Windgeschichten
Manchmal lohnt es sich dem Wind zu lauschen.
Wenn man genau hinhört, erzählt er einem viele Geschichten.
Er trägt sie zu dir aus weiten Ländern oder aus der Nachbarschaft.
Ich liege da und lasse mir die Geschichten zutragen. Manche höre ich nur bruchstückhaft, verliere den Faden oder vergesse sie. Manche Geschichten fängt der Wind an zu erzählen und ich erdenke sie weiter, verstricke sie in meiner Phantasie. Meist erzählt der Wind genau die Geschichten, die ich brauche.
Von Liebe, von Traurigkeit, von Glück, von fernen Ländern oder auch nur von dem, was ich gerade will.
Die Erotischen sind mir die Liebsten. Ich lasse mir den Mann beschreiben, der mich verführen soll, hier und jetzt. Ich spüre seinen Atem und seine Hände auf meiner Haut. Dunkle Locken soll er haben und tiefe braune Augen mit seidigen Wimpern. Seine schöne Nase riecht an meinem Hals und seine kräftigen, zarten Hände streicheln meine Haut. Ich spreize leicht die Beine, so, daß er mich besser berühren kann. Ist es der Wind der mich liebkost oder ist es mein Phantasieliebhaber? Meine Augen sind geschlossen und meine Hände erspüren seinen Körper. Kräftige Schultern, ein zarter Rückenpflaum und ein muskulöser Hintern. Unsere Beine verschlingen sich und mich durchströmt das wohlige Gefühl der Lust. Unbändige Liebe steigt auf und ich möchte ihn zärtlich spüren.
Seine Stimme klingt wie ein Lied und sein Atem gibt mir Kraft. Reglos und doch mit meinem Liebhaber ringend liege ich da, bis er mich verläßt und wieder mit dem Wind hinwegeilt. Immer zu früh und immer zu kurz. Er läßt mir nur die Erinnerung und die Sehnsucht zurück. Gedanken, die ich versuche einzubrennen in mein Hirn, um sie immer wieder abrufen zu können, um die schlimmsten Qualen zu besänftigen. Wieder warte ich auf den Wind, um ihn zu spüren und
einzuatmen, wonach ich mich sehne.