- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Winnetou hat keine Lust mehr
Lisa war wieder einmal alleine daheim und ihr war es wieder einmal so richtig langweilig. Da sie nicht in der Stadt, sondern in einem kleinen Dorf wohnte, konnten ihre Freundinnen sie so schlecht besuchen. Ansonsten war Lisa wie fast alle Mädchen in ihrem Alter. Sie war neugierig; sie liebte Tiere über alles und war für jeden Scherz zu haben.
Das einzige was Lisa von den anderen Kindern unterschied war ihre große Liebe zu Winnetou. Winnetou, daß ist der große Häuptling der Apachen, einem Indianerstamm.
Viele von euch werden Winnetou garnicht mehr kennen. In den 60er Jahren waren die Leute verrückt nach Filmen von ihm. Lisa hatte durch Zufall einen Film von ihm gesehen und fand ihn sofort toll.
Lisa hatte alle Filme von Winnetou daheim und manchmal, wenn sie alleine war schaute sie sich einen Film an und dabei konnte sie immer so herrlich träumen. Sie dachte dann immer:" Ach dieser Winnetou ist so tapfer und so stark und er setzt sich immer für das Gute ein. Ach ich wäre so gerne seine Freundin oder was würde ich darum geben, wenn ich einen Tag mit ihm verbringen könnte oder noch schöner, wenn ich Ribana wäre. Ribana war die große Liebe von Winnetou.
So schaute sich also Lisa wieder einmal verliebt einen Winnetou-Film im Fernseher an und träumte so vor sich hin, als sie plötzlich eine Stimme hörte:" Du Lisa warum muss ich dir eigentlich so oft die selbe Geschichte vorspielen? Du kennst sie doch schon auswendig!" Lisa dachte, daß der Fernseher wohl eine Macke hatte, aber war schon komisch, daß der Fernseher ihren Namen kannte. Als sie genauer hinschaute konnte sie außerdem sehen, daß sich das Bild im Fernsehen nicht mehr bewegte und Winnetou schaute ihr die ganze Zeit mitten ins Gesicht. Lisa dachte sich nichts dabei und schaute ganz einfach weiter in den Fernseher. So schaute also Lisa auf Winnetou und Winnetou auf Lisa.
Dann fing Lisa an zu überlegen. Ob wohl der Videorecorder kaputt ist? Der Videorecorder war aber nicht kaputt. Sie überlegte weiter, als sich die Stimme aus dem Fernseher abermals meldete:"Lisa, warum muss ich dir immer denselben Film vorspielen? Ich kann schon bald nicht mehr!" Lisa war sich immer noch nicht sicher, ob sie das glauben sollte, aber antwortete jetzt: "Du bist doch nur ein Film und in Wirklichkeit gibt es dich doch gar nicht!" Winnetou sah sie an sprach:"Ja das glauben alle, aber es ist nicht so. Immer, wenn du dir den Film anschaust, muss ich das auch wirklich spielen." "Ach so ein Blödsinn!" entgegnete sie der Stimme aus dem Fernsehen, aber so langsam fand sie es schon schön, daß der große Häuptling der Apachen mit ihr sprach. Sie glaube zwar noch immer noch nicht richtig daran, aber es fühlte sich irgendwie toll an.
Lisa ging etwas näher zum Fernseher. Genauer gesagt so nahe, daß sie mit den Händen den Bildschirm berühren konnte. Sie dachte sich, wenn er mit mir reden kann, dann kann ich ihn vielleicht auch berühren, aber es ging nicht. Der Bildschirm war dazwischen. Es war so als ob jemand vor dem Fenster stünde und man sich obwohl Glas dazwischen war unterhalten konnte.
So sahen sich beide an. In Lisas Gesicht konnte man immer mehr ein Lächeln erkennen und so langsam begann sie etwas zu träumen. Winnetou riss sie aber wieder aus ihren Träumen und fragte:"Du Lisa kannst du dir vielleicht meine Filme etwas weniger anschauen?" "Ach Winnetou ich seh dich aber so gerne. Meine Freundinnen wohnen so weit weg und mit dir kann ich immer so schön träumen." Winnetou entgegnete ihr jetzt ein bißchen schroffer:"Du weißt aber schon, daß man vom fernsehen schlechte Augen bekommt" "Ja das sagt meine Mutter auch immer. Was wollen wir jetzt machen?" "Ja was können wir da tun?" wiederholte Winnetou ihre Frage. "Ich denke du willst deine Freundinnen öfters sehen und ich will nicht mehr so oft denselben Film spielen" fuhr er nach einer kurzen Weile fort.
Beide überlegten. Wobei Lisa nicht ganz so viel überlegte. Für sie war es doch jetzt immer faszinierender ihrem Winnetou so nahe zu sein. Winnetou unterbrach dann irgendwann das Schweigen mit der Frage, warum Lisa denn ihre Freundinnen so selten sehen könne. Lisa antwortete:"Ich wohne etwas außerhalb hier und meine Freundinnen wohnen in der Stadt" "Aha" erwiderte Winnetou und fuhr fort:"Können deine Eltern dich nicht zu deinen Freundinnen bringen?" "Meine Eltern?!" Winnetou konnte ein fragendes Gesicht sehen. "Die haben keine Zeit. Die schauen auch immer so viel fern!" "Die schauen auch immer so viel fern!" Wiederholte Winnetou erstaunt und dann sagte er:"Was würde denn passieren, wenn es den Fernseher nicht mehr gäbe" "Weiß ich doch nicht" "Aber ich weiß es Lisa. Deine Eltern hätten mehr Zeit für dich." "Glaubst du wirklich, Winnetou?" "Das glaube ich nicht nur, daß weiß ich Lisa. Den Fernseher können wir aber schlecht kaputt machen. Ich habe da aber eine Idee Lisa. Lass dich überraschen. Wenn du mir versprichst, daß du weniger Winnetou schaust, dann helfe ich dir" "Ich sehe dich doch so gerne! Na gut, aber auch nur dann, wenn deine Idee klappt" "Ok, nur wenn es klappt".
Lisa schaltete den Fernseher aus und wartete bis ihre Eltern von der Arbeit heim kamen. So um fünf waren sie dann daheim. Die Mutter machte das Essen und danach schaltete sie den Fernseher an. Fünf Minuten nachdem der Fernseher eingeschaltet war, geschah etwas sonderbares. Ein Mann mit langen glänzendem schwarzen Haaren in einem Anzug erschien im Fernseher und verkündete:"Bis auf weiteres gibt es kein Fernsehprogramm mehr. Huck ich habe gesprochen!" Danach sah man nur noch ein Standbild aus der Prärie.
Die Eltern von Lisa sahen sich gegenseitig verwundert an. Vor allen Dingen dieses "Huck ich habe gesprochen" kam ihnen doch sehr seltsam vor. Lisa saß noch am Esstisch und mußte in sich hineinlachen, denn der Mann, der das Fernsehprogramm beendete war natürlich Winnetou gewesen. "Na gut dann gibt es heute eben kein Fernsehprogramm" sagte dann endlich Lisas Mutter und fuhr fort:"Wir schauen eh zu viel fern" "Ja aber was machen wir jetzt?" mischte sich der Vater von Lisa ein. Dem war es anzusehen, daß er es sich zu gerne mit einem Bier vor dem Fernseher gemütlich machen wollte.
Lisa erkannte, daß das ihre Chance war. "Wir könnten ja etwas zusammen spielen?" sagte sie dann geistesgegenwärtig. Die Mutter gab ihr sofort recht: "Ja das haben wir schon lange nicht mehr gemacht! Lisa schlag doch was vor.""Wir könnten ja ein bißchen kniffeln oder Mensch ärger dich nicht spielen" Gesagt getan und ihr könnt es euch nicht vorstellen, aber so viel wurde schon lange nicht mehr gelacht in Lisas Familie und am Ende des Abends beschloss man, mindestens einmal die Woche einen Spieleabend zu veranstalten. Es kam sogar noch besser. Immer mehr Freundinnen von Lisa beteiligten sich an dem Spieleabend und auch andere Eltern beschlossen so einen Spieleabend zu veanstalten, wo auch manchmal Lisa teilnahm.
Lisa schaut noch immer gerne Winnetou-Filme an, aber nicht mehr so häufig. Außerdem kennt sie die Filme ja wirklich in- und auswendig, aber wenn sie sich die Filme anschaut, dann zwinkert ihr der große Häuptling der Apachen manchmal zu.