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Wiedersehen
Ein Hemd, die oberen beiden Knöpfe offen? Das legere Shirt mit V-Ausschnitt? Oder einfach nur die tiefsitzende, lässige Jeans, sonst nichts? Zu offensichtlich … Scheiße, gleich wird er an der Tür meines Hotelzimmers klopfen. Und ich stehe noch immer halbnackt vor dem Spiegel. Und kann mich nicht entscheiden.
Tock. Tock. Verdammt! Pünktlich auf die Minute. Wie immer. Hektisch ziehe ich mir das Hemd über den Kopf, das ich gerade erst ausgezogen habe. Die Knöpfe richtig geknöpft? Spiegelcheck. Ok, ich sehe hot aus. Bis auf mein demoliertes Gesicht. Das ich mir selbst zu verdanken habe. Mein erster MMA-Fight in dem ich eine Runde abgegeben habe. Für ihn. Es hat funktioniert. Er hat den Kampf gesehen. Mich danach in der Kabine besucht. Nur kurz. Aber lang genug, um ein Treffen auszumachen. Ein paar Tage lang kein Pretty Boy, was soll's. Und gewonnen habe ich dann ja doch. Ein kleines Opfer dafür, ihn wiederzusehen. Endlich.
Tock. Tock. "Ja, ich … ich komme!" Scheiße, verdammtes nervöses Gestotter. Im Ring oder im Octagon bin ich die coole Sau. Und hier … ? Tief durchatmen. Finger nochmal durch die Haare. Doch noch einen Knopf auf. Okay.
Da steht er. Tadellos gestylt. Nicht extra für mich, sondern wie immer. In Hemd und Jeans. Kein Lächeln. Undurchdringlicher Blick. Selbstbewusst, entnervend gefasst. Perfekte Fassade. Das kann er. Und ich? Bin sprachlos. Und will ihn. Meinen Ex-Trainer und Ex-Freund. Ex, weil ich ihn betrogen habe. Ich hatte nicht gedacht, dass es ihm so viel ausmachen würde. Ich hatte gar nicht viel gedacht, in der Nacht, als ich mit Tom in unserem gemeinsamen Bett gelandet war.
Tom, der eigentlich eine Freundin hat, der Schauspieler, der Berufs-Verführer mit seiner tiefen Stimme und seinen vollen Lippen, der mir für seine nächste Rolle ein paar Wochen über die Schulter schauen wollte. Und mehr. Der alles mal ausprobieren wollte. Der begann, mit mir zu flirten und der mich irgendwann alles andere vergessen ließ. Bis er plötzlich im Türrahmen stand. Fassungslos. Ich konnte nicht sagen, dass ich es bereute. Es wäre eine Lüge gewesen. Und er wusste es. Ich ließ ihm praktisch keine Wahl. Ein stolzer Mann, wie er. Er musste gehen.
"Was ist?" fragt er. Oh, fuck it. Warum versuchen, auf abgeklärt zu machen. Sinnlos, ich kann ihm nichts vormachen. Er durchschaut mich sowieso. Dazu kennt er mich viel zu gut. "Ich … ähm ...", ich kratze mich am Kopf, ohne es zu wollen. "du siehst … toll aus! Ich meine … ich … schön, dass du da bist." Verdammt! Er verzieht keine Miene. "Kann ich reinkommen?" Seine Coolness macht mich fertig. "Ja. Klar." Er geht an mir vorbei. "Nettes Zimmer", bemerkt er, zur deckenhohen Fensterfront gewandt. "Hm, ja." Die Suite könnte mir nicht scheißegaler sein. "Magst du … magst du was trinken?"
"Wenn ich noch dein Coach wäre, hätte ich dir nach der ersten Runde die Hölle heiß gemacht." "Wenn du noch mein Coach wärst, wäre das nicht nötig gewesen." Zwischen seinen Augenbrauen bildet sich eine verstimmte Furche. "Was soll das heißen?" "Genau das." Er verschränkt die Arme, taxiert mich durchdringend. "Das war Kamikaze. Ohne Deckung drauf los. Du hast dich einfach vermöbeln lassen. Warum?" Ich zucke mit den Schultern. "Hat es dir nicht gefallen, zu sehen wie mir jemand die Fresse poliert?" Er starrt mich an: "Wie bitte?" Ich versuche ein trockenes Lachen, das leider eher wie ein Husten klingt. "Wütend genug warst du ja auf mich." Er versteht. "Willst du mir erzählen, du hast das mit Absicht gemacht?"
"Keine Ahnung. Ich war schlecht drauf. Ich bin schlecht drauf. Ich fühl' mich scheiße wegen dem, was passiert ist … was ich getan habe. Ich hab' gehofft, dass du den Kampf siehst. Ich … ." "Mach' das nie wieder." "Es … es tut mir ... tut mir ... so leid. Wirklich, ich … das mit Tom war völlig daneben. Ich wünschte … ich wünschte, ich könnte es wieder gut machen." "Du meinst, du wünschtest, ihr hättet euch nicht erwischen lassen? Ihr wärt nicht so bescheuert gewesen, es ausgerechnet in unserem Bett zu tun?" Ich kann seinen Blick nicht halten. Er macht eine abfällige Handbewegung. "Lass es gut sein, es ist passiert. Und es ist vorbei."
Vorbei. Ich fühle den Boden unter meinen Füßen schwanken. "Ich … vermisse dich." Scheiß drauf, lass es raus. "Ich vermisse es, neben dir einzuschlafen. Neben dir aufzuwachen. Ich vermisse es, mit dir zu trainieren. Ich vermisse es, mich mit jemandem ohne Worte zu verstehen. Ich vermisse es, einfach mit dir zusammen zu sein. Verstehst du ich … ich kann nicht glauben, dass es vorbei ist. Ich war mir sicher, dass du immer ein Teil meines Lebens sein würdest ..."
Er sieht mich an. Schweigend. Lässt mich voll auflaufen. Sag was. "... ich bin nicht als dein Ex-Freund gekommen, der eine Beziehung kitten will … Das ist für mich erledigt. Sondern als dein Ex-Coach. Der sich immer noch für dich verantwortlich fühlt. Besonders wenn du derart kolossale Scheiße baust wie gestern Abend."
Alles klar. Aus und vorbei. Erledigt. Nicht heulen. Bloß nicht. Fassung. Ich flüchte mich zum Fenster. Stirn an das kühle Glas pressen. Kurz den "Pause"-Knopf drücken. Es aushalten. Zähne zusammenbeißen. Nichts Unüberlegtes tun. Ich drehe mich um. "Du meinst, das ..." ich zeige mit beiden Händen auf meinen Oberkörper, "interessiert dich nicht mehr?" Ich gehe auf ihn zu, stelle mich direkt vor ihn. "Das lässt dich völlig kalt?" Er verdreht die Augen: "Ich bitte dich!" Der Abgeklärte, der Vernünftige. Ich ziehe mir das Hemd über den Kopf. Ich weiß, wie heiß er meinen Körper findet, er hat es mir oft genug gesagt.
"Weißt du, wieviele Typen töten würden, nur um mich anfassen zu dürfen?" Er lacht ein kurzes unamüsiertes Lachen. "Ja, das weiß ich." Er gibt sich ein wenig zu viel Mühe, mir in die Augen zu sehen. Verraten. "Das macht dich nicht mehr an? Wirklich?" Ich greife ihm zwischen die Beine. Ehe ich fühlen kann, ob er hart ist, reißt es mich zur Seite. Sein Schlag trifft mich völlig unerwartet. Fest. Mit der flachen Hand. Sehr fest. Meine Wange brennt. Eine Glatte von jemandem wie ihm hat es in sich. Besonders auf einem blaugeschlagenen Gesicht.
"Whoa", sage ich, als ich meine Balance wiedergefunden habe. Für den Bruchteil einer Sekunde erwäge ich, zurückzuschlagen. Mich auf ihn zu stürzen. Aber nicht, um ihm wehzutun. "Was denkst du dir eigentlich? Das war respektlos. Indiskutabel. Aber darin bist du ja gut." Ich kann ihn nicht ansehen. Er hat recht. Ich reite mich gezielt weiter rein in die Scheiße. Bravo. "Du willst wissen, ob du mich noch anmachst?! Ja, stell dir vor. Bin ich versucht, dich anzufassen? Ja. Aber ein geiler Körper ist nicht alles. Nicht für mich. Bei Weitem nicht alles." Er holt tief Luft, hält einen Moment inne, ehe er die Frage fragt, vor der ich mich am meisten gefürchtet habe. "Triffst du dich noch mit ihm?"
Ich muss gar nichts sagen, nichtmal nicken und er weiß Bescheid. Er sieht mich ungläubig an. "Ist das dein Ernst?" Er schüttelt den Kopf. "Du triffst dich noch mit ihm und glaubst ernsthaft … ? Verdammt, träumst du eigentlich?" Ein letzter Versuch. "Ich kann nicht … ich will nicht glauben, dass es wirklich aus ist. Verstehst du? Ich … ich liebe dich. Auch wenn ich nicht auf Tom verzichten will, heißt das noch lange nicht, dass ich dich nicht .... Ich liebe dich mehr, als ich in meinem Leben jemals einen Menschen geliebt habe. Aber ich ... ich kann es nicht so, wie du es gerne hättest." "Und ich will und werde dich nicht teilen." "Ich weiß."
Ich ziehe mir das Hemd wieder an. "Ich sollte gehen", sagt er. Bitte. Nicht. "Ich … bring dich zur Tür." Für einen Moment bewegt sich keiner von uns. Dann nickt er. Einfach nicht denken. Durch. Ich gehe an ihm vorbei. Drehe den Türknopf. Er neben mir. So nah, dass ich seine Wärme spüre. Ich wende mich ihm zu. Eine Umarmung zum Abschied. Immerhin. Seine linke Hand auf meiner Taille. Unter meinem Hemd. Auf meiner Haut. Zieht mich an ihn. Sein Körper an meinem. Seine Lippen auf meinen. Länger als nur einen Augenblick. Meine Zunge in seinem Mund. Noch einmal ganz nah. "Bye", sagt er.