.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Jo Eisen,

schluchzte das zusammengekrümmte Häufchen Elend mit tränenerstickter Stimme und roten, verquollenen Augen.

Adjektiv-Overkill. Eigentlich bin ich da weniger empfindlich als manch anderer im Forum, aber hier finde ich's schon auffällig.


Obermeier musste krampfhaft ein Gähnen unterdrücken, während er nur mit halbem Ohr zuhörte.

Die Info ist: Die Trauernde ist ihm schnurz. Das kommt mit dem Gähnen eigentlich ausreichend rüber.


Der Anblick seiner neuen Uhr munterte Obermeier jedoch ein bisschen auf.

Füllwort jedoch


brüchigen Stimme der Frau vor seinem Mahagonischreibtisch abzulenken.

Es muss diverse Wege geben, die Beschaffenheit des Tisches zu kommunizieren. „brüchigen Stimme der Frau vor seinem Schreibtisch abzulenken“ fließt echt schöner, find ich.


ass er genug einflussreich, aber dabei nicht zu bekannt wurde

Genug raus, sonst holpert's.


Der gleiche Riecher ließ Obermeier die richtigen Ärsche küssen, die richtigen Leuten denunzieren und bewahrte ihn vor den eisigen Steppen der Ostfront, dem brennenden Himmel über England oder einem nassen Grab im Atlantik.

Der dritte Teil passt nicht mehr, müsste sowas stehen wie „und die eisige Ostfront vermeiden“. Oder zwei Sätze draus machen.


Er konnte zu jeder Zeit und an jedem Ort aus

von statt an


Herrgott, war die Frau immer noch nicht fertig?!

Herrgott, war die Frau immer noch nicht fertig?


ein, die war nichts für seine Sonderkartei!

Welche Funktion erfüllt das Ausrufezeichen hier?


das jedem Außenstehenden eher wie das Grinsen eines Haifischs vorgekommen wäre

Haifischgrinsen bei Geschäftsleuten ist ein Klischee, wenn du es benutzt, würde ich es nicht so breittreten. Das klingt sonst, als glaube der Autor, er habe das erfunden. Obermeiers Haifischgrinsen


dass er die Glut schon auf seinen Lippen fühlen konnte.

Er fühlt sicherlich nicht die Glut, das wäre ein nicht mal sekundenlanges Vergnügen, und es geht um filterlose Fluppen, oder? Sonst ist das nämlich quasi unmöglich.


Erst, als er fast schon den Geruch von seinem verbrannten Fleisch in der Nase hatte, warf er den winzigen Stummel in die Dunkelheit.

Fast ist fast immer so ein Ding. Was soll das heißen, er hat den Geruch fast in der Nase? Aber nicht so ganz? Nicht richtig? Was riecht er denn dann? Außerdem ist „verbranntes Fleisch“ effekthascherisch, du riechst doch nicht gleich verbranntes Fleisch, wenn du dich mit einem Feuerzeug oder was verhantierst. Höchstens verbrannte Haare, und wer hat die schon an der Lippe?


Einfach die Glut ins Visier nehmen, einen knappen Zentimeter drüberhalten und die Kugel landet genau zwischen den Augen.

Außer man sieht die Glut unwissentlich von der Seite – weil es ja dunkel ist – und die Zigarette wurde gerade erst angezündet. Keine Ahnung warum, aber der Gedanke kam mir an der Stelle.


an dem er gelehnt hatte und ging auf das Fahrzeug zu.

an dem er gelehnt hatte, und ging auf das Fahrzeug zu.


Deinem Lohn abziehen.“, nörgel

gesagt.“, brummte


Punkte raus

Los, weiter“

Und einen davon hier wieder einfügen.


Man musste halt in allem seinen Vorteil sehen, auch in einem Krieg.

Das ist platt, weil an dieser Stelle der Geschichte längst klar ist, dass Obermeier so denkt.


dass ist überhaupt die Idee!“

das


Scheißleichen

:rotfl: scheiß Leichen! Sonst hat er da ja Leichen, die die ganze Zeit scheißen! Mann!


Und wenn wir die Möglichkeit hatte,

hatten


Ich hab selbst mal so eine Fieser-Geschäftsmann-kriegt's-retour-Geschichte geschrieben, und leck mich am Arsch, wenn ich mich recht erinnere, hieß der Prot auch Obermeier. Würde ich heut nicht mehr machen, weil: Diese Figur Obermeier ist sehr eindimensional ge-, im Grunde schon comichaft überzeichnet. Das gehört eher in einen Horror-, ja, Comic, so ist das ein bisschen lahm. Klar, Unterhaltungsliteratur, und es verbietet sich ja auch nicht, aber wenn du auf sowas setzt, musst du es entweder an anderer Stelle ausgleichen oder es voll durchziehen. Weißt du, wie Martial-Arts-Filme: Gut, die reden halt Mist, aber 1a choreographierte Kampfszenen!

Voll durchziehen heißt: Dieses Moralisierende erinnert mich immer stark an Geschichten aus der Gruft, aber um da ranzureichen, bräuchtest du ein dickes larger-than-life-Finale poetischer Gerechtigkeit: Obermeier, der die Welt in Gewinner und Verlierer, Reich und Arm einteilt, liegt zum Schluss im edelsten Sarkophag, aus dem es kein Entkommen gibt, während er sich aus der morschen Ramschkiste für die Toten des Prekariats wohl hätte befreien können. In der Art.

Deine Pointe ist der Titel des TdS. Das reicht irgendwie auch nicht so ganz. Als wäre das Motto „Werwölfe“, und zum Schluss kommt raus, die Morde gehen auf das Konto eines Werwolfs. Das Grauen des Lebendig-begraben-Seins fehlt völlig. Zumal Obermeier in einer Art lebendig begraben wird, die ihn verhältnismäßig schnell und gnadenvoll töten dürfte.


Grüße
JC

 

Hallo Eisenmann,
Eine insgesamt recht gute Geschichte; sehr flüssig geschrieben.
Die Szene mit der Uhr fand ich sehr gut gelungen, weniger gefallen haben mir dann diese Abschweifungen:z.B:

Inzwischen war ein bleicher, gleichgültiger Mond aufgegangen, der wie ein riesiger Totenkopf auf Rademacher heruntergrinste. Fehlten nur noch die Ratten, die sich durch die blicklosen Augen in das Innere des Schädels fraßen, um an das Gehirn zu kommen. Was für Rademacher Sauerbraten mit Stampfkartoffeln war, das war für Ratten wohl Hirn von toten Soldaten. Oder Frauen, Kindern, Greisen und Krüppeln. Ratten waren da nicht besonders wählerisch, was ihre Lieblingsspeise betraf. Es schien sie auch nicht zu stören, wenn das Hirn schon hartgefroren war im russischen Winter. Oder noch nicht ganz tot. Wenn noch ein schwach zuckender und leise stöhnender Mensch an dem Hirn hing. Diese
Das braucht die Geschichte gar nicht - es sei denn am Ende wird Obermaier von den Ratten gefressen ...
Die HAuptschwäche deiner Geschichte ist, dass sie - so zumindest von mir gefühlt - auf eine Pointe oder Höhepunkt hinarbeitete, dieser aber recht wirkungslos verpufft
Rademachers Rache an Obermaier ist für mich nicht plausibel. Er ist mit den Nerven fertig und mag sich seinen Teil denken - aber ein Motiv für den Mord habe ich nicht gesehen - da könnte noch etwas kommen.
Bezüglich Horror habe ich nichts gespürt - das Grauen wäre erst später aufgetaucht. Zum Beispiel hätte man Obermaier mit Ratten ...
Die Moral der Geschichte gefällt mir sehr gut, aber leider ist die Umsetzung noch nicht glaubwürdig. Ich denke, es lohnt sich, da ein stärkeres Motiv zu finden oder der Geschichte auch eine neue Wendung zu geben.
Schreibstil finde ich - von den Abschweifungen abgesehen - recht flüssig und das Thema an und für sich hat relevanz - darum hoffe ich, dass du da noch die Kurve kriegst

LG
Bernhard

 

Hallo ihr Lieben!

Erstmal wieder ein großes Dankeschön für euer Feedback und die Kritikpunkte.:) Ich fürchte, ihr habt mit euren Anmerkungen recht, dass eine "Horror"-Atmosphäre leider nicht aufkommt. Die Pointe ist insgesamt zu flach und nicht nachvollziehbar - viele Beschreibungen hingegen redundant bzw. überflüssig.
Wahrscheinlich werde ich mir die gesamte Story nochmal von Grund auf vorknöpfen oder aber verwerfen und eine Neue schreiben. Schade nur, dass die vorliegende Geschichte ihr Ziel verfehlt hat.

@Proof, Meuser und Anakreon
Danke für die detaillierten Anmerkungen, Jungs!:) Yo, Proof - ich sag nur "Scheißleichen":lol:!!Alter Schwede, unfreiwilliger Lacher, über den ich selbst jetzt noch beim Schreiben grinsen muss!!!;)

@Bernhard
Das freut mich, Bernhard, dass dir der Schreibstil gefallen hat -ist ja immerhin auch schon etwas.

Auf jeden Fall habt ihr aber Recht - die Story sollte so in der Form jedenfalls nicht bleiben!

Grüße vom EISENMANN

 

Hi Eisenmann

Wahrscheinlich werde ich mir die gesamte Story nochmal von Grund auf vorknöpfen oder aber verwerfen und eine Neue schreiben. Schade nur, dass die vorliegende Geschichte ihr Ziel verfehlt hat.
Ja, das solltest du tun
Ich glaube nicht, dass sie das Ziel verfehlt hat. Sie ist eine erste Skizze einer großartigen Geschichte.
Hemmingway hat den Anfang zu der alte Mann und das Meer ca. 42 Mal umgeschrieben - also mal rann an deine 2 e Version ;)
Schreiben hat viel mehr mit Arbeit zu tun, als man gemeinhin denkt :klug:

LG
Bernhard

 

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