Wiederkehr
Es war schon abend. Sie saß zusammengekauert auf dem Balkon und starret zwischen den Brettern der Brüsting hindurch.Von unten aus dem Garten kam ein leises Knurren. Sie wußte wer- oder besser was- es war, aber sie kannte das schon und es war ihr egal. Er war also wieder da. Jedesmal kündigte er sich mit diesem Knurren an, einem Laut, der´ganz tief hinten aus der Kehle kommen mußte. Es passte nicht zu seinem Wesen. Ein Scharren, kurzes, heftiges Schnaufen- dann war es still.Ihre Muskeln begannen vor Kälte zu zittern. Sie haßte das. Es mußte ja notgedrungen den Eindruck erwecken, daß sie sich fürchtete, vielleicht vor ihm. Und das konnte er nicht leiden. Aber immerhin wehte ein kühler Wind, da hatte sie schließlich ein Recht auf ein bißchen Zittern.
"Hallo", hörte sie ihn sagen.
"Grüß dich", antwortete sie leise. Er kam nur, wenn sie alleine war. Obwohl es vorher keine Absprache zwischen ihnen gegeben hatte, wußte er den Zeitpunkt abzupassen. Und sie wußte immer, wanner kommen würde.
"Du zitterst." sagte er. Sie zuckte mit den Schultern. Sie hatte ihn nicht gerufen, er war von allein gekommen; zwar hatte sie auf ihn gewartet, aber......
"Was hast du getan?" Jedesmal fragte er sie.Wieder zuckte sie gleichgültig mit den Schultern. Er gab einen unwillig gurgelnden Laut von sich. Ein leichter, aber eiskalter Wind strich durch die raschelnden Blätter. Sie spürte wie sich jedes einzelne Häärchen auf ihrer Haut sträubte. Ihre Zähne schlugen hörbar aufeinander. Zwei Katzen stritten sich, draußen vor dem Zaun. Sie schrieen wie weinende Kinder. Der dunkle Schatten der Bäume hob sich groß und mächtig gegen den mondlosen Nachthimmel ab.
"Ich hab ein Gedicht geschrieben" sagte sie nach einer Zeit, mehr zu sich selbst als zu ihm. Obwohl er keinerlei Geräusch verursachte spürte sie, daß er da war. Er war immer dagewesen. Er brummte leise und sie meinte sein lautloses Lächeln zu hören. Konnte man Lächeln hören? Konnte er überhaupt lächeln?
"Du", sagte er rauh,"du mußt gut auf dich aufpassen."
Sie blickte in die Richtung in der sie ihn vermutete. Nichts als Dunkelheit sah sie. "Warum?" flüsterte sie."Paß auf dich auf" wiederholte er.
Der Wind hatte sich gelegt, ihre Jeans war klamm vom Tau und ihre Hände spürte sie schon lange nicht mehr. Die Katzen waren still, nur gedämpftes Rascheln war gelegentlich zu hören. Sie sog die Luft ein. Feucht. Es würde noch regnen- wo fand er Unterschlupf?
" Wiedersehen" sagte er tonlos. Sie antwortete nicht. Er würde wiederkommen. Ein kurzes Scharren, ein heftiges Schnaufen und ein sekundenschnelles Aufglühen zweier gelblicher Punkte drüben im Schatten der Bäume. Er würde wiederkommen, ganz bestimmt. Sie starrte noch eine Weile in die Dunkelheit, bis sie aufstand und zu den Eichen hinübersah. Bald würden sie sich wiedertreffen und bis dahin würde sie auf sich aufpassen.